Bereits im Titel seines Hauptwerkes „Die Welt als Wille und Vorstellung“ verdeutlicht
Schopenhauer die Grundidee seiner Philosophie. Schopenhauer stimmt mit der Auffassung
Kants überein, dass der erkennende Mensch die Welt nur innerhalb seiner Vorstellung erfährt,
d.h. dass die Welt durch die Erkenntnisweise des Subjekts bedingt ist. Im Gegensatz zu Kant
gibt es für ihn jedoch etwas diesen Vorstellungen Zugrundeliegendes und damit unabhängig
von aller Erfahrung und Erkenntnis Bestehendes, das Schopenhauer „Wille“ nennt. Der Wille
ist kein Ziel oder eine Absicht, sondern eine Art alles durchdringende Kraft, das innere Wesen
der Dinge und die Triebkraft der Natur. Als „Ding an sich“ liegt der Wille zwar der gesamten
Wirklichkeit zugrunde, aber er erscheint stets in einzelnen Willensphänomenen, die
Manifestationen dieses einen Willens sind. Er lehrt, dass allen Einzelerscheinungen, wie sie
dem Menschen subjektiv wahrnehmbar sind, ein Objektives, ein Ding an sich zugrunde liege:
der Wille. Er betätigt sich unbewusst im Pflanzen- und Mineralreich, bewusst im höheren und
niederen Tier. Dieser Wille ist aber im Grunde etwas Nichtseinsollendes. Wer erkannt hat,
dass der Wille zum Leben in dieser Welt des Scheins Mangel, Jammer, Qual und Tod sei,
sucht die Erlösung durch Verneinung des Willens zum Leben. Diese Resignation, die im
Buddhismus ihren Ursprung hat, lag zum Teil in Schopenhauers leicht melancholischer Natur
begründet und wurde durch mancherlei schlimme Lebenserfahrung gefördert. Schopenhauers
Gedanken beeinflussten F. Nietzsche und R. Wagner nachhaltig.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Grundgedanken
3. Zwei Ansichten des Intellekts
4. Schopenhauers idealistische Grundansicht
4.1 Die subjektive Betrachtungsweise
5. Materialistische Ergänzungen: Die objektive Betrachtungsweise
6. Der „Zellersche Zirkel“
7. Das „Gehirnparadox“ und der neurophilosophische Ansatz nach Roth
8. Literatur
1. Einleitung
Bereits im Titel seines Hauptwerkes „Die Welt als Wille und Vorstellung“ verdeutlicht Schopenhauer die Grundidee seiner Philosophie. Schopenhauer stimmt mit der Auffassung Kants überein, dass der erkennende Mensch die Welt nur innerhalb seiner Vorstellung erfährt, d.h. dass die Welt durch die Erkenntnisweise des Subjekts bedingt ist. Im Gegensatz zu Kant gibt es für ihn jedoch etwas diesen Vorstellungen Zugrundeliegendes und damit unabhängig von aller Erfahrung und Erkenntnis Bestehendes, das Schopenhauer „Wille“ nennt. Der Wille ist kein Ziel oder eine Absicht, sondern eine Art alles durchdringende Kraft, das innere Wesen der Dinge und die Triebkraft der Natur. Als „Ding an sich“ liegt der Wille zwar der gesamten Wirklichkeit zugrunde, aber er erscheint stets in einzelnen Willensphänomenen, die Manifestationen dieses einen Willens sind. Er lehrt, dass allen Einzelerscheinungen, wie sie dem Menschen subjektiv wahrnehmbar sind, ein Objektives, ein Ding an sich zugrunde liege: der Wille. Er betätigt sich unbewusst im Pflanzen- und Mineralreich, bewusst im höheren und niederen Tier. Dieser Wille ist aber im Grunde etwas Nichtseinsollendes. Wer erkannt hat, dass der Wille zum Leben in dieser Welt des Scheins Mangel, Jammer, Qual und Tod sei, sucht die Erlösung durch Verneinung des Willens zum Leben. Diese Resignation, die im Buddhismus ihren Ursprung hat, lag zum Teil in Schopenhauers leicht melancholischer Natur begründet und wurde durch mancherlei schlimme Lebenserfahrung gefördert. Schopenhauers Gedanken beeinflussten F. Nietzsche und R. Wagner nachhaltig.
2. Grundgedanken
Unter dem Einfluss Platons und Immanuel Kants vertritt Schopenhauer in seiner Erkenntnistheorie die Position des Idealismus. Er beschreitet jedoch innerhalb dieser Grundauffassung einen eigenen Weg und lehnt die Philosophie Hegels ab. Durch das Aufgreifen der naturwissenschaftlichen Erkenntnisse seiner Zeit ist Schopenhauer in der Lage, eine Physiologie der Wahrnehmung zu entwickeln. Nach seiner Konzeption existiert die Erscheinungswelt nur insoweit, als sie wahrgenommen wird und im menschlichen Bewusstsein ist, also als „Vorstellung“. Er stimmt jedoch nicht mit Kant darin überein, dass das „Ding an sich“ jenseits aller Erfahrung liegt und deshalb nicht erkannt werden kann. Nach Schopenhauer liegt der Vorstellungswelt der Wille zugrunde, den er als grundlosen und ziellosen Drang versteht. Im Gegensatz zur Philosophie Hegels spricht er damit der Welt jeglichen Sinn ab. Dem Willen liegt nicht nur das Handeln des Menschen zugrunde, sondern er umfasst die gesamte Wirklichkeit, d.h. die organische (tierische und pflanzliche) und die unorganische Natur. Er objektiviert sich in der Erscheinungswelt als Wille zum Leben und zur Fortpflanzung. Diese Lehre vom „Primat des Willens“ bildet die zentrale Idee der Schopenhauer´schen Philosophie, sie hat weitreichende Einfluss und begründet die Aktualität von Schopenhauers Werk.
Der Wille ist ein nicht zu befriedigender Daseinsdrang, aus dem das Leiden des Menschen erwächst, denn der Wille erzeugt ständig neue Bedürfnisse, die letztendlich nicht befriedigt werden können. Höchster Ausdruck des Willen ist der Geschlechtstrieb. Da es aufgrund der nicht zu befriedigenden Wünsche kein dauerhaftes Glück gibt, ist das Leben unausweichlich von Schmerz und Leid gekennzeichnet. Auf dieser Einsicht basiert Schopenhauers pessimistische Grundhaltung. Auf einer höheren Stufe kann der Mensch jedoch dem Diktat des Willens entrinnen und ist dadurch fähig, sich selbst zu erlösen. Die Erlösung vom Leiden geschieht durch die „Verneinung des Willens“, die der Mensch entweder durch Kontemplation in der Kunstbetrachtung oder durch Askese und Entsagung gewinnt, durch die sämtliche Bedürfnisse zum Schweigen gebracht werden. In der Kunstbetrachtung löst sich der Mensch vom Willen und wird „reines, willenloses Subjekt der Erkenntnis“. Nach Schopenhauers Ästhetik wirkt die Kunst als „Quietiv des Willens“. Während der Mensch in der Kunstbetrachtung nur vorübergehend die Fesseln des Willens ablegt, zeigt Schopenhauers Ethik den Weg zur endgültigen Negativ des Willens. Schopenhauer fundiert seine Ethik im Gegensatz zu Kant nicht in der Vernunft und im Sittengesetz, sondern sieht des Mitleid als die Basis des moralischen Handelns. Durch das Mitleid wird der Egoismus überwunden, der Mensch identifiziert sich mit dem anderen durch die Einsicht in das Leiden der Welt. Schopenhauers Metaphysik ist stark vom Buddhismus geprägt, und in seiner Ethik verbindet er buddhistische Anschauungen mit denen der chrsitlichen Mystik.
Bei seinem Erscheinen wurde Schopenhauers Werk kaum beachtet, erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts begann es seine weitreichende Wirkung zu entfalten. Im Bereich der Philosophie beeinflusste er besonders Friedrich Nietzsche und die Lebensphilosophie Henri Bergsons, in der Musik u.a. Richard Wagner, in der Literatur Thomas Mann. Schopenhauers Lehre vom „Primat des Willens“ hatte tiefgreifenden Einfluss. In der Psychologie wurden seine Gedanken u.a. von Eduard von Hartmann und Sigmund Freud aufgenommen. Denn hier ist ein Kerngedanke der Psychoanalyse vorgeprägt, der ein grundlegend anderes Menschenbild hervorbringt: Die Ratio des Menschen ist nur ein Oberflächenphänomen, während das Handeln weitgehend durch verborgene Triebregungen gelenkt wird.
3. Zwei Ansichten des Intellekts
Schopenhauer unterscheidet „zwei von Grund aus verschiedene Betrachtungsweisen des Intellekts“, welche „so sehr sie auch [...] einander entgegengesetzt sind, dennoch in Übereinstimmung gebracht werden müssen“.[1]
Eine der beiden entgegengesetzten Betrachtungsweisen, welche aus dem Blickwinkel der Erkenntnistheorie im ersten Buch der „Welt als Wille und Vorstellung“ diskutiert wird, nennt Schopenhauer die „subjektive“. Die andere, die „objektive“, wird aus der Perspektive der Metaphysik betrachtet und im zweiten Buch der „Welt als Wille und Vorstellung“ behandelt. Die beiden Betrachtungsweisen unterscheiden sich in folgenden Punkten: Die subjektive Betrachtungsweise nimmt das Bewusstsein als gegeben und versucht die Mechanismen zu beschreiben, durch welche sich die Welt in diesem Bewusstsein entfaltet und darstellt, sie geht daher von innen aus. Schopenhauer spricht hierbei von einer „idealistischen Grundansicht“.[2]
Die objektive Grundansicht macht demgegenüber die äußere Erfahrung zu ihrem Gegenstand und „untersucht, welches Verhältniß der Intellekt derselben zu ihren übrigen Eigenschaften hat, wodurch er möglich, wodurch er notwendig geworden, und was er ihnen leistet.“[3] Diese Ansicht, welche „von außen anhebt“, wird als empirisch charakterisiert und als „zunächst zoologisch, anatomisch, physiologisch“ eingeordnet.[4] Weil diese Betrachtungsweise zunächst nur in der Wahrnehmung gegebene Dinge absolut setzt, kann man sie als physiologisch-materialistisch bezeichnen. Schopenhauer sieht eine Notwendigkeit darin, Probleme aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten:
„Man erkennt aber nichts ganz und vollkommen, als bis man darum herumgekommen und von der anderen Seite zum Ausgangspunkt zurückgelangt ist. Daher muß man, auch bei der hier in Betracht genommenen, wichtigen Grunderkenntniß, nicht bloß, wie Kant gethan, vom Intellekt zur Erkenntniß der Welt gehen, sondern auch, wie ich hier unternommen habe, von der als vorhanden genommenen Welt zum Intellekt. Dann wird diese, im weitern Sinn, physiologische Betrachtung die Ergänzung jener ideologischen, wie die Franzosen sagen, richtiger transscendentalen.“[5]
[...]
[1] WII, 316: Die in den Fußnoten genannten Seitenzahlen in Schopenhauers Werken beziehen sich auf die Ausgabe vom Haffmans Verlag aus dem Jahr 1999
[2] Vgl. WII, 11
[3] Vgl. WII, 316f.
[4] Vgl. WII, 317
[5] WII, 338
- Quote paper
- Stephan Kroll (Author), 2003, Arthur Schopenhauer: Physiologisierung der Erkenntnistheorie, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/21017
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