Das Thema „Phänomen Burnout – eine Analyse von Umgang und Maßnahmen in
Unternehmen“ hat seine Wurzeln in meiner Berufspraxis. Durch meinen beruflichen Alltag als Führungskräfte-Coach und der beraterischen Tätigkeit u.a. im Bereich von Visions- und Leitbildentwicklung und betrieblichem Gesundheitsmanagement bin ich immer häufiger mit dem Phänomen des Burnout in Unternehmen konfrontiert.
Obwohl dieses Thema als ernsthaftes Problem zusehends erkannt und anerkannt
wird bzw. medial präsenter denn je ist, ist es in den Unternehmen meist kein offenes Thema und wird nach wie vor tabuisiert und verdrängt. Auch gibt es - trotz der vielfältigen Burnoutforschung und -literatur - wenig bis keine Forschungsergebnisse über die Auswirkungen von Burnout in den Unternehmen.
Es hat den Anschein, dass die Aktualität in diesem Bereich überhaupt erst in den letzten Jahren erkannt wurde. Bisher lag die Konzentration der Forschung
vorwiegend im Bereich der helfenden Berufe wie Pflegepersonal, Ärzte,
Psychologen, Lehrer, Sozialarbeiter etc. mit dem Fokus auf das Individuum.
Maslach/Leiter: „Leider wird das Hauptaugenmerk auf den Menschen
und nicht auf die Situation gelegt und es entsteht die Annahme, dass Burnout die Schuld des Einzelnen sei“.
Burnout kann langfristig gesehen – neben vielen anderen negativen Konsequenzen – schwerwiegende finanzielle Folgen für ein Unternehmen haben. Dieser Umstand
zeigt, dass eine eingehende Auseinandersetzung mit dem Phänomen Burnout in
Unternehmen und der Suche nach zielführenden Maßnahmen wichtig ist, da die
damit verbundenen Leiden aber auch die finanziellen Konsequenzen vielfach
verhindert werden können.
Inhaltsverzeichnis:
1. Einleitung
2. Ausgangssituation
3. Begriffsbestimmung
4. Phasen von Burn-out
4.1 Überblick verschiedener Phasentheorien
4.2 Burn-out-Zyklus nach Freudenberger
5. Ursachen und Auslöser
5.1 Internale Faktoren
5.2 Externale Faktoren
5.3 Erfahrungswerte
6. Folgen von Burnout
6.1 Folgen für die Betroffenen
6.2 Folgen für das Unternehmen
6.3 Folgen für die Volkswirtschaft
7. Empirischer Teil
7.1 Methodische Vorgangsweise
7.2 Hintergrunddaten
7.3 Interviews und Analyse
8. Lösungsansätze
8.1 Prophylaktische Maßnahmen
8.1.1 Thema öffentlich machen
8.1.2 Netzwerke schaffen und soziale Unterstützung
8.1.3 Weiterbildungs- und Entwicklungsmaßnahmen
8.1.4 Betriebliches Gesundheitsmanagement
8.1.5 Mitarbeitergespräch
8.1.6 Organisationsentwicklung – Strukturen und Kulturen
8.2 Kurative Maßnahmen
8.2.1 Burnout verursachende Strukturen verändern
8.2.2 Kleingruppen- und/oder Einzelcoaching
8.2.3 Beratung des Managements im Umgang mit Burnout
9. Hypothesen
9. Zusammenfassung
10. Literaturverzeichnis
Anhang (Fragebogen)
Einleitung
Das Thema „Phänomen Burnout – eine Analyse von Umgang und Maßnahmen in Unternehmen“ hat seine Wurzeln in meiner Berufspraxis. Durch meinen beruflichen Alltag als Führungskräfte-Coach und der beraterischen Tätigkeit u.a. im Bereich von Visions- und Leitbildentwicklung und betrieblichem Gesundheitsmanagement bin ich immer häufiger mit dem Phänomen des Burnout in Unternehmen konfrontiert. Obwohl dieses Thema als ernsthaftes Problem zusehends erkannt und anerkannt wird bzw. medial präsenter denn je ist, ist es in den Unternehmen meist kein offenes Thema und wird nach wie vor tabuisiert und verdrängt. Auch gibt es - trotz der vielfältigen Burnoutforschung und -literatur - wenig bis keine Forschungsergebnisse über die Auswirkungen von Burnout in den Unternehmen.
