Auszug aus der Einleitung:
Im zweiten Kapitel wird die aktuelle Situation auf den Finanzmärkten betrachtet, aus der heraus der Ruf nach einer stärkeren Besteuerung des Finanzsektors erneut laut geworden ist. Außerdem werden in knapper Form zwei Alternativmodelle zur FTS dargestellt, sowie ein Überblick über bestehende und vergangene Steuern verschiedener Länder gegeben, die in die Kategorie der Transaktionssteuern einzuordnen sind.
Kapitel 3 beginnt mit einem Exkurs, in dem einige Begriffe erläutert werden, die für das Verständnis der weiteren Arbeit von Bedeutung sind. Die Kapitel 3.2 und 3.3 widmen sich dem Ursprungskonzept der Tobin-Steuer und dessen Weiterentwicklung zur titelgebenden Finanztransaktionssteuer. Besondere Beachtung finden dabei, neben dem Konzept der FTS, zentrale Probleme bei der Ausgestaltung derselben. Die bis dahin gewonnenen Erkenntnisse werden in Kapitel 3.4 zusammengefasst und daraus ein Zwischenfazit gezogen, mit dem der zweite Teil der Arbeit – die Untersuchung der Wirkung – eingeleitet wird.
Das vierte Kapitel teilt sich dabei auf die beiden genannten Schwerpunkte auf – die Auswirkungen auf die Volatilität (4.1), sowie das erwartete Steueraufkommen (4.2). Innerhalb des Kapitels 4.1 wird zudem nach modelltheoretischen und empirischen Literaturbeiträgen unterschieden, da sich die Erkenntnisse dieser beiden Sparten zum Teil recht deutlich unterscheiden.
Kapitel 5 fasst die Ergebnisse der Arbeit kritisch zusammen und beurteilt abschließend das „Instrument Finanztransaktionssteuer“.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Symbolverzeichnis
1 Einleitung
2 Die Finanztransaktionssteuer im Jahr 2012 – eine Übersicht
2.1 Hohe Handelsvolumina an den Finanzmärkten – ein Grund zur Sorge?
2.2 Der Stand der Dinge
2.2.1 Alternativen zur Finanztransaktionssteuer
2.2.2 Erfahrungen anderer Länder mit Transaktionssteuern
3 Von der Tobin-Steuer zur Finanztransaktionssteuer – Entwicklung und Kritik
3.1 Exkurs: Begriffliche Grundlagen
3.1.1 Typen von Marktteilnehmern
3.1.2 Spekulation und Noise-Trading
3.1.3 Liquidität
3.1.4 Hot Potato Trading
3.2 Tobin-Steuer
3.3 Finanztransaktionssteuer
3.3.1 Konzept und Ziele
3.3.2 Probleme bei der Ausgestaltung der Steuer
3.4 Ergebnisse des Kapitels
4 Erreicht die Finanztransaktionssteuer ihre Ziele? Erkenntnisse aus der Literatur
4.1 Auswirkungen auf die Volatilität der Finanzmärkte
4.1.1 Theoretische Modelle
4.1.2 Empirische Evidenz
4.2 Steueraufkommen
5 Schlussbetrachtung
Literaturverzeichnis
Selbstständigkeitserklärung
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Zustimmung zur Einführung einer Finanztransaktionssteuer in ausgewählten Ländern der EU im Jahr 2011
Abbildung 2: Entwicklung der Jahresumsätze der Hauptfinanzmärkte weltweit
Abbildung 3: Entwicklung der Quartalsumsätze börsengehandelter Derivate weltweit
Abbildung 4: Entwicklung des Chicago Board Options Exchange Volatility Index der letzten fünf Jahre
Abbildung 5: Einordnung der Steuermodelle
Abbildung 6: Volatilitäts-Liquiditäts-Diagramm
Abbildung 7: Zusammenhang zwischen Volatilität und Steuersatz
Abbildung 8: Auswirkungen einer Transaktionssteuer bei gleichzeitiger Einführung auf zwei Märkten
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Weltweite Jahresumsätze börsengehandelter Derivate
Tabelle 2: Wachstum der globalen Devisenmärkte nach Handelspartnern
Tabelle 3: Aufkommen der Stempelsteuer in Großbritannien
Tabelle 4: Internationale Erfahrungen mit Transaktionssteuern
Tabelle 5: Mindestverzinsung von Auslandsinvestitionen unter einer Tobin-Steuer
Tabelle 6: Auswirkungen von Transaktionssteuern auf die Volatilität von Finanzmärkten – modelltheoretische Erkenntnisse
Tabelle 7: Auswirkungen von Transaktionssteuern auf die Volatilität von Finanzmärkten – empirische Belege
Tabelle 8: Geschätztes jährliches Aufkommen einer Finanztransaktionssteuer in Europa
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Symbolverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
Eine Finanztransaktionssteuer verringert Spekulation, stabilisiert die Finanzmärkte, verhindert zukünftige Krisen und erzielt ein hohes Steueraufkommen – oder sie beeinträchtigt viel eher den stabilisierenden Liquiditätshandel und erhöht die Volatilität der Märkte, während die Einnahmen unverhältnismäßig gering sind.
