Lange Zeit galt die Magna Carta Libertatum von 1215 als ein absoluter Meilenstein in der Verfassungs- und Rechtsgeschichte. Bekannte englische Historiker wie William Stubbs priesen die rebellierenden Barone und deren Errungenschaften durch die Charter. „The barons maintain and secure the right of the whole people as against themselves as well as against their master“1, schrieb Stubbs in seiner „Constitutional History of England“ 1896. Allgemein
wird die Magna Carta häufig als ein Manifest der Freiheit und Gerechtigkeit angesehen, das die Unterdrückung König Johanns beendete und die Konflikte innerhalb Englands befriedete. Im Gegensatz dazu steht jedoch die jüngere Geschichtsschreibung, die keineswegs ein Bild zeichnet, dass die Barone als selbstlose Friedensstifter darstellt. Vielmehr sehen führende Historiker in diesem Forschungsbereich wie J. C. Holt die konkreten Errungenschaften der
Magna Carta von 1215 als äußerst kritisch an.
„In 1215 Magna Carta was a failure. It was intended as a peace and it provoked war. It pretended to state customary law and it promoted disagreement and contention.“2 Holts harsche Kritik macht deutlich, dass das Abkommen, das in Runnymede am 15. Juni 1215 unterzeichnet wurde3, durchaus einige Kritikpunkte enthält. So finden sich „in zahlreichen der 63 Artikel der Carta nur kontroverse Einzelprobleme der Feudalbeziehung zwischen König und Kronvasallen.“4 Bei der Lösung der wirklichen Differenzen zwischen beiden
Parteien versagte das Abkommen von 1215 gänzlich. Geoffrey Hindley geht sogar soweit, dass er alle diejenigen, welche die Magna Carta im Jahr 1215 als „formula of peace“ ansahen, als „excessively simple-minded“ bezeichnet.5 Letztlich kam es auch nur wenige Monate später zu militärischen Auseinandersetzungen, die zum Ausbruch des Bürgerkriegs führten, der als „First Barons' War“ in die englische Geschichte einging.
Nachdem die rebellierenden Barone sogar den französischen Thronfolger Ludwig als ihren König proklamierten und ihn ins Land holten, schien ein Konsens zwischen ihnen und den kronloyalen Baronen unter der Führung Johanns nahezu unmöglich zu sein. Dies hätte wohl auch das endgültige Ende der Magna Carta bedeutet, die ohnehin kurz nach der Ausstellung von Papst Innonzenz III. für ungültig erklärt wurde. Der plötzliche Tod König Johanns setzte jedoch einen Wendepunkt sowohl im Bürgerkrieg als auch für die Existenz und Bedeutung der
Magna Carta.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Steuern und Abgaben
- Besteuerung unter den Plantagenets
- Schildgeld und Hilfsgeld in der Magna Carta
- Die Grundsteuer und zusätzliche Abgaben in der Magna Carta
- Die Erbschaft
- Rechte minderjähriger Erben in der Magna Carta
- Rechte der Witwen in der Magna Carta
- Patronatsrecht und kirchliche Vormundschaftsverwaltung
- Rechtsprechung und Verwaltung
- Bestimmung von Beamten in der Magna Carta
- Gerichtsabhaltung in der Magna Carta
- Unrechtmäßige Beschlagnahmungen in der Magna Carta
- Der Sicherungsartikel in der Magna Carta
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Entstehung und Entwicklung der Magna Carta Libertatum von 1215 im Kontext des „First Barons' War“ von 1215-1217. Sie zeigt auf, wie die Rebellion der Barone und der darauf folgende Bürgerkrieg die Magna Carta prägten und zu einer Überarbeitung führten, die die ursprünglichen Fehler behob.
- Die finanzielle Belastung des Adels durch König Johann und seine Kriegszüge
- Die Rolle der Magna Carta bei der Regulierung der Besteuerung
- Der Einfluss des Bürgerkriegs auf die Rechte von Erben und Witwen
- Die Bedeutung der Magna Carta für die Rechtsprechung und Verwaltung
- Die Auswirkungen der Überarbeitung der Magna Carta auf das Verhältnis zwischen König und Baronen
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel beleuchtet die historischen Hintergründe der Magna Carta und die Debatte um deren Bedeutung. Es stellt die unterschiedlichen Sichtweisen auf die Magna Carta dar, die von einem Manifest der Freiheit und Gerechtigkeit bis hin zu einer gescheiterten Friedensformel reichen.
Kapitel zwei widmet sich der Thematik Steuern und Abgaben. Es beschreibt die Belastung des Adels durch die finanzielle Repression König Johanns und analysiert die einzelnen Artikel der Magna Carta, die sich mit der Besteuerung befassen. Dabei werden insbesondere das Schildgeld und das Hilfsgeld sowie die Grundsteuer beleuchtet.
Kapitel drei beschäftigt sich mit den Erbschaftsrechten, die in der Magna Carta geregelt sind. Es analysiert die Rechte von minderjährigen Erben und Witwen sowie die Rolle des Patronatsrechts und der kirchlichen Vormundschaftsverwaltung.
Kapitel vier beleuchtet die Themen Rechtsprechung und Verwaltung. Es untersucht die Bestimmung von Beamten, die Gerichtsabhaltung und die Problematik unrechtmäßiger Beschlagnahmungen, die in der Magna Carta thematisiert werden.
Schlüsselwörter
Magna Carta Libertatum, First Barons' War, König Johann, englische Geschichte, Steuerpolitik, Erbschaftsrecht, Rechtsprechung, Verwaltung, Bürgerkrieg, Friedensformel, Rebellion, Feudalismus.
- Quote paper
- Nicolas Raedel (Author), 2011, Magna Carta und der "First Barons' War" 1215-1217, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/210967