Es hat den Anschein, dass die Aktualität in diesem Bereich überhaupt erst in den letzten Jahren erkannt wurde. Bisher lag die Konzentration der Forschung vorwiegend im Bereich der helfenden Berufe wie Pflegepersonal, Ärzte, Psychologen, Lehrer, Sozialarbeiter etc. mit dem Fokus auf das Individuum. Maslach/Leiter (2001, S. 74): „Leider wird das Hauptaugenmerk auf den Menschen und nicht auf die Situation gelegt und es entsteht die Annahme, dass Burnout die Schuld des Einzelnen sei“.
Burnout kann langfristig gesehen – neben vielen anderen negativen Konsequenzen – schwerwiegende finanzielle Folgen für ein Unternehmen haben. Dieser Umstand zeigt, dass eine eingehende Auseinandersetzung mit dem Phänomen Burnout in Unternehmen und der Suche nach zielführenden Maßnahmen wichtig ist, da die damit verbundenen Leiden aber auch die finanziellen Konsequenzen vielfach verhindert werden können.
Ich möchte daher allen Unternehmen und Personen, die durch Ihre Bereitschaft zum Interview einen großen Beitrag zu dieser Arbeit geleistet haben, herzlich danken.
2 Ausgangssituation
Viel ist über Burnout inzwischen geschrieben worden. In den letzten Jahren hat auch die Presse dieses Thema entdeckt und man könnte beinahe glauben, es handelt sich um eine neuartige Epidemie unserer Zeit. Burnout ist jedoch nicht etwa ein Phänomen unserer derzeitigen Arbeits- und Zeitkultur, hat es doch bereits im Alten Testament Eingang gefunden. Hier finden wir die Geschichte des Propheten Elias, welcher nach einem Zeitraum des Erfolges, wo er im Namen des Herrn Wunder vollbrachte und Siege feierte, bereits bei den ersten Anzeichen einer Niederlage in eine tiefe Verzweiflung stürzte, sich den Tod herbeiwünschte und in einen tiefen Schlaf verfällt. Diese Art von Krise war früheren Pastorengenerationen bekannt als „Elias Müdigkeit“ (beschrieben im Alten Testament, 1. Könige 17-22, Burisch 2006, S. 4).
In der Literaturgeschichte finden sich zahlreiche Beispiele, dass das „Burnout-Syndrom“ keine neuzeitliche Erscheinung ist, sondern schon sehr lange, zwar unter anderen Begriffsbezeichnungen, bekannt ist. So widmete sich u. a. Thomas Mann in seinem Roman die Buddenbrooks (1901) in der Figur von Thomas Buddenbrook diesem Phänomen. Lt. Enzmann & Kleiber (1990, S. 18) schrieb auch Shakespeare bereits von „to burn out“. Ludwig Wittgenstein, einer der bedeutendsten Philosophen des 20. Jahrhunderts, soll selbst als Landschulmeister ein Ausbrenner-Schicksal erlitten haben, „… am Ende von niederösterreichischen Dörflern regelrecht ver-trieben, desillusioniert, bitter und am Ende seiner Nerven“ (Burisch 2006, S. 3, nach Bartley 1983).
Populär wurde der Begriff Burnout erst durch den amerikanischen Arzt und Psychoanalytiker Herbert J. Freudenberger 1974. „H. J. Freudenberger beschrieb 1974 in den USA ein Phänomen, das er als ‚Krankheit des Überengagements’ bezeichnet hat. Er meint damit ‚Erschöpfung und Frustration auf Grund unrealis-tischer Erwartungen’, welche fremd- wie selbstverursacht sind. Dieses Phänomen nennt er Burnout und meint damit den Prozess des Sich-Entleerens, das Er-schöpfens der eigenen körperlichen und seelischen Reserven“ (Kernen 1997, S. 17).
3 Begriffsbestimmung
Burnout ist ein Phänomen, welches bei einer oberflächlichen Betrachtung schnell nachvollzogen werden kann. Wenn es aber um eine einheitliche und genaue Definition geht, muss man feststellen, dass es diese bis heute nicht wirklich gibt.
Eine gute Zusammenfassung verschiedener Definitionen der wohl bisher bedeutendsten Autoren und Forscher liefert Marion Rook (1998, Tabelle S. 109). Nachfolgend einige Auszüge aus dieser Zusammenstellung:
Freudenberger (1974) – Burnout ist versagen, abnützen oder erschöpft werden durch außerordentliche Verausgabung an Energie, Kraft oder Ressourcen.
Forschungsmethode: Fallstudien Selbstreflektion
Untersuchte Gruppe: Mitarbeiter sog. „Free clinic’s“
Freudenberger (1980) – Ausbrennen bedeutet: sich entleeren. Die eigenen körperlichen und seelischen Reserven erschöpfen. Sich selbst bei dem Versuch zerstören, unter Aufbietung aller Kräfte unrealistische Erwartungen zu verwirklichen, die selbstgesetzt oder vom Wertesystem der Gesellschaft aufgezwungen sind.
Forschungsmethode: Fallstudien
Untersuchte Gruppe: Generell Personen die sich stark engagieren
Berkeley Planning Assoziation (1977) – Burnout ist das Ausmaß in dem ein Arbeit-nehmer sich getrennt oder entfremdet hat von der ursprünglichen Bedeutung und dem ursprünglichen Ziel seiner Arbeit, d.h. das Ausmaß in dem Arbeitnehmer Haltungen der Entfremdung gegenüber ihren Klienten, Arbeitsstellen, Kollegen oder Projekten ausdrücken.
Forschungsmethode: Interviews Fragebogenerhebung (Instrument selber entwickelt)
Untersuchte Gruppe: Mitarbeiter aus „Child abuse“ Projekten
Cherniss (1980) – Burnout ist das Resultat eines transaktionalen Prozesses, der sich aus Arbeitsbelastungen, Stress und psychologischer Anpassung zusammensetzt, in welchem ein ursprünglich engagierter Professioneller sich als Reaktion auf die in der Arbeit erfahrenen Stressoren und den erlebten Stress von seiner oder ihrer Arbeit zurückzieht.
Forschungsmethode: Falldarstellungen, Tiefeninterviews
Untersuchte Gruppe: an 28 ‚public professional’ während mehrerer Zeitpunkte ihrer
ersten Berufjahre
Maslach & Jackson (1984) – Burnout ist ein Syndrom, zusammengesetzt aus enotionaler Erschöpfung, Depersonalisierung und dem Gefühl reduzierter Leistungs-fähigkeit, das insbesondere bei Personen auftreten kann, die mit Menschen arbeiten.
Forschungsmethode: Fallstudien, Interviews Felduntersuchungen, Fragebogen (MBI)
Untersuchte Gruppe: Professionelle Helfer aus verschiedenen Sozialberufen
Pines, Aronson & Kafry (1983) – Burnout ist ein Zustand von körperlicher, ein-stellungsmäßiger und emotionaler Erschöpfung durch emotionalen Stress.
Forschungsmethode: Fallstudien, Interviews, Workshops, Fragebogen (TM)
Untersuchte Gruppe: keine Angaben
Enzmann & Kleiber (1989) – Burnout ist ein arbeitsspezifisches Antwortmuster auf Fehlanforderungen vor allem Stresszuständen – unter der Voraussetzung, dass emotional (über)-beanspruchende Arbeit mit Menschen in helfenden Berufen in be-sonderem Maße gegeben ist.
Forschungsmethode: Literaturstudium, Fragebogen (MBI)
Untersuchte Gruppe: Unterschiedliche Berufsgruppen
Burisch (1994) – Burnout ist eine innere Erschöpfung die in jedem Beruf auftreten kann. In Gang gesetzt wird der Burnoutprozess durch Autonomieeinbußen, die Er-gebnisse gestörter Handlungsepisoden sind.
Forschungsmethode: Literaturstudium, Beratungssituationen
Untersuchte Gruppe: Im Fokus: gestörte Handlungsepisoden
Was auffällt und von verschiedenen Autoren zwischenzeitlich auch immer wieder erwähnt wird, ist, dass bei den meisten der Forschungsfokus auf Zielgruppen in helfenden Berufen liegt. Burisch (2006, S. 21) zählt 60 Berufs- und Personengruppen auf, welche mittlerweile beschrieben wurden. Es gibt allerdings bis heute wenig konkrete Forschungsergebnisse, welche explizit das Management bzw. Führungskräfte betreffen. Auffallend ist, dass fast ausnahmslos jene Berufsgruppen mit Burnout in Verbindung gebracht werden, von denen „nicht nur Hilfe im technischen Sinne erwartet wird“ (Burisch, 2006, S. 24), sondern die auch „emotionale Zuwendung“ als berufliche Leistung zu erbringen haben.
Kerner (1998, S. 21) meint dazu, „wenn man den Leitlinien der Forschung Glauben schenken will, manifestiert sich das Burnout-Phänomen am ehesten dort, wo affektive Beziehungen einen integralen Anteil der Arbeitssituation darstellen“. Daher, ist es naheliegend, dass gerade auch Menschen im Management und mit Führungs-funktion zu diesen Zielgruppen gehören.
4 Phasen des Burnout
Da bis heute eine einheitlich akzeptierte Definition fehlt, wird der Weg über die Zusammenstellung von beobachtbaren Symptomen versucht. Man spricht deshalb auch von einem Burnout-Syndrom, welches eine Vielzahl an Symptomen umfasst. Burisch (2006, S. 25f.) hat z. B. bereits 130 Symptome aufgeführt. Bei dieser Anzahl sind Widersprüche und Infragestellungen nicht verwunderlich. Einigkeit besteht zumindest in den meisten Fällen darüber, dass zu Beginn ein erhöhtes Engagement gezeigt wird, und dass Burnout in der Folge ein schleichender, langwieriger Prozess ist.
Diese Symptome werden in verschiedener Anzahl wiederum einer unterschiedlichen Anzahl von Phasen zugeordnet. Die nachfolgende Aufstellung soll einen Überblick geben von den derzeit am meisten zitierten Autoren. Nachfolgend möchte ich die Phasen nach Freudenberger/North näher erläutern, da diese mir sehr schlüssig er-scheinen und in meinen Coachings von den Teilnehmern auch gut verstanden wer-den. Viele der Teilnehmer können damit eine gute Selbsteinschätzung ihrer eigenen Gefährdung bzw. Phase, in welcher sie eventuell bereits befinden, vornehmen.
4.1 Überblick verschiedener Phasentheorien
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die gesamten Phasentheorien sind trotzdem relativ wenig fundiert und beruhen eher auf intuitiven Versuchen Beobachtetes einzuordnen als auf systematischen, empirischen Studien. Dies legt den Schluss nahe, dass die Wissenschaft trotz 30-jähriger Forschung nicht wirklich weit fortgeschritten ist und Ähnlichkeiten nur auf den zweiten Blick erkennbar sind, so auch Burisch (2006, S. 41). Dies kann allerdings daraus erfolgt sein, dass die Beobachtungsfelder in unterschiedlichen Gebieten liegen. So hat Freudenberger und auch Lauderdale vorwiegend über Menschen im Wirtschaftskontext geschrieben, Edelwich und Cherniss ausschließlich im Bereich von helfenden Berufen. Bei Maslach war dies in früheren Zeiten ebenfalls der Fall. In jüngerer Literatur befasst sie sich, gemeinsam mit Leiter, aber sehr wohl intensiv mit dem Wirtschaftsbereich (Burisch 2006).
