Das Abendmahlsverständnis Rudolf Ottos

Grundtheses und Versuch einer Interpretation


Hausarbeit, 2008

24 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitende Bemerkungen
1.1 Struktur der Arbeit
1.2 Erläuterung der Primärliteratur
1.3 Kurze allgemeine Erläuterung zum Inhalt der Arbeit

2. Zur Person Oskar Brüsewitz'

3. Hintergründe und nähere Umstände zur Tat
3.1 Beschreibung des Tathergangs
3.2 Motivation zur Tat
3.3 Brüsewitz' politische Botschaft
3.4 Brüsewitz' Anliegen an die Kirche

4. Darstellung des Verhältnisses zwischen Staat und Kirche in der DDR
4.1 Willi Barths 5-Punkte-Maßnahmeplan
4.2 Verständigung zwischen Staat und Kirche

5. Vertiefung des Konflikts zwischen Staat und Kirche
5.1 Der Zeitungsartikel im Neuen Deutschland
5.2 Der Grund des Streits
5.3 Öffentliche Stellungnahme der Kirchenleitung

6. Reaktion der Kirche auf den Selbstverbrennungsversuch
6.1 Öffentliche Stellungnahme der evangelischen Kirche zu dem Fall
6.2 Situation der Kirche
6.3 Theologische Begründung der Tat
6.4 Stellungnahme Propst Friedrich-Wilhelm Bäumers als Vertreter der Kirche
6.5 Rückblick Bäumers
6.6 Haltung der katholischen Kirche zu dem Fall Brüsewitz

7. Reaktion des Staates
7.1 Charakterisierung Brüsewitz' von staatlicher Seite
7.2 Einflussnahme des Staatssekretärs Seigewasser auf die Kirche
7.3 Erstmeldung an die Öffentlichkeit

8. Die Beerdigung Oskar Brüsewitz'
8.1 Gemeinsame Planung von Staat und Kirche
8.2 Ängste des Staates
8.3 Der äußere Rahmen des Gottesdienstes
8.4 Der Trauergottesdienst

9. Brüsewitz-Zentrum
9.1 Gründungsidee
9.2 Reaktionen der DDR-Kirche auf die Gründung des Brüsewitz-Zentrums
9.3 Die Durchsetzung

10. Fazit

11. Die Frage nach dem Martyrium?
11.1 Was gemeinhin unter einem Märtyrer im christlichen Sinn verstanden wird
11.2 Oskar Brüsewitz ein Märtyrer?

1. Einleitende Bemerkungen

Im Folgenden wird zunächst ein allgemeines Verständnis der Abendmahlsfeier skizziert. Daran anschließend sollen im ersten Teil der Hausarbeit die Grundgedanken von Rudolf Ottos Verständnis des Abendmahls vorgestellt und dem Versuch einer Deutung unterzogen werden. Im weiteren Verlauf sollen unterschiedliche Positionen im Abendmahlsverständnis der römisch-katholischen, der lutherischen und der reformierten Kirche aufgezeigt werden. Abschließend möchte ich versuchen, Rudolf Ottos Verständnis mit den zuvor untersuchten Abendmahlslehren zu vergleichen.

2. Zur Person Rudolf Ottos

Rudolf Otto wurde 1869 in Peine geboren und unterrichtete Systematische Theologie in Göttingen, Breslau und Marburg, wo er dann im Jahr 1937 verstarb. Er gilt als einer der bedeutendsten Theologen und Religionswissenschaftler des 20. Jahrhunderts.[1]

3. Die Abendmahlsfeier und was gemeinhin darunter verstanden wird

Grundsätzlich handelt es sich bei dem Abendmahl um ein Gedächtnismahl. Wie in gängigen Enzyklopädien nachzulesen ist, versteht man darunter die gefeierte Wiederholung des letzten Mahles Jesus von Nazareth am Vorabend seiner Kreuzigung mit seinen erstberufenen Jüngern.[2] In den synoptischen Evangelien beschreiben drei Texte das letzte Mahl Jesu: Mt 26, 26-29, Mk 14, 22-25 und Lk 22, 17-20. Auch Paulus von Tarsus berichtet in 1Kor 11, 23-26 vom Abendmahl, wobei die Schwerpunkte in den insgesamt vier Berichten des Neuen Testaments unterschiedlich gesetzt sind.[3]

In den biblischen Texten steht das feierliche Mahl ganz unter dem Eindruck der Todesahnung Jesu. Er offenbart sich seinem engsten Jüngerkreis als der zum Leiden auserkorene Menschensohn und Knecht Gottes.[4] Die Jünger als Empfänger des Brotes und des Weines während der Abendmahlsfeier erhalten Anteil an dem Todesopfer Jesu.

Für die Feier des Abendmahls gibt es in den verschiedenen christlichen Kirchen unterschiedliche Bezeichnungen. Die römisch-katholische Kirche spricht von der Eucharistie, während die evangelische Kirche das Mahl als Abendmahl oder Herrenmahl bezeichnet. Abgesehen von der unterschiedlichen Namensgebung beziehen sich jedoch alle Kirchen auf das im Neuen Testament geschilderte letzte Mahl Jesu. Trotz dieses gemeinsamen Bezuges aller christlichen Kirchen und Glaubensbewegungen auf die Grundlegung des Abendmahls, die bei Apostel Paulus 1Kor 11, 23-26 geschrieben steht, haben sich doch verschiedene Formen der Feier entwickelt. Diese Unterschiede führten und führen immer wieder zu Konflikten, die eine gemeinsame Feier des Mahls behindern und sogar unmöglich machen.[5] Die verteilten Elemente Brot und Wein erhalten je nach zu Grunde liegendem Glauben unterschiedliche Bedeutungen, so lehnt die Evangelisch-Lutherische Kirche die Transsubstantiationslehre, also den Glauben an die „Verwandlung“ von Brot und Wein in Leib und Blut Christi ab und betont stattdessen die wirkliche Gegenwart Christi in den unverwandelten Substanzen Brot und Wein.

Für fast alle christlichen Kirchen ist die Feier des Abendmahls die wesentliche gottesdienstliche Handlung. Jesus Christus ist dabei in der von ihm gegebenen Gemeinschaft, im Glauben an ihn, in seinem Wort oder in den verteilten Elementen Brot und Wein gegenwärtig. Die Art und Weise dieser Gegenwart Jesu Christi bleibt unter den christlichen Konfessionen umstritten.

4. Grundgedanken Rudolf Ottos bezüglich des Abendmahls

4.1 Bezüge zu jüdischen Tischriten

Eine der wichtigsten Grundannahmen Ottos bezüglich des Abendmahls ist dessen Herleitung aus dem jüdischen Kiddusch. Es sei naheliegend, dass Christus am Vorabend seines Todes die Idee des Brotbrechens hatte und unter Verwendung von Sprache und Symbolik des Alten Testamentes[6] den ihm vertrauten und alten Ritus umgestiftet hat.[7] Otto bezeichnet Jesu Umstiftung auf Grund der Angaben in der Lukasperikope als Moment des „ätiologischen Mythus“[8], was bedeutet, dass Jesu Worte verändernd und deutend in die bestehende sakrale beraka, welche dem profanen Brot einen neuen höheren Sinn verleiht, eingreifen. Das sakrale Brudermahl bleibe mit diesem höheren Sinn bestehen.[9]

Bei dem letzten Mahl vor Jesu Tod handelt es sich nach Otto nicht um ein Passahmahl, sondern vielmehr um die religiöse Mahlfeier eines jüdischen Kiddusch.[10] Bei dem Kidduschgebet wird für den beginnenden Tag, den Sabbat, gedankt und darüber hinaus wird der neue Tag geweiht, also geheiligt. An dem Segen, der über Brot und Wein ausgesprochen wird, haben die am Mahl Teilnehmenden keinen Anteil, doch im Zentrum steht das gemeinschaftliche Essen am Tisch Gottes. Indem die teilnehmenden, gläubigen Juden das verteilte Brot verzehren, werden sie zu einer sakralen Einheit verbunden, welche durch besondere Gebete, die unter anderem an die Geschichte Israels erinnern sollen, noch verstärkt wird.[11]

Otto bekräftigt seine These, dass Jesus an den alten Kiddusch-Ritus anknüpft, unter anderem mit einer Parallele bezüglich des Ablaufes, wie er im Lukas-Evangelium, Codex A, geschildert ist: Jesus nimmt bei dem Mahl mit seinen Jüngern, genauso, wie es beim Kiddusch üblich ist, zunächst den Becher, der allerdings nicht mit Christi Tod in Beziehung gebracht wird.[12] Doch es kann sich bei Jesu Handlung am Vorabend seines Todes nur formal um das Kiddusch gehandelt haben, denn dieses wird nur am Abend vor dem Sabbat oder am Festtag selbst zelebriert.[13]

Der Segenskelch war in diesen jüdischen Kreisen schon vor der christlichen Eucharistie bekannt, ihm wurden heilbringende und segenmitteilende Eigenschaften zugesprochen.

Bei der Rekonstruktion des seiner Ansicht nach ursprünglichen Mahlgeschehens orientiert sich Otto darüber hinaus am Ablauf des chaburah-Mahls, das bereits zu den Gewohnheiten der gläubigen Juden gehörte und ein Tischgebet sowie segnende Dankesworte über die Speisen beinhaltete, die dadurch entprofanisiert, also geweiht wurden. Den Anfang des chaburah-Mahls bildet das Segenswort über den Wein (Weinberacha).

Sinn dieses feierlichen Mahles war, wie auch beim Kiddusch, das gemeinsame Essen am Tisch Gottes. In der chaburah spielte der Segenskelch bereits vor der Eucharistie eine Rolle. Er konnte in gewissen Situationen sogar allein, ohne das Brot oder andere Speisen, vorkommen.

4.2 Der Kelch als Element der Abendmahlsfeier

Auf Grund seines sakralen Charakters und seiner rituellen Besonderheiten ist das letzte Mahl Jesu mit seinen Jüngern nach Ansicht Ottos eindeutig dem Typus der religiösen Mahlfeier zuzuordnen. In seinen diesbezüglichen Abhandlungen beschäftigt sich Otto eingehend mit der Bedeutung des Kelches, der sowohl bei Paulus wie auch in der Eucharistie der Apostellehre ursprünglich zeitlich vor der Brotspende stand. Nach Ottos Verständnis handelt es sich in allen Berichten über das Mahl um einen segenbringenden Heilskelch. Des Weiteren ist für Otto unstrittig, dass die Bedeutung des Bechers später der des Brotes, welches seit dem Mahl Jesu mit seinen Jüngern auf Grund seiner Worte mit seinem Tode assoziiert wird[14], angeglichen wurde. Für unwahrscheinlich hält er allerdings, dass eine vorhandene Beziehung zu Christi Blut nachträglich abgestreift wurde, denn eine solche Beziehung hält er für zu relevant als dass sie später einfach hätte abgelegt werden können.

Der Kelch war begleitet von einem eschatologischen Ausblick auf das Reich Gottes, eine Beziehung zu der Bundesstiftung und zu dem im Tode vergossenen Blut Jesu gab es ursprünglich nicht. Jesus stiftete seinen Jüngern das Erbe des Gottesreiches, indem er das Todesleiden auf sich nahm. Zu diesem Stiftungsakt trägt der Kelch nach Ottos Auffassung maßgeblich bei; er erhält ominöse Bedeutung, ist er doch nicht als „leere Zeremonie gemeint gewesen, sondern als ein Heil Bringendes, Segen Mitteilendes, als ein Mittel sich seinen Segen zu ertrinken für die, für welche er geweiht wird“.[15]

4.3 Hellenistische und heidenchristliche Einflüsse

Im neuen Testament gibt es vier Berichte über das Abendmahl, wobei der Apostel Paulus eine besonders wichtige Rolle für sich beansprucht, denn in seinem Abendmahlsbericht in 1Kor 11, 23-26 kommen hellenistische und heidenchrist-liche Einflüsse zusammen.[16] In 1Kor 11, 23 verbinden sich Elemente aus Judentum und Hellenismus, nämlich einerseits die Weitergabe der Botschaft Christi bezüglich des Abendmahls und andererseits die Idee jüdischer Überlieferung an einen heidenchristlichen Kreis.[17]

In dem Lukastext in Codex A fehlen die Worte Jesu „dies tut zu meinem Gedächtnis“. Nach Ottos Meinung ist es für Jesu Jünger, die am letzten Abendmahl teilnehmen, selbstverständlich, dass die durch Jesus gestiftete, neue Bedeutung des Mahls fortan mitgeführt werden soll. Im Lukasbericht ist eine Angabe darüber, wie mit dem Mahl weiter verfahren werden soll, nicht zu finden.[18] Der Ritus, auf den Jesus sich bezieht, war in Israel bekannt und lebte auch nach dem letzten Abendmahl weiter, allerdings haftete ihm nun durch die Umstiftung Jesu eine neue Bedeutung an. Nur bei Paulus in 1Kor 11, 23-26 findet sich ein Hinweis darauf, wie nach Jesu Tod mit seiner Umstiftung des Ritus umgegangen werden soll. Da für heidenchristliche Kreise die jüdischen Tischriten, auf denen Jesu Handlung basiert, unbekannt waren, wurden für sie diesbezügliche Erklärungen eingefügt.[19]

[...]


[1] Vgl. Ratschow, Carl Heinz: TRE 25, Otto, Rudolf, S. 559-563.

[2] Vgl. Der Brockhaus in einem Band, S. 8.

[3] Vgl. Wörterbuch des Christentums, S. 17.

[4] Vgl. Staguhn, Gerhard: Wenn Gott gut ist, warum gibt es dann das Böse in der Welt?, S. 187.

[5] Vgl. Welker, Michael: Was geht vor beim Abendmahl?, S. 15.

[6] Vgl. Otto, Rudolf: Sakrament als Ereignis des Heiligen, S. 115.

[7] Vgl. Otto Rudolf: Christi Abendmahl als Jünger-Weihe für den Eingang ins Gottesreich, S. 248.

[8] Vgl. Otto, Rudolf: Sakrament als Ereignis des Heiligen, S.102.

[9] Vgl. Otto, Rudolf: Sakrament als Ereignis des Heiligen, S.102.

[10] Vgl. Otto, Rudolf: Christi Abendmahl als Jünger-Weihe für den Eingang ins Gottesreich, S. 227.

[11] Vgl. Otto, Rudolf: Sakrament als Ereignis des Heiligen, S. 96-98.

[12] Vgl. Otto, Rudolf: ebd. , S. 96 ff. und: Christi Abendmahl als Jünger-Weihe für den Eingang ins Gottesreich, S. 227 ff.

[13] Vgl. ebd., S. 227.

[14] Vgl. Lk 22, 17-19a: „Er nahm einen Becher, dankte und sprach: Nehmt dies und verteilt es unter euch. Denn ich sage euch, ich werde von jetzt an nimmer mehr trinken vom Gewächse des Weinstockes, bis das Reich Gottes kommt. Und er nahm das Brot, dankte und gab es ihnen und sprach: Das ist mein Leib.“

[15] Otto, Rudolf: Christi Abendmahl als Jünger-Weihe für den Eingang ins Gottesreich, S. 224.

[16] Vgl. Otto, Rudolf: Christi Abendmahl als Jünger-Weihe für den Eingang ins Gottesreich,

S. 243-244.

[17] Vgl. Otto, Rudolf: Sakrament als Ereignis des Heiligen, S.119-120.

[18] Vgl. ebd., 105 f.

[19] Vgl. Otto, Rudolf: Christi Abendmahl als Jünger-Weihe für den Eingang ins Gottesreich, S. 261.

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Das Abendmahlsverständnis Rudolf Ottos
Untertitel
Grundtheses und Versuch einer Interpretation
Hochschule
Philipps-Universität Marburg
Veranstaltung
Basismodul Systematische Theologie
Note
1,7
Autor
Jahr
2008
Seiten
24
Katalognummer
V208229
ISBN (eBook)
9783656362845
Dateigröße
518 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
abendmahlsverständnis, rudolf, ottos, grundtheses, versuch, interpretation
Arbeit zitieren
Karina Kanwischer (Autor:in), 2008, Das Abendmahlsverständnis Rudolf Ottos, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/208229

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