Die Arbeit bietet einen Einstieg in die Themengebiete der Manuellen Lymphdrainage sowie der Kompresionstherapie. Grundlegende anatomische Strukturen des Lymphgefäßsystems werden erklärt und pathophysiologische Mechanismen bei der Ödementstehung dargestellt.
Grifftechniken und Behandlungsablauf sind für ausgewählte Indikationen beschrieben.
Die Arbeit ist für Physiotherapeuten, Masseure oder Medizinstudenten als Grundlagenliteratur zu empfehlen.
Gliederung
0 Abkürzungsverzeichnis 4
1 Historische Entwicklung und Bedeutung der manuellen Lymphdrainage und der physikalischen Ödemtherapie
2 Anatomie und Physiologie des Lymphgefäßsystems
2.1 Anatomische Grundlagen
2.1.1 Prälymphatische Kanäle
2.1.2 Initiales Lymphgefäß
2.1.3 Kollektoren
2.1.4 Lymphknoten
2.1.5 Lymphstämme
2.1.6 Wasserscheiden
2.2 Physiologische Grundlagen
2.2.1 Aufgaben des Lymphgefäßsystems
2.2.2 Das Starlingsche Gleichgewicht
3 Insuffizienzformen des Lymphgefäßsystems
3.1 Dynamische Insuffizienz
3.2 Mechanische Insuffizienz
3.3 Sicherheitsventilinsuffizienz
4 Klinisches Bild der Ödeme
4.1 Das Lymphödem
4.2 Das Lipödem
4.3 Das zyklisch-idiopathische Ödem
4.4 Das Phlebödem
4.5 Das cardiale Ödem
4.6 Das renale Ödem
4.7 Das entzündliche Ödem
4.8 Das Ödem bei neurologischen Erkrankungen
4.9 Das hepatogene Ödem
4.10 Das allergische Ödem
5 Die Behandlung durch Komplexe Physikalische Entstauungstherapie
5.1 Die 2-Phasen-Therapie der KPE
5.2 Wirkungsmechanismus der ML
5.3 Grifftechniken der ML
5.4 Wirkungsmechanismus der Kompressionsbandage
5.5 Materialien der Kompressionsbandage
5.6 Indikationen und Kontraindikationen der KPE
5.7 Die KPE am Behandlungsbeispiel des sekundären Armlymphödems nach Brustkrebstherapie
6 Literaturverzeichnis
0 Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Historische Entwicklung und Bedeutung der manuellen Lymphdrainage und der physikalischen Ödemtherapie
Seit den letzten zwei Jahrzehnten nimmt die Manuelle Lymphdrainage bei Behandlungen des Lymphödems im Bereich der physikalischen Therapie eine Führungsrolle ein. Bereits im Jahre 1892 entwickelte der englische Chirurg Winiwater ein Therapiekonzept für ödematöse Schwellungen. So empfahl er für die Stauungsgebiete Massage mit nachfolgender Kompression, wobei die damaligen Griffe nicht im Geringsten mit der heutigen Technik der manuellen Lymphdrainage zu vergleichen sind.
Die Grundlagen der heutigen manuellen Lymphdrainagetherapie und physikalischen Ödemtherapie gehen zurück auf Dr. Vodder und Dr. Asdonk. Im Jahre 1932 entwickelte der dänische Philologe Dr. Emil Vodder (1896-1986) die manuelle Lymphdrainage unter der Berücksichtigung der Spezifik des Lymphgefäßsystems und versuchte diese beim Krankheitsbild des "Lymphatismus" anzuwenden. Mit seinen Behandlungen, die damals noch als „Lymphknotenmassage“ bezeichnet wurden, versuchte er die Immunitätslage seiner Patienten zu verbessern. Dieses gelang ihm so gut, dass er seine Therapie weiter entwickelte und schließlich 1936 in Paris veröffentlichte. Leider wurde er damals als medizinischer Laie nicht ernst genommen und die Möglichkeiten zur Ödembehandlung nicht erkannt. Somit wurde er als Außenseiter abgelehnt. Daraufhin wandte sich Vodder zunehmend der Hauttherapie, besonders der Kosmetik, zu und führte dort seine Lymphdrainageausbildungskurse durch.
In den sechziger Jahren konnte durch Asdonk, Casley-Smith, Földi, Gregel, Kuhnke und Mislin die Lymphdrainage auf Grund von wissenschaftlichen Meßmethoden und Untersuchungsergebnissen in ihrer Wirksamkeit bestätigt und bewiesen werden. Im Laufe der Zeit kam es durch neue Erkenntnisse zur Verfeinerung der Behandlungsmethoden. Seit vielen Jahren zählt sie bei den Krankenkassen als anerkanntes Behandlungskonzept in der Ödemtherapie. Auf Grund dessen übernehmen die Kassen die Finanzierung der Therapie vollständig (Földi/Kubik 1989, VII-IX Vorwort).
Um die Behandlungstechniken der manuellen Lymphdrainage durchführen zu können, ist eine 4-wöchige Weiterbildung erforderlich. In diesen Kursen erlernen Physiotherapeuten und Masseure die Techniken der ML. Dabei handelt es sich um eine leichte kreisförmige Oberflächenmassage, die mit unterschiedlichen Duckintensitäten ausgeführt werden kann. Im medizinischen Bereich kommen dabei noch verschiedene Ödemgriffe zur Anwendung. Die enorme Bedeutung der Lymphdrainage kommt durch den dokumentierten Behandlungserfolg von Professor Földi zum Ausdruck. Zu Beginn der 80er Jahre gelang es Professor Földi mit der Methode der komplexen physikalischen Entstauungstherapie eine Patientin, die von den meisten Ärzten bereits als hoffnungsloser Fall abgeschrieben war, zu therapieren. Damit wurde die Manuelle Lymphdrainage bei der Ärzteschaft als Mittel zur Behandlung von Lymphödemen anerkannt und die Behandlungstechniken der KPE konnten sich weltweit durchsetzten (Földi/Stößenreuther 2000, Vorwort). Anhand der Bilder 1 und 2 erkennt man sofort die Erfolgschancen dieses Therapieverfahrens.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Bild 1
Das Foto zeigt eine besonders schwere Form des Lymphödems, die Elephantiasis. Im Alter von 18 Jahren begann bei der Patientin sich ein Lymphödem zu entwickeln. Da über 20 Jahre lang keine Therapie durchgeführt wurde, kam es zur progressiven Verschlechterung des Krankheitsbildes. Der Oberschenkelumfang betrug schließlich 118 cm, dadurch kam es zu einer Gehunfähigkeit und starken Einschränkungen im täglichen Leben der Patientin. Als weitere Komplikationen kamen schwere fieberhafte Entzündungen (Erysipele), Pilzinfektionen und die ständige Gefahr einer lebensbedrohlichen Sepsis hinzu. (Földi/Földi 1991, 17-22)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Bild 2 (Földi/Földi 1991,19) Durch eine internistische Behandlung und anschließende komplexe physikalische Entstauungstherapie (KPE) konnte die elephantiastische Form des Lymphödems weitestgehend beseitigt werden. Proliferiertes Gewebe bildete sich zum größten Teil zurück. Die Patientin wurde nach Abschluss der ersten Behandlungsphase mit einem abgemessenen Kompressionsstrumpf und Manueller Lymphdrainage versorgt. Damit gelang es den Behandlungserfolg auf Dauer zu sichern und die Arbeitsfähigkeit der Patientin wieder herzustellen.
2 Anatomie und Physiologie des Lymphgefäßsystems
2.1 Anatomische Grundlagen
Das Lymphgefäßsystem ist kein Kreislauf. Der Transport der Lymphe erfolgt nur in eine Richtung - von peripher nach zentral. Er beginnt im Interstitium und endet im rechten bzw. linken Venenwinkel. Die Lymphgefäße haben eine Eigenmotorik zum Transport der Lymphe, die durch die Muskelpumpe, die Atmung, aktive und passive Bewegungen und die Arterienpulsation unterstützt werden. Der Gefäßverlauf im Lymphsystem ist nicht durchgängig, sondern es sind immer wieder Lymphknoten als „Filter“ zwischengeschaltet.
75 % des Blutes befindet sich im venösen, 25 % im arteriellen System. 10 % des venösen Blutes wiederum wird durch das Lymphgefäßsystem entsorgt.
Sämtliche Organe des Körpers verfügen über Lymphgefäße, nur das ZNS bildet eine Ausnahme. Die hier bestehenden lymphatischen Drainageverhältnisse sind noch unklar (Földi/Kubik 1989, 1-5).
Die Lymphgefäße von ihrem Ursprung im Interstitium bis zur Mündung in die Halsvenenwinkel heißen:
1. prälymphatische Kanäle
2. initiale Lymphgefäße
3. Präkollektoren
4. Kollektoren
5. regionäre Lymphknoten
6. Lymphstamm
7. Ductus, z.B. Milchbrustgang
2.1.1 Prälymphatische Kanäle
Die prälymphatischen Kanäle werden durch kleine Spalten im Interstitium gebildet. Sie besitzen keinerlei Wandstruktur.
Ihre Aufgabe ist es, die interzellulare Flüssigkeit zu sammeln, bevor sie in die Lymphkapillare einströmt.
2.1.2 Initiales Lymphgefäß
Die initialen Lymphgefäße bestehen aus Kapillaren und Präkollektoren. Beide haben eine resorbierende Funktion.
Die Lymphkapillaren bilden ein feinmaschiges, den gesamten Körper überziehendes, klappenloses Gefäßsystem. Sie ragen mit fingerförmigen Ausstülpungen in das lockere Bindegewebe der Haut bzw. Schleimhaut hinein und liegen dicht bei den Blutkapillaren. Lymphkapillare bestehen aus sich überlappenden Endothelzellen, einer lückenhaften Basalmembran und Ankerfasern, welche die Lymphgefäße im Raum verankern. Durch erhöhten Druck weicht das Bindegewebe auseinander und die schwingenden Zipfel öffnen sich. Dadurch kann Gewebsflüssigkeit aufgenommen werden - Lymphe wird gebildet.
Da die Lymphkapillaren keine Klappen im Gefäßinneren besitzen, kann die Flüssigkeit in alle Richtungen fließen. Lymphkapillaren können sich je nach Bedarf für die interstitielle Flüssigkeit öffnen und schließen.
Im Vergleich zu den Blutkapillaren besitzen die Lymphkapillaren ein weiteres, aber oft unregelmäßiges Gefäßlumen. Der größte Unterschied besteht darin, dass die Lymphkapillaren auch großmolekulare Stoffe wie Eiweiße aufnehmen können.
Die Präkollektoren nehmen eine Mittelstellung zwischen Lymphkapillare und Kollektor ein. Sie dienen als Leitgefäß zum Kollektor und sind in großen Teilen ebenfalls resorptionsfähig und tragen bereits Klappen. In manchen Abschnitten findet man glatte Muskelzellen im Wandaufbau (Földi/Kubik 1989, 2).
2.1.3 Kollektoren
Die Kollektoren sind wichtige Transportgefäße und führen die Lymphe zu den Lymphstämmen. Regionäre Lymphknoten sind auf diesem Weg als Filterstation dazwischengeschalten. Kollektoren haben einen Durchmesser von 0,5-2 mm und besitzen in regelmäßigen Abständen (0,6-2cm) Klappen. Der Lymphgefäßabschnitt zwischen zwei Klappen wird als Lymphangion bezeichnet. Dieses Lymphangion hat eine Eigenmotorik, die Lymphangiomotorik. Unter Ruhebedingungen beträgt die Frequenz der Lymphangionpulsation von Schritmachern, welche sich in der Nähe der distalen Lymphangionklappe befinden, etwa 10-12 pro Minute. Damit kann die Lymphangiomotorik auch als Herzschlag des Lymphgefäßsystems betrachtet werden. In der Kontraktionsphase (Systole) ist dabei die distale Klappe geschlossen und die proximale geöffnet. In der Erschlaffungsphase (Diastole) ist die proximale Klappe geschlossen und die distale geöffnet. Bei Insuffizienz der Klappen kommt es zum Reflux von Lymphflüssigkeit.
Das Lymphangion ist durch die glatte Muskulatur in der Gefäßwand in der Lage bei vermehrt einströmender Lymphe mit häufigeren und kräftigeren Kontraktionen zu reagieren. Das Maximum der Arbeitsleistung des Lymphangions liegt bei etwa 8mm Hg intralymphvaskulärem Druck. Temperatur, Muskelpumpe, Arterienpulsation, Gelenkspiel, vegetatives Nervensystem, Gewebshormone, Atmung und die Manuelle Lymphdrainage haben einen Einfluss auf die Angiomotorik.
Der Gefäßwandaufbau der Kollektoren ähnelt dem der Venen. Die innere Schicht (tunica intima) besteht aus Endothelzelen und einer Basalmembran. In der Mitte (tunica media) sind glatte Muskelzellen zu finden. Lockeres kollagenes Bindegewebe bildet die äußere Schicht (adventitia) (Földi/Stößenreuther 2000, 4-6).
Je nach Lage unterscheidet man oberflächige, tiefe oder viscerale Kollektoren.
Die oberflächigen Kollektoren befinden sich im Fettgewebe der Unterhaut und drainieren Cutis und Subcutis.
Muskeln, Bänder, Gelenke und Knochen werden durch tiefe Kollektoren drainiert. Der Durchmesser der tiefen Kollektoren ist meist etwas größer als der der oberflächig liegenden. Die visceralen Kollektoren verlaufen entlang der zugehörigen Organarterien. Oberflächige und tiefe Kollektoren stehen mit zahlreichen Querverbindungen in Kontakt. Der Flüssigkeitsstrom ist dabei von der Tiefe zur Oberfläche gerichtet.
Kollaterale verbinden den distalen mit dem proximalen Bereich eines Hauptkollkektors. Anastomosen überbrücken Areale zwischen gleich- oder verschiedenartigen Gebieten. An den Extremitäten ist der Verlauf der Kollektoren parallel, am Rumpf sternenförmig zu den Achsel- und Leistenlymphknoten (Földi/Kubik 1989, 4-8).
2.1.4 Lymphknoten (Lymphonodi)
Der Mensch besitzt etwa 600-700 Lymhknoten. Ihre Länge kann zwischen 2 und 30 mm variieren und ihre Form ist meist bohnen- oder nierenförmig. Die äußere Schicht der Lymhonodi wird durch eine straffe Bindegewebskapsel gebildet. Lymphflüssigkeit wird durch mehrere aufsteigende Gefäße (vasa afferentia) dem Lymphknoten zugeführt. Über den Lymphhilus verlassen die ableitenden Gefäße (vasa efferentia) den Lymhknoten. Die regionären Lymphknoten sind in der Regel die Sammelstellen für die jeweiligen territorialen Abflussgebiete oder für die Entsorgung eines bestimmten Organs zuständig. Ihre Aufgabe als Filterstation von Bakterien und malignen Tumorzellen kommt besondere Bedeutung zu. Die wichtigsten Lymphknotengruppen sind im Bild 3 dargestellt. Fast die Hälfte aller Lymphknoten befindet sich in der Rachen-Hals-Region, um dort Erreger, die mit der Atemluft oder Nahrung eindringen, abzufangen. Dies gelingt den Lymphknoten durch die Produktion von Lymphozyten. Eine weitere Aufgabe besteht in der Regulierung des Proteingehalts der Lymphe (Földi/Stößenreuther 2000, 8-14).
Regionale Lymphknoten stellen oft die erste „Reinigungsstation“ im Lymphabfluß dar. Das Sammelgebiet, für das eine bestimmte Lymphknotengruppe zuständig ist, wird auch Tributargebiet genant. Als Beispiel dafür sammeln die inguinalen Lymphknoten die Lymphe der Beine, der Gluteaen, der Haut des Unterbauches, der äußeren Genitalien und der Lende. Das Einhalten von einer Reihenfolge im Abfluss durch Primär-, Sekundär- oder Tertiärlymphknoten kann durch Anastomosen- bzw. Kollateralbildung übersprungen werden. Im Normalfall sind Lymhonodi nicht tastbar, da sie in das Fettgewebe des Menschen eingebettet sind. Vergrößerte und deutlich palpierbare Lymphknoten können ein pathologisches Zeichen für eine Entzündung im Tributargebiet oder aber auch ein Anhaltspunkt für maligne Entartung sein. Bei Leistungssportlern sind vergrößerte Lymphonodie nur selten ein Hinweis auf pathologische Erkrankungen, vielmehr sind sie Zeichen der Adaptation (Földi/Kubik 1989, 17-25).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Bild 3: (Földi/Kubik 1989,18)
Verlauf der afferenten Lymphgefäße und die regionalen Lymphknoten der Körperterritorien. Die punktierten Linien markieren die Wasserscheiden.
1 Lnn. Occipitales
2 Nackenlymphgefäße (Akzessoriuskette)
3 Nackenlymphgefäße (Lnn. subtrapezoidei)
4 Deltoid-Bündel
5 Lnn. axillares laterales
6 Lnn. axillares centrales
7 Lnn. subscapulares
8 Lnn. pectorales
9 Lnn. inguinales superficiales superolaterales
10 Lnn. inguinales superomediales
11 Lnn. inguinales inferiores
12 Lnn. parasternales
13 Lnn.supraclaviclares
14 Lnn. jugularis externus
15 Lnn. preauriclares
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- Arbeit zitieren
- Uwe Schwender (Autor:in), 2001, Die Komplexe Physikalische Entstauungstherapie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/20981
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