Dies sind allerdings nicht die einzigen Autoren, welche den Versuch unternommen haben, Burnout in Phasen einzuteilen und festzumachen. Allerdings würde es den Rahmen dieser Arbeit sprengen, alle bereits publizierten Autoren aufzuzählen und deren Phasen zu beschreiben.
Liest man die oben angeführten Definitionen und Phasentheorien, so ist unschwer zu erkennen, dass diese Autoren die Ursache im Menschen selbst sehen, in dessen Persönlichkeit. Einzig Maslach befasst sich in ihren jüngeren Publikationen (2001 und 2007) mit dem Thema der Ursachenfindung im System, das von außen auf den Menschen einwirkt. Sie geht darin sogar soweit, dass sie die Ursachen fast aus-schließlich im Bereich der Organisation ansiedelt. Ich tendiere zu dem Zugang, dass Burnout im Zusammenwirken von Persönlichkeitsmerkmalen und organisationalen bzw. strukturellen Komponenten entsteht, und zwar sowohl bei „Selbstverbrennern“ (Wieske 2007, nach Freudenberger) als auch bei den „Verschlissenen“ (Wieske 2007, nach Maslach).
Dies ist auch für mich der Beweggrund, mich überwiegend mit Freudenberger und Maslach/Leiter auseinanderzusetzen, insbesondere mit den von Freudenberger in seinem Buch „Burn-out bei Frauen“ beschriebenen 12 Phasen. Dabei möchte ich auch der Frage nachgehen, wie Organisationen diese verstärken bzw. entschärfen können (siehe dazu Kapitel 5). Überhaupt bin ich der Ansicht und habe dies auch in vielen Gruppen- und Einzelcoachings bereits feststellen können, dass sich Männer mit diesen Phasen ebenso identifizieren wie Frauen. Ein weiterer interessanter Aspekt scheint mir die Thematik der Selbstverbrenner versus der Verschliessenen. Burisch (2006, S. 27) hat auf Grund einer eigenen Studie an Krankenpflege-schüler(inne)n das Credo vom „Brennen“ als notwendige Voraussetzung für das Ausbrennen massiv in Frage gestellt und spricht daher nunmehr von „überhöhtem Energieeinsatz“.
4.2 Der Burn-out-Zyklus nach Freudenberger/North
Freudenberger/North (2005) beschreiben in ihrem Buch „Burn-out bei Frauen“ einen zwölf-stufigen Zyklus, wobei sie gleich auch darauf hinweisen, dass diese Stufen nicht klar voneinander abgegrenzt sind, sondern sich überlagern und teils auch vermischen. Auch ist es nicht notwendigerweise so, dass alle Phasen durchschritten werden. Des weiteren weisen sie auch darauf hin, dass sowohl Dauer als auch Schweregrad jeder Phase unterschiedlich sein können und von der Persönlichkeit der/des Betroffenen, den Lebensumständen, der Fähigkeit zur Stressbewältigung sowie vom eigenen Selbstbild abhängen. Diese Aussage deckt sich sehr mit meinen eignen Beobachtungen.
Die nachfolgend beschriebenen 12 Phasen sollen dem Leser auch die Möglichkeit geben, eine eigene Einschätzung vornehmen zu können bzw. Hilfestellung für Führungskräfte bei der Beobachtung und Unterstützung ihrer Mitarbeiter sein. Gleichzeitig ist es wichtig zu wissen, dass sämtliche geschilderte Symptome auch ganz normaler Teil eines Lebens sein können, normale menschliche Reaktionen auf bestimmte Ereignisse. Beispielsweise können ein Schicksalsschlag, eine Ent-täuschung oder eine Krankheit Auslöser verschiedener Symptome sein.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Phase 1: Zwang sich zu beweisen
Die Person stürzt sich mit hoher idealistischer Begeisterung in die Arbeit, mit hohen Erwartungen an sich selbst, ev. auch noch gepaart mit dem Gefühl der Unentbehr-lichkeit. Der Wunsch, sich zu beweisen, steht im Vordergrund. Es ist sehr schwierig, Stadium 1 zu erkennen, denn wie und woran können die Grenzen vom gesunden, selbstbewussten Einsatz zum krankhaften Zwang festgemacht werden? Auch sind es vermutlich unterschiedliche Antreiber, welche den vermehrten Einsatz ankurbeln. So können dies genauso zu hohe Erwartungen an sich selbst und das Umfeld sein, eine Selbstüberschätzung, eine verbissene Entschlossenheit, erfolgreich zu sein, der Zwang sich zu beweisen, wie Angst vor Versagen.
Eigene Bedürfnisse werden immer mehr hintangestellt und eigene Grenzen missachtet. Ohne genügend Erholungsphasen kommt dann aber nach und nach - je nach Person im unterschiedlichen Zeitrahmen - das Gefühl der Erschöpfung, des Energiemangels sowie chronischer Müdigkeit dazu. Diese Phase ist für Außen-stehende oft ebenfalls noch sehr schwer beobachtbar. Am frühesten bemerkbar macht es sich in Beziehungen, das Familienleben wird bereits belastet. Schwerer einzuschätzen ist es jedoch noch für Führungskräfte und Kollegen, da die Betroffenen in ihrem Tatendrang sehr engagiert und lebendig wirken und jeden Hinweis sofort vom Tisch wischen, oft mit dem Argument – es macht mir einfach soviel Spaß und Freude. Da wird das dagegenhalten dann besonders schwierig, will doch niemand als Spaßverderber und Freudekiller dastehen. Führungskräften würde ich trotzdem empfehlen, bei Verdacht ihre Beobachtungen zu verstärken und sich nicht von den o. a. Killerargumenten entmutigen zu lassen.
Phase 2: Verstärkter Einsatz
Ein weiteres Merkmal ist die hohe Bereitschaft zur Übernahme von neuen Aufgaben, freiwillige Mehrarbeit und unbezahlte Überstunden. Auch an freien Tagen sowie am Wochenende und in der Urlaubszeit wird zumindest immer wieder gearbeitet. Es entsteht ein Gefühl der Unentbehrlichkeit. Zwang wird mit Unentbehrlichkeit, Gewissenhaftigkeit, Verantwortung, Idealismus oder Engagement verwechselt. Ein Anzeichen für Phase 2 ist die mangelnde Bereitschaft, Arbeit oder Verantwortung zu delegieren, da ein Kontrollverlust befürchtet wird. Je mehr Druck sich aufbaut, je mehr konzentrieren sie sich auf die im Fokus liegende Arbeit. „Die Aufgabe oder die Beziehung bekommen eine oft unerträgliche Dringlichkeit und werden mit verstärktem Einsatz verfolgt. Dabei tauchen lang unterdrückte Unsicherheiten wieder auf“ (Freudenberger/North 2005, S. 128). Wenn Führungskräfte dies beobachten, sollten bereits die Alarmglocken zu läuten beginnen.
