Die Flexibilisierung von Arbeitszeit und die Vereinbarkeit von Erwerbsarbeit und Familie sind in der Literatur und auch in politischen Debatten ständig präsente Themen.
Besonders die Anforderungen, die sich aus der Kombination beider Sachverhalte ergeben,
sind in der heutigen Gesellschaft von großer Bedeutung und wurden daher für
die vorliegende Arbeit ausgewählt.
Gegenstand ist im ersten Schritt eine Aufarbeitung der bereits vorhandenen Literatur
und Daten zum Thema Arbeitszeit sowie deren Veränderungen und Flexibilisierung in
der Bundesrepublik Deutschland. Daran anschließend und aufbauend soll mit Hilfe von
SOEP-Daten eine eigene Trendanalyse verschiedener Wellen (Erhebungszeitpunkte)
durchgeführt werden, die die im ersten Schritt erzielten Ergebnisse überprüfen und
aktualisieren soll. Des Weiteren werden zusätzlich zu den Befunden bezüglich der Arbeitszeit,
des Arbeitswegs und des Zeitaufwandes für Weiterbildungen ebenfalls Variablen
betrachtet, die Auskunft über die Zufriedenheit mit den Angeboten der Kinderbetreuung
geben, zusätzlich geleistete Kinderbetreuung außerhalb von Institutionen erfassen
uvm. Durch die erlangten Ergebnisse insgesamt wird dann beurteilt, in wie weit
sich die zeitlichen Anforderungen der Arbeitswelt gewandelt haben und in wie weit dies
neue oder veränderte Anforderungen an Betreuungseinrichtung stellt.
Im zweiten Teil der Arbeit soll anhand von zwei Fallstudien erarbeitet werden, wie Kinderbetreuungseinrichtungen
den veränderten Anforderungen an ihr Betreuungsangebot
in zeitlicher Sicht gerecht werden. Dabei werden Einrichtungen eines gemeinnützigen
und eines privat-gewerblichen Trägers betrachtet, um ein breiteres Spektrum erfassen
und mögliche Unterschiede in der Umsetzung und Herangehensweise sowie
den Entwicklungsstrategien aufdecken zu können. Die erzielten Ergebnisse aus den
Fallstudien sollen abschließend kritisch kontrastiert werden.
Im Fokus dieser Arbeit steht eine analytische Betrachtung und Prüfung der Veränderungen
der zeitlichen Anforderungen der Arbeitswelt und die Beurteilung der Berechtigung
und Notwendigkeit der Forderung nach umfangreicherer und flexiblerer Kinderbetreuung
und nicht etwa Bewertung des Hierarchieverhältnisses von Familie und Beruf.
Kinderbetreuung bezieht sich im Rahmen dieser Arbeit ausschließlich auf den Bereich
der null- bis sechs-Jährigen.
Inhaltsverzeichnis
Kurzfassung
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Vorwort
1 Die Entwicklung von Arbeitszeiten und (zeitlichen) Anforderungen der
Arbeitswelt
1.1 Arbeitszeit
1.2 Arbeitsweg
1.3 Weiterbildung
1.4 Entgrenzung und Subjektivierung von Arbeit
1.5 Zwischenfazit
2 Eigene Betrachtung und Analyse der zeitlichen Anforderungen der Arbeitswelt und ihrer Entwicklungstendenzen
2.1 Fragestellung und Arbeitshypothesen
2.2 Datenbasis
2.3 Auswahl der Untersuchungseinheit
2.4 Operationalisierung
2.5 Analyse und Ergebnisse
2.6 Zusammenfassung, Schlussfolgerungen und Prognosen
3 Flexible Kinderbetreuungsangebote - Praxisbeispiele
3.1 Zielsetzung
3.2 Konzeption der Fallstudien
3.3 Beschreibung der Einrichtungen
3.3.1 pme Familienservice GmbH
3.3.2 AWO
3.4 Kontrastierung und Evaluierung der Ergebnisse
4 Fazit
Anhang A: Ergänzende Tabellen zur Analyse der SOEP-Daten
Anhang B: Tabellen- und Abbildungsanhang
Literaturverzeichnis
Kurzfassung
Die Flexibilisierung von Arbeitszeit und die Vereinbarkeit von Erwerbsarbeit und Familie sind in der Literatur und auch in politischen Debatten ständig präsente Themen. Besonders die Anforderungen, die sich aus der Kombination beider Sachverhalte ergeben, sind in der heutigen Gesellschaft von großer Bedeutung und wurden daher für die vorliegende Arbeit ausgewählt.
Gegenstand ist im ersten Schritt eine Aufarbeitung der bereits vorhandenen Literatur und Daten zum Thema Arbeitszeit sowie deren Veränderungen und Flexibilisierung in der Bundesrepublik Deutschland. Daran anschließend und aufbauend soll mit Hilfe von SOEP-Daten eine eigene Trendanalyse verschiedener Wellen (Erhebungszeitpunkte) durchgeführt werden, die die im ersten Schritt erzielten Ergebnisse überprüfen und aktualisieren soll. Des Weiteren werden zusätzlich zu den Befunden bezüglich der Ar- beitszeit, des Arbeitswegs und des Zeitaufwandes für Weiterbildungen ebenfalls Vari- ablen betrachtet, die Auskunft über die Zufriedenheit mit den Angeboten der Kinderbe- treuung geben, zusätzlich geleistete Kinderbetreuung außerhalb von Institutionen er- fassen uvm. Durch die erlangten Ergebnisse insgesamt wird dann beurteilt, in wie weit sich die zeitlichen Anforderungen der Arbeitswelt gewandelt haben und in wie weit dies neue oder veränderte Anforderungen an Betreuungseinrichtung stellt.
Im zweiten Teil der Arbeit soll anhand von zwei Fallstudien erarbeitet werden, wie Kinderbetreuungseinrichtungen den veränderten Anforderungen an ihr Betreuungsangebot in zeitlicher Sicht gerecht werden. Dabei werden Einrichtungen eines gemeinnützigen und eines privat-gewerblichen Trägers betrachtet, um ein breiteres Spektrum erfassen und mögliche Unterschiede in der Umsetzung und Herangehensweise sowie den Entwicklungsstrategien aufdecken zu können. Die erzielten Ergebnisse aus den Fallstudien sollen abschließend kritisch kontrastiert werden.
Im Fokus dieser Arbeit steht eine analytische Betrachtung und Prüfung der Verände- rungen der zeitlichen Anforderungen der Arbeitswelt und die Beurteilung der Berechti- gung und Notwendigkeit der Forderung nach umfangreicherer und flexiblerer Kinderbe- treuung und nicht etwa Bewertung des Hierarchieverhältnisses von Familie und Beruf.
Kinderbetreuung bezieht sich im Rahmen dieser Arbeit ausschließlich auf den Bereich der null- bis sechs-jährigen Kinder, da anschließend mit der Einschulung die Schul- pflicht beginnt, die nur noch ein eingeschränkteres Maß an zeitlicher Flexibilität der Betreuung zulässt und als Pflichtangebot für alle einen Platz bereithalten muss. Natür- lich wäre es auch möglich, den Bereich der offenen Ganztagsschule, des Hortes etc. mit ein zu beziehen, allerdings würde dies den Rahmen der Arbeit übersteigen.
Schlagwörter: Arbeitszeit, Flexibilisierung, Kinderbetreuung, Fallstudie
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Erwerbsbeteiligung der 15- bis 64-Jährigen in Deutschland (1991- 2008)
Abbildung 2: Betreuungsquote 2009 nach Bundesland, Alter der Kinder und Art der Betreuung
Abbildung 3: Altersstruktur der Bevölkerung im Jahr 2010 und prognostiziert für das Jahr 2050
Abbildung 4: Anteile der abhängig Beschäftigten, die von Schicht-, Nacht- und Wochenendarbeit betroffen sind (1991 und 2005)
Abbildung 5: Weiterbildungsbeteiligung der 19- bis 64-Jährigen in Deutschland (1979-2007 in %)
Abbildung 6: Durchschnittlicher Zeitaufwand für die Wegstrecke zwischen Wohnung und Arbeit nach Personengruppe (1985, 1995, 2003 in Minuten)
Abbildung 7: Durchschnittlich zurückgelegte Entfernung zwischen Wohnung und Arbeit nach Personengruppe (1985, 1995, 2003 in Kilometern)
Abbildung 8: Entwicklung der Weiterbildungsbeteiligung nach Personengruppe und Anzahl der besuchten Kurse (1989, 2000, 2008 in %)
Abbildung 9: Entwicklung der Weiterbildungsbeteiligung nach Bildungsabschluss und Anzahl der besuchten Kurse (1989, 2000, 2008 in %)
Abbildung 10: Entwicklung der Weiterbildungsbeteiligung nach Geschlecht und Anzahl der besuchten Kurse (1989, 2000, 2008 in %)
Abbildung 11: Anteile der Kinder in Vormittagsbetreuung in Abhängigkeit von der Erwerbstätigkeit der Eltern (1995, 2001, 2008)
Abbildung 12: Anteile der Kinder in Nachmittagsbetreuung in Abhängigkeit von der Erwerbstätigkeit der Eltern (1995, 2001, 2008)
Abbildung 13: Anteile der Kinder in Ganztagsbetreuung in Abhängigkeit von der Erwerbstätigkeit der Eltern (1995, 2001, 2008)
Abbildung 14: Zeitliche Lage der Betreuung der Kinder nach Haushaltssituation der Eltern (1995, 2001, 2008 in %)
Abbildung 15: Anteile der Unter-Drei-Jährigen nach zeitlicher Lage der institutionellen Betreuung (1995, 2001, 2008)
Abbildung 16: Anteile der betreuten Kinder nach Art des Trägers (1997, 2002, 2007)
Abbildung 17: Entwicklung der Weiterbildungsbeteiligung der Personen mit Kind(ern) unter sechs Jahren nach Geschlecht (1989, 2000, 2008 in %)
Abbildung 18: Platz-Kind-Relation 2002 nach Betreuungsform (Plätze je Kinder)
Abbildung 19: Leitfaden der Interviews in den Fallstudien
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Zeitaufwand für den Arbeitsweg nach Umfang der Erwerbstätigkeit und Geschlecht in Minuten pro Tag (1991/92 und 2001/02)
Tabelle 2: Betrachtete Erhebungswellen der Variablen des Themenbereichs Kinderbetreuung
Tabelle 3: Betrachtete Fallzahlen der einzelnen Erhebungswellen unter der Bedingung der Erwerbstätigkeit (1984, 1989, 1994, 1999, 2004, 2008)
Tabelle 4: Erwerbstätigenquoten der einzelnen Erhebungswellen nach Geschlecht (1984, 1989, 1994, 1999, 2004, 2008)
Tabelle 5: Betrachtete Fallzahlen der einzelnen Erhebungswellen unter der Bedingung Erwerbstätigkeit und Kind unter sechs Jahren (1984, 1989, 1994, 1999, 2004, 2008)
Tabelle 6: Erwerbstätigenquoten der Personen mit Kind(ern) unter sechs Jahren in den einzelnen Erhebungswellen (1984, 1989, 1994, 1999, 2004, 2008)
Tabelle 7: Fallzahlen in den einzelnen Erhebungswellen nach Personengruppe (1995, 2000, 2005, 2007)
Tabelle 8: Anteile der Erwerbstätigen, die nie von Abend-, Nacht- und Wochenendarbeit betroffen sind nach Personengruppe (1995, 2000, 2005, 2007)
Tabelle 9: Anteile der Erwerbstätigen, die regelmäßig von Abend-, Nacht- und Wochenendarbeit betroffen sind nach Personengruppe (1995, 2000, 2005, 2007)
Tabelle 10: Fallzahlen in den einzelnen Erhebungswellen nach Personengruppe (1984, 1989, 1997, 1999, 2007)
Tabelle 11: Mittelwert und Standardabweichung der geleisteten Arbeitsstunden an Wochenenden nach Tag und Personengruppe (1984, 1989, 1997, 1999, 2007 in Stunden)
Tabelle 12: Modus und Median der geleisteten Arbeitsstunden an Wochenenden nach Tag und Personengruppe (1984, 1989, 1997, 1999, 2007 in Stunden)
Tabelle 13: Anteile der Erwerbstätigen, die von Unregelmäßigkeiten in Bezug auf Arbeitstage und -zeiten betroffen sind (1997, 1999, 2004, 2008)
Tabelle 14: Fallzahlen differenziert nach Personengruppe, Bildungsabschluss und Geschlecht in den einzelnen Erhebungswellen (2003, 2005, 2007) 40 Tabelle 15: Anteile der Erwerbstätigen mit besonderen Arbeitszeitregelungen nach Personengruppe (2003, 2005, 2007)
Tabelle 16: Durchschnittlich geleistete Überstunden nach Personengruppe und Art der Beschäftigung (1984, 1989, 1994, 1999, 2004, 2008 in Std.) 42 Tabelle 17: Standardabweichung, Modus und Median der geleisteten Überstunden nach Art der Erwerbstätigkeit und Personengruppe (1984, 1989, 1994, 1999, 2004, 2008 in Stunden)
Tabelle 18: Mittelwert und Standardabweichung der geleisteten Überstunden der Erwerbstätigen mit Kind(ern) unter sechs Jahren nach Haushaltssituation (1984, 1989, 1994, 1999, 2004, 2008 in Stunden)
Tabelle 19: Mittelwert und Standardabweichung der geleisteten Überstunden nach Personengruppe und Geschlecht (1984, 1989, 1994, 1999, 2004, 2008 in Stunden)
Tabelle 20: Fallzahlen in den einzelnen Erhebungswellen (1985, 1995, 2003)
Tabelle 21: Fallzahlen nach Personengruppe in Erhebungswelle Q (2000)
Tabelle 22: Zeitliche Lage der Weiterbildung nach Anzahl der belegten Kurse und Personengruppe (1989, 2000, 2008 in %)
Tabelle 23: Fallzahlen der Kind(ern) unter sechs Jahren in den einzelnen Erhebungswellen (1995, 2001, 2008)
Tabelle 24: Fallzahlen der Personen mit Kind(ern) unter sechs Jahren in den einzelnen Erhebungswellen (1997, 2001, 2007)
Tabelle 25: Mittelwert, Standardabweichung, Modus und Median der Zufriedenheit mit den vorhandenen Kinderbetreuungsangeboten von Personen mit Kind(ern) unter sechs Jahren (1997, 2001, 2007)
Tabelle 26: Fallzahlen der Personen, die zusätzlich zur institutionellen Betreuung keine Betreuungshilfen in Anspruch genommen haben (1997, 2001, 2007)
Tabelle 27: Mittelwert, Standardabweichung, Modus und Median der Zufriedenheit mit den institutionellen Betreuungsmöglichkeiten von Personen mit Kind(ern) unter sechs Jahren (1997, 2001, 2007)
Tabelle 28: Fallzahlen der Kinder unter sechs Jahren in den einzelnen Erhebungswellen (1987, 1997, 2007)
Tabelle 29: Anteile der Kinder, die zusätzlich zur institutionellen Betreuung noch durch andere Personen betreut werden (1987, 1997, 2007)
Tabelle 30: Anteile der Kinder, die zusätzlich zur institutionellen Betreuung noch durch andere Personen betreut werden nach Erwerbssituation der Eltern (1987, 1997, 2007)
Tabelle 31: Fallzahlen in den einzelnen Erhebungswellen (1997, 2002, 2007)
Tabelle 32: Mittelwert und Standardabweichung der Zufriedenheit mit institutionellen Betreuungsmöglichkeiten nach Art des Trägers (1997, 2002, 2007)
Tabelle 33: Ergebnisse des Levene-Tests in den einzelnen Erhebungswellen (1997, 2002, 2007)
Tabelle 34: Werte der ANOVA in den einzelnen Erhebungswellen (1997, 2002, 2007)
Tabelle 35: Erwerbstätigenquoten nach Art der Beschäftigung und Geschlecht (1984, 1989, 1994, 1999, 2004, 2008)
Tabelle 36: Anteile der erwerbstätigen Frauen, die regelmäßig von Abend-, Nacht und Wochenendarbeit betroffen sind nach Personengruppe (1995, 2000, 2005, 2007)
Tabelle 37: Fallzahlen differenziert nach Personengruppe, Bildungsabschluss und Geschlecht in den einzelnen Erhebungswellen (2003, 2005, 2007)
Tabelle 38: Anteile der erwerbstätigen Frauen mit besonderen Arbeitszeitregelungen (2003, 2005, 2007)
Tabelle 39: Anteile der Erwerbstätigen mit besonderen Arbeitszeitregelungen nach Bildungsabschluss (2003, 2005, 2007)
Tabelle 40: Vereinbarte Wochenarbeitszeit und geleistete Überstunden nach Personengruppe (1984, 1989, 1994, 1999, 2004, 2008 in Std.)
Tabelle 41: Standardabweichung, Modus und Median der Wegstrecken der jeweiligen Personengruppen (1985, 1995, 2003 in Kilometern)
Tabelle 42: Standardabweichung, Modus und Median der Wegzeiten der jeweiligen Personengruppen (1985, 1995, 2003 in Minuten)
Tabelle 43: Unterschiede der Wegstrecken zwischen allen Erwerbstätigen und den Erwerbstätigen mit Kind(ern) unter sechs Jahren* (1985, 1995, in Kilometern)
Tabelle 44: Unterschiede der Wegzeiten zwischen allen Erwerbstätigen und den Erwerbstätigen mit Kind(ern) unter sechs Jahren* (1985, 1995, in Minuten)
Tabelle 45: Mittelwert, Standardabweichung, Modus und Median der Zufriedenheit mit den vorhandenen Betreuungsmöglichkeiten nach Personengruppe (1997, 2001, 2007)
Tabelle 46: Anteile der alleinlebenden Personen, die bei der Betreuung zusätzlich zur institutionellen Betreuung Hilfe in Anspruch nehmen (1987, 1997, 2007)
Tabelle 47: Anteile der zusammenlebenden Personen, die bei der Betreuung zusätzlich zur institutionellen Betreuung Hilfe in Anspruch nehmen (1987, 1997, 2007)
Tabelle 48: Modus und Median der Zufriedenheit mit den institutionellen Betreuungsmöglichkeiten nach Art des Trägers der Einrichtung (1997, 2002, 2007)
Tabelle 49: Erwerbstätige Mütter und Väter nach Alter des jüngsten Kindes und Art der Kinderbetreuung während der Arbeitszeit 2005 (Gesamt- Deutschland in %)
Vorwort
„Imöffentlichen Diskurs wird der Zusammenhang zwischen Arbeitszeit und Fami- lienleben vor allem als Problem familialer Arbeitsteilung, Kinderbetreuungsangebo- ten und steuerpolitischer Zielsetzungen behandelt. Veränderungen der Arbeitszei- ten im Erwerbsleben werden als organisatorisches Problem ( … ) gedeutet“ (Jürgens, 2005: 37).
Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf war und ist ein ständig präsentes Thema in der Soziologie und der Sozialforschung. Für etwas ältere Arbeiten steht mehrheitlich das weibliche Geschlecht im Mittelpunkt der Analyse, da in vielen Fällen noch von ei- nem traditionellen Familien- oder Erziehungsmodell ausgegangen wird, bei dem der Mann als Ernährer der Familie eine Vollzeiterwerbstätigkeit ausübt und die Frau gar keiner (Male-Breadwinner-Model) oder nur einer eingeschränkten Erwerbstätigkeit nachgeht (Modified Male-Breadwinner-Model1 ). Neuere Arbeiten thematisieren hinge- gen häufiger die „Work-Life Balance“, mit der ein Zustand gemeint ist, bei dem Arbeit und Privatleben in einem gut ausgeglichenen Verhältnis zueinander stehen, die Rol- lenanforderungen dieser beiden Lebensbereiche im Einklang miteinander sind (vgl. Schobert, 2007: 20f.). Was diesen Einklang ausmacht, ist jedoch individuell zu definie- ren und variiert je nach Lebensphase und deren Anforderungen. Von Unternehmen, z.T. auch von Organisationen, wird ein breites Spektrum an Maßnahmen implemen- tiert, wie flexible Arbeitszeitmodelle, Kinderbetreuungsangebote, Gesundheitsförderung uvm., die die Reduktion des Work-Life Conflicts und Herstellung einer ausgewogenen Work-Life Balance zum Ziel haben (vgl. Kaiser et. al., 2010: 235ff.).
Der Begriff der Work-Life Balance und die implementierten Maßnahmen zur Realisierung tragen zu einem großen Teil zur Bestätigung der Veränderungen der Geschlechterrollenbilder bei. Es wird allerdings eine längere Zeit in Anspruch nehmen, bis sich diese Veränderungen auf allen gesellschaftlichen Ebenen etabliert haben. Denn viele Organisationen und Institutionen orientieren sich vermehrt noch an den alten Rollenbildern, Lebensformen und Normen.
Doch schon dann, wenn man die Erwerbsbeteiligung von Frauen betrachtet, ist eindeu- tig erkennbar, dass sich ein Wandel vollzieht. Frauen partizipieren heute in einem er- heblich höheren Maß am Erwerbsleben, als dies noch vor einigen Jahren der Fall war. Damit ist das klassische Rollenbild des männlichen Alleinverdieners schnell obsolet und es wird deutlich, dass sich auch in Bezug auf die Geschlechterrollenbilder der Indi- viduen selbst, ein tiefgreifender Wandlungsprozess vollzogen hat. Dieses bereits ver- änderte Rollenverhalten erfordert auch auf Seiten der Institutionen und Organisationen ein Umdenken und eine Umstrukturierung ihres Angebots, damit Paare und insbeson- dere Frauen nicht entweder ihrer gesellschaftlichen Rolle als Eltern bzw. Mütter oder ArbeitnehmerInnen gerecht werden können, sondern beide Rollen und deren Anforderungen in guter Balance miteinander vereinbaren können.
Der bereits oben erwähnte Anstieg der weiblichen Erwerbsbeteiligung und der damit einhergehende Wandel der traditionellen Familien- und Erwerbsmodelle soll mit folgender Abbildung noch einmal veranschaulicht werden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Erwerbsbeteiligung der 15- bis 64-Jährigen in Deutschland (1991-2008)2
Wie die obige Darstellung verdeutlicht, vollzieht sich die Zunahme in der Erwerbsbeteiligung von Frauen, wie häufig angenommen, fast ausschließlich im Bereich der Teilzeit- oder der geringfügigen Beschäftigungen. Die Anteile der vollzeiterwerbstätigen Frauen an den generell erwerbstätigen Frauen bleiben in der betrachteten Zeitspanne mit leichten Schwankungen fast identisch (1991 ca. 40%, 2008 ca. 37%).
Aus weiteren Auswertungen des Mikrozensus 2005 ist ersichtlich, dass die Erwerbsbe- teiligung und ihr Umfang (Voll-, Teilzeit oder geringfügige Beschäftigung), besonders von Müttern, stark mit dem Alter der Kinder variieren (vgl. Statistisches Bundesamt, 2006: 10). Ob dies von den Frauen jedoch so gewünscht ist, da sie sich mit kleineren Kindern lieber vorwiegend ihrer Rolle als Mutter widmen möchten, oder eher (infra)strukturellen Bedingungen und gesellschaftlichen Rollenzuweisungen geschuldet ist, bleibt an dieser Stelle weitgehend offen. Wie die Ergebnisse des Mikrozensus je- doch auch zeigen, ist für Mütter die zeitlich unzureichende Verfügbarkeit von Kinderbe- treuung ein wichtiger Grund für die Reduktion ihrer Erwerbstätigkeit (vgl. ebd.: 22).
Die (infra)strukturellen Bedingungen, besonders in Form von ausreichend vorgehalte- nen Kapazitäten in Betreuungseinrichtungen, auch im Ganztagsbereich, stellen für Frauen bzw. Paare einen wichtigen Aspekt bei der Möglichkeit der Ausübung einer (Vollzeit)Erwerbstätigkeit dar. Wie aus den aktuellen politischen Debatten bekannt ist und auch aus der folgenden Darstellung hervorgeht, ist die Deckungsrate mit Ganz- tagsbetreuungsplätzen in Deutschland jedoch eher mäßig und vor allem im Bereich der Unter-Drei-Jährigen besonderer Ausbau- und Nachholbedarf vorhanden (vgl. Siebter Familienbericht, 2006: 25).
Die nachstehende Abbildung lässt erkennen, dass die neuen Bundesländer, mit Sach- sen-Anhalt an der Spitze (54,5%), eine weitaus bessere Ausstattung mit Betreuungs- plätzen für Unter-Drei-Jährige aufweisen, auch wenn diese Quote noch nicht das ge- wünschte Niveau erreicht hat. Was den Bereich der Ganztagsbetreuung betrifft, lässt sich auch hier für dieses Gebiet im Durchschnitt eindeutig eine höhere Quote feststel- len. So liegt z.B. in den neuen Bundesländern der Anteil der Kindergartenplätze, die keine Ganztagesplätze sind, bei maximal 42,1% (Brandenburg), in den alten Bundes- ländern hingegen sind es bis zu 83,2% (Baden-Württemberg). Dies kann im Falle einer Erwerbstätigkeit beider Elternteile zu Komplikationen und Vereinbarkeitsproblemen führen (vgl. Rauschenbach, 2007: 15). Vergleicht man diese Werte aus dem Jahr 2009 jedoch mit denen von 2002, so zeigt sich, dass in den vergangenen Jahren durchaus eine Steigerung der Betreuungsquote im gesamten Bundesgebiet, sowohl bei den Un- ter-Drei-Jährigen, als auch im KiTa-Bereich, erzielt werden konnte3. Mitverantwortlich für diese starke Expansion ist vermutlich der nach dem KiBiz4 2013 entstehende Rechtsanspruch auf einen Tagesbetreuungsplatz ab dem ersten Lebensjahr.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Betreuungsquote 2009 nach Bundesland, Alter der Kinder und Art der Betreuung5
*Anteil der ganztags betreuten Kinder an allen Kindern derselben Altersgruppe Ergänzend zu den bisher noch unzureichenden Kapazitäten im Bereich der Kin- der(ganztags)betreuung zeichnen sich, schenkt man den vielfältigen Veröffentlichun- gen Glauben, auch zunehmend Veränderungen und Flexibilisierungen der traditionell als normal betrachteten Arbeitszeiten ab (vgl. Groß et. al., 2007; Seifert, 2005). Dies stellt dann zwar in erster Linie eine zusätzliche Herausforderung im Sinne von Vereinbarkeitsproblematiken für die Eltern, aber auch für die Betreuungseinrichtungen und die Gestaltung ihrer Angebote, dar.
Betrachtet man die oben erwähnten Veröffentlichungen zum Thema Arbeitszeit, Flexibilität und Wandel der Arbeitswelt genauer, so zeigen ihre Verfasser auf, dass immer häufiger nicht mehr von Arbeitszeiten und -tagen ausgegangen werden kann, die den traditionellen Vorstellungen von einer Arbeitszeit von 9 bis 17 Uhr und einer Fünf-Tage- Woche (Montag bis Freitag) entsprechen:
„Nur noch für knapp 13 Prozent der Beschäftigten in Deutschland gilt die klassische Normalarbeitszeit, das hei ß t, sie arbeiten zwischen 35 und 42 Stunden, von mon tags bis freitags ohne Schichtdienst, Überstunden oder Gleitzeit. ( … ) Der gr öß te Teil der Beschäftigten arbeitet ( … ) heute unter den Bedingungen „moderater“ oder „extremer“ Arbeitszeitflexibilisierung“ (Groß et. al., 2007: 202).
Diese Flexibilisierung kann sich auf Grund rechtlicher Reglementierungen6, die den Schutz der Beschäftigten bzw. bestimmter Gruppen von Beschäftigen vor Überforderung zum Ziel haben, nicht beliebig vollziehen und fortsetzen (vgl. Schneppendahl, Reichinger, 2001: 24).
Nichts desto trotz geht aus den Ergebnissen dieser Arbeiten weiterhin hervor, dass sich Veränderungen und Verlagerungen der Arbeitszeit vollziehen, die so weitreichend sind, dass sie auch neue Anforderungen an Betreuungseinrichtungen stellen. Diese orientieren sich mit ihren Angeboten jedoch noch vorwiegend an den traditionellen Ar- beitszeiten und berücksichtigen Veränderungen der Arbeitszeit bzw. generell flexible Gestaltungsmöglichkeiten der Betreuungsangebote in ihren Konzepten bisher eher wenig (vgl. Esch et. al., 2005: 8).
In diesem Zusammenhang stellt sich allerdings auch die Frage, wie weit die Flexibilität der Betreuungseinrichtungen reichen muss bzw. wie sich das Hierarchieverhältnis, in dem die einzelnen Lebensbereiche zu einander stehen, gestaltet. Der Rollenanforde- rung welches Lebensbereiches muss vorrangig gerecht geworden werden? Der des Erwerbstätigen oder der des Elternteils? Stehen diese Lebensbereiche überhaupt in einem Hierarchieverhältnis zueinander oder besteht die Möglichkeit, beide ausgewo- gen, durch die zielgerichtete Umsetzung eines Work-Life-Balance-Konzeptes, konflikt- frei und für alle Beteiligten nachteilsfrei miteinander in Einklang zu bringen? Die Bewer- tung eines möglichen Hierarchieverhältnisses kann eigentlich nur aus einer normativen und wertgeladenen Betrachtungsweise erfolgen und soll daher nicht Bestandteil dieser Arbeit sein. Um eine Debatte über ein mögliches Hierarchieverhältnis verschiedener Lebensbereiche in dieser Arbeit zu umgehen, soll hier lediglich, die auch in Anbetracht des demographischen Wandels besonders erstrebenswerte Lösung, eines harmonischen Einklangs in den Fokus gerückt werden.
Jedoch nicht nur unter Berücksichtigung des demographischen Wandels, sondern auch der immer größer werdenden Investitionen in Humankapital wäre es nicht zuletzt aus ökonomischer Sicht von großer Wichtigkeit, eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf herzustellen, um Mütter, Väter und Eltern nicht vor eine Entweder-Oder- Entscheidung zu stellen und Überforderung bzw. Überlastung zu vermeiden, wenn sie versuchen, beide Lebensbereiche miteinander in Einklang zu bringen.
Die Bildungsexpansion in den 60er Jahren hat zu einer höheren Bildungsbeteiligung von Frauen geführt und somit gleichzeitig ihre Chancen auf und ihr Bedürfnis nach einer Erwerbsbeteiligung gesteigert (vgl. Cornelißen, 2005: 22). Da, wie wir oben ge- sehen haben, die Kinderbetreuungsinfrastruktur vor allem im Westen Deutschlands nur mittelmäßig ausgestaltet ist, stellt dies Frauen bzw. junge Eltern häufig vor Vereinbar- keitsprobleme von Familie und Beruf und veranlasst sie dazu, das traditionelle Arbeits- verteilungsmuster zu praktizieren und ihre Erwerbstätigkeit zu reduzieren, die dann hauptverantwortlich vom Mann übernommen wird (vgl. Bundesmann-Jansen et. al., 2000: 49). Dies hat, besonders bei gut- und hochqualifizierten Frauen, deren Zahl ebenfalls stetig ansteigt (vgl. Cornelißen, 2005: 96f.), zur Folge, dass durch eine unzu- reichende Deckungsrate mit Kinder(ganztags)betreuungsplätzen bzw. zu starren Be- treuungsangeboten, die zuvor getätigten Investitionen in das Humankapital nicht ge- nutzt werden, was volkswirtschaftlich ineffizient ist.
Auf der anderen Seite entscheiden sich viele der gut- und hochqualifizierten Frauen in dieser Situation auch immer häufiger gegen ein oder ein weiteres Kind (vgl. Kröhnert, Ringholz 2005: 283ff.), was in langfristiger Perspektive einen stetigen Geburtenrück- gang zur Folge hat. Betrachtet man aber die Altersstruktur in Deutschland und die Be- völkerungsprognosen für die kommenden Jahrzehnte, so ist es von großer Wichtigkeit, die Geburtenzahlen zu erhöhen, um damit den Auswirkungen des demographischen Wandels entgegenwirken zu können (vgl. Jürgens, 2005: 35). In diesem Zusammen- hang wird dann auch die Ausschöpfung des Humankapitals, also die Erwerbsbeteili- gung beider Partner, zur Sicherung des Sozialsystems von immer größerer Bedeutung sein (vgl. ebd.).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Altersstruktur der Bevölkerung im Jahr 2010 und prognostiziert für das Jahr 20507
Eine Steigerung der Geburtenrate kann jedoch nur dann erzielt werden, wenn die Ent- scheidung für ein Kind bzw. Kinder nicht mit gravierenden Einschränkungen in anderen Lebensbereichen, wie z.B. der Erwerbstätigkeit, einhergeht. Dies kann wiederum durch einen Ausbau der Kinderbetreuungsinfrastruktur, aber nicht zuletzt durch eine Orientie- rung der Betreuungseinrichtungen an den Anforderungen der Arbeitswelt bzw. den Bedürfnissen der Eltern erreicht werden. Die Flexibilität der Betreuungsinfrastruktur ist in diesem Zusammenhang allerdings ebenso gefordert, um z.B. sicherzustellen, dass auch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit atypischen Arbeitstagen und / oder - zeiten bzw. stark variierenden Arbeitstagen und / oder -zeiten ungehindert ihrer Er- werbstätigkeit nachgehen können.
Ein Bestandteil dieser Arbeit ist es daher, zu analysieren, in wie weit sich wirklich eine stark zunehmende Flexibilisierung und Veränderung der traditionell als normal betrach- teten Arbeitszeiten vollzieht oder ob diese nicht auch schon zu früheren Zeiten vorzu- finden war. Um dies zu klären, wird vorab eine Literaturanalyse durchgeführt, auf die aufbauend eine eigene Analyse folgt, durch die ermittelt werden soll, in wie weit Ver- änderungen und Verlagerungen von Arbeitszeiten stattgefunden haben. Neben mögli- chen künftigen Entwicklungstendenzen soll aus diesen Ergebnissen auch die Notwen- digkeit von und der Bedarf an flexiblen Betreuungsangeboten abgeleitet werden. An- hand von Fallstudien sollen anschließend bereits vorhandene Strategien zur Realisie- rung flexibler Betreuungsangebote aufgearbeitet und miteinander verglichen werden.
1 Die Entwicklung von Arbeitszeiten und (zeitlichen) Anforderungen der Arbeitswelt
Im Kern stellt die Arbeitszeit gesetzlich betrachtet die Zeit dar, die am Arbeitsplatz bzw. mit der Verrichtung der Arbeitstätigkeit verbracht wird (vgl. Hahn, 2009: 46). Dennoch sind unabhängig davon auch andere zeitliche Faktoren zu berücksichtigen, die zusätzlich zur eigentlichen Arbeitszeit anfallen und in den vergangenen Jahren immer mehr Bedeutung gewonnen haben, da sie bei der Ausübung einer Erwerbstätigkeit bzw. zum Erhalt des Arbeitsplatzes i.d.R. unumgänglich sind.
Im Zuge der gesellschaftlichen Entwicklung zur Wissensgesellschaft ist es z.B. von großer Bedeutung, sein eigenes Wissen ständig zu aktualisieren, sich weiter zu entwickeln und zu bilden und somit seinen Eigenwert, die Arbeitskraft, sicherstellen zu können. Auch die damit einhergehende stärkere Identifikation mit und Verinnerlichung der Arbeitswelt sowie die Betrachtung der eigenen Arbeitskraft als Ware spielen in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle.
Auf der anderen Seite sind, auch schon im Zuge der Industrialisierung, für bestimmte Tätigkeitsbereiche und -felder gewisse Ballungsräume entstanden, die, wenn man nicht direkt vor Ort ansässig ist, entweder eine einmalige Mobilität im Sinne von einem Umzug oder aber eine tägliche Mobilität im Sinne von pendeln und somit einen zusätzlichen Zeitaufwand erfordern.
Auch diesen weiteren Aspekten soll in den folgenden Abschnitten Beachtung ge- schenkt werden, da sie zwar nicht direkt zur täglichen Arbeitszeit zählen, aber dennoch den Zeitaufwand, der zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit pro Tag notwendig ist, er- höhen.
1.1 Arbeitszeit
„Die Arbeitszeit vollzieht einen tief greifenden Wandel. Dauer, Lage und Verteilung folgen immer weniger dem Muster der Normalarbeitszeit. Die Arbeitszeit wird nicht nur kürzer, sondern auch länger und flexibler“ (Groß et.al., 2007: 202).
Ausgehend von der „traditionellen“ Normalarbeitszeit, die auf gleichförmigen Verteilungsmustern basiert (vgl. Seifert, 2005: 40), bedeutet Flexibilisierung in einer recht weiten Definition jegliche Art der Abweichung von folgendem Muster - 40 Stunden in der Woche, an fünf Werktagen (Montag bis Freitag) und mit einer Arbeitszeit von ca. 9 bis 17 Uhr. Zieht man allerdings eine etwas enger gefasste Definition heran, so ist Flexibilisierung nur dann gegeben, wenn die Arbeitszeiten in Bezug auf Dauer und Lage im Zeitverlauf permanent veränderbar und variabel sind, sowohl durch den Arbeitgeber als auch den Arbeitnehmer (vgl. Linnenkohl, 2001: 15).
Da im Folgenden beide Phänomen erfasst werden sollen, wird hier im Fall der ersten Definition von Veränderungen in Bezug auf die Arbeitszeit, deren Dauer, Lage und Verteilung, und nur im Rahmen der engeren Definition von Flexibilisierungen der Arbeitszeit die Rede sein.
Veränderungen, die die generelle Dauer der Arbeitszeit betreffen, sollen dabei eher vernachlässigt werden, da es sich um recht geringe Schwankungen handelt8, die für den vorliegenden Arbeitskontext keine besondere Bedeutung haben. Vielmehr sind es Veränderungen, die die Lage, die Verteilung und Flexibilisierungen jeglicher Art betreffen, die an dieser Stelle ins Gewicht fallen.
Veränderungen der Arbeitszeit stellen an sich nicht zwingend ein Problem dar. Es sind vor allem die Art und Form der Veränderungen, die bestimmen, ob sich daraus positive oder negative Konsequenzen ergeben. Besonderer Berücksichtigung bedürfen die auf- tretenden Konsequenzen bei Personen oder Paare mit Kind(ern), da diese Personen- gruppe neben dem Umgang mit diesen Veränderungen, gleichzeitig auch die Betreu- ung des Kindes bzw. der Kinder zu den veränderten Tagen oder Zeiten bewältigen bzw. sicherstellen muss.
Teilzeit, Gleitzeit, Schicht- und Wochenendarbeit zählen nicht erst seit jüngster Zeit zu den in Deutschland verbreiteten Arbeitszeitmodellen, sondern sind schon seit mehre- ren Jahrzehnten, auch vor der Postulierung der tiefgreifenden Veränderungen und Fle- xibilisierungen der Arbeitswelt, präsent (vgl. Jürgens, 2005: 41). Die Bewertung dieser Arbeitszeitmodelle durch die Erwerbstätigen fällt jedoch, auch unter Berücksichtigung der aktuellen Lebenssituation (Alleinstehend, Verheiratet, Verheiratet mit Kind etc.), sehr unterschiedlich aus.
Gleitzeitmodelle werden generell eher begrüßt, da sie eine bessere Vereinbarkeit der Erwerbstätigkeit mit anderen Lebensbereichen ermöglichen. Ebendies ist auch bei Teilzeittätigkeiten der Fall. Schicht-, Abend- bzw. Nacht- und Wochenendarbeit hinge- gen stellen besonders Eltern vor einige Schwierigkeiten und Herausforderungen (vgl. ebd.), da diese Arbeitszeiten i.d.R. nicht den regulären Öffnungszeiten von Betreu- ungseinrichtungen entsprechen. Der Trend zu Beschäftigungen, die diese „atypischen“ Arbeitszeiten aufweisen, setzt sich jedoch fort (vgl. Seifert, 2007: 17), wie die folgende Abbildung verdeutlicht. Allerdings gibt diese Quelle keinen Aufschluss darüber, ob es sich bei den ausgegebenen Anteilswerten ausschließlich um Personen handelt, die regelmäßig von atypischen Arbeitszeiten betroffen sind oder ob auch diejenigen be- rücksichtigt wurden, die nur gelegentlich davon betroffen sind.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4: Anteile der abhängig Beschäftigten, die von Schicht-, Nacht- und Wochenendarbeit betroffen sind (1991 und 2005)9
Groß et. al. stellen in ihrer Analyse der ISO-Daten fest, dass 39,6% der abhängig Beschäftigten in „extremen Formen atypischer bzw. flexibler Arbeitszeit ihrer Erwerbstätigkeit nachgehen“ (Groß et. al., 2007: 205). Die Anteile der betroffenen Beschäftigten variieren stark in Abhängigkeit vom jeweilig betrachteten Wirtschaftszweig. Wobei die Sozialen Dienstleitungen und der Sekundäre Sektor, in den von Groß et.al. gebildeten Gruppen10, am stärksten betroffen sind.
Ähnliche Tendenzen, aber etwas höhere Werte geben Jürgens und Voß in ihrem Aufsatz 2007 an, nennen aber keine Quelle für ihre ermittelten Zahlen:
„Inzwischen sind mehr als die Hälfte der Beschäftigten in Deutschland nicht mehr im Rahmen des so genannten Normalarbeitstages tätig, sondern müssen atypische Arbeitszeiten, etwa in Schicht-, Wochenend- oder Nachtarbeit akzeptieren“
(Jürgens, Voß, 2007: 7).
Bezüglich Abweichungen der vertraglich vereinbarten wöchentlichen Arbeitszeit und der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit lässt sich für das Jahr 2003 feststellen, dass die tatsächlichen geleisteten Zeiten aller Beschäftigten durchschnittlich 2,5 Stunden über den vertraglichen vereinbarten lagen (vgl. Bauer et. al., 2004: 57). Da es sich jedoch nur um Durchschnittswerte handelt, ist anzunehmen, dass auch hier einige Berufsfel- der und -gruppen von diesen Abweichungen durchaus stärker betroffen sind, als dies bei anderen der Fall ist. So zeigt sich z.B., dass mit steigendem Qualifikationsniveau, sowohl bei Arbeitern als auch bei Angestellten, der Anteil derer, die Überstunden leisten, stetig ansteigt (vgl. ebd.:43).
Frauen leisten, betrachtete man ausschließlich das Stundenvolumen, weniger Über- stunden (vgl. ebd.). Ob dies evtl. der Inflexibilität der Betreuungsinfrastruktur geschul- det ist oder durch einen geringeren Bedarf an Überstunden im Teilzeitbereich, der von Frauen weitaus stärker besetzt ist, bedingt ist, kann hier nicht geklärt werden11.
Nach der Betrachtung der geleisteten Überstunden wird dann auch deutlich, warum nicht nur ein Ausbau der Kinderbetreuung im Ganztagsbereich notwendig ist, sondern gleichzeitig auch eine gewisse Flexibilität der vorhandenen und entstehenden Angebo- te benötigt wird. In der späteren eigenen Analyse werden daher auch die zusätzlich geleisteten Betreuungen, z.B. durch Familie, Babysitter etc. betrachtet, um ein Indiz für einen möglichen weiteren Betreuungsbedarf der Eltern herausarbeiten zu können.
1.2 Arbeitsweg
Eine Trennung zwischen Wohn- und Arbeitsstätte war vor allem in der vor- und frühin- dustriellen Gesellschaft nicht gegeben (vgl. Papanikolauo, 2009: 21); es war nicht un- üblich, dass sich beide Funktionen sogar in einem Haus vereinten. In den anfänglichen Phasen der Industrialisierung wurde diese Funktionskopplung dann zwar durch das Entstehen spezieller Arbeitersiedlungen aufgelöst, doch die Wohnstätten befanden sich immer noch in unmittelbarer Nähe der Arbeitsstätte (vgl. z.B. auch später noch die Zechensiedlungen), so dass kaum Wegzeiten anfielen (vgl. ebd.: 22). Mit dem Voran- schreiten der Industrialisierung, der stetigen Wohlstandszunahme, aber auch den zu- nehmenden Mobilitätsmöglichkeiten, haben sich dann jedoch starke Dezentralisie- rungs- und Suburbanisierungstendenzen ausgebildet (vgl. Eckey et. al., 2007: 208), mit denen eine Trennung von Wohn- und Arbeitsstätte einherging und somit Weg- oder Pendelzeiten entstehen ließ.
Im Rahmen der Entwicklung zur Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft und der damit verbundenen intensivierten Ausbildung von branchenspezifischen Ballungszentren erlangen die zurückzulegenden Wegstrecken eine immer größere Bedeutung, da sie zum einen immer länger werden, zum anderen aber auch von einem immer größeren Anteil der Erwerbstätigen zurückgelegt werden müssen.
Wie bereits oben erwähnt zählt der Arbeitsweg nicht direkt zur Arbeitszeit, stellt jedoch in vielen Fällen eine erhebliche zeitliche Komponente dar, die bei der täglich aufge- wendeten Zeit zur Verrichtung der Erwerbstätigkeit mit berücksichtigt werden muss. Da auch während der Weg- und Pendelzeiten die Betreuung des Kindes bzw. der Kinder sichergestellt werden muss, werden sie als ein weiterer Aspekt mit in die Betrachtung aufgenommen.
In der ersten bundesdeutschen Zeitbudget-Studie (1991/1992) zeigte sich bereits, dass die aufgewendeten Zeiten für den Weg zur Arbeitsstätte von Männern höher sind als dies bei Frauen der Fall ist (vgl. Küster, 1999: 199 und 203). Betrachtet man explizit die Wegzeiten der teilzeiterwerbstätigen Frauen, so zeigen sich stark verminderte Aufwendungen, denn in „Teilzeitbeschäftigungen ist die berufsbedingte Mobilität generell selten“ (Ruppenthal; Lück 2009: 3), da diese Tätigkeiten wesentlich häufiger im nahen Umfeld vorzufinden sind (vgl. Kramer, Mischau 2005: 129).
Vergleicht man die Ergebnisse der ersten und zweiten (2001/02) Zeitbudget-Studie miteinander, so wird deutlich, dass sich die täglichen zeitlichen Aufwendungen, die durch den Arbeitsweg entstehen, in allen Konstellationen erhöht haben:
Tabelle 1: Zeitaufwand für den Arbeitsweg nach Umfang der Erwerbstätigkeit und Geschlecht in Minuten pro Tag (1991/92 und 2001/02)12
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Generell betrachtet ist ersichtlich, dass die Wegzeiten, die für die Ausübung einer Teilzeittätigkeit aufgewendet werden müssen, i.d.R. geringer ausfallen, als dies bei Vollzeiterwerbstätigkeiten der Fall ist.
Für Frauen fallen die Erhöhungen in dem betrachteten Zeitraum mit 5,5 bzw. 7,4 Minu- ten geringer aus, als dies bei den Männern der Fall ist. Ihre Wegezeiten erhöhen sich bei einer Vollzeiterwerbstätigkeit um fast 12 und bei einer Teilzeittätigkeit um rund 10 Minuten.
Als mögliche Ursache für die längeren, von den Erwerbstätigen in Kauf genommenen Arbeitswege, kann die etwas instabile Arbeitsmarktlage in Deutschland angeführt wer- den, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dazu veranlasst, auch längere Arbeits- wege zu akzeptieren (vgl. ebd.: 132) bzw. bei privat bedingter, räumlicher Mobilität, wie z.B. einem Wohnortwechsel, eine berufliche Veränderung, einen Jobwechsel, nicht möglich macht.
Die bisher betrachteten Daten berücksichtigen allerdings nur Werte bis 2002, so dass die anschließende eigene Analyse, die Werte aus den Jahren 2008 mit einbezieht, verdeutlichen kann, ob und in wie weit sich dieser Entwicklungstrend fortsetzt.
1.3 Weiterbildung
Ähnlich wie mit der Arbeitszeit verhält es sich auch mit der Weiterbildung. Sie zählt generell nicht zur regulären Arbeitszeit, soll im vorliegenden Arbeitszusammenhang aber dennoch Beachtung finden, da besonders im Zuge der gesellschaftlichen Entwick- lung in Richtung Wissensgesellschaft, eine stetige Weiterbildung zum Erhalt bzw. zur Sicherung des Arbeitsplatzes, aber auch für die berufliche Weiterentwicklung eine im- mer größere Bedeutung gewinnt. „Der schnelle technologische Fortschritt in der Wis- senschaft erfordert es, berufliche Fähigkeiten und berufliches Wissen auch nach der Erstausbildung zu erhalten, anzupassen und zu erweitern“ (Busch, 2009: 4).
Die dafür aufgewendeten Zeiten fallen in vielen Fällen zusätzlich zur Arbeitszeit oder zumindest außerhalb der regulären Arbeitszeit an, so dass auch während dieser Zeiten die Betreuung des Kindes bzw. der Kinder sichergestellt werden muss und dieser Aspekt daher ebenfalls in dieser Arbeit Berücksichtigung findet.
Die in der Literatur zu findenden Informationen und vor allem Daten beziehen sich mehrheitlich auf ganz bestimmte Aspekte der jeweiligen Art der Weiterbildung13 (vgl. Busse, 2009 bzw. Niedermair, 2009), befassen sich mit Weiterbildung als Bildung älte- rer bzw. Lebenslangem Lernen (vgl. Kade, 2009), den Lehrinhalten und -formen (vgl. Schröder, 2009 bzw. Graf, 2009), den zeitlichen Präferenzen der Teilnehmer (vgl. Nahrstedt, 1997) oder theoretischen Betrachtungs- und Herangehensweisen (vgl. Tip- pelt, 2009,) um nur einige Beispiele zu nennen. Die Entwicklung des zeitlichen Auf- wands für und die zeitliche Lage der Weiterbildungsangebote wird ebenfalls in einigen Arbeiten ausführlich thematisiert.
Im Folgenden soll lediglich der Bereich der beruflichen Weiterbildung, unabhängig ob betrieblich oder privat organisiert, Beachtung finden, da dieser eine enge Verbindung zur Erwerbstätigkeit aufweist und somit zu den zeitlichen Aufwendungen zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit addiert werden kann.
„Nach dem Berichtssystem Weiterbildung beteiligten sich 2007 mehr als ein Viertel (26%) der 19- bis 64-jährigen Erwerbstätigen an beruflicher Weiterbildung“ (Bundesinstitut für Berufsbildung, 2010: 281). Die Teilnahmequote hatte 1997 mit 30% einen Höchststand erreicht, von dem in den darauffolgenden Jahren eine Abnahme bzw. Stagnation zu verzeichnen ist.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5: Weiterbildungsbeteiligung der 19- bis 64-Jährigen in Deutschland (1979- 2007 in %)14
Differenziert man die Personen, die an Weiterbildungsmaßnahmen teilnehmen nach ihrem Erwerbsstatus, so zeigt sich, dass 75% von ihnen vollzeiterwerbstätig sind und 14% teilzeiterwerbstätig. Die verbleibenden Personen, die insgesamt nur 11% ausmachen, sind geringfügig Beschäftigte, Arbeitslose und Arbeitssuchende (vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung, 2006: 79).
Betrachtet man das für berufliche Weiterbildung aufgewendete Stundenvolumen im Zeitverlauf, so wird deutlich, dass dieses abnehmend ist:
„Während im Jahr 2000 ein voll erwerbstätiger Teilnehmer an beruflicher Weiterbil- dung durchschnittlich 113 Stunden in berufliche Weiterbildung investierte, ist diese Stundenzahl im Jahr 2003 auf durchschnittlich 88 Stunden gesunken“ (ebd.: 77).
Analysiert man die Weiterbildungsbeteiligung in Abhängigkeit vom vorliegenden Bil- dungsabschluss, zeigt sich ein positiver Zusammenhang zwischen einem höheren Bil- dungsabschluss und der Beteiligung an beruflichen Weiterbildungsmaßnahmen (vgl. von Rosenbladt; Bilger, 2008: 69). Die Differenz zwischen den Geschlechtern in Bezug auf die Beteiligung an Weiterbildungen fällt für das Jahr 2003 mit vier Prozentpunkten Unterschied relativ gering aus (Männer 28%, Frauen 24%) (vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung, 2006: 64).
Bei einer nach Altersgruppen differenzierten Betrachtung, lassen sich im Zeitverlauf Veränderungen erkennen. Waren bis 1991 die 19- bis 34-Jäjhrigen die am stärksten vertretene Altersgruppe, so sind es seit 1994 die Personen zwischen 35-49 Jahren, die am stärksten an beruflichen Weiterbildungsmaßnahmen partizipieren (vgl. ebd.: 90).
Leider liegt an dieser Stelle keine kleinteiligere Aufschlüsselung in Altersgruppen vor. Es ist allerdings anzunehmen, dass auch Kinder bzw. deren Geburt und Alter bei der Beteiligung an Weiterbildungsmaßnahmen eine Rolle spielen. Denn es ist zu beden- ken, dass bei der Teilnahme an Weiterbildungen, die i.d.R. außerhalb der regulären Arbeitszeiten stattfinden, eine Betreuungslösung für das Kind bzw. die Kinder vorhan- den sein muss.
Durch den Bereich der Weiterbildung wird zusätzlich zu den bereits vorgestellten Entwicklungstendenzen in Bezug auf Arbeitstage und -zeiten noch einmal verdeutlicht, welchen positiven Beitrag flexible Kinderbetreuungsangebote zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf leisten können, wenn sie nicht nur eine Ganztagsbetreuung anbieten und somit die regulären Arbeitszeiten der Eltern abdecken, sondern gleichzeitig auch Betreuungsangebote zu atypischen Zeiten bzw. an Wochenenden vorhalten und somit den Eltern die Teilnahme an Weiterbildungsmaßnahmen ermöglichen bzw. eine Erwerbstätigkeit überhaupt erst möglichen machen.
1.4 Entgrenzung und Subjektivierung von Arbeit
Die Arbeiten und Analysen zur Entgrenzung und Subjektivierung sind ein sehr umfangreiches Themenfeld und könnten, bei detaillierter Aufarbeitung, eine eigenständige Arbeit füllen. Da dies für die vorliegende Fragestellung allerdings nicht den Analysekern, sondern nur einen weiteren wichtigen Aspekt darstellt, erheben die folgenden Ausführungen keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sie sollen lediglich einen Überblick über die beiden in der Literatur intensiv thematisierten Entwicklungstrends und deren Folgen und Konsequenzen für die ArbeitnehmerInnen ermöglichen.
Entgegen der recht engen Definition des Flexibilitätsbegriffs in den vorangestellten Teilkapiteln wird er in der Debatte um die Entgrenzung von Arbeit etc. in einer eher loseren Bedeutung, nämlich im Sinne von Abweichungen und / oder Veränderungen von dem bisher als normal bzw. üblich Betrachtetem, verwendet.
Entgrenzungs- und Subjektivierungsdebatten sind im Zuge der (ar- beits)gesellschaftlichen Entwicklungen entstanden, die oben anhand von verschiedenen Daten in Bezug auf die Anforderungen der Arbeitswelt skizziert wurden. Sie beziehen eine recht eindeutige Position, die an dieser Stelle allerdings nicht weiter hinterfragt, sondern lediglich dargelegt werden soll.
Mit dem Begriff Entgrenzung wird, ganz generell betrachtet, ein Prozess beschrieben, bei dem sich die Grenzen zwischen verschiedenen Sphären auflösen. Auf den Bereich der Arbeit übertragen, meint dies z.B. die Auflösungen von zeitlichen und räumlichen Strukturen der betrieblich organisierten Arbeit - wie etwa die strikten Grenzziehungen zwischen Arbeitszeit und Freizeit, Arbeitsstätte und Heim etc. (vgl. Belwe, 2007: 2).
Zur Beschreibung und Erfassung von Entgrenzungsprozessen in der Arbeitswelt wird in der Regel der Idealtypus der Normalarbeit fordistisch-tayloristischer Prägung als Referenzpunkt verwendet (vgl. Kratzer, 2003: 44). Die These der Entgrenzung von Arbeit geht davon aus, dass nun eben „jene Grenzziehungen erodieren, die für die be- triebliche Organisation von Arbeit im Fordismus und Taylorismus konstitutiv und struk- turprägend waren“ (ebd.: 23) und die Trennung zwischen Lebenswelt und Arbeitswelt, Person und Arbeitskraft immer mehr verschwimmen bzw. aufgehoben werden. Somit entstehen neue Formen der Arbeitsgestaltung, die geprägt sind von „flexibel und/oder selbstbestimmten Arbeitszeiten, Gruppenarbeit, Job-enrichment, Enthierarchisierung, Mitarbeiterbeteiligung usw.“ (ebd.: 13). Dadurch ergeben sich eine Erweiterung der Gestaltungsspielräume der Arbeitstätigkeit und -ausübung und gleichzeitig der Verlust der Begrenzung der Zurechnung von Verantwortlichkeiten und Konsequenzen (vgl. Moldaschl, 2003: 35). Gestaltungsspielräume eröffnen die Möglichkeit zur Flexibilität, setzen in gleichem Maße auch die Bereitschaft und Fähigkeit der Arbeitnehmer dazu voraus (vgl. Kratzer, 2003: 25). Nach Ansicht Kratzers hat dies ambivalente Konse- quenzen:
„Die Flexibilisierung der Arbeit kann bedeuten: bessere Vereinbarkeit von Arbeit und Leben, Berücksichtigung individueller Bedürfnisse, Aufhebung der strikten und oft kritisierten Trennung von Familie und Beruf. Sie kann aber genauso bedeuten - und das oft gleichzeitig - Entsicherung und Re-Kommodifizierung, Unterordnung lebensweltlicher Bedürfnisse und Interessen unterökonomische Anforderungen, Unplanbarkeit des sozialen Lebens und die Unmöglichkeit des Aufbaus stabiler so- zialer Beziehungen“ (ebd.: 15).
Subjektivierung steht in engem Zusammenhang mit Entgrenzung und meint eine zunehmende Bedeutung von personenbezogenen (subjektiven) Potenzialen und Leistungen im Arbeitsprozess (vgl. Moldaschl, Voß, 2003: 13) und damit eine verstärkte Eigenverantwortlichkeit, also die Zurechnung der Verantwortung für bestimmte Prozesse und Prozessergebnisse auf ein einzelnes Subjekt.
Subjektivierung als Auflösung einer bürokratischen Verantwortlichkeit, bei der Zurechenbarkeit von Verantwortung durch Vorgesetzte und Hierarchien abgefedert wird, hat zur Folge, dass jeder selbst Verantwortung für sein Tun, die korrekte Verrichtung seiner Arbeit, Dienstleistung etc. übernehmen muss (vgl. Kratzer, 2003: 60). In diesem Zusammenhang erfolgen dann z.B. auch keine konkreten Arbeitsanweisungen mehr, sondern es werden Zielvorgaben ausgesprochen, die dem Arbeitnehmer wiederum mehr Handlungsautonomie ermöglichen (vgl. Nickel et. al., 2008: 218), aber oft gleichzeitig mit Zielvereinbarungen, und somit variablen und leistungsbezogenen Entgeltkomponenten (vgl. Grimm; Windeln, 2006: 3) gekoppelt sind.
Aus den Annahmen der Entgrenzung, Flexibilisierung und Subjektivierung ergibt sich in zugespitzter Form dann ein neuer Typus des Arbeitnehmers: der Arbeitskraftunternehmer (vgl. Hermann, 2005: 224).
Aufbauend auf der Besonderheit der Ware Arbeitskraft, nämlich der Untrennbarkeit von Arbeitsvermögen und Person (vgl. Voß; Pongratz, 1998: 131) und der trotzdem stark voranschreitenden marktförmigen Nutzung dieser Ware durch Betriebe und Unterneh- men (vgl. ebd.: 133), sind die Kernbestandteile der These der Entwicklung des Arbeitskraftunternehmers:
- eine verstärkte Selbstkontrolle
- eine erweiterte Selbst-Ökonomisierung
- und die Selbst-Rationalisierung und Verbetrieblichung der Lebensführung
In der Regel sind nicht alle ArbeitnehmerInnen von diesen Entwicklungstendenzen betroffen, sondern vorwiegend die Personengruppe der hochqualifizierten bzw. spezifizierten Arbeitskräfte oder Selbstständigen (vgl. Daser, 2009: 68).
Es stellt sich daher die Frage, in wie weit man aus der These des Arbeitskraftunter- nehmers auf einen generellen neuen gesellschaftlichen Leittypus von ArbeitnehmerIn- nen bzw. der Nutzung von Arbeitskraft schließen kann. Nichts desto trotz verdeutlichen die in den vorangestellten Kapiteln dargelegten Entwicklungstendenzen auch, dass arbeitsweltliche Aspekte immer mehr Zugang in das Privatleben finden und Individuen „unter diesen Bedingungen (…) selbst für Abgrenzungen sorgen [und] in verstärktem Maße selbst zeitliche und räumliche Grenzen ziehen [müssen]“ (Belwe, 2007: 2).
In wie weit es sich dabei allerdings um gänzlich neue Entwicklungen oder nur die Fortschreibung eines bereits lange vorhandenen Trends handelt, kann an dieser Stelle nicht abschließend geklärt werden.
Die Annahmen der Theorien zur Entgrenzung und Subjektivierung sehen in den darge- stellten Entwicklungen oberflächlich betrachtet positive Entwicklungstendenzen, die aber tiefgreifendere und weitreichendere negative Folgen für die ArbeitnehmerInnen mit sich bringen können und z.B. eine Unterordnung anderer Lebensbereiche, wie dem der Familie, unter den der Arbeit und damit eine Ökonomisierung der eigenen Person und des Lebens zur Folge haben (vgl. Hohschild, 2002: XIV). Moosbrugger stellt sogar die Frage, ob ggfs. die Entgrenzung von Arbeit und Leben mit verantwortlich für die Verhinderung von Familiengründungsprozessen ist (vgl. Moosbrugger, 2008:145).
1.5 Zwischenfazit
Aus der Aufarbeitung der Literatur geht hervor, dass sich in Bezug auf die Arbeitszeit in den vergangenen Jahrzehnten eindeutige Entwicklungstendenzen, die eine Abkehr von der traditionellen Normalarbeitszeit zum Ausdruck bringen, ergeben haben. Atypische Arbeitstage und -zeiten (Abend-, Nacht und Wochenendarbeit) haben, jedes für sich betrachtet, einen leichten bis mittleren Anstieg erfahren, insgesamt erhöhte sich der Anteil der Betroffenen allerdings um fast 20 Prozentpunkte. Zusätzlich dazu weisen einige Autoren auch einen hohen Anteil von Erwerbstätigen mit flexiblen Arbeitszeiten (im engeren Sinne) nach.
Neben den zeitlich veränderten Anforderungen der regulären Arbeitszeit haben sich ebenfalls die zusätzlichen zeitlichen Anforderungen in den vergangenen Jahren erwei- tert. Die Zeiten, die Erwerbstätige für den Arbeitsweg aufwenden müssen, sind von 1991 bis 2001 um bis zu 12 Minuten pro Tag gestiegen.
Auch in Bezug auf die Zeitaufwendungen für Weiterbildung bzw. die Weiterbildungsbe- teiligung, die in den vergangenen Jahren zwar eher abnehmend bzw. stagnierend sind, können, über den betrachteten Zeitraum insgesamt, jedoch Steigerungen ausgemacht werden.
Ergänzend zu diesen Entwicklungen spielen auch die Subjektivierung und Entgrenzung von Arbeit eine Rolle, die dazu führen, dass sich die strikte Trennung zwischen „Privat“ und „Arbeit“ auflöst und es zu einer erhöhten Bedeutung von personenbezogenen Po- tenzialen und Verantwortlichkeiten im Arbeitsprozess kommt. Dies kann zum einen zwar eine erleichterte Vereinbarkeit von Familie und Beruf, zum anderen aber auch zusätzliche „Vereinnahmung“ des Arbeitnehmers und eine mögliche zusätzliche zeitli- che Belastung zur Folge haben.
All diese Ergebnisse zusammengenommen zeigen, dass die vollzogenen Entwicklun- gen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor neue Herausforderungen, auch in zeitli- cher Sicht, stellen. Besonders für Erwerbspersonen mit Kind(ern) ergeben sich neue Koordinations- und Abstimmungsbedarfe der Lebensbereiche Familie und Beruf mitei- nander.
Vor diesem Hintergrund sollen nun eigene Arbeitshypothesen aufgestellt werden, die die anschließende Analyse leiten.
2 Eigene Betrachtung und Analyse der zeitlichen Anforderungen der Arbeitswelt und ihrer Entwicklungstendenzen
Die eigene Analyse soll die obigen Ergebnisse zu den Entwicklungstendenzen in Be- zug auf die Arbeitszeit und die (zeitlichen) Anforderungen der Arbeitswelt noch einmal aktualisieren und überprüfen. Dazu werden im Folgenden Arbeitshypothesen aufge- stellt, die die in Kapitel 1 betrachteten Aspekte aufgreifen und systematisch abarbeiten sowie einen Bezug zum Thema Kinderbetreuung herstellen. Als Datenbasis für die Analyse dient das Sozio-oekonomische Panel (SOEP), das in den anschließenden Teilkapiteln ebenso vorgestellt werden soll, wie die Auswahl der Untersuchungseinheit und die vorgenommenen Operationalisierungen. Die ausführliche Darstellung der er- zielten Ergebnisse schließt dann mit einer zusammenfassenden und prognostischen Betrachtung ab.
2.1 Fragestellung und Arbeitshypothesen
Die folgenden Hypothesen sind zum Teil Schlussfolgerungen aus den obigen Ergebnissen bzw. betrachten diese eher kritisch und zielen in ihrer Formulierung auf die Widerlegung der zuvor dargestellten Entwicklungstendenzen und Ergebnisse ab.
Es werden folgende vier Hypothesen aufgestellt:
1. Veränderungen der Lage und Struktur der Arbeitszeit sind kein Phänomen der neueren gesellschaftlichen Entwicklung, haben in den vergangenen Jahren al- lerdings stark zugenommen.
2. Starke Abweichungen (fünf Stunden und mehr) von der vereinbarten wöchentlichen Arbeitszeit stellen eher eine Seltenheit dar.
3. Der Zeitaufwand für Arbeitswege bei Vollzeiterwerbstätigen hat sich innerhalb der betrachteten Zeitspanne kontinuierlich verlängert.
4. Die Zeitaufwendungen für berufliche Weiterbildung haben sich intensiviert.
Da das Ziel der vorliegenden Arbeit nicht ausschließlich die Aufarbeitung der Veränderungen der Arbeitszeit und zusätzlicher zeitlicher Anforderungen der Arbeitswelt ist, sondern aus diesen Veränderungen auch die Notwendigkeit flexibler Betreuungsangebote für Kinder unter sechs Jahren hergeleitet werden soll, ist es unumgänglich auch den Aspekt der Kinderbetreuung zu beleuchten. Hypothese fünf dient daher der Ermittlung von zusätzlichen Betreuungsbedarfen:
5. Zurzeit können die Bedarfe berufstätiger Eltern durch institutionelle Betreuung nicht vollständig gedeckt werden.
Bezugnehmend auf die späteren Fallstudien soll eine letzte Hypothese die Unterschiedlichkeit der Träger von Betreuungseinrichtungen und die Zufriedenheit der Eltern genauer analysieren.
6. Die Art des Trägers der Einrichtung nimmt Einfluss auf die Zufriedenheit der Eltern mit dem Betreuungsangebot.
2.2 Datenbasis
Als Datengrundlage für die vorliegende Analyse dienen die Daten des Sozio- oekonomischen Panels, kurz SOEP, das am Berliner Institut für Wirtschaftsforschung beheimatet ist. Die Entscheidung für das SOEP und gegen die Daten des IAB, die ei- gentlich prädestiniert für eine derartige Analyse wären, fällt auf Grund des Fehlens einiger wichtiger demographischer Variablen sowie des Mangels an der Möglichkeit der Verknüpfung der Ehepartner sowie der Eltern und Kinder miteinander, was für die fol- genden Analyse von großer Wichtigkeit ist. Ebenfalls fehlen konkrete Angaben zur tat- sächlichen Arbeitszeit (in Stunden)(vgl. Schönberg 2008: 29), die für die vorliegende Arbeit ebenfalls von großer Bedeutung ist.
„Das SOEP wird in der Bundesrepublik Deutschland seit 1984 als sozialwissenschaftli- che Längsschnittbefragung zur Beobachtung von Lebens- und Arbeitsbedingungen durchgeführt“ (Siegel et. al., 2008: 4). Es handelt sich um eine repräsentative Wieder- holungsbefragung privater Haushalte mit einem Stichprobenumfang von 6000 Haushal- ten, respektive 12000 Personen. Die Daten eignen sich besonders für die Betrachtung von Veränderungen im Zeitverlauf, da sie Auskunft über viele objektive Lebensbedin- gungen, zugleich auch über Persönlichkeitsmerkmale, Wertvorstellungen, Risikoein- stellungen und über dynamische Abhängigkeiten zwischen vielen verschiedenen (Le- bens)Bereichen und deren Veränderungen geben (vgl. Schupp et. al., 2008: 63-76).
Der Datensatz enthält alle zur Operationalisierung wichtigen Indikatoren sowie weitere bedeutsame personenbezogene Merkmale. Die einzelnen Erhebungszeitpunkte (Jah- re) werden als Wellen bezeichnet, die seit der ersten Erhebung 1984, anstelle der Jah- reszahl mit einem Buchstaben aus dem Alphabet codiert werden - A=1984, B=1985, C=1986 usw..
Es werden nicht alle Wellen in die Analyse mit einbezogen, sondern lediglich ein Auszug, der so gewählt wurde, dass er einen möglichst breiten Zeitraum sowie bestimmte Zeitintervalle abbilden kann. Bestandteil der Analyse sind je nach Arbeitshypothese unterschiedliche, aber mindestens drei, Wellen des SOEP.
2.3 Auswahl der Untersuchungseinheit
Im ersten Analysegang sollen alle Personen berücksichtigt werden, die in den relevan- ten Erhebungswellen einer Erwerbstätigkeit nachgegangen sind und somit auf der Va- riablen „Erwerbsstatus zum Befragungszeitpunkt“ die Merkmalsausprägungen 1, 2, 3 oder 415 aufweisen. Ergänzend dazu besteht auch noch die Möglichkeit einen Filter zu setzen, mit dessen Hilfe nur noch Personen berücksichtigt werden, die erwerbstätig sind und gleichzeitig mindestens ein Kind haben, das zwischen null und sechs Jahren alt ist. Damit wird das Ziel verfolgt, eine Differenzierung der Ergebnisse nach Personen bzw. Paaren mit und ohne Kinder zu erlangen. Aus dem Datensatz können diese Per- sonen mit Hilfe der Variablen „Geburtsjahr Kind“ ermittelt werden, wobei sich die gülti- gen Merkmalsausprägungen für jede Erhebungswelle individuell, aus dem Erhebungs- jahr abzüglich dem maximalen Kindesalter von sechs Jahren und dem damit entste- henden Wertebereich ergeben. Das genaue Vorgehen wird an anderer Stelle noch ausführlich erläutert.
Generell werden in die Analyse sowohl Männer als auch Frauen, Personen mit und ohne Migrationshintergrund, deutsche und nicht-deutsche Staatsbürger sowie Perso- nen aller Bildungsschichten einbezogen. Die Ergebnisse sollen dann allerdings mit Hilfe von Filtersetzung gesondert für Männer und Frauen sowie zusätzlich für unter- schiedliche Bildungsschichten, repräsentiert durch Bildungsabschlüsse, betrachtet werden. Für Personen mit Kind(ern) im Alter von null bis sechs Jahren kann in gewis- sen Fällen auch eine differenzierte Betrachtung von allein und zusammenlebenden Personen interessant sein, deren Bestimmung allerdings dann zu gegebener Zeit er- läutert wird.
Die Filterung nach den beiden vorangestellten Merkmalen erfolgt mit Hilfe der Variablen „Geschlecht“ und „CASMIN“.
„Comparative analysis of social mobility in industrial nations”, kurz CASMIN, ist eine Klassifikation, die in den 1980er Jahren im Rahmen eines Forschungsprojektes ent- standen ist und eine internationale Vergleichbarkeit von Bildungsabschlüssen ermögli- chen soll, wobei sowohl Angaben zur allgemeinen als auch zur beruflichen Bildung berücksichtigt werden (vgl. Lechert et. al., 2006: 1f.). Sie untergliedert in drei generelle Stufen, die dann noch einmal unterteilt werden - 1a Inadequately completed general education, 1b General elementary education, 1c Basic vocational qualification or gene- ral elementary education and vocational qualification, 2a Intermediate vocational quali- fication or intermediate general qualification and vocational qualification, 2b Intermedia- te general qualification, 2c Full maturity certificates, 3a Lower tertiary education 3b Higher tertiary education (ebd.: 4). Es wird beabsichtigt, die Grenzziehung zwischen hohem und niedrigem Bildungsabschluss innerhalb der zweiten Gruppe, zwischen 2b und 2c, zu setzten, da so eine Unterscheidung in generelle bzw. mittlere und höherwer- tige Qualifikationen und Zertifikate möglich ist.
Sowohl Geschlecht als auch Bildung werden in diesem Arbeitszusammenhang als wichtige Merkmale zur Ergebnisdifferenzierung betrachtet, da zum einen Rollenbilder u.Ä. das Erwerbsverhalten der Geschlechter beeinflussen können (vgl. Vespa, 2009: 365) und diese mit dem Bildungsniveau variieren (vgl. z.B. Cunningham, 2008), aber auch die geleisteten Investitionen in das Humankapital generell Einfluss auf die Erwerbsbeteiligung nehmen (vgl. z.B. Keeley, 2007).
2.4 Operationalisierung
Zur Operationalisierung der Arbeitszeiten und der zeitlichen Anforderungen der Erwerbstätigkeit wird auf die folgenden Indikatoren zurückgegriffen:
Die Veränderungen, aber auch Flexibilisierungen im Bereich Arbeitszeit sollen durch den Umfang der Erwerbstätigkeit (Vereinbarte Wochenarbeitszeit, tatsächliche Wo- chenarbeitszeit, Überstunden pro Woche - generierte Variable) und die Lage bzw. Ver- teilung der Arbeitszeit (Abendarbeit, Nachtarbeit, Arbeit am Samstag, Arbeit am Sonn- tag) gemessen werden. Leider sind nicht alle dieser Variablen ab der ersten Erhe- bungswelle im Datensatz beinhaltet, können aber dennoch einen recht langen Zeit- raum abdecken.
Zusätzliche zeitliche Anforderungen an erwerbstätige Personen wie z.B. der Zeitaufwand für Weiterbildungen oder der zeitliche Aufwand für den Arbeitsweg können ebenfalls nicht für den gesamten oben genannten Zeitraum mit in die Analyse aufgenommen werden, da diese Variablen nur zu wenigen, unregelmäßigen Zeitpunkten erhoben wurden. Hierbei gehen sowohl die Werte der ersten und letzten Erfassung als auch Zwischenwerte ein. Es handelt sich bei der Variablen „Entfernung Arbeitsplatz / Wohnung in Minuten“ bzw. „Entfernung Arbeitsplatz / Wohnung in Kilometern“, um die Werte der Variablen aus den Wellen B, L und T. Die Messung des Zeitaufwandes für Weiterbildungen (Zahl der Unterrichtsstunden / Woche) bzw. die „zeitliche Lage der Weiterbildungsveranstaltung“ erfolgt für die Wellen F, Q und Y.
Dies soll dazu dienen, neben der kontinuierlichen Betrachtung der Entwicklung von Arbeitszeit etc. eine tendenzielle Entwicklung für diese arbeitsweltergänzenden Berei- che angeben zu können, auch wenn die betrachteten Zeitpunkte nicht identisch sind.
Ganz ähnlich wird auch mit den Variablen verfahren, die Angaben zur Kindebetreuung erfassen, wie z.B. die „zeitliche Lage der Betreuung“, die „Zufriedenheit mit den Be- treuungsangeboten“, mögliche „zusätzlich geleistete Betreuung durch andere Perso- nen“ und die „Art des Trägers der Betreuungseinrichtung“. Diese sind ebenfalls nicht kontinuierlich in den Fragebögen des SOEP vertreten, so dass auch hier eine Auswahl aus den möglichen Erhebungswellen vorgenommen wird, um zumindest tendenzielle Entwicklungen abbilden zu können. Die folgende Tabelle soll die Auswahl der jeweili- gen Erhebungswellen für die einzelnen Variablen veranschaulichen.
Tabelle 2: Betrachtete Erhebungswellen der Variablen des Themenbereichs Kinderbe- treuung
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
2.5 Analyse und Ergebnisse
Die Analyse der SOEP-Daten erfolgt mit dem Datenanalyseprogramm SPSS 16, des- sen Nutzung von der Universität Duisburg-Essen mittels Campuslizenzen ermöglicht wird. Die Analyse des erstellten Datensatzes wird mehrheitlich durch eine rein deskrip- tive Trendanalyse, mit Hilfe von Mittelwertvergleichen, erfolgen. Die zur Verfügung ste- henden Verfahren sind ausreichend, um die Frage nach Veränderungen in Bezug auf die Entwicklungen von Arbeitszeiten, respektive den Zeitaufwendungen für Arbeitsweg oder Weiterbildungsmaßnahmen zu ermitteln. Ebenso soll mit den Werten für die er- gänzenden Variablen zur Kindebetreuung verfahren werden, wobei an dieser Stelle ergänzend zu der deskriptiven Betrachtung eine Varianzanalyse erfolgen soll, die die Zufriedenheit mit dem Angebot der Kinderbetreuung und die Art des Trägers mit ei- nander in Verbindung bringen soll.
Bevor mit der direkten Prüfung der Arbeitshypothesen begonnen wird, soll vorab eine generelle Übersicht über die Fallzahlen und Erwerbsquoten des für die Analyse relevanten Personenkreises insgesamt bzw. differenziert nach den Merkmalen „Ge- schlecht“ und „Alter des Kindes bzw. der Kinder“, erfolgen.
Dazu ist es notwendig, Dummy-Variablen16 zu generieren, die in den einzelnen Erhebungswellen jeweils die erwerbstätigen Personen ermitteln.
[...]
1 Bei diesem Modell geht die Frau nur stundenweise arbeiten, übt eine geringfügige Beschäf- tigung oder eine Teilzeittätigkeit aus.
2 Quelle: Eigene Berechnung auf Grundlage der Daten des Statistischen Bundesamtes.
3 Die Abbildung für 2002 ist im Anhang B, Abbildung 18 auf Seite 103 zu finden.
4 KiBiz ist die Kurzform für Kinderbildungsgesetz. Dieses ist im August 2008 in Kraft getreten und setzte Schwerpunkte in den Bereichen Ausbau von Bildung, Verbesserung der Betreu- ung und Früh-Förderung, was durch einen „massiven Ausbau der Betreuungsangebote für Unter-Drei-Jährige, den Ausbau der Kindertagespflege, die gesetzliche Verankerung der zu- sätzlichen Sprachförderung, den Ausbau von Familienzentren, in denen Betreuung, Bildung und Beratung von Familien mit Kindern gebündelt werden, sowie mehr Flexibilität für die El- tern bei der Wahl der Betreuungsdauer“ (http://www.mgffi.nrw.de/kinder-und- jugend/KiBiz_Unterseite/index.php, 13.07.10, 11:47) erreicht werden soll.
5 Quelle: Statistisches Bundesamt, auf Anfrage zur Verfügung gestellt, eigene Darstellung. 6 Für alle Beschäftigten gelten das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) und das Arbeitszeitgesetz (ArbZG). Bestimmte Beschäftigtengruppen wie Jugendliche, Mütter, Eltern sind ergänzend dazu noch durch weitere Gesetze, die ebenfalls Klauseln zur Erwerbstätigkeit respektive Ar- beitszeit enthalten, geschützt.
7 Quelle: Destatis, 12. Koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung, 2009 http://www.destatis.de/bevoelkerungspyramide/ (02.07.10, 16:34).
8 Die Arbeitszeit der Vollzeiterwerbstätigen hat sich, ohne Berücksichtigung einiger Schwan- kungen im betrachteten Zeitraum, von 2001 bis 2006 um 0,4 Stunden erhöht. Die Arbeitszeit der Teilzeiterwerbstätigen hat sich, ebenfalls ohne Berücksichtigung einiger Schwankungen, von 2001 bis 2006 um 0,1 Stunden verlängert (vgl. Kümmerling et. al, 2009: 42 und 46).
9 Quelle: Seifert, 2007: S. 19, eigene Darstellung, Datenbasis: Mikrozensus.
10 Gruppe 1: Überlange Arbeitszeiten von mehr als 42 Wochenstunden; Gruppe 2: extreme Schwankungen der wöchentlichen Arbeitszeit; Gruppe 3: extreme Formen der Schicht- und Nachtarbeit (vgl. Groß et. al.: 2007: 204).
11 Es soll an dieser Stelle jedoch nicht versäumt werden anzumerken, dass das Leisten von Überstunden häufig als Signal für Einsatzbereitschaft gewertet wird und somit die Karrier- echancen fördert (vgl. Lürssen, 2001: 64). Sollte das geringere Maß an geleisteten Über- stunden bei Frauen durch eine unzureichende Betreuungsinfrastruktur hervorgerufen wer- den, würde dies eine Beeinträchtigung ihrer Karrierechancen bedeuten.
12 Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Kramer; Mischau, 2005, S. 134, Datenbasis: Zeitbudgeterhebung 1991/92 und 2001/02.
13 Berufliche, allgemeine, betriebliche oder private Weiterbildung etc.
14 Quelle: von Rosenbladt; Bilger, 2008: 12 und 20.
15 1= vollzeiterwerbstätig; 2= teilzeiterwerbstätig; 3= in Ausbildung bzw. Lehre; 4= unregelmä- ßig oder geringfügig erwerbstätig.
16 Eine Dummy-Variable bzw. Hilfsvariable, ist eine binäre Variable, die lediglich die Ausprä- gungen 0 und 1 besitzt und als Platzhalter, Stellvertreter etc. für eine bestimmte Merkmals- ausprägung oder Gruppe von Merkmalsausprägungen auf einer mehrstufigen Variablen steht (vgl. www.lrz.de/~wlm/ilm_d6.htm, 09.09.2010, 14:37).
- Quote paper
- Dipl. Soz-Wiss Janina Tatan (Author), 2010, Zeitlich veränderte Anforderungen der Arbeitswelt und die Notwendigkeit flexibler Kinderbetreuungsangebote, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/210975
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