In etwa so lassen sich die beiden konträren Ansichten der Befürworter und der Gegner einer Finanztransaktionssteuer (FTS) grob zusammenfassen. Unter Ökonomen ist sie besonders umstritten; in der europäischen Bevölkerung hingegen findet die Idee, den Finanzsektor – im allgemeinen Sprachgebrauch mithin „die Banken“ – an den Kosten der im Jahr 2007 ausgebrochenen Finanzmarktkrise zu beteiligen, großen Zuspruch (vgl. Abbildung 1). Der zugrundeliegende Gedanke ist simpel: Wer die Krise ausgelöst hat, soll auch dafür geradestehen. Die Befragungsergebnisse unterscheiden sich zwar für die einzelnen Länder zum Teil recht deutlich, dennoch befürworten im EU-weiten Durchschnitt bemerkenswerte 64 % die Einführung einer Transaktionssteuer auf Finanzgeschäfte.
Abbildung 1: Zustimmung zur Einführung einer Finanztransaktionssteuer in ausgewählten Ländern der EU im Jahr 2011
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Frankfurter Allgemeine Zeitung (2012); leicht modifiziert.
In der Politik wird die Debatte über eine Besteuerung des Finanzsektors inzwischen auf europäischer Ebene geführt, was diese noch komplexer macht, als sie ohnehin bereits ist. Im Hinblick auf die Natur von Transaktionssteuern – die zu besteuernden Finanzgeschäfte sind, anders als die Realwirtschaft, nur in sehr geringem Maße an einen festen Ort gebunden – ist eine Diskussion und Koordination auf multilateraler Ebene allerdings dringend zu empfehlen (vgl. Hemmelgarn, 2011, S. 6–7).
Erreicht eine solche Steuer die von ihren Befürwortern verfolgten Ziele? Oder anders ausgedrückt, welche Auswirkungen haben Transaktionssteuern im Allgemeinen? Dass darüber nach wie vor Uneinigkeit herrscht, überrascht vor allem angesichts der Tatsache, dass die Ursprungsidee nunmehr bald vier Jahrzehnte alt ist und in dieser Zeit immer wieder Gegenstand intensiver Auseinandersetzungen zwischen internationalen Wirtschaftswissenschaftlern war. Schließlich hat bereits Tobin (1974) vorgeschlagen, den Devisenmarkt mit einer Transaktionssteuer zu belegen und so sinnbildlich „Sand in das Getriebe der internationalen Finanzmärkte“ zu streuen, um die Wechselkursvolatilität zu reduzieren. Seither wird die „Tobin-Steuer“ verbreitet synonym für Devisentransaktionssteuern verwendet.
Die vorliegende Arbeit zeichnet daher ein Gesamtbild der Beiträge und Erkenntnisse in der Literatur. Zunächst soll der Leser an das Thema herangeführt und die Gesamtzusammenhänge aufgezeigt werden, in welche die politische und ökonomische Diskussion eingebettet ist. Dies bildet die Grundlage für die darauf folgenden Schritte – die Untersuchung der Zielsetzung und, abschließend, der Wirkung der Steuer. Da sich jedoch ein Großteil der Literatur zum Thema nicht auf Europa beschränkt, wird versucht, deren Erkenntnisse in den Kontext der Umsetzung einer FTS auf europäischer Ebene zu stellen und so dem EU-Bezug aus dem Titel Rechnung zu tragen.
