Die frühe Kindheit ist die bedeutsamste Phase des Lebens, die Auswirkungen auf die gesamte weitere Entwicklung hat. Zahlreiche Studien belegen, welch schwerwiegende Folgen Versäumnisse in der gesundheitlichen oder sozialen Betreuung nach sich ziehen können. Aus diesem Grund sind belastete Eltern mit Kindern zwischen 0 - 3 Jahren in besonderem Maße auf so genannte Frühe Hilfen angewiesen, die die Chancen für ein gesundes Aufwachsen nachhaltig steigern sollen. Wie im Entwurf zum Bundeskinderschutzgesetz zu lesen war, hat der Kinderschutz in Deutschland „ … in den letzten Jahren auf Grund der verbesserten Rechtsgrundlagen im Achten Buch Sozialgesetzbuch … sowie im Kindschaftsrecht des BGB, der Aktivitäten der Länder im Rahmen von Kinderschutzgesetzen und Modellprogrammen, vor allem aber der konsequenten und nachhaltigen Qualifizierung der örtlichen Praxis in den Jugendämtern und bei den freien Trägern ein hohes Niveau erreicht“. Dabei darf jedoch nicht aus den Augen verloren werden, dass zeit-gleich angesichts vererbter Exklusionslagen zunehmend häufiger komplexe Problemstellungen auftreten, die oft nur mit Hilfe öffentlicher Institutionen zu bewältigen sind. Diese weisen jedoch bereits innerhalb ihrer Systeme eine hohe Spezialisierung und Aufgabenteilung auf und benötigen bei der Kooperation untereinander ihrerseits tatkräftige Unterstützung.
Im Bundeskinderschutzgesetz, das am 1. Januar 2012 in Kraft trat, wurde aus diesem Grund u. a. der Aus- und Aufbau flächendeckender Netzwerke im Bereich der Frühen Hilfen verankert. Als zu beteiligende AkteurInnen sind dabei explizit alle relevanten Institutionen wie Jugendämter, Gesundheitsämter, Sozialämter, Schulen, Beratungsstellen, Polizei, Familiengerichte usw. auf-geführt. Doch bereits in den vergangenen Jahren gab es zahlreiche Ansätze von Bund und Ländern, Kooperationen der Unterstützungssysteme auf dem Gebiet des Kinderschutzes voranzutreiben. Zu nennen wären hierbei das Modellprojekt "Frühe Hilfen für Eltern und Kinder und soziale Frühwarnsysteme" des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und die Gründung des „Nationalen Zentrums Frühe Hilfen“ im Jahr 2007.
INHALTSVERZEICHNIS
1 Einleitung
2 Theorie
2.1 Kindeswohlgefährdung
2.1.1 Allgemeine Grundlagen
2.1.2 Situation in Leipzig
2.2 Frühe Hilfen
2.2.1 Allgemeine Grundlagen
2.2.2 Kosten und Nutzen
2.3 Netzwerke
2.3.1 Allgemeine Grundlagen
2.3.2 Merkmale gelingender Netzwerkarbeit
2.3.2.1 Theoretische Aspekte
2.3.2.2 Praktische Erfahrungen
2.4 Evaluationsforschung
2.4.1 Einführung
2.4.2 Problemstellungen
2.5 Leipziger Netzwerk für Kinderschutz
2.5.1 Aufbau und Arbeitsweise
2.5.2 Zielerreichung und Bewertung
2.6 Zusammenfassung der Evaluation
2.6.1 Beschreibung der Studie
2.6.2 Evaluationsergebnisse
3 Empirie
3.1 Forschungsfragestellungen
3.2 Untersuchungsinstrument
3.2.1 Wahl der Erhebungsmethode
3.2.2 Anforderungen an die Fragebogenkonstruktion
3.2.3 Konstruktion des Untersuchungsinstruments
3.3 Darstellung der Auswertungsmethoden
3.4 Durchführung der Studie
3.5 Ergebnisdarstellung
3.5.1 Quantitative Daten
3.5.2 Qualitative Daten
4 Diskussion
4.1 Interpretation der Ergebnisse
4.1.2 Auswertung quantitativer Daten
4.1.2 Auswertung qualitativer Daten
4.1.3 Integration und Interpretation quantitativer und qualitativer Daten
4.2 Handlungsempfehlungen
4.3 Kritische Methodenreflexion
4.4 Fazit
Literaturverzeichnis
Anhangsverzeichnis
Anhang
1 EINLEITUNG
Die frühe Kindheit ist die bedeutsamste Phase des Lebens, die Aus-wirkungen auf die gesamte weitere Entwicklung hat. Zahlreiche Studien belegen, welch schwerwiegende Folgen Versäumnisse in der gesundheitlichen oder sozialen Betreuung nach sich ziehen können (The NICHD Early Child Care Research Network, 2005). Aus diesem Grund sind belastete Eltern mit Kindern zwischen 0 - 3 Jahren in besonderem Maße auf so genannte Frühe Hilfen ange-wiesen, die die Chancen für ein gesundes Aufwachsen nachhaltig steigern sollen. Wie im Entwurf zum Bundeskinderschutzgesetz zu lesen war, hat der Kinderschutz in Deutschland „ … in den letzten Jahren auf Grund der verbesserten Rechtsgrundlagen im Achten Buch Sozialgesetzbuch … sowie im Kindschaftsrecht des BGB, der Aktivitäten der Länder im Rahmen von Kinderschutzgesetzen und Modellprogrammen, vor allem aber der konse-quenten und nachhaltigen Qualifizierung der örtlichen Praxis in den Jugend-ämtern und bei den freien Trägern ein hohes Niveau erreicht“ (Bundesregierung, 2011, S. 1). Dabei darf jedoch nicht aus den Augen verloren werden, dass zeit-gleich angesichts vererbter Exklusionslagen zunehmend häufiger komplexe Problemstellungen auftreten, die oft nur mit Hilfe öffentlicher Institutionen zu bewältigen sind (Stadt Leipzig, Der Oberbürgermeister & Jugendamt, 2010). Diese weisen jedoch bereits innerhalb ihrer Systeme eine hohe Spezialisierung und Aufgabenteilung auf und benötigen bei der Kooperation untereinander ihrerseits tatkräftige Unterstützung.
