Die vorliegende Arbeit verfolgt zwei Ziele, die jeweils ineinander übergreifen. Zum einen soll anhand eines statistischen Testfahrens die Übertragbarkeit von gängigen Studien zur Schuldenstruktur auf den Datensatz überprüft werden. In diesem Kontext ist der Fokus insbesondere auf folgende Fragestellung gelegt: „Welche Art von Unternehmen entscheidet sich für einen Bankkredit und welche für die Fremdfinanzierung über den Kapitalmarkt?“. Zum anderen wird mit Hilfe dieser Testergebnisse die Vermögens-, Ertrags- und Finanzkraft der Emittenten mit der von ähnlichen Nicht-Emittenten verglichen, um die nachfolgende Hypothese zu überprüfen: „Was unterscheidet die Emittenten von Mittelstandsanleihen von vergleichbaren nicht-Emittenten?“
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Symbolverzeichnis
1 Einleitung
2 Theoretische Einführung
2.1 Theorie Debt Structure nach Diamond
2.2 Optimale Finanzierungsmatrix nach Bolton und Freixas
2.3 Empirische Überprüfung der Homogenität des Fremdkapitals
2.4 Empirische Untersuchung von Unternehmenscharakteristika bezüglich der Finanzierungsquelle
3 Thema: Mittelstandsanleihen
3.1 Definition und Charakteristika von Mittelstandsanleihen
3.2 Die einzelnen Börsensegmente
3.3 Abgrenzung zu anderen Unternehmensanleihen und Schuldscheindarlehen
3.4 Marktumfeld
3.5 Vor- und Nachteile der Mittelstandsanleihen gegenüber dem Bankkredit
3.5.1 Vorteile
3.5.2 Nachteile
4 Empirischer Teil
4.1 Auswahl und Zusammenstellung der Daten
4.1.1 Emittenten
4.1.2 Peer Group
4.1.3 Bundesbank Vergleichsgruppe
4.2 Aufbau der Teststatistik
4.3 Ergebnisse und Interpretation der einzelnen Tests
4.3.1 Peer Group-Mittelwert-Test
4.3.2 Peer Group-Median-Test
4.3.3 Bundesbank-Test mit feiner Zuordnung der Unternehmen
4.3.4 Bundesbank-Test mit grober Zuteilung der Unternehmen
4.4 Fazit
5 Schluss
Anhang
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Zusammenfassung der Hypothesen zur Fremdfinanzierung
Abbildung 2: Übersicht aller Börsensegmente
Abbildung 3: Abgrenzung von Mittelstandsanleihen
Abbildung 4: Internationaler Vergleich der Fremdfinanzierung über den Kapitalmarkt
Abbildung 5: Vergleich der Effektivzinssätze
Abbildung 6: Übersicht der Vor- und Nachteile einer Mittelstandsanleihe
Abbildung 7: Aufteilung der Anleihen nach Branche
Abbildung 8: Detaillierte Branchenzuordnung der Emittenten
Abbildung 9: Gesellschaftsform der Emittenten
Abbildung 10: Rechnungslegung der Emittenten
Abbildung 11: Alter der Emittenten
Abbildung 12: Inhaberstruktur der Emittenten
Abbildung 13: Managementstruktur der Emittenten
Abbildung 14: Illustration des Entscheidungsprozess bei der Peer-Group Auswahl
Abbildung 15: Suchabfrage für Fußballclub Gelsenkirchen-Schalke 04 e.V
Abbildung 16: Vergleichsanalyse für Semper idem Underberg GmbH
Abbildung 17: Gegenüberstellung der Kennzahlenberechnung
Abbildung 18: Zusammenfassung und Fazit aller Testergebnisse
Abbildung 19: Übersicht aller Emittenten
Abbildung 20: Alle Emittenten inklusive Branche
Abbildung 21: Anzahl der Vergleichsunternehmen nach Bundesbank-Branche
Abbildung 22: Das Berechnungsschema der für die Auswertung relevanten Zahlen
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Übersicht Kennzahlen Mittelstandsanleihen und Emittenten
Tabelle 2: Auswertung des Peer Group-Mittelwert-Tests
Tabelle 3: Auswertung des Peer Group-Median-Tests
Tabelle 4: Auswertung des Bundesbank(fein)-Tests
Tabelle 5: Auswertung des Bundesbank(grob)-Tests
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Symbolverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
„Financing Germany’s Mittelstand - A crisis-born fledgling“[1]
-Autor The Economist-
titelt Ende 2011 das renommierte britische Wirtschaftsmagazin „The Economist“ und nimmt dabei Bezug auf das rasant aufsteigende Segment der Mittelstandsanleihen. Der Mittelstand selbst gilt international als Rückgrat und gleichzeitig als Kraftwerk der deutschen Wirtschaft. Dutzende klein- und mittelständige Unternehmen konnten sich über die letzten Jahre als Weltmarktführer in unterschiedlichen Nischen etablieren und haben somit enormen Anteil an Deutschlands Rolle als Exportnation. Die Finanz- und Wirtschaftskrise ging jedoch auch am deutschen Erfolgsmodell nicht spurlos vorbei. Das Abweichen der Banken vom vorgegeben Kernbereich der Unternehmensfinanzierung und die daraus resultierende Verirrung in globale Spekulationsstrategien bewirkte in Teilbereichen Finanzierungengpässe. Während die Hausbanken der Unternehmen in dieser Zeit mit ihren eigenen Problemen beschäftigt waren und es auch teilweise weiterhin sind, war der Mittelstand gezwungen nach neuen Finanzierungsmöglichkeiten Ausschau zu halten, ohne dabei neue Gesellschafter ins Unternehmen aufnehmen zu müssen.
In diese Lücke stieß im Mai 2010 die Börse Stuttgart, die mit der Gründung des „Bondm“ die sogenannte „Mittelstandsanleihe“ ins Leben rief. Nach einer kurzen Anlaufphase entstand im ersten Halbjahr 2011 ein regelrechter „Hype“ in diesem Segment, der allerdings durch die Ausweitung der europäischen Staatsschuldenkrise und der damit einhergehenden Verunsicherung der Kapitalmärkte ein abruptes Ende fand. Mit der Erholung der Aktienmärkte zu Beginn des Jahres 2012 nahmen die Mittelstandssegmente wieder an Fahrt auf, weil die Nachfrage nach Kapital im Mittelstand weiterhin ungebrochen hoch ist und weil Mittelstandsanleihen im momentanen Niedrigzinsumfeld eine renditestarke Alternative darstellen. Besonders für private Investoren scheint es attraktiv zu sein, in eine bekannte Marke (z.B. Underberg) oder ein regionales Unternehmen (z.B. Maschinenfabrik Spaichingen) zu investieren und dabei eine hohe Rendite einzustreichen. Dabei sollte jedoch immer die Qualität der Schuldner im Auge behalten werden, was die bereits drei Insolvenzen im Jahr 2012 verdeutlichen. Somit wird die Bonität der emittierenden Unternehmen für den Inhalt dieser Arbeit eine wichtige Rolle einnehmen.
Diese bildet allerdings nicht den einzigen Aspekt, nach dem die Emittenten untersucht werden. Die vorliegende Arbeit verfolgt zwei Ziele, die jeweils ineinander übergreifen. Zum einen soll anhand eines statistischen Testfahrens die Übertragbarkeit von gängigen Studien zur Schuldenstruktur auf den Datensatz überprüft werden. In diesem Kontext ist der Fokus insbesondere auf folgende Fragestellung gelegt: „Welche Art von Unternehmen entscheidet sich für einen Bankkredit und welche für die Fremdfinanzierung über den Kapitalmarkt?“. Zum anderen wird mit Hilfe dieser Testergebnisse die Vermögens-, Ertrags- und Finanzkraft der Emittenten mit der von ähnlichen Nicht-Emittenten verglichen, um die nachfolgende Hypothese zu überprüfen: „Was unterscheidet die Emittenten von Mittelstandsanleihen von vergleichbaren nicht-Emittenten?“
Der erste Teil dieser Arbeit erörtert dabei die gängigen theoretischen und empirischen Untersuchungen zum Thema „Schuldenstruktur“. Es werden exemplarisch einige Studien erläutert, die verschiedene Ansätze verfolgen und unterschiedliche Ergebnisse liefern. Die Befunde werden am Ende des Abschnitts zusammengefasst und bilden die Basis für die spätere Auswertung.
Der zweite Abschnitt der Abhandlung widmet sich detailliert dem Thema Mittelstandsanleihen. Neben Begriffsklärungen und der Beschreibung des Marktumfeldes, erfolgt eine ausführliche Diskussion über die Vorzüge und Nachteile dieser Finanzierungsform.