Phase 3: Subtile Vernachlässigung eigener Bedürfnisse
In Phase 3 beginnt bereits die chronische Vernachlässigung der eigenen Bedürf-nisse. Es kann zu einem Mehrkonsum von Kaffee, Aufputschmitteln (z.B. Zigaretten, Alkohol, zuviel Süßes etc.) kommen, sei es zur Belohnung oder zur Entspannung. Gelegentliche treten auch Schlafstörungen auf. Auf Grund von Müdigkeit und Über-forderung werden Alltagsangelegenheiten, - wie einkaufen, Arzttermine, Rezepte einlösen, Einkauf im Eisschrank verstauen, Freunde anrufen, Geburtstage von Angehörigen und Freunden etc. - einfach vergessen, was zum nächsten Problem führt, sobald es bemerkt wird. Der Sinn für Humor schwindet immer mehr – es vergeht einem das Lachen. Da diese Phase sehr von Verleugnung gekennzeichnet ist, ist es für Betroffene sehr schwer, diesen Mechanismus zu durchbrechen bzw. für Außenstehende an diese Menschen heranzukommen. Hilfsangebote werden in vielen Fällen zurückgewiesen.
Phase 4: Verdrängung von Konflikten und Bedürfnissen
Durch die zu hoch gesteckten Ziele, den immensen Energieeinsatz und auch dem Nicht-anerkennen-Wollen der Realität kommt es vorerst auch noch zur Aufgabe der noch verbleibenden Hobbys, die letzten Bedürfnisse werden beiseite geschoben. Nach einer langen Zeit des Sich-beweisen-Müssens setzen Ernüchterung und Widerwillen ein. Der Spaß und das Engagement sowie die positive Einstellung zur Arbeit gehen verloren. Energiemangel und Schwächegefühle machen sich jedoch immer stärker bemerkbar. Fehlleistung wie z.B. Vergessen von Terminen, Nichterledigen von versprochenen Aufgaben, Ungenauigkeit sind die Folge.
Zusammengefasst sind die wesentlichen Aspekte dieser vier Phasen, an denen Burnout erkennbar wird:
die emotionale Erschöpfung
- Müdigkeit (schon beim Gedanken an die Arbeit)
- Chronische Müdigkeit
- Schlaflosigkeit
- Krankheitsanfälligkeit
- Diffuse körperliche Beschwerden
Phase 5: Umdeutung von Werten
Hier beginnt bereits der Depersonalisierungsprozess, gekennzeichnet durch das meiden privater Kontakte. Diese werden zunehmend als belastend empfunden. Vielfach entstehen jetzt auch Probleme mit dem Partner mit Anzeichen eines Beziehungs-Burnouts. Abstumpfung und Aufmerksamkeitsstörungen sind ebenfalls ein Kennzeichen dieser Phase. „In Stadium 5 verschwinden die angenehmen Seiten des Lebens völlig aus dem Blickfeld“ (Freudenberger/North 2005, S. 136).
Phase 6: Verstärkte Verleugnung von aufgetretenen Problemen
„ In Stadium 6 nimmt die Verleugnung behindernde Ausmaße an, und sie dient dazu, den Burn-out-Prozeß zu verschleiern. Wir bezeichnen dieses Stadium als ‚verstärkte Verleugnung’, weil sich jetzt die subtile Vernachlässigungen von Stadium 3 verschär-fen“ (Freudenberger/North 2005, S. 138). Das Gefühl mangelnder Anerkennung und Desillusionierung machen sich breit. Widerstand zur Arbeit zu gehen entsteht immer öfter. Es kommt mitunter zu überlangen Arbeitspausen und zu Arbeitszeitein-teilungen, die als innere Kündigung bezeichnet werden kann, d.h. unter anderem ver-mehrte Fehlzeiten, verspäteter Arbeitsbeginn, vorverlegter Arbeitsschluss etc. Im Umgang mit Kunden und Kollegen kann es zu einer Verflachung der Emotionen kommen, mitunter tritt auch Zynismus auf. Wenn möglich werden Kontakte vermieden, was zum Verlust sozialer Netzwerke führen kann. „Intoleranz ist eines der Hauptsymptome dieses Stadiums. Ohne die Energie, das Interesse oder die Fähigkeit zuzuhören oder sich auf andere einzulassen, werden neue Ideen, Vorstellungen oder interessante Vorschläge als Forderungen erlebt und meist zurückgewiesen„Freudenberger/North 2005, S. 140).
Phase 7: Rückzug
Der inneren Kündigung folgen oft Ohnmachtsgefühle, innere Leere, es machen sich Orientierungs- und Hoffnungslosigkeit breit. „Wenn sich die Verleugnung von Bedürfnissen verstärkt, ist der Weg zur Leugnung von Gefühlen nicht sehr weit“ (Freudenberger/North 2005, S. 141). Auffällige Verhaltensveränderungen sind oft-mals die Folge dieser Phase, die so massiv sein können, dass in Unternehmen nur noch die Kündigung als probates Mittel, auch zum Schutz der anderen Mitarbeiter, gesehen wird. Um diese Leere zu füllen, kommt es bei vielen zu Ersatzbefriedigungen durch Essen, Alkohol, Drogen, Spielen, Kaufsucht etc. Gleichzeitig führt es auch zu einem Abbau der kognitiven Leistungsfähigkeit. Desorganisation und Ungenauigkeit sind eine weitere Folge, ebenso die Entscheidungsunfähigkeit. Nicht zuletzt kommt es auch noch zu psychosomatischen Reaktionen wie Gewichtsveränderungen, Herzklopfen, Bluthochdruck, Magen-Darm-Problemen etc. Diese Phase, in der sich die Desillusionierung so breit macht, kommt es des öfteren zum sogenannten Aussteigersyndrom. Diese Entscheidung würde ich sogar schlussendlich als sehr gesunde, schützende Notbremse sehen, die schlussendlich der Weg aus dem Burnout zurück ins Leben sein kann.
Phase 8: Beobachtbare Verhaltensänderungen
Wer in diesem Teufelskreis bereits so tief drinnen steckt, tut sich immer schwerer, da wieder von selbst herauszukommen. Alleine gelingt es meistens auch nicht mehr. Denn jetzt kommt es bereits zu Verzerrung der Wahrnehmung. Die Person wird zum Eigenbrötler, Einsamkeit ist die Folge. Helfende ziehen sich ratlos zurück, da sie auf gutgemeinte Hilfsangebote mit ärgerlichen, aggressiven Reaktionen vom Tisch gewischt werden. Das nährt wiederum das Selbstmitleid des Betroffenen. Die Abwärtsspirale dreht sich immer schneller. Aus dem heraus verringert sich die Eigeninitiative noch mehr, es wird vielfach nur noch Dienst nach Vorschrift gemacht. Mehr ist meist auch gar nicht mehr möglich. Das emotionale Leben verflacht immer mehr, die persönliche Anteilnahme an anderen verringert sich auf ein Minimum, gleichzeitig kommt es aber zu exzessiven Bindungen an Einzelne. Ansonsten werden beruflich-soziale Kontakte vermieden.
Phase 9: Depersonalisation/Verlust des Gefühls für die eigene Persönlichkeit
Entfremdung, Gefühle des Abgestorbenseins und der inneren Leere breiten sich immer mehr aus. Funktioniert wird wie ein Automat. Psychosomatische Reaktionen treten noch mehr in den Vordergrund. „Die Depersonalisation – das Gefühle, nicht mehr man selbst zu sein – ist eine schwere Form des Rückzugs. In Stadium 9 sind Ihnen Logik und Verstand abhanden gekommen“ „spielen das bewusste Denken und Empfinden kaum noch eine Rolle“ (Freudenberger/North 2005, S. 147). In dieser Phase ist es wie beim Autofahren, Gas geben, kuppeln, bremsen funktioniert ganz automatisch, die Landschaft um sich herum wird nicht mehr wahrgenommen, im schlimmsten Fall auch nicht mehr die anderen Verkehrsteilnehmer, die Folgen sind absehbar.
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- Quote paper
- Brigitte Schweifer-Winkler (Author), 2009, Phänomen Burnout - Umgang und Maßnahmen in Unternehmen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/210122
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