Im Bundeskinderschutzgesetz, das am 1. Januar 2012 in Kraft trat, wurde aus diesem Grund u. a. der Aus- und Aufbau flächendeckender Netzwerke im Bereich der Frühen Hilfen verankert. Als zu beteiligende AkteurInnen sind dabei explizit alle relevanten Institutionen wie Jugendämter, Gesundheitsämter, Sozialämter, Schulen, Beratungsstellen, Polizei, Familiengerichte usw. auf-geführt. Doch bereits in den vergangenen Jahren gab es zahlreiche Ansätze von Bund und Ländern, Kooperationen der Unterstützungssysteme auf dem Gebiet des Kinderschutzes voranzutreiben. Zu nennen wären hierbei das Modellprojekt "Frühe Hilfen für Eltern und Kinder und soziale Frühwarnsysteme" (Laufzeit 2006 - 2010) des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und die Gründung des „Nationalen Zentrums Frühe Hilfen“ im Jahr 2007. Letzteres dient vor allem als Informationsplattform über die gesammelten wissenschaftlichen Erkenntnisse im Bereich Früher Hilfen. 2008 fand eine Kon-ferenz von Bund und Ländern mit dem Titel "Starke Netze für Kinder und Eltern knüpfen“ statt, die ebenfalls Beschlüsse zur Einführung sozialer Frühwarn-systeme und Unterstützung dafür erforderlicher Vernetzungsstrukturen zum Ergebnis hatte.
Nachfolgend entstanden in allen Bundesländern verschiedene Netzwerke für Kinderschutz, so z.B. in vier sächsischen Gebietskörperschaften im Rahmen eines von der Landesregierung finanzierten Modellprojekts unter der Aufsicht des Felsenweg-Instituts der Karl Kübel Stiftung. Leipzig wurde als einer der Projektstandorte ausgewählt und bei der Vernetzung der relevanten Institutionen bis Ende 2011 begleitet. Das Leipziger Netzwerk für Kinderschutz umfasst derzeit 43 Mitglieder, die sich auf halbjährlichen Netzwerkkonferenzen aus-tauschen und in verschiedenen Qualitätszirkeln wie „Öffentlichkeitsarbeit“ oder „Standardisiertes Informationssystem“ einbringen können. Die Leitung liegt in den Händen einer multidisziplinären Projektgruppe und einer dem Jugendamt zugehörigen Koordinatorin, deren Stelle auch über die Projektlaufzeit hinaus aus kommunalen und Landesmitteln dauerhaft finanziert werden soll.
Wie in zahlreichen anderen Publikationen auch, wird im 13. Kinder- und Jugenbericht (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2009) die Bedeutsamkeit einer systematischen Evaluation aller Maßnahmen auf dem Gebiet der Frühen Hilfen betont, um die Angebote auf eine empirisch abge-sicherte Basis zu stellen. Das Leipziger Netzwerk für Kinderschutz wurde durch das Institut für angewandte Weiterbildungsforschung e. V. drei Jahre lang wissenschaftlich begleitet; allerdings erfolgte die Beurteilung ausschließlich über Dokumenteanalysen, Interviews mit der Projektkoordinatorin und die Befragung von zehn ausgewählten NetzwerkpartnerInnen. Eine Vollerhebung ließ sich im Zuge der Begleitforschung aus Kostengründen nicht realisieren. 2008 wurde aus diesem Grund an die Autorin der Wunsch herangetragen, im Rahmen einer Diplomarbeit eine Befragung aller NetzwerkpartnerInnen durchzuführen. Die Bewertungen der Struktur- und Prozessqualität flossen prozessbegleitend in die Arbeit der Steuerungsgruppe ein. Drei Jahre darauf stehen Prozess- und Ergebnisqualität im Fokus der Betrachtungen.