Um die Ziele einer FTS in einer knappen, übersichtlichen Form darstellen und deren Erreichung bewerten zu können, ist es nötig, sich von der teils ausufernden und sehr komplex gewordenen Debatte zu lösen und diese auf das Wesentliche zu reduzieren. Im Fokus der Arbeit steht daher die Betrachtung der Wirkung auf die Volatilität an den Finanzmärkten. Auf diesen Aspekt lassen sich im Grunde alle weiteren, oft genannten Ziele, wie z.B. die Eindämmung von Spekulation und die Verhinderung von künftigen Finanzkrisen, zurückführen. Den zweiten Schwerpunkt bildet die Untersuchung des potenziellen Steueraufkommens, da dieses heute zu einem zentralen Argument der Befürworter geworden ist.
Im zweiten Kapitel wird die aktuelle Situation auf den Finanzmärkten betrachtet, aus der heraus der Ruf nach einer stärkeren Besteuerung des Finanzsektors erneut laut geworden ist. Außerdem werden in knapper Form zwei Alternativmodelle zur FTS dargestellt, sowie ein Überblick über bestehende und vergangene Steuern verschiedener Länder gegeben, die in die Kategorie der Transaktionssteuern einzuordnen sind.
Kapitel 3 beginnt mit einem Exkurs, in dem einige Begriffe erläutert werden, die für das Verständnis der weiteren Arbeit von Bedeutung sind. Die Kapitel 3.2 und 3.3 widmen sich dem Ursprungskonzept der Tobin-Steuer und dessen Weiterentwicklung zur titelgebenden Finanztransaktionssteuer. Besondere Beachtung finden dabei, neben dem Konzept der FTS, zentrale Probleme bei der Ausgestaltung derselben. Die bis dahin gewonnenen Erkenntnisse werden in Kapitel 3.4 zusammengefasst und daraus ein Zwischenfazit gezogen, mit dem der zweite Teil der Arbeit – die Untersuchung der Wirkung – eingeleitet wird.
Das vierte Kapitel teilt sich dabei auf die beiden genannten Schwerpunkte auf – die Auswirkungen auf die Volatilität (4.1), sowie das erwartete Steueraufkommen (4.2). Innerhalb des Kapitels 4.1 wird zudem nach modelltheoretischen und empirischen Literaturbeiträgen unterschieden, da sich die Erkenntnisse dieser beiden Sparten zum Teil recht deutlich unterscheiden.
Kapitel 5 fasst die Ergebnisse der Arbeit kritisch zusammen und beurteilt abschließend das „Instrument Finanztransaktionssteuer“.
2 Die Finanztransaktionssteuer im Jahr 2012 – eine Übersicht
2.1 Hohe Handelsvolumina an den Finanzmärkten – ein Grund zur Sorge?
Von den Befürwortern der FTS wird oft behauptet, dass die Finanzmärkte „aus dem Ruder gelaufen“ seien. Dies wird vor allem an den hohen Handelsvolumina auf den diversen Märkten festgemacht, die tatsächlich bereits seit einigen Jahren eine beeindruckende Entwicklung aufweisen. Besonders eindrücklich wird dies, wenn man die jährlichen Umsätze der größten Finanzmärkte in Relation zum Welt-Bruttoinlandsprodukt (Welt-BIP) setzt (vgl. Abbildung 2).
Abbildung 2: Entwicklung der Jahresumsätze der Hauptfinanzmärkte weltweit
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Darvas und v. Weizsäcker (2010, S. 5); leicht modifiziert.
Unterschieden werden kann dabei grundsätzlich nach der Art des gehandelten Produkts/Instruments bzw. dessen Überkategorie (beispielsweise gehört eine Devisenoption zur Kategorie „FX“ (Foreign Exchange)), nach dem zeitlichen Horizont bzw. Kontrakttyp (Spot- oder Terminmarkt) und dem Ort der Abwicklung (börslich oder „OTC“ (over the counter), d.h. außerbörslich). Es ist gut zu erkennen, dass das Transaktionsvolumen deutlich schneller gewachsen ist als das Welt-BIP, und zwar im Zeitraum von 1995 bis 2007 fast 3-mal so schnell. Bei einem Verhältnis von ca. 68:1 und einem Welt-BIP von ca. 54,3 Bio. US-Dollar (USD) wurden im Jahr 2007 demnach Finanztitel im Wert von fast 3.700 Bio. USD gehandelt.
