Der Gleichbehandlungsgrundsatz besagt, dass jedes Mitglied unter
gleichen Voraussetzungen ebenso zu behandeln ist wie die übrigen
Mitglieder.1 Er ist nicht auf eine schematische oder formale
Gleichstellung der Gesellschafter gerichtet,2 sondern soll eine
sachlich nicht gerechtfertigte, willkürliche Ungleichbehandlung
ausschließen. 3 Maßgeblich dafür, ob eine Maßnahme einen
Willkürakt enthält, ist die Situation zum Zeitpunkt ihrer
Maßnahme; die weitere Entwicklung darf nur dann berücksichtigt
werden, wenn sie die sachliche Berechtigung einer bereits
getroffenen Entscheidung bestätigt.4
Im Gesellschaftsrecht ist der Gleichbehandlungsgrundsatz seit
langer Zeit allgemein anerkannt.5 So ist er etwa für die
Aktiengesellschaft in § 53 a AktG ausdrücklich normiert
(„Aktionäre sind unter gleichen Voraussetzungen gleich zu
behandeln“). Ein wesentlicher Bestandteil ist das
gesellschaftsrechtliche Diskriminierungsverbot.6
Der Grundsatz lässt sich bis ins 19. Jahrhundert zurückverfolgen,
wo dieser in einem ersten Aufsatz abgeleitet wird.7 Das
Reichsgericht und später auch der BGH und das
Bundesverfassungsgericht wandten die Überlegungen in der
Folgezeit8 an und der Gleichbehandlungsgrundsatz entwickelte sich
zu einem allgemein anerkannten Grundsatz des Gesellschaftsrechts.
Diese Arbeit soll den Geltungsgrund und das
Anwendungsgebiet bzw. die Auswirkungen, aber auch die
verschiedenen Kritikpunkte des Gleichbehandlungsgrundsatzes
verdeutlichen.
1 Eisenhardt, Gesellschaftsrecht, Rn 63.
2 BGH WM 1965, 1284 (1286); Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 379.
3 Erman-Westermann, § 705, Rn 37; Götz Hueck, S. 179ff.; BGHZ 116, 359
(373).
4 Götz Hueck, S. 325.
5 BVerfGE 14, 263 (285); RGZ 38, 14 (15f.); RGZ 120, 363 (371f.); BGHZ 20,
363 (369); Götz Hueck, S. 35ff., 225ff., 333ff.; Eisenhardt, Gesellschaftsrecht,
Rn 63.
6 Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 462.
7 Roitzsch, Minderheitenschutz im Verbandrecht, S. 33.
8 Vgl. Fußnote 4.
Gliederung
I. Einführung
II. Der Geltungsgrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes
1. Der Wille der Beteiligten
2. Bestehen eines Gemeinschaftsverhältnisses
3. Notwendige Ausübungskontrolle der Verbandsmacht
4. Stellungnahme
III. Umfang und Grenzen des Gleichbehandlungsgrundsatzes
1. Verhältnis zur Vertragsfreiheit
2. Verhältnis des § 138 BGB zum Gleichbehandlungsgrundsatz
3. Überragende Belange
4. Schutzumfang
IV. Rechtsfolgen bei einem Verstoß
1. Verstoß bei Maßnahmen innerhalb einer Gemeinschaft
a) Benachteiligung einzelner Gemeinschaftsmitglieder
b) Bevorzugung einzelner Beteiligter
c) Andersbehandlung einzelner Beteiligter
2. Verstoß bei Mehrheitsbeschlüssen
V. Sonstige Auswirkungen des Gleichbehandlungsgrundsatzes
VI. Besonderheiten innerhalb der verschiedenen Rechtsformen
1. Die BGB-Gesellschaft
2. OHG, KG, Partnerschaftsgesellschaft, rechtsfähiger Verein, Genossenschaft
3. Stille Gesellschaft
4. Die GmbH
5. Die AG
VII. Kritik am Gleichbehandlungsgrundsatz
VIII. Fazit
Der Gleichbehandlungsgrundsatz im Gesellschaftsrecht
I. Einführung
Der Gleichbehandlungsgrundsatz besagt, dass jedes Mitglied unter gleichen Voraussetzungen ebenso zu behandeln ist wie die übrigen Mitglieder.[1] Er ist nicht auf eine schematische oder formale Gleichstellung der Gesellschafter gerichtet,[2] sondern soll eine sachlich nicht gerechtfertigte, willkürliche Ungleichbehandlung ausschließen.[3] Maßgeblich dafür, ob eine Maßnahme einen Willkürakt enthält, ist die Situation zum Zeitpunkt ihrer Maßnahme; die weitere Entwicklung darf nur dann berücksichtigt werden, wenn sie die sachliche Berechtigung einer bereits getroffenen Entscheidung bestätigt.[4]
Im Gesellschaftsrecht ist der Gleichbehandlungsgrundsatz seit langer Zeit allgemein anerkannt.[5] So ist er etwa für die Aktiengesellschaft in § 53 a AktG ausdrücklich normiert („Aktionäre sind unter gleichen Voraussetzungen gleich zu behandeln“). Ein wesentlicher Bestandteil ist das gesellschaftsrechtliche Diskriminierungsverbot.[6]
Der Grundsatz lässt sich bis ins 19. Jahrhundert zurückverfolgen, wo dieser in einem ersten Aufsatz abgeleitet wird.[7] Das Reichsgericht und später auch der BGH und das Bundesverfassungsgericht wandten die Überlegungen in der Folgezeit[8] an und der Gleichbehandlungsgrundsatz entwickelte sich zu einem allgemein anerkannten Grundsatz des Gesellschaftsrechts.
Diese Arbeit soll den Geltungsgrund und das Anwendungsgebiet bzw. die Auswirkungen, aber auch die verschiedenen Kritikpunkte des Gleichbehandlungsgrundsatzes verdeutlichen.
II. Der Geltungsgrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes
Trotz allgemeiner Anerkennung ist die Begründung des Gleichbehandlungsgrundsatzes gleichwohl umstritten.
1. Der Wille der Beteiligten
Zum einen wird der Gleichbehandlungsgrundsatz im Verbandsrecht damit begründet, dass es dem zu unterstellenden Willen der Mitglieder entspricht, in Verbandsangelegenheiten nicht diskriminiert zu werden.[9] Daran anknüpfend soll eine Gleichbehandlungspflicht nur dann in Frage stehen können, wenn eine Person oder Institution (wie der herrschende Gesellschafter) ihren eigenen Willen ohne Rücksicht auf den Konsens der Betroffenen durchsetzen kann und ein kollektiver Bezug auf eine Gruppe davon vergleichbar betroffener Personen besteht.[10] Eine Gruppe ist dieser Auffassung nach jede Personenmehrheit, die durch ihr Selbstgefühl verbunden ist und sich als eine gleichwertige und deshalb gleich zu behandelnde Gruppe versteht. Der Gleichheitssatz findet demnach Anwendung, wenn die Rechtsbeziehungen innerhalb einer Gruppe von einem anderen einseitig bestimmt werden können.
Das Gleichbehandlungsgebot ließe sich rechtspsychologisch jedenfalls damit erklären, dass es gegen das Rechtsgefühl verstoßen würde in einer Gesellschaft oder Körperschaft, der man freiwillig beigetreten ist, anders und schlechter behandelt zu werden als die übrigen Mitglieder.[11]
2. Bestehen eines Gemeinschaftsverhältnisses
Hueck führt den Gleichbehandlungsgrundsatz dagegen auf das Bestehen eines Gemeinschaftsverhältnisses zurück.[12] So sei der Zusammenhang zwischen Gemeinschaftsbindung und Gleichbehandlung, dass die Verbindung mehrerer Personen in einer privatrechtlichen Gemeinschaft regelmäßig die gleichmäßige Behandlung der in vergleichbarer Position befindlichen Mitglieder mit sich bringt. Diese gegenseitige Verknüpfung ließe den Schluss zu, dass beim Bestehen eines Gemeinschaftsverhältnisses der aus dem Gerechtigkeitsgedanken abgeleitete Gleichbehandlungs-grundsatz im Rahmen privatrechtlicher Beziehungen den Charakter eines rechtlich bindenden Gebotes annimmt.
3. Notwendige Ausübungskontrolle der Verbandsmacht
Müller-Erzbach erblickt die materielle Begründung des Gleichbehandlungsgrundsatzes hingegen in der notwendigen Ausübungskontrolle der Verbandsmacht.[13] Er geht davon aus, dass allein eine verhältnismäßige Gleichbehandlung sowohl dem Interesse der Gemeinschaft als auch den Belangen der einzelnen Beteiligten entspricht und demnach zu rechtfertigen und des Rechtsschutzes würdig ist. Verdienste und Verfehlungen müssten unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit gleichermaßen berücksichtigt werden. Im Verbandsleben ist das einzelne Mitglied demgemäß seinem Verdienst um den Verein und seinem mitgliedschaftlichen Interesse entsprechend zu behandeln. Ein schutzwürdiges Bedürfnis ist daher dann gegeben, wenn sich eine Machtlage im Verband herausgebildet hat, die es ausschließt, dass gewisse rechtlich anerkannte Interessen von den Beteiligten selbst hinreichend wahrgenommen werden können. Eben dieses schutzwürdige Bedürfnis begründet die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes im Verbandsrecht, soweit es die gekennzeichnete Zwangslage erfordert.
4. Stellungnahme
Der Gleichbehandlungsgrundsatz ist unumstritten ein notwendiges rechtliches Gebot zum Schutze von Minderheiten im Gesellschaftsrecht. Alle vertretenen Ansichten haben gemeinsam, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz jedenfalls dann zur Anwendung kommen soll, wenn eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung innerhalb eines Verbandes einzelne Mitglieder benachteiligt.
Die verschiedenen Theorien enthalten jeweils wichtige Elemente, die in ein gemeinsames mit allen „Elementen“ bestücktes Endergebnis einfließen sollten. Dem kommt Wiedemann sehr nahe.
So finden sich die von Hueck und Müller-Erzbach aufgezeigten Geltungsgründe bei genauerer Betrachtung auch in den Ausführungen Wiedemanns wieder, auch wenn dieser darin eher die Frage nach den Tatbestandvoraussetzungen des Gleichbehandlungsrundsatzes als die nach dem Geltungsgrund beantwortet sieht. Sein Einwand ist jedoch nur bedingt richtig, denn in den Tatbestandsvoraussetzungen eines Grundsatzes soll und muss sich auch sein Geltungsgrund wiederfinden. Wie sollten Tatbestandsvoraussetzungen dem einem Grundsatz immanenten Rechtsgedanken sonst gerecht werden? Der Überlegung Cohns, den Geltungsgrund aus dem zu unterstellenden Willen der Mitglieder nicht diskriminiert zu werden abzuleiten, stellt Wiedemann entgegen, die Gründer und späteren Mitglieder eines Verbandes würden bei ihrem Beitritt wohl nicht daran denken, eine Erklärung abzugeben, dass die im Verband nicht diskriminiert werden wollen, da sie dies für ohnehin selbstverständlich hielten. Wiedemann sieht daher einzig einen rechtspsychologischen Ansatz als Geltungsgrund: Es würde gegen jedes Rechtsgefühl verstoßen, in einer Gesellschaft oder Körperschaft, der man freiwillig beigetreten ist, anders und schlechter behandelt zu werden als die übrigen Mitglieder. Dies ist mit Sicherheit richtig, das Argument Wiedemanns gegen den zu unterstellenden Willen vermag jedoch nicht zu überzeugen. Im Gegenteil, wenn die Mitglieder eine Erklärung nach Wiedemann „nicht“ abgeben, weil sie es ohnehin für selbstverständlich halten nicht diskriminiert zu werden, so geben sie doch gerade aus dieser Überlegung heraus bei ihrem Beitritt eine konkludente Erklärung ab nicht diskriminiert zu werden. Diese Kontroverse ist letztendlich jedoch rein theoretischer Natur und fußt auf dem selben Grundgedanken, nämlich der Orientierung nach dem Rechtsgefühl bzw. dem Rechtsbedürfnis der Mitglieder.
Abschließend lässt sich unter dem Einfluss aller aufgezeigten Ansätze festhalten, dass der Geltungsgrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes darin zu sehen ist, dass keine Person oder Institution ihren Willen ohne Rücksicht auf den Konsens der Betroffenen durchsetzen können darf, wenn ein kollektiver Bezug auf eine Gruppe davon vergleichbar betroffener Personen besteht, da dies dem zu unterstellenden Willen der Mitglieder eines Verbandes entspricht und ansonsten auch rechtspsychologisch gesehen gegen jedes Rechtsgefühl verstoßen würde.
III. Umfang und Grenzen des Gleichbehandlungsgrundsatzes
Nachdem der Geltungsgrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes festgestellt wurde fragt sich, wann bzw. unter welchen Voraussetzungen vom Gleichbehandlungsgrundsatz abgesehen werden kann.
1. Verhältnis zur Vertragsfreiheit
Grundsätzlich gilt, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz im Gesellschaftsrecht dispositiver Natur ist, soweit nicht die Schranke des § 138 BGB eingreift.[14] Der einzelne Gesellschafter kann demnach in eine sachliche nicht gebotene Vorzugsstellung eines Mitgesellschafters oder eine relative Verschlechterung ihrer eigenen Position einwilligen, solange der Kernbereich ihrer Mitwirkungsrechte dadurch nicht berührt wird.[15] Diese Einwilligung kann sowohl durch Zustimmung zur konkreten Vertragsgestaltung erteilt werden, als auch durch eine Mehrheitsklausel im Gesellschaftsvertrag, die der Mehrheit das Recht gibt, Vertragsänderungen in Abweichung vom Gleichbehandlungsgrundsatz zu beschließen.[16] Voraussetzung für die Wirksamkeit der Mehrheitsklausel ist die eindeutige Einbeziehung der fraglichen Regelungsgegenstände in ihren Anwendungsbereich und die vertragliche Bestimmung der Grenzen, innerhalb derer sich die Ungleichbehandlung durch Mehrheitsbeschluss halten muss.[17] Der Gleichbehandlungsgrundsatz setzt sich allgemeiner gefasst demnach dort gegenüber der Parteiautonomie durch, wo die Autonomie keine gerechten Ergebnisse verbürgt und der Leistungsempfänger von einer Übermacht abhängt.[18] Umstritten ist jedoch, ob die Vertragsfreiheit letztlich Schranke der Gleichbehandlung[19] oder die Gleichbehandlung Schranke der Vertragsfreiheit ist.[20] Die Vertragsfreiheit ist ein fundamentaler Grundsatz des deutschen Vertragsrechts. Einschränkungen der Parteiautonomie wie jene durch den Gleichbehandlungsgrundsatz sind daher als Schranken anzusehen.
[...]
[1] Eisenhardt, Gesellschaftsrecht, Rn 63.
[2] BGH WM 1965, 1284 (1286); Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 379.
[3] Erman-Westermann, § 705, Rn 37; Götz Hueck, S. 179ff.; BGHZ 116, 359 (373).
[4] Götz Hueck, S. 325.
[5] BVerfGE 14, 263 (285); RGZ 38, 14 (15f.); RGZ 120, 363 (371f.); BGHZ 20, 363 (369); Götz Hueck, S. 35ff., 225ff., 333ff.; Eisenhardt, Gesellschaftsrecht, Rn 63.
[6] Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 462.
[7] Roitzsch, Minderheitenschutz im Verbandrecht, S. 33.
[8] Vgl. Fußnote 4.
[9] Cohn, AcP 132 (1930), S. 139ff.
[10] Wiedemann, § 8 II 2 a).
[11] Wiedemann, § 8 II 2 a).
[12] Götz Hueck, S. 151ff.
[13] Müller-Erzbach, Recht der Mitgliedschaft, S. 68ff.
[14] Eisenhardt, Gesellschaftsrecht, Rn 234; Müller-Erzbach, Recht der Mitgliedschaft, S. 77; MüKomm (BGB)- Ulmer, § 705 Rn 202; Grunewald, Gesellschaftsrecht, 1. A. Rn 24.
[15] Eisenhardt, Gesellschaftsrecht, Rn 234; MüKomm (BGB)- Ulmer, § 705 Rn 202.
[16] MüKomm (BGB)- Ulmer, § 705 Rn 202.
[17] MüKomm (BGB)- Ulmer, § 705 Rn 202.
[18] Raiser, JZ 1959, 422f.; Wiethölter, S. 105.
[19] So Götz Hueck, S. 250 – 268.
[20] Dieser Ansicht folgend Wiethölter, S. 105.
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