Der Ruhm des Desiderius Erasmus Roterodamus, der zumindest im christlich beeinflussten Kulturbereich nach einem halben Jahrtausend noch andauert, eignet dem Theologen, klassisch-literarischen Philologen, religiösen Humanisten, Literaten und Intellektuellen, nur zu einem geringen Teil
aber dem Philosophen. Erkennt man letzteren überhaupt an, weiß
man in der Regel nicht, mit welchem Profil man ihn der
Philosophiegeschichte einordnen soll. Oft wird Luthers Aburteilung des Theologen mit Ausdehnung auf den ganzen Mann und sein Werk zitiert:
"Erasmus est anguilla. Niemand kann ihn ergreiffen denn Christus allein.
Est vir duplex.“ Für eine systematische Annäherung an die Erasmische
Philosophie wird mit Denominationen wie „vir duplex“, „homo duplex“ „Ambivalenz“ und besonders „Vieldeutigkeit“ eine brauchbare
Problemstellung gewonnen. Erasmus‘ Philosophieren besteht darin,
praktisch wertvolle Einsichten in den Lauf der Dinge, die Wirksamkeit
der unaufhörlich produktiven Natur, aus eigener Beobachtung und
literarischen Quellen zu sammeln, sie aber dem Gegenstand gemäß nicht festzuschreiben, sondern immer im Blick auf das prozessuale Ganze zu relativieren und für weitere Relativierungen nicht zuletzt in
„Vertraulichen Gesprächen“ offen zu halten. Im Fokus steht nicht das theoretische Wissen mit seinen Grundlagen, Wegen und Grenzen, sondern
die Frage der Erkennbarkeit der wahren Güter des Lebens. Allgemein hat
wohl die Furcht, den „ganzen“ Erasmus aus den Augen zu verlieren, eine Isolation des profanen Teils des philosophischen Hauptwerkes „Laus
Stultitiae“ („Moriae Encomium id est Stultitiae Laus“), entsprechender „Colloquia familiaria“ bzw. von Teilen derselben und anderer Texte
verhindert. Nur dieses Verfahren aber bringt Erasmus‘ metaphysisch zurückhaltende und theologisch neutrale, dem naturalen Leben
integrierte Philosophie in den Blick. Im Ergebnis der naturalistischen Lebensphänomenologie führt das Weisheitsstreben als grundsätzlich
veränderbare Glückskonzeption nicht zu skeptischer Urteilsenthaltung,
sondern ermöglicht als Besitz alternativer Weltzugänge und damit als
Urteilsbefähigung unter bestimmten Voraussetzungen den Fortgang der theoretisch-praktischen Welterschließung. Die Interpretation wählt
als Leitfaden durch die „Erasmische Vieldeutigkeit“ die scheinbar unvereinbaren Äußerungen zur Geschlechterdifferenz.
Inhaltsverzeichnis
Vorbegriff
I Die Torheit als kulturphilosophisches Subjekt
II Die Torheit in den „Colloquia familiaria“
Schluss
Literaturverzeichnis
- Quote paper
- Peter Baumanns (Author), 2013, Erasmus von Rotterdam als Philosoph , Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/210020
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