Den weitaus größten Teil machen dabei die derivativen Instrumente aus. Abbildung 3 zeigt die Quartalsumsätze börsengehandelter Derivate von 1986 bis zum 3. Quartal 2009. Sowohl bei den Zins- als auch bei den Devisentiteln ist der Einbruch des Handelsvolumens durch die Finanzkrise 2007 deutlich zu erkennen. Die Erholung der Volumina (seit Mitte 2009) hat sich inzwischen weiter fortgesetzt. So lag der Umsatz mit börsengehandelten Währungsderivaten in 2010 bereits bei 41,5 Bio. USD; das entspricht durchschnittlichen 10,4 Bio./Quartal (vgl. Bank for International Settlements, 2010, S. 7). Für das Ende vergangenen Jahres wurde von der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) gar ein weiterer Anstieg um mehr als 17 % geschätzt (vgl. Bech, 2012, S. 41). Die dazugehörigen, absoluten Zahlen, ergänzt um die Derivate auf Aktienindizes, finden sich in Tabelle 1.
Abbildung 3: Entwicklung der Quartalsumsätze börsengehandelter Derivate weltweit
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Darvas und v. Weizsäcker (2010, S. 6); stark modifiziert.
Dass sich die gehandelten Volumina an den internationalen Finanzmärkten in ungeahnte Höhen bewegt und schon lange von den zahlenmäßigen Größen der Realwirtschaft entfernt haben, ist also unstrittig. Viel entscheidender ist die Frage, worauf dieses hohe Niveau zurückzuführen ist, und ob sich daraus Anlass zur Sorge ergibt. Schulmeister (2009a, S. 613) redet in diesem Zusammenhang von einer Abkopplung der Finanzwirtschaft von der Realwirtschaft und führt dies vor allem auf die Tätigkeit von „Spekulanten“ mit kurzfristigem Handelshorizont zurück (eine genauere Klärung dieses Begriffs erfolgt in Kapitel 3.1.2). Hingegen argumentieren Grahl und Lysandrou (2003, S. 603) bezogen auf den Devisenmarkt, dass dieser wohl kaum bereits so lange bestehen würde, wenn dabei keine Nettogewinne für die Marktteilnehmer entstünden – und Spekulation sei schließlich am Ende stets ein Nullsummenspiel (nach dem Motto „des einen Gewinn, des anderen Verlust“).
Eine völlig andere Perspektive im Hinblick auf die Rolle des Volumens nehmen Easley et al. (1998, S. 464) ein. Sie untersuchen Optionsmärkte und halten fest, dass das Handelsvolumen nicht nur eine logische Folge des Handelsprozesses ist, sondern auch zur Informationseffizienz der Märkte beiträgt, d.h. diese erhöht. Angesichts des seit 1998 enorm gestiegenen Transaktionsvolumens erscheint dieser Ansatz jedoch nicht (mehr) ausreichend; es drängt sich die Frage geradezu auf, ob es nicht auch „schlechtes“ Volumen gibt, welches nicht zur Informationseffizienz beiträgt oder dieser gar schadet.
Tabelle 1: Weltweite Jahresumsätze börsengehandelter Derivate
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Rudolph und Schäfer (2010, S. 59); leicht modifiziert.
Zur Erklärung der aufgezeigten Entwicklung der Finanztransaktionen zeigen Darvas und v. Weizsäcker (2010, S. 7–8) zwei Ansätze auf. Zum einen könnten die durch den technologischen Fortschritt gesunkenen Transaktionskosten der Grund für die stark gestiegenen Marktaktivitäten sein. Neben dieser sehr wohlwollenden Auslegung werden auch Anomalien an den Märkten als Ursache genannt. Dazu ist beispielsweise die extreme Niedrigzinspolitik der großen Industrienationen zu nennen, welche die Preise an den Aktienmärkten in die Höhe schnellen und dadurch die Handelsaktivitäten an diesen ebenfalls steigen ließ. Auch die „excessive short term speculation“ (Darvas und v. Weizsäcker, 2010, S. 7) oder falsch gestaltete Anreizsysteme der am Markt agierenden Händler stehen stellvertretend für diese Auswüchse. Den „hot potato“-Effekt (siehe dazu Kapitel 3.1.4) sehen die Autoren hingegen nicht als Ursache. Sie schlussfolgern, dass die Umschlagshäufigkeit (mithin das Volumen) ein Rätsel bleibe, das nicht final erklärt werden könne. Vor dem Hintergrund des schieren Ausmaßes der Handelsvolumina erscheint der erste Erklärungsansatz nicht ausreichend, oder zumindest zu simpel gestrickt. Eine Kombination der im zweiten Ansatz genannten Faktoren als Ursache ist hingegen deutlich plausibler, wenn auch ebenfalls nicht verifizierbar.