Das Ziel der vorliegenden Untersuchung ist die Evaluation des Leipziger Netzwerks für Kinderschutz mit Hilfe eines eigens entwickelten Fragebogens, der Ende 2011 an alle NetzwerkpartnerInnen versandt wurde. Im theoretischen Teil dieser Arbeit werden zunächst die Grundlagen aktueller Erkenntnisse zu den Themen Kindeswohlgefährdung und Frühe Hilfen dargestellt. Es folgt eine Einführung in theoretische und praktische Aspekte gelingender Netzwerkarbeit, die die Basis der Entwicklung des bei der Erhebung verwendeten Unter-suchungsinstruments bilden. Nach einer Einführung in Arten und Kennzeichen von Evaluationen werden im Weiteren dabei auftretende spezifische Problem-stellungen erörtert. Die Vorstellung des Leipziger Netzwerks für Kinderschutz, dessen Arbeitsstruktur und die Ergebnisse bisheriger Evaluationen vervoll-ständigen den theoretischen Teil. Im empirischen Abschnitt finden sich nach Benennung der Forschungsfragestellungen die detaillierte Beschreibung der Fragebogenkonstruktion und die Darstellung der Auswertungsmethoden. Anschließend werden der Studienablauf und die Ergebnisse der Befragung wiedergegeben. Die letzten Kapitel dienen der Integration der quantitativen und qualitativen Ergebnisse, deren Interpretation und Diskussion. Daraus abgeleitete Handlungsempfehlungen, die kritische Methodenbetrachtung und ein ab-schließendes Fazit runden die Arbeit ab.
Trotz eventueller Beeinträchtigung der Leseflüssigkeit wird zugunsten der Geschlechtergleichstellung auf die Verwendung des Binnenmajuskels I zurück-gegriffen.
2 THEORIE
2.1 Kindeswohlgefährdung
Der Begriff Kindeswohlgefährdung wird rechtlich im Wesentlichen über §1666 BGB definiert. …. Was Kindeswohl bedeutet oder wann eine konkrete Gefahr vorliegt, wird im Gesetz bewusst unbestimmt gehalten, um das Gesetz auslegen und jeweils dem aktuellen Forschungs- und Wissensstand entsprechend Kindeswohl und Kindeswohlgefährdung einschätzen zu können. (Ziegenhain et al., 2010, S. 257)
2.1.1 Allgemeine Grundlagen
Unter Kindeswohlgefährdung werden im Allgemeinen die Formen körperliche und psychische Misshandlung, körperliche und emotionale Vernach-lässigung und sexuelle Gewalt zusammengefasst. Über die Prävalenzen der einzelnen Auftretensarten in Deutschland lassen sich nur sehr eingeschränkt genaue Angaben machen, da es an ausreichenden, repräsentativen Studien mangelt (Renner & Heimeshoff, 2010). Verschiedene Untersuchungen legen nahe, dass Vernachlässigung mit geschätzten 5 - 10% betroffener Kinder in der Gesamtbevölkerung die mit Abstand häufigste Gefährdungsform darstellt (Ministerium für Arbeit, Soziales und Gesundheit des Landes Schleswig-Holstein, 2010). An zweiter Stelle folgt sexuelle Gewalt, die in den letzten Jahren jedoch eine rückläufige Tendenz aufweist (Ministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familien und Senioren Baden-Württemberg, 2010). Kindesmiss-handlungen hingegen werden zunehmend häufiger zur Anzeige gebracht; sie sind auch mit den am deutlichsten sichtbaren Folgen verbunden. Bisher ist allerdings nicht geklärt, ob dieser Anstieg tatsächlich auf höhere Fallzahlen zurückzuführen ist oder auf Veränderungen im Anzeigeverhalten, der statistischen Erfassung o. ä. beruht. Bei allen Angaben der polizeilichen Kriminalstatistik muss ohnehin im Hinterkopf behalten werden, dass im Bereich der Kindeswohlgefährdungen von einer sehr hohen Dunkelziffer auszugehen ist, da diese meist im Privaten stattfinden und die Betroffenen in einem starken Abhängigkeitsverhältnis zu den TäterInnen stehen, welches eine Anzeige erschwert.
Die Ursachen von Kindeswohlgefährdung sind ein komplexes Zusammen-spiel unterschiedlicher Komponenten, die beim Kind, den Eltern oder der allgemeinen Situation liegen können. Auf Seiten der Kinder konnten z. B. Frühgeburten als Risikofaktor identifiziert werden bzw. generell deutliche Entwicklungsbeeinträchtigungen und Behinderungen. (Sullivan & Knutson, 2000). Persönlichkeitsmerkmale der Eltern, die mit Kindeswohlgefährdung in Verbindung gebracht werden, sind u. a. Impulsivität, negative Emotionalität und vermeidende Problembewältigung (Lengning & Zimmermann, 2009). Auf der kognitiven Ebene stehen nach einer Untersuchung von Reinhold und Kindler (2006) sowohl unangemessene Erwartungen bezüglich der Fähigkeiten und Fertigkeiten als auch eingeschränktes Wissen über kindliche Bedürfnisse einem förderlichen Erziehungsverhalten im Wege. Bestimmte Bevölkerungsgruppen wie Alleinerziehende, Arbeitslose oder MigrantInnen sind zudem häufiger von Armut betroffen, die die genannten Risikofaktoren verstärken und weitere bedingen kann (Lengning & Zimmermann, 2009). Neben finanziellen Problem-lagen zählen auch Bildungsmängel und soziale Benachteiligung zu den situativen Risiken, die in Deutschland in den letzten Jahren massiv angestiegen sind (Stadt Leipzig, Der Oberbürgermeister & Jugendamt, 2010).
Zahlreiche Studien belegen die folgenschweren negativen Auswirkungen auf Betroffene von Kindeswohlgefährdung. In einer Längsschnittstudie von Silverman, Reinherz und Giaconia (1996) zeigte sich ein deutlicher Zusammen-hang zwischen erfahrener Misshandlung und psychischen Störungen im jungen Erwachsenenalter. Fergusson und Lynskey (1997) wiesen darüber hinaus einen signifikanten Zuwachs an kriminellen Handlungen und Substanzmittel-missbrauch nach.
2.1.2 Situation in Leipzig
Auch in Leipzig wird ein Anstieg komplexer Problemlagen in Familien festgestellt. Die Ursachen hierfür werden von Fachkräften u. a. in vermehrter Erwerbsarbeitslosigkeit, sozialer Exklusion, geringer Bildung und eigenen frühen Deprivationserfahrungen gesehen (Stadt Leipzig, Der Oberbürgermeister & Jugendamt, 2010). Die benannten elterlichen Schwierigkeiten können zudem immer seltener durch persönliche Netzwerke aufgefangen werden, so dass es in Folge dessen zu einer verstärkten Notwendigkeit an Unterstützung durch öffentliche Institutionen der Kinder- und Jugendhilfe, des Gesundheitswesens und des Bildungssystems kommt. Die quantitative und qualitative Erhöhung des Hilfebedarfs spiegelt sich auch in den Fallzahlen des Leipziger Jugendamts wider. So wird z. B. im Bereich der Inobhutnahmen als auch der Hilfen zur Er-ziehung eine Zunahme in den letzten Jahren sichtbar.
In der Universitätskinderklinik wurden in den Jahren 2001 bis 2007 insgesamt 115 Kinder mit Verdacht auf Kindesmisshandlung vorstellig (Landgraf, 2009). Bei den bestätigten Fällen handelte es sich zu 60% um körperliche Misshandlungen, gefolgt von 20% Vernachlässigung und 10% sexuelle Gewalt (bei den restlichen 10% lagen Kombinationen mehrerer Vergehen vor). Die meisten der betroffenen Kinder waren unter einem Jahr alt. Auch hier ließ sich ein Anstieg der Fallzahlen in den letzten Jahren nachweisen.
2.2 Frühe Hilfen
Frühe Hilfen bilden lokale und regionale Unterstützungssysteme mit koordinierten Hilfsangeboten für Eltern und Kinder ab Beginn der Schwangerschaft und in den ersten Lebensjahren mit einem Schwerpunkt auf der Altersgruppe der 0- bis 3-Jährigen. …. Frühe Hilfen umfassen vielfältige sowohl allgemeine als auch spezifische, aufeinander bezogene und einander ergänzende Angebote und Maßnahmen. (Renner & Heimeshoff, 2010, S.12)
2.2.1 Allgemeine Grundlagen
In Deutschland werden Dienstleistungen der einzelnen Institutionen ausdifferenziert nach ihrer Zuständigkeit erbracht. Neben dieser so genannten Versäulung zwischen den Hilfesystemen existiert zudem jeweils noch eine Versäulung innerhalb derer. Die komplexen Problemlagen hilfebedürftiger Familien können jedoch nicht durch die Kompetenz einer einzelnen fachlichen Disziplin aufgefangen werden. Daher sind systemübergreifende, verbindliche und aufeinander abgestimmte Kooperationen der betreffenden Professionen von größter Bedeutung.
Die Überwindung von Systemgrenzen ist das Aufgabengebiet der Frühen Hilfen. Ein Hauptaugenmerk liegt dabei auf den Kontakten über das Gesundheitssystem. Während der Schwangerschaft und der Kleinkindzeit haben vorrangig ÄrztInnen, Hebammen/Entbindungspfleger und Kranken-schwestern/~pfleger Zugang zu Kindern und deren Eltern. Diese gesellschaftlich akzeptierten und gut genutzten Angebote können im Gegensatz zur weitaus negativer konnotierten Kinder- und Jugendhilfe die Chance sowohl zur Risiko-abschätzung als auch im Bedarfsfall zur Öffnung der Familie gegenüber anderen Hilfeträgern bieten. Bisher wird in den meisten Fällen das Jugendamt erst informiert, wenn bereits eine massive Kindeswohlgefährdung vorliegt. Die Aufarbeitung der tragischen Todesfälle der letzten Jahre zeigte jedoch deutlich, dass sich die Anfänge in der Regel in einer frühen Vernachlässigung finden ließen (Ziegenhain et al., 2010). Zu dem Zeitpunkt hatten die Familien entweder keinen regelmäßigen Kontakt zur Kinder- und Jugendhilfe oder wurden von verschiedenen Institutionen parallel betreut. Vor allem an den Übergängen zwischen den Hilfesystemen können dadurch folgenschwere Versorgungslücken entstehen. Daher wird in aktuellen Diskussionen um die Lage belasteter Familie nicht das Fehlen bedarfsgerechter Angebote kritisiert, sondern vor allem ein Mangel an Kooperation, Koordination und Multiprofessionalität (Hensen & Rietmann, 2008).
Die Unterstützung betroffener Kinder und Eltern ist in der Säuglings- und Kleinkindzeit besonders relevant. Einerseits stellt die frühe Kindheit eine sensible Phase für die gesamte weitere Entwicklung dar (Rauh, 2002), anderer-seits sind Kinder zwischen 0 - 3 Jahren in außerordentlichem Maße auf eine umfassende gute Versorgung angewiesen. Bereits geringe Versäumnisse in der gesundheitlichen oder sozialen Betreuung können weitreichende Konse-quenzen nach sich ziehen. In diesem Alter finden sich daher häufig abrupte Übergänge von ersten Verdachtshinweisen zu lebensbedrohlichen Gefähr-dungssituationen (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2009).
Frühe Hilfen umfassen sowohl primärpräventive Angebote im niedrig-schwelligen Bereich als auch sekundär- und tertiärpräventive Maßnahmen für hochbelastete Familien. Dabei muss neben dem Abbau von Risiken gleichzeitig die Förderung von Schutzfaktoren im Auge behalten werden. Angehörige des Gesundheitswesens aus Kinderkliniken, niedergelassene GynäkologInnen und PädiaterInnen oder Hebammen/Entbindungspfler, MitarbeiterInnen der Kinder- und Jugendhilfe im Jugendamt, in Kindertagesstätten, Familienbildungs-einrichtungen und bei freien Trägern von Hilfen zur Erziehung sind aufgerufen, gemeinsam mit AkteurInnen aus dem Bildungswesen, der Justiz und der Verwaltung dafür zu sorgen, dass Kinder gesund in unserer Gesellschaft aufwachsen können und ihr Recht auf Schutz und Förderung gewahrt wird.
Um eine bestmögliche Qualität Früher Hilfen sicherzustellen, ist noch erhebliche wissenschaftliche Forschung und Evaluation vonnöten. Zunächst gilt es, geeignete effektive und effiziente Instrumente zur Gefahreneinschätzung zu entwickeln und flächendeckend zum Einsatz zu bringen. Die verschiedenen Zugangswege sind hinsichtlich ihrer Wirksamkeit zu überprüfen, um Empfeh-lungen für die Praxis aussprechen zu können. Ein weiterer Meilenstein ist die Untersuchung von Ansätzen zur Motivierung von Familien zu aktiver Teilnahme an Hilfemaßnahmen. Zu guter Letzt müssen durch fortlaufendes Monitoring der Angebote Passgenauigkeit, kurz- und langfristige Folgen und deren Bedeutung kontrolliert werden (Renner & Heimeshoff, 2010).
2.2.2 Kosten und Nutzen
Die Notwendigkeit Früher Hilfen ist national als auch international unumstritten (Kindler, 2006). Im Gegensatz zu Risikofaktoren und Folgen von Kindeswohlgefährdung gibt es in Deutschland jedoch bisher keine empirisch abgesicherten Untersuchungen zur Effektivität Früher Hilfen. In einer Meta-analyse in der USA überprüften Goodson, Layzer, Bernstein & Price (2001) 260 Interventionsprogramme auf ihre Wirksamkeit. Sie fanden positive Auswir-kungen Früher Hilfen auf die Einstellungen der Eltern und ihr Erziehungs-verhalten und die kognitive, soziale und emotionale Entwicklung der Kinder, jedoch nicht auf die körperliche Gesundheit und Sicherheit. Die Effektstärken lagen allerdings im Wertebereich zwischen d = .80 und d = -.80 (mit einem Maximum von 0 < d < .20), was bedeutet, dass es auch deutlich schädliche Programme gab. In einer weiteren Forschungsarbeit von Bilukha et al. (2005) wurden negative Programmfolgen explizit in den Fokus genommen und heraus-gearbeitet, dass diese vor allem auf eine höhere Entdeckungsrate von Kindeswohlgefährdungen durch intensivere Kontakte mit der Familie zurück-zuführen sind. In Deutschland werden im Rahmen des Aktionsprogramms „Guter Start ins Kinderleben“ zahlreiche Modellprojekte wissenschaftlich begleitet, um u. a. auch dringend benötigte Erkenntnisse zum Nutzen Früher Hilfen zu gewinnen.
Meier-Gräwe und Wagenknecht (2011) von der Universität Gießen befassten sich in ihrer Studie im Rahmen dieses Modellprojekts mit den tatsächlichen und vermuteten Kosten von Kindeswohlgefährdung im Verhältnis zu den Kosten Früher Hilfen. Ihre Stichprobe umfasst 39 im Jahr 2008 im St. Marienkrankenhaus in Ludwigshafen geborene Säuglinge mit hoher Risiko-belastung. Pro Jahr werden in diesem Krankenhaus durchschnittlich 1400 Kinder geboren, die alle mit dem Ludwigshafener peripartalem Erhebungsbogen gescreent werden. 8% aller Kinder werden als sogenannte rote Fälle eingestuft, die weiterführende unterstützende Maßnahmen erhalten. In die Berechnung flossen sowohl die Kosten des Gesundheitswesens wie spezielle Nachsorge oder Kosten der Vernetzung mit der Kinder- und Jugendhilfe als auch alle darauf folgenden Kosten für Beratung, ambulante oder stationäre Hilfen der öffentlichen und freien Träger der Jugendhilfe ein. Insgesamt ergaben sich durchschnittliche Beträge von 7274 Euro pro Fall. Dem werden in einer Modell-rechnung die vermuteten Kosten ohne frühe Intervention gegenübergestellt. Prinzipiell können direkte und indirekte Folgen von Kindeswohlgefährdung unterschieden werden. Zu ersteren zählen u. a. Behandlungskosten aufgrund von Verletzungen oder Kosten bei Inobhutnahmen für Justiz und Jugendhilfe. Beispiele für indirekte Folgen wären längerfristige Hilfemaßnahmen, Behandlungskosten psychischer Folgeerkrankungen, Straffälligkeit oder Arbeits-losigkeit aufgrund geringerer Bildung. Hinzu kommen monetär nicht abbildbare Schmerzen und Leiden für die Betroffenen.
In dem Berechnungsszenario, bei dem von einem Hilfebeginn zu Schuleintritt ausgegangen wird, kommen die Autoren unter Einbeziehung wissenschaftlicher Erkenntnisse zu Wahrscheinlichkeiten möglicher Folgen auf entstehende Kosten von 1,16 Mio. Euro pro Kind. Dies steht im Verhältnis von 1:160 mit den tatsächlichen Kosten Früher Hilfen in Ludwigshafen. Betrachtet man internationale Studien wie die von Reynolds, Mathieson und Topitzes (2009), die eine Verringerung der Anzahl von Kindeswohlgefährdung betroffener Säuglinge und Kleinkinder von ca. 7% auf 5% durch Frühe Hilfen aufzeigt, wird deutlich, dass diese auch aus finanzieller Sicht eine sinnvolle Investition für die Gesellschaft sind.
2.3 Netzwerke
Netzwerkkonzepte dienen in der Theorie von Psychologie, Soziologie und Sozialarbeit als Modelle, um Beziehungen um ein Individuum bzw. eine Organisation oder zwischen Individuen oder Organisationen darzustellen und zu analysieren. Die Akteure stellen Knoten in einem Netz dar, die Beziehungen die Verbindungen zwischen den Knotenpunkten. Die Analyse eines solchen Netzwerks (Anzahl der Akteure, die Intensität der Beziehungen, Symmetrie, Transitivität und Reziprozität) gibt Aufschluss darüber, wie gut Netzwerke funktionieren. (Ziegenhain et al., 2010, S. 277)
2.3.1 Allgemeine Grundlagen
Ein Netzwerk bezeichnet ein Beziehungsgeflecht mehrerer Individuen oder Institutionen, die sich dauerhaft zusammengeschlossen haben, um ihre Kommunikation und Kooperation auszubauen. Im Gegensatz zu positionalen Netzwerken, die im Allgemeinen innerhalb eines Systems (wie der Kinder- und Jugendhilfe oder des Gesundheitswesens) vorkommen und durch formelle Anforderungen an die einzelnen Rollen definiert sind, handelt es sich bei den Netzwerken, um die es im Folgenden geht, um relationale Strukturen (Ziegen-hain et al., 2010). Diese zeichnen sich durch nicht vorab geregelte Beziehungen aus, die durch die beteiligten Personen aktiv ausgestaltet werden müssen. Die daraus entstehenden Unsicherheiten und Schwierigkeiten werden durch paradoxe Anforderungen im Verlaufe der Netzwerkarbeit noch verstärkt. Steht in der Phase der Implementierung die persönliche Motivation zur Vernetzung der einzelnen Beteiligten im Vordergrund, gewinnen formale Strukturen, die unab-hängig von den TeilnehmerInnen funktionieren, zunehmend an Bedeutung, um das Bestehen der Netzwerkarbeit für die Zukunft abzusichern. Diese müssen jedoch stets flexibel genug sein, um Adaptionen aufgrund neuer Erkenntnisse im Bereich des Kinderschutzes oder veränderter gesetzlicher Vorgaben gewähr-leisten zu können.
Netzwerke auf dem Gebiet der Frühen Hilfen sehen sich dem Problem gegenüber, dass Professionen mit höchst unterschiedlichen beruflichen Selbstverständnissen, Aufträgen, Arbeitsweisen, Hierarchien, gesetzlichen und finanziellen Grundlagen aufeinander treffen und Verständnisschwierigkeiten somit nahezu unvermeidlich sind. Im Rahmen des Modellprojekts „Guter Start ins Kinderleben“ wurden ExpertInnen aus den verschiedenen Berufsfeldern zu ihren Vernetzungserfahrungen in vier Bundesländern befragt (Schöllhorn, König, Künster, Fegert & Ziegenhain, 2010). Die Auswertung zeigte, dass fallbezogene Zusammenarbeit in brisanten Einzelfällen gut funktioniert. Bei der systemübergreifenden Kooperation ohne akuten Handlungsdruck, wie sie bei der Implementierung Früher Hilfen notwendig ist, zeigten sich allerdings deutliche Lücken. Auch Fegert, Berger, Klopfer, Lehmkuhl und Lehmkuhl (2001) fanden in ihrer Untersuchung verschiedene Defizite in der Praxis der interdisziplinären Zusammenarbeit aufgrund gegenseitiger Unkenntnis zu Vorgehensweisen, mangelnder Motivation zur Kooperation und Datenschutz-aspekten.
2.3.2 Merkmale gelingender Netzwerkarbeit
2.3.2.1 Theoretische Aspekte
Da die Qualität eines Netzwerks aus den Beziehungen zwischen den AkteurInnen hervorgeht, kann die Beurteilung der Güte nicht in der Analyse der NetzwerkteilnehmerInnen oder der Quantität ihrer Kontakte liegen (Holzer, 2008). Vielmehr gilt es, spezifische Kommunikationsmuster zu identifizieren, die eine gelingende Netzwerkarbeit ermöglichen. Auf der Grundlage der Theorie affektiver Netzwerke von Garcia und der Theorie autopoietischer Systeme von Maturana und Varela entwickelte Stück (2010) dazu das Konzept der empathischen Netzwerke. Im Mittelpunkt steht dabei der gleichberechtigte, wertschätzende und respektvolle Umgang aller TeilnehmerInnen miteinander. Als Voraussetzung dazu postuliert Stück die Bereitschaft der NetzwerkpartnerInnen voneinander zu lernen und sich gegenseitig zu unterstützen. Weitere Elemente seiner Theorie beziehen sich auf die Abwesenheit von Kontrolle, die Bedeutsamkeit einer gemeinsamen Vision und auf eine lebendige und kreative Kooperation. Als Kernelemente eines empathischen Netzwerks können dabei folgende Punkte extrahiert werden (Scholz, 2011):
- Die PartnerInnen arbeiten autonom und gleichberechtigt zusammen.
- Die Kommunikation zeichnet sich durch gegenseitige Anerkennung und Konstruktivität aus.
- Es herrscht ein vertrauensvolles Klima.
- Alle TeilnehmerInnen sind bestrebt, die anderen bei ihrer Entwicklung zu unterstützen.
2.3.2.2 Praktische Erfahrungen
Die Analyse der praktischen Erfahrungen der inzwischen sehr zahlreichen Vernetzungsprojekte führt zu einem ergiebigen Wissensspeicher über Netzwerk-arbeit. Die Haupterkenntnis der Sozialraumkoordination in Köln Höhenberg/ Vingst besteht in der Feststellung, dass Netzwerke nur von unten mit aktiver Beteiligung aller entwickelt werden können (Birkle & Hildebrand, 2008). Wurde von Leitungsebene aus versucht, nicht transparente Strukturen zu etablieren, führte dies zu Unzufriedenheit der NetzwerkpartnerInnen und nicht selten zum Abbruch der Kooperationsbeziehung. Ein ähnliches Ergebnis brachte die Aus-wertung des Projekts „Weiterentwicklung von Kindertageseinrichtungen zu Familienzentren“ (Breuksch & Engelberg, 2008). Zusätzlich wurde hierbei noch die Notwendigkeit der gemeinsam empfundenen Sinnhaftigkeit der Ver-netzungsarbeit betont. Dass es wirkungsvoller ist, bestehende Beziehungen auszubauen statt neue Netzwerke zu gründen, zeigte sich sowohl bei der „Lernenden Region Köln“ (Spieckermann, 2008) als auch dem „Netzwerk Frühe Förderung“ (Müller-Brackmann & Selbach, 2008).
Ziegenhain et al. (2010) arbeiten in ihrer Evaluation im Rahmen des bereits erwähnten Modellprojekts „Guter Start ins Kinderleben“ folgende Aspekte heraus: Um Missverständnisse zwischen NetzwerkpartnerInnen unterschied-licher Systeme im Bereich der Frühen Hilfen zu vermeiden, ist es notwendig, sich zunächst die Stärken, aber auch die Schwächen der eigenen Profession zu verdeutlichen. In einem weiteren Schritt müssen diese Erkenntnisse ausge-tauscht werden, damit das Handeln bzw. Nichthandeln der anderen korrekt prognostiziert werden kann. Bestehende Vorurteile lassen sich gut durch gemeinsame Erlebnisse wie Fortbildungen verringern, da hierbei emotionale Nähe hergestellt wird, das Gefühl der gemeinsamen Verantwortung gestärkt und eben jener Wissenstransfer von statten gehen kann. Weitere ExpertInnen-gespräche mit VertreterInnen der Kinder- und Jugendhilfe und dem Gesund-heitswesen förderten folgende Hauptkomponenten einer gelingenden Kooperation zutage: eine verbindliche, vertrauensvolle, wertschätzende Beziehung auf Augenhöhe, fallbezogene Anforderungen wie die Entwicklung gemeinsamer Verfahrensabläufe oder Kommunikationsregeln und die Klärung der Aufgabenverteilung sowie fallübergreifende Aspekte wie die Information über Herangehensweisen, Entscheidungsabläufe, Ziele, Erwartungen und Motivation zur Zusammenarbeit.
Der Bundesverband der Arbeiterwohlfahrt griff die Forderungen von Bund und Ländern nach Vernetzung der AkteurInnen in sozialen Arbeitsfeldern und deren Qualifizierung auf und führte von 2001 bis 2003 in den Kreisverbänden Bremen, Halle, Hannover und Nürnberg das Modellprojekt „Qualitätsentwicklung für lokale Netzwerkarbeit“ durch (AWO Bundesverband e. V., 2004). Die wissenschaftliche Begleitung erfolgte durch das Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik, das die in den vier unterschiedlichen Projekten gewonnenen Erfahrungen in der Publikation „Evaluationskonzept und Analyseraster zur Netzwerkentwicklung“ strukturierte und analysierte. Diese im deutschsprachigen Raum allein stehende ausführliche Grundlagenarbeit ordnet die relevanten Kriterien gemäß der Entwicklungsphasen der Vernetzung den Kategorien Konzept-, Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität zu (Groß, Holz & Boeckh, 2005).
Konzeptqualität
Die Hauptaufgabe in der Konzeptphase besteht in der Vorbereitung der Netzwerkgründung. Je gründlicher diese Vorarbeiten durchgeführt werden, desto erfolgreicher wird die gesamte Vernetzung ausfallen. Neben der Suche nach MitstreiterInnen und der Erstellung eines inhaltlichen Konzepts und Arbeitsplans ist es notwendig, gemeinsam das Anliegen der Netzwerkarbeit zu bestimmen und den Kenntnisstand zur Problemsituation, deren Ursachen sowie erfolgreiche Maßnahmen zur Veränderung zusammenzutragen. Häufig ergibt sich dabei ein Bedarf nach weiterer Qualifizierung, bei der möglichst ansässige Forschungsinstitute und Universitäten einbezogen werden sollten. Ein entscheidendes Erfolgskriterium besteht darüber hinaus in der gemeinsamen Formulierung konkreter Ziele, die zu späteren Zeitpunkten regelmäßige Evaluationen ermöglichen. Neben dieser allgemeinen Arbeit ist ebenso die Vorbereitung innerhalb der beteiligten Einrichtungen ein wichtiger Bestandteil. Groß, Holz und Boeckh (2005) empfehlen dazu die Bildung interner Netzwerk-gruppen, um ausreichend Kapazitäten zu haben, die eigene Notwendigkeit und Motivation und Erwartungen bezüglich der Netzwerkarbeit zu eruieren und den Wissensstand zu bilanzieren. Zu guter Letzt gilt es eine geeignete Koordi-nationsperson zu bestimmen, die über ausreichende Organisations- und Kommunikationsfähigkeiten verfügt, da der Erfolg der Arbeit in bedeutendem Maße mit dem Engagement und den Qualitäten dieser zentralen Person in Verbindung steht.
Strukturqualität
Die Strukturqualität lässt sich in die Unterkategorien Netzwerkstruktur, Informations- und Kommunikationssystem, Ressourcen und Zielsystem einteilen. Die Netzwerkstruktur muss hierbei die Bedingung erfüllen, alle relevanten AkteurInnen zum Themengebiet in einer gleichberechtigten, überschaubaren, unbürokratischen und effizienten Art und Weise zusammen-zuführen. Eindeutig festgelegte Zuständigkeiten sorgen für Transparenz und Verbindlichkeit. Je nach Bedarf sind diese in Vereinbarungen, Verträgen oder der Geschäftsordnung schriftlich zu fixieren. Bei der Verteilung der Aufgaben müssen die unterschiedlichen Kompetenzen und Ressourcen der Teilnehmer-Innen kommuniziert und im Blick behalten werden, um potentielle Enttäuschungen zu verhindern. Eine professionelle Koordinationsperson bereitet regelmäßige Treffen vor und nach, überwacht die Einhaltung von Terminen und führt neue NetzwerkpartnerInnen systematisch in die Arbeit ein. Ein gemeinsam erarbeitetes, funktionsfähiges Informations- und Kommunikationssystem ist das Kernstück jeder gelingenden Netzwerkarbeit. Zu Beginn steht die gegenseitige Information über die jeweiligen Möglichkeiten und Bedingungen zur Vernetzung gepaart mit relevanten Aspekten zum Hintergrund der Einrichtung oder der Profession. Für die Netzwerktreffen müssen Kommunikationsregeln ausge-handelt werden, deren Einhaltung von einem/r ModeratorIn überwacht wird. Ebenfalls erforderlich sind gut etablierte Verfahrensweisen zum Informations-fluss zwischen den Treffen, um dauerhaft einen einheitlichen Wissensstand sicherzustellen. Ferner ist ein Krisenmanagement von Bedeutung, in dem vorab geregelt wird, an wen in welcher Form Kritik gerichtet wird und wie damit umgegangen werden soll. Ob sich die ausgearbeitete Konzeption erfolgreich umsetzen lässt oder nicht, hängt zu großem Teil von den zur Verfügung stehenden zeitlichen Ressourcen ab. Neben den finanziellen, technischen und fachlichen Erfordernissen müssen diese in der Planung ausreichend berücksichtigt werden. Die Ausgestaltung des Zielsystems in Leit-, Mittler- und Handlungsziele, wobei letztere die Kriterien spezifisch, messbar, akzeptabel, realistisch und terminiert zu erfüllen haben, ist der letzte Bestandteil der Strukturqualität. Darauf aufbauend kann im Anschluss ein verbindliches Evaluationskonzept entwickelt werden, das fest im Arbeitsplan zu verankern ist, um regelmäßige interne und externe Bilanzierungen zu garantieren.
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- Quote paper
- Andrea Englisch (Author), 2012, Evaluation des Leipziger Netzwerks für Kinderschutz, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/209822
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