Abschließend findet eine empirische Analyse anhand zweier Datensätze zum (flexiblen) Stichtag 31.12.2010 statt. Zunächst werden der Aufbau und die Zusammenstellung der Datensätze exakt beschrieben und darauf basierend die beiden aufgeworfenen Fragen mit Hilfe der Testergebnisse beantwortet. Die Resultate werden in einem Fazit zusammengefasst.
2 Theoretische Einführung
2.1 Theorie Debt Structure nach Diamond
Um die Arbeit auf ein theoretisches Fundament zu stellen, wird zu Beginn die Theorie der Fremdfinanzierung erläutert. In perfekten Kapitalmärkten ist die in Anspruch genommene Finanzierungsquelle irrelevant, da nach dem ersten Theorem von Modigliani-Miller alle über gleiche Informationen verfügen und somit der Firmenwert nicht von der Finanzierung abhängig ist.[2] Die Neue Institutionenökonomik widerspricht dieser Ansicht und führt asymmetrische Informationen als Gegenargument an. In diesem Kontext analysiert Diamond (1991) als einer der Ersten, wann ein Schuldner sich direkt am Kapitalmarkt finanziert oder wann er den Umweg über den Finanzintermediär, die Bank, nimmt. Diese kontrolliert nach Kreditvergabe das Verhalten ihrer Schuldner sehr streng, um das „Moral Hazard“-Problem einzudämmen. Hierfür werden im Rahmen des Kreditrisikomanagements unterschiedliche Messinstrumente und Kennzahlen von Seiten der Bank angewendet.
Nach Diamond durchlaufen alle Unternehmen einen Reifeprozess. Firmen stehen bei Ihrer Gründung nur Kreditinstitute als Fremdfinanzierungsquelle zur Verfügung. Um sicherzugehen, dass dieses sein Geld wieder erhält, überwacht es im Gegenzug seine Schuldner. Profiliert sich ein Unternehmen über einen längeren Zeitraum als guter Schuldner, der konstant und fristgerecht seinen Zinszahlungen nachkommt, steigert es dadurch seine Reputation. Der Kapitalmarkt antizipiert daraufhin, dass die Gesellschaft zukünftig eine gute Bonität und Zahlungsmoral aufweist und stellt somit Kapital zur Verfügung. Eine solide und zuverlässige Schuldentilgung sowie hohe und stabile Einnahmen in der Vergangenheit, dienen folglich als Signal für eine hohe Bonität in der Zukunft. Im Gegensatz zum Bankkredit findet nach Diamond die Beurteilung des Kapitalmarktes nur anhand von öffentlich zugänglichen Informationen statt und es erfolgt keine weitere Überwachung, womit sich Unternehmen die dadurch entstehenden zusätzlichen Kosten sparen.[3] Diese These lässt den Rückschluss zu, dass sich insbesondere Unternehmen, die bereits ein bestimmtes Alter erreicht und sich den Ruf eines guten Schuldners erworben haben, am Kapitalmarkt Geld leihen. Ihnen wird das geringste „Moral Hazard“-Verhalten unterstellt. Dahingegen beziehen Unternehmen mit mittlerer Bonität ihr Fremdkapital vorwiegend über einen Bankkredit, bei dem eine permanente Aufsicht stattfindet.[4] Zu sehr ähnlichen Ergebnissen kommt die Untersuchung von Denis, Mihov (2002). Gemäß dieser Studie besteht ebenfalls ein starker Zusammenhang zwischen Kreditvergangenheit, beziehungsweise Kreditwürdigkeit der Firma, und der Wahl des Finanzierungsinstrumentes, wobei Unternehmen mit einer hohen Bonität eine Präferenz zur Anleihenemission zeigen.[5]
2.2 Optimale Finanzierungsmatrix nach Bolton und Freixas
Ausgehend von einem unvollkommenen Kapitalmarkt mit asymmetrischen Informationen und ohne Steuern entwickeln Bolton und Freixas ein Modell bei dem Eigenkapitalemission, Bankkredit und Anleihenemission ein optimales Kapitalmarktgleichgewicht bilden und zugleich mit den gängigen Theorien der Unternehmensfinanzierung vereinen. Das Paper postuliert, dass ein Bankkredit teurer, dafür aber flexibler als eine Anleihenfinanzierung ist. Speziell in finanziellen Notlagen sind Banken ein wichtiger Partner für Unternehmen und unterstützen diese beim erfolgreichen Überstehen einer Schwächeperiode. Eine Bank besitzt mehr Informationen über einen Schuldner, als die Gläubiger einer Anleihe, denn diese können nur auf öffentlich zugängliche Informationen zurückgreifen. Zudem ist die Nachverhandlung von Kreditvereinbarungen mit der Bank in der Regel einfacher, als die Restrukturierung einer Anleihe. Bei Zahlungsschwierigkeiten lässt ein Kreditinstitut daher nur „schlechte“ Unternehmen in die Insolvenz gehen und finanziert die „guten“ weiterhin. Dahingegen nimmt der Kapitalmarkt keine Differenzierung vor.[6] Durch diese Flexibilität entstehen den Instituten allerdings weitere Kosten, die jedoch direkt an die Unternehmen weitergeleitet werden. Aus diesem Grund entscheiden sich besonders „sichere“ Unternehmen, die dieser Dienstleistung der Banken keinen Wert beimessen, für die Fremdfinanzierung über den Kapitalmarkt. Sie wollen die zusätzlichen Aufwendungen vermeiden.
Die Studie entwickelt ein Modell bei dem im Kapitalmarktgleichgewicht riskantere Firmen vermehrt einen Bankkredit in Anspruch nehmen und sichere Gesellschaften eine Tendenz zur Fremdkapitalaufnahme über den Kapitalmarkt aufweisen. Die Unternehmen innerhalb dieser Bandbreite emittieren sowohl Aktien als auch Anleihen.[7]
2.3 Empirische Überprüfung der Homogenität des Fremdkapitals
In der Literatur und akademischen Diskussion ist in Fragen der Kapitalbeschaffung der Fokus lange Zeit auf die Unterscheidung zwischen Eigen- und Fremdfinanzierung gelegt worden. An dieser Stelle sollen die Theorien von Modigliani und Miller und der „Pecking Order“-Ansatz nur kurz erwähnt bleiben. Beide Ansätze verstehen Fremdkapital als eine homogene Einheit und nehmen keine differenzierte Unterscheidung der Finanzierungsformen vor.[8] Am Beispiel des „Pecking Order“-Ansatzes lässt sich verdeutlichen, dass diese Annahme nicht adäquat ist. Dieser Theorie folgend sinkt der Verschuldungsgrad mit der Höhe der Profitabilität. Hingegen zeigen neueste empirische Untersuchungen ein heterogeneres Bild auf. Zwar sind Profitabilität und Verschuldungsgrad als Gesamtheit durchaus negativ korreliert, jedoch verändert sich das Bild bei genauerer Betrachtung der Einzelteile. Während die Aussage für Anleihen und Private Placements ohne Weiteres übernommen werden kann, besteht indessen ein positiver, empirischer Zusammenhang zwischen der Profitabilität eines Unternehmens und der Höhe der Bankkredite. Ergo: Je profitabler das Unternehmen, desto größer der Anteil des Bankkredites am Gesamtkapital.[9]
Dieser Heterogenität wird in einer Studie von Rauh und Sufi (2010) Rechnung getragen. Die empirische Untersuchung belegt, dass sich (ceteris paribus) bei abnehmender Zahlungsfähigkeit die Anzahl der Finanzierungsquellen erhöht. Während Firmen mit hoher Bonität sich fast ausschließlich über die Quellen „senior unsecured debt“ (vorrangiges, unbesichertes Fremdkapital) und Eigenkapital speisen, bedienen sich Unternehmen mit niedriger Bonität an einem relativ großen Fundus an Finanzierungsquellen mit unterschiedlichen Senioritäten.[10] Vor allem innerhalb des Fremdkapitals findet eine Ausdehnung auf die Felder „Bank secured debt“ (besicherte Bankverbindlichkeiten), „Convertible subordinated debt“ (wandelbares, nachrangiges Fremdkapital) und im Besonderen „Subordinated Bonds“ (nachrangige Anleihen) statt. Die Homogenitätsannahme kann somit eindeutig widerlegt werden, da gerade Unternehmen mit niedriger Bonität das gesamte Spektrum an Finanzierungsquellen ausnutzen.[11]
2.4 Empirische Untersuchung von Unternehmenscharakteristika bezüglich der Finanzierungsquelle
Welche Merkmale eines Unternehmens deuten auf welche Fremdfinanzierungform hin? Die Abhandlung von Kaya analysiert genau dieses anhand eines Datensatzes mit 12.144 Beobachtungen aus den USA. Die Untersuchung zeigt, dass große Unternehmen, die ein gutes Rating aufweisen und einen hohen Anteil an materiellen Vermögensgegenständen sowie einen hohen Verschuldungsgrad besitzen, die Anleihenemission gegenüber dem Bankkredit favorisieren. Gesellschaften ohne Rating, aber mit einem relativ hohen Markt- zu Buchwert entscheiden, sich dagegen häufiger für den Bankkredit. Des Weiteren unterscheidet die Studie noch zwischen der Aufnahme „public debt“ (Anleihenemission) und „private debt“.[12] Unter dem Terminus „private debt“ versteht man in Deutschland hautsächlich Fremdmittel, welche von institutionellen Investoren zur Verfügung gestellt werden. Beispiele sind Mezzanine- und Fremdkapitaltitel, die an keinem Sekundärmarkt handelbar sind.[13] Auf die Entscheidungskriterien zwischen Anleihenemission oder „private debt“ wird hier nicht näher eingegangen, da die Arbeit Ihren Fokus auf die Fragestellung „Bankkredit oder Anleihe?“ legt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Zusammenfassung der Hypothesen zur Fremdfinanzierung
Quelle: Eigene Darstellung
3 Thema: Mittelstandsanleihen
3.1 Definition und Charakteristika von Mittelstandsanleihen
Um einen einheitlichen Rahmen abzustecken, wird der Begriff „Mittelstandsanleihe“ zunächst abgegrenzt. In der Literatur finden sich hierzu unterschiedliche, zum Teil abweichende Definitionen. In der vorliegenden Bachelorarbeit werden Anleihen, die nachfolgende Merkmale aufweisen, als „Mittelstandsanleihen“ tituliert.
- Das angestrebte Platzierungsvolumen beträgt im Regelfall zwischen €10 Mio. - €150 Mio.
- Eine Privatinvestoren-freundliche Stückelung von maximal €1.000 je Anteilsschein ist vorgeschrieben.
- Die Schuldverschreibungen müssen zu jeder Zeit an einer Börse veräußert werden können und es muss hierfür ein funktionierender Sekundärmarkt existieren.
Obwohl das Label „Mittelstandanleihe“ es suggeriert, handelt es sich bei den Emittenten nicht ausschließlich um mittelständische Unternehmen. Die Europäische Union ordnet Firmen mit einer Mitarbeiterzahl von maximal 250 Jahresarbeitseinheiten und einem Jahresumsatz unter €50 Mio. dem Mittelstand zu.[14] Dieser Definition folgend gehören Unternehmen die unter dem Etikett „Mittelstandsanleihen“ firmieren nur teilweise zum eigentlichen Mittelstand. Der Emittent ist somit kein entscheidendes Kriterium bei der Definition.
In bestimmten Teilbereichen haben sich noch keine einheitlichen Standards herausgebildet, weshalb einige Merkmale erst im nächsten Punkt genauer besprochen werden. Jedoch hat sich an allen Standorten die festverzinsliche Unternehmensschuldverschreibung, mit einer Laufzeit von circa fünf Jahren und einer Tilgung am Laufzeitende durchgesetzt.[15]
Um eine dauerhafte Handelbarkeit zu garantieren, müssen die Anleihen an einem Freiverkehrssegment gelistet sein. Was sich dahinter verbirgt und welche Unterschiede an den einzelnen Börsenstandorten zu finden sind, wird im folgenden Abschnitt konkretisiert.
3.2 Die einzelnen Börsensegmente
Als Pionier in diesem Bereich eröffnete die Börse Stuttgart im Mai 2010 das Segment „Bondm“. In kurzen Abständen folgten die Börsen aus München (m:access), Düsseldorf (der mittelstandsmarkt) und Hamburg/Hannover (Mittelstandsbörse Deutschland) sowie die Börse Frankfurt (Entry Standard Anleihen).[16] Die Handelsplätze konkurrieren untereinander durch unterschiedliche Zulassungsvoraussetzungen und Folgepflichten. Davon werden einige in dieser Arbeit angeschnitten, jedoch wird auf Grund der großen Fülle an Vorschriften nicht auf alle detailliert eingegangen. Abbildung 2 bietet einen groben Überblick über die Vorschriften der einzelnen Börsenbetreiber. Standortunabhängig müssen die Emittenten immer ein BaFin-genehmigtes Wertpapierprospekt erstellen. Darüberhinaus ist bei fast allen Börsensegmenten (außer Mittelstandsbörse Deutschland) eine Stückelung von maximal €1.000 vorgesehen. Diese hat sich mittlerweile als Standard durchgesetzt. Falls zudem ein Unternehmen noch nicht an einer deutschen Börse gelistet ist, wird an allen Standorten ein Emittenten-Rating benötigt.
Um für den Anleger über die komplette Laufzeit eine gewisse Transparenz zu gewährleisten, müssen die notierten Gesellschaften verschiedene Folgepflichten beachten. Hierzu zählen testierte Halbjahres- und Jahresabschlüsse (die nicht nach IFRS ausgestellt werden müssen), sowie ein jährliches Folge-Rating.[17] Zusätzlich sind die Unternehmen verpflichtet, wichtige Informationen, welche die Zahlungsfähigkeit beeinflussen können, sofort zu veröffentlichen (quasi Ad-Hoc-Pflicht).[18]
Grundsätzlich steht es den Firmen an allen Börsenplätzen frei, ob sie bei der Platzierung ihrer Anleihe auf eine Investmentbank vertrauen oder die Emission in Eigenregie durchführen. Allerdings kann es durchaus sinnvoll sein, eine solche Bank zu engagieren, da diese durch direkte Investorenansprache und einen großen Erfahrungsschatz bei solchen Transaktionen einen Nutzen für die Gesellschaft erzeugen können. Speziell Unternehmen, die bisher noch keinen Kontakt mit dem Kapitalmarkt hatten, können so zusätzliche Expertise einkaufen. Demgegenüber stehen die Provisionsgebühren, die eine Investmentbank für Ihre Dienste berechnet.[19] An allen Börsen (außer Hamburg/Hannover) ist jedoch ein börsenspezifischer Emissionspartner vorgeschrieben. Dieser begleitet die Emittenten über den gesamten Prozess hinweg.[20]
Alle Mittelstandssegmente sind rechtlich dem Freiverkehr zuzuordnen und unterliegen daher nicht dem Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG), sondern werden privatrechtlich von den jeweiligen Börsen reguliert.[21] Des Weiteren existierten neben den fünf bereits genannten Mittelstandssegmenten einige schwächer regulierte Freiverkehrssegmente. Hier werden Anleihen ebenfalls gehandelt, allerdings fallen Publizitätspflichten und sonstige Anforderungen an die Unternehmen weg. Diese Anleihen wurden trotzdem in die Datenbasis aufgenommen, um die spätere Analyse auf einem breiteren Datenbestand abzusichern.
Nachdem in diesem Abschnitt nun die unterschiedlichen Anforderungen der jeweiligen Börsenstandorte genauer erläutert wurden, grenzt das folgende Kapitel hingegen Mittelstandsanleihen gegenüber ähnlichen Finanzierungsformen ab. In Kombination entsteht somit ein klares Bild, was sich hinter Mittelstandsanleihen verbirgt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Übersicht aller Börsensegmente
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Hasler, 2012.
3.3 Abgrenzung zu anderen Unternehmensanleihen und Schuldscheindarlehen
Innerhalb des Fremdkapitals bilden Mittelstandsanleihen in Deutschland das Bindeglied zwischen Schuldscheindarlehen (private debt) und der klassischen Unternehmensanleihe (corporate bonds). Während Letztere ähnliche Charakteristiken wie Mittelstandsanleihen aufweisen, ähneln Schuldscheindarlehen einem Bankkredit.
Unternehmensanleihen sind ebenfalls Schuldverschreibungen, die von Unternehmen emittiert und an der Börse gehandelt werden. Durch die deutlich höhere Stückelung (gewöhnlich ab 50.000€) und das hohe Emissionsvolumen (ab €150 Mio.) werden jedoch primär institutionelle Investoren angesprochen. Typische Emittenten sind Blue Chip Unternehmen wie beispielsweise die Daimler AG.[22]
Dagegen erhält bei einem Schuldscheindarlehen der Schuldner gegen Ausstellung eines Schuldscheines ein langfristiges Darlehen. In der Gläubigerposition befindet sich normalerweise eine Kapitalsammelstelle, die den Schuldschein zwar an Dritte übertragen, jedoch nicht an einer Börse handeln kann.[23] Aus Investorensicht ist diese Form der Finanzierung vor allem aufgrund ihrer Bilanzierung zum Nominalwert über die komplette Laufzeit interessant. Der Vorteil für den Schuldner liegt im vergleichsweise geringen Dokumentationsaufwand und den daraus resultierenden niedrigeren Transaktionskosten.[24] Im Gegensatz zu Unternehmensanleihen sind Schuldscheindarlehen zudem schon ab einem deutlich niedrigeren Volumen realisierbar.[25]
Aus Abbildung 3 wird ersichtlich, dass Mittelstandsanleihen Merkmale beider Fremdfinanzierungsmöglichkeiten aufweisen und diese zu einer neuen Gattung vereinen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Abgrenzung von Mittelstandsanleihen
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Achleitner, 2011.
3.4 Marktumfeld
Deutschland gilt seit jeher als ein typischer Vertreter eines bankorientierten Finanzsystems. Im Gegensatz zum angelsächsischen marktorientierten Finanzsystem ziehen deutsche Unternehmen bisher einen Bankkredit der Finanzierung über den Kapitalmarkt vor. In diesem System führt die Allokation von Kapital durch die Banken zu den besten Ergebnissen. Darüberhinaus betreiben Kreditinstitute eine effizientere Überwachung als der Kapitalmarkt und mildern dadurch das „Moral Hazard“-Problem, welches nach Vertragsunterzeichnung auftreten kann.[26] Auch das charakteristische Drei-Säulen-System des deutschen Bankenwesens und die enge Verbindung zwischen Unternehmen und Kreditinstituten (Hausbank) sorgten dafür, dass die Begebung einer Anleihe im Vergleich zum Bankkredit bisher eine vergleichsweise unattraktive Finanzierungsalternative darstellte und daher in Deutschland wenig genutzt wurde.[27]
Abbildung 4 verdeutlicht diesen Sachverhalt und zeigt das Finanzierungverhalten von Unternehmen in der EU, den USA und Großbritannien zu Beginn des letzten Jahrzehnts.[28]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4: Internationaler Vergleich der Fremdfinanzierung über den Kapitalmarkt
Quelle: Eigene Darstellung, Daten: Drudi et al., 2007, S.17.
Mit Ausbruch der Finanzkrise ab dem Jahr 2007 und den deutlich restriktiveren gesetzlichen Eigenkapitalunterlegungsvorschriften durch Basel II und III wurden die Banken wesentlich zurückhaltender in Ihrer Kreditvergabepolitik. Basel III wird die Eigenkapitalunterlegung für risikogewichtete Aktiva bis zum Jahr 2019 nochmals deutlich erhöhen und die Eigenkapitaldefinition einengen. Ferner soll es eine Deckelung des Leverage Ratios geben. Als Konsequenz daraus werden die Kreditinstitute in Zukunft wohl noch selektiver Kredite gewähren.[29] Allerdings muss einschränkend ergänzt werden, dass eine allgemeine Kreditklemme in diesem Ausmaß aktuell empirisch nicht nachgewiesen werden kann. Laut Bundesbankstatistik hat sich die Kreditvergabe an Unternehmen und Selbstständige gegenüber 2008 sogar leicht von €1.333 Mrd. auf €1.368 Mrd. im Jahr 2011 erhöht.[30] Zu gleichem Ergebnis kommt das KfW-Mitelstandspanel (2011). Es beschreibt, dass sich die Verfügbarkeit von Krediten für KMU seit 2008 sukzessive verbessert hat.[31] Gleichwohl ist hier eine Differenzierung innerhalb dieser Gruppe zu treffen. Kleine Unternehmen, mit einem Kreditbedarf bis zu €10 Mio., können sich weiterhin relativ problemlos bei Genossenschaftsbanken und Sparkassen mit Krediten eindecken. Für die Kreditvolumina zwischen €10 Mio. und €200 Mio. gestaltet sich diese Aufgabe schwieriger.[32]
Zudem wird das Angebot an Krediten durch die Neuausrichtung des Geschäftsmodells einiger Banken sowie dem Rückzug ausländischer Institute aus dem deutschen Markt beeinträchtigt.[33] Im gleichen Zeitraum steigt jedoch der Kapitalbedarf, für mittelständische Unternehmen, deutlich an. Hauptmotive hierfür sind Akquisitionen zur Sicherung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit, Investitionen in den Aufbau neuer Standorte und immer kürzere Produktlebenszyklen. Weiterhin besteht bei mittelständischen Unternehmen ein großer Wunsch zur Diversifikation der Kapitalstruktur, um die Abhängigkeit von den Banken zu reduzieren. Gerade die Post-Lehmann Zeit hat gezeigt, wie wichtig eine breit aufgestellte Finanzierungstruktur ist, speziell um eine Schwächephase des Bankensektors zu überstehen.[34]
In diesem Spannungsfeld schien es den Unternehmen opportun, dass die Börse Stuttgart im Jahr 2010 ein Segment zur Finanzierung von mittelständischen Unternehmen eröffnet hat, welches die Fremdfinanzierung von diesen am Kapitalmarkt vertraglich regelt. Hierdurch wird der Mittelstand einer breiten Investorengruppe zugänglich gemacht und ein liquider Börsenhandel geschaffen. Die Attraktivität wird durch die Studie „Mittelstandsfinanzierung in Deutschland“ untermauert. Eine große Mehrheit der mittelständischen Unternehmen misst dieser Form wachsende Bedeutung in der Finanzierungsmatrix bei.[35]
Natürlich kann diese Finanzierungsform nur eine Ergänzung zu den bereits bestehenden Finanzierungsmöglichkeiten sein und soll diese nicht gänzlich verdrängen. Welche Vorzüge und Nachteile sich daraus ergeben, werde ich im nächsten Abschnitt genauer analysieren.
[...]
[1] The Economist, 2011, online.
[2] Vgl. Modigliani, Miller, 1958, S.268.
[3] Vgl. Diamond, 1991, S.689.
[4] Vgl. Diamond, 1991, S.716.
[5] Vgl. Denis, Mihov, 2003, S.29-30.
[6] Vgl. Bolton, Freixas, 2000, S.331-332.
[7] Vgl. Bolton, Freixas, 2000, S.324-326; vgl. Bolton, Freixas, 2000, S.343.
[8] Vgl. Rauh, Sufi, 2010, S.4242.
[9] Vgl. Rauh, Sufi, 2010, S.4253-4254.
[10] Vgl. Rauh, Sufi, 2010, S.4242f.
[11] Vgl. Rauh, Sufi, 2010, S.4251f.
[12] Vgl. Kaya, 2011, S.199.
[13] Vgl. Achleitner, 2009, S.329.
[14] Vgl. Europäische Kommission, 2006, S.14.
[15] Vgl. Mann, 2012, S.26.
[16] Vgl. Achleitner, Kaserer, Günther, Volk, 2011, S.52-54.
[17] Vgl. Felz, 2012, S.95-98.
[18] Vgl. Kuthe, Zipperle, 2011, S.10-11.
[19] Vgl. Bock, Peeters, 2012, S.287-192.
[20] Vgl. Felz, 2012, S.96-97.
[21] Vgl. Gabler Verlag, 2010, S.328.
[22] Vgl. Bösl, Hasler, 2012, S.12.
[23] Vgl. Gabler Verlag, 2010, S.390.
[24] Vgl. Achleitner, Kaserer, Günther, Volk, 2011, S.12; ebd., S.52-54.
[25] Vgl. Achleitner, Kaserer, Günther, Volk, 2011, S.62.
[26] Vgl. Levine, 2002, S.1-3.
[27] Vgl. Bösl, Hasler, 2012, S.11-15.
[28] Vgl. Drudi et al., 2007, S.17.
[29] Vgl. Sander, 2012, S.6-8.
[30] Vgl. Deutsche Bundesbank, 2012a, S.32*-34*.
[31] Vgl. KfW Bankengruppe, 2012, S.58-59.
[32] Vgl. Mann, 2012, S.23-24.
[33] Vgl. Achleitner, Kaserer, Günther, Volk, 2011, S.46-48.
[34] Vgl. Dentz, 2011, S.6-9.
[35] Vgl. Pedell, Seidenschwarz & Comp. , 2011, S.3.
- Arbeit zitieren
- Simon Scholl (Autor:in), 2012, Mittelstandsanleihen - Eine theoretische und empirische Analyse eines neuen Finanzierungsinstruments, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/211794
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