Einen Anhaltspunkt, auf wen (oder was) der Anstieg der Umsätze zurückzuführen ist, liefert Tabelle 2. Darin wird der Tagesumsatz auf den weltweiten Devisenmärkten in 2010 auf knapp 4 Bio. USD beziffert; eine Steigerung von 20 % gegenüber 2007. Aussagekräftiger ist die Aufschlüsselung der Umsätze nach den Handelspartnern. Demnach gehen 85 % dieser Steigerung auf den stark gewachsenen Handel mit „anderen Finanzinstituten“ zurück, der bei dieser Datenerhebung der BIZ erstmals die Umsätze zwischen den berichtenden Händlern übertraf.
Tabelle 2: Wachstum der globalen Devisenmärkte nach Handelspartnern
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle:King und Rime (2010, S. 28); leicht modifiziert.
Wer sind diese „anderen Finanzinstitute“? Die BIZ kategorisiert so unter anderem nicht berichtende Banken (d.h. vor allem kleinere Banken außerhalb der großen Industrienationen, die nicht an der halbjährlichen Statistik der BIZ zu OTC-Derivaten teilnehmen), Hedgefonds, Pensionsfonds, Investmentfonds, Versicherungsgesellschaften und Zentralbanken. King und Rime (2010, S. 28–29) sehen für den Umsatzanstieg in diesem Bereich drei Ursachen. Neben dem zunehmenden Handel kleinerer Banken und der gestiegenen Aktivität von Privatanlegern nennen sie vor allem die sogenannten „high-frequency trader“, also Hochfrequenzhändler, als treibende Kraft. Dieser Händlertyp wird oft als Negativbeispiel für die beschriebene Entwicklung an den Finanzmärkten angeführt und hat über die Tageszeitungen auch den Weg in die öffentliche Diskussion gefunden. Über den stetig steigenden Anteil dieses „high-frequency trading“ (HFT) am Transaktionsvolumen gibt es keine gesicherten Erkenntnisse; auch die BIZ weist in ihren Statistiken das HFT nicht gesondert aus. Die Schätzungen bewegen sich zwischen 10 % und 70 % (vgl. Lattemann et al., 2012, S. 91), King und Rime (2010, S. 37) beispielsweise beziffern den Anteil am Devisenspotmarkt auf ca. 25 %. Daher soll im Folgenden kurz auf diese Spezialform des Börsenhandels eingegangen werden.
Das HFT ist dem „algo-trading“ (algorithmic trading) zuzuordnen, also dem auf Algorithmen basierenden, computergestützten und automatisierten Handel. Darin steht es für eine sehr kurzfristige Handelsstrategie, die mit vielen kleinen Transaktionen versucht, kleinste Preisdifferenzen und -bewegungen auszunutzen (vgl. King und Rime, 2010, S. 29). HFT basiert also auf „computergenerierten Handelsentscheidungen in Echtzeit ohne menschliche Interaktionen“ (Lattemann et al., 2012, S. 91). Die Orderausführung erfolgt inzwischen in Bereichen weit unter der Millisekunde. Da von Befürwortern einer FTS oftmals argumentiert wird, dass solche Transaktionen mit äußerst kurzfristigem Horizont marktschädlich sind, zielt diese auch darauf ab, das HFT unprofitabel zu machen und dadurch einzudämmen. Doch was bedeutet „kurz-, mittel- und langfristig“ in Bezug auf den Finanzmarkt?
Eine einheitliche Definition dieser Begriffe in der Literatur existiert nicht. Frankel (1996, S. 17–18) beispielsweise spricht in diesem Zusammenhang von kurzfristigen Handelshorizonten von weniger als drei Monaten, und längeren (d.h. mittelfristigen) von drei Monaten bis zu einem Jahr. Allerdings stellt er bereits damals fest, dass auf dem Devisenmarkt größtenteils auf Tagesbasis gehandelt, die offenen Positionen also am Ende des Tages geschlossen werden. Im Hinblick auf das angesprochene HFT erscheint heutzutage die zusätzliche Kategorie des „sehr kurzfristigen“ Handels auf Minutenbasis oder noch kürzer angebracht, bei dem Positionen oft innerhalb weniger Sekunden eingegangen und wieder geschlossen werden.
Zur Beurteilung des Nutzens des HFT werden häufig die Kriterien Marktliquidität und Markteffizienz herangezogen. Allerdings heben Lattemann et al. (2012, S. 92) den zum jetzigen Zeitpunkt noch ungenügenden Forschungsstand zu diesem komplexen Thema hervor, der kein eindeutiges Urteil über die Auswirkungen des HFT auf die genannten Faktoren zulasse.
Dass die Anwesenheit der Hochfrequenzhändler die Liquidität im Markt stark erhöht, ist logisch nachvollziehbar und daher unstrittig. Ist diese jedoch stets positiv zu beurteilen? Schließlich partizipieren die Handelscomputer nicht zum Wohle aller, sondern aus eigenen wirtschaftlichen Interessen am Markt. Sehen sie diese gefährdet, ziehen sie sich zurück und damit auch die zuvor bereitgestellte Liquidität aus dem Markt ab; dieser wird sozusagen „ausgetrocknet“. Sornette und v. d. Becke (2011, S. 6) halten dazu fest, es habe den Anschein, dass die Hochfrequenzhändler Liquidität zur Verfügung stellen, wenn sie nicht gebraucht wird, und diese abziehen, wenn sie dringend nötig wäre. Aus diesem Grund wurde das HFT zunächst auch verantwortlich für den „Flash-Crash“ am 6. Mai 2010 auf den US-amerikanischen Aktienmärkten verantwortlich gemacht. An diesem Tag brachen u.a. der S&P 500 sowie der Dow Jones, zwei Leitindizes der USA, innerhalb weniger Minuten massiv ein. Später stellte sich allerdings heraus, dass der Handelscomputer eines Investmentfonds der Auslöser war. Dieser hatte sich auf einen Schlag von Terminkontrakten im Wert von über 4 Mrd. USD getrennt; die Verunsicherung wuchs sich zur Panik aus und schwappte auch auf die Aktienmärkte über. Auch wenn das HFT den Crash demnach nicht verantwortete, so ermöglichte es doch erst eine „Schockwelle“ in dieser Stärke (vgl. Sornette und v. d. Becke, 2011, S. 10).
Zur Lösung des beschriebenen „Liquiditätsproblems“ wird unter anderem diskutiert, ob die Hochfrequenzhändler zur kontinuierlichen Bereitstellung von Liquidität verpflichtet werden sollten. Ob eine solche Maßnahme geeignet ist, um die Marktstabilität zu erhöhen und dadurch Crashs dieser Art zu verhindern, ist jedoch zumindest fraglich. Die Argumentation, dass dies zum Rückzug der Händler aus dem Markt führe und somit deren Liquidität vollständig verloren gehe, erscheint logisch nachvollziehbar (vgl. Lattemann et al., 2012, S. 93–94). Auf die zahlreichen anderen, zur Debatte stehenden Regulierungsmaßnahmen bezüglich des HFT soll an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden.
Neben dem Anstieg der Volumina ist in den letzten Jahren – genauer seit dem Ausbruch der Finanzkrise 2007 – auch eine deutlich gestiegene Volatilität an den internationalen Finanzmärkten zu beobachten. Dabei wird in der öffentlichen Diskussion oft die Meinung vertreten, dass Volatilität mit Instabilität gleichzusetzen und demnach per se negativ ist. Diese Entwicklung wird daher auch zur Argumentation im Hinblick auf die FTS herangezogen (vgl. z.B. Schulmeister, 2008, S. 607). Der Volatility Index (VIX) der Chicagoer Terminbörse ist ein Maß für die vom Markt erwartete Schwankungsbreite des S&P 500, dem neben dem Dow Jones bekanntesten Leitindex der USA. Er wird daher umgangssprachlich auch „Panikbarometer“ genannt. Je höher der angezeigte Wert, desto größer ist die erwartete Volatilität – ein Zeichen für einen nervösen Markt. In Abbildung 4 ist gut zu erkennen, wie der VIX im September 2008, als die amerikanische Investmentbank Lehman Brothers Insolvenz anmelden musste, in die Höhe schießt. Mitte/Ende des Jahres 2011 lag er konstant bei Werten von über 30, teilweise sogar von über 40 – ein Niveau, wie es in den Jahren zuvor nur während vereinzelter Markteinbrüche zu beobachten war, jedoch nicht über einen längeren Zeitraum.
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- Quote paper
- Manuel Keitel (Author), 2012, Eine Finanztransaktionssteuer für die EU, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/212314
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