„Im wahrsten Sinne des Wortes“, „buchstäblich“: Mit diesen metasprachlichen Kommentaren werden im alltäglichen Sprachgebrauch oftmals das „Wörtlichnehmen“ und die „Polysemantisierung“ gekennzeichnet – und damit zwei geläufige Erscheinungsformen eines Phänomens, das sich Ambiguisierung nennt. Es stellt ein rhetorisches Verfahren dar, das simultan verschiedene Bedeutungen desselben sprachlichen Ausdrucks im Bewusstsein des Sprachrezipienten aktiviert – und dadurch der betreffenden Äußerung eine belustigende Wirkung verleiht.
Häufiger noch als in der Umgangssprache findet Ambiguisierung allerdings innerhalb der künstlerischen Textgestaltung statt. Hier dient sie in der Regel dem Zweck eines bewussten Spiels mit der Sprache. Neben dem Kabarett und dem Journalismus macht sich insbesondere der Werbejargon dieses Spiel mit Mehrdeutigkeit zunutze. Der Formen und Funktionen von Ambiguisierung speziell innerhalb dieser Textgattung will sich die vorliegende Arbeit annehmen.
Kernziel ihres empirischen Teils ist es, zu untersuchen, wie die verschiedenen Komponenten einer Werbung – Visual, Text, Produktzusammenhang oder äußere Umstände – die sprachliche Ambiguität beeinflussen. Welche dieser Faktoren im Einzelnen die Mehrdeutigkeit eines Ausdrucks ins Bewusstsein rufen oder auch auflösen können, wird anhand von Beispielen aus der aktuellen Werbung belegt. Weiterhin möchte die empirische Untersuchung auf wichtige sprachliche und rhetorische Techniken eingehen, mit denen Ambiguität in einem Werbetext erzeugt werden kann. Auch sollen mögliche Risiken der Ambiguisierung innerhalb der Werbesprache thematisiert sowie ein Ausblick auf die zu erwartende Zukunft des Spiels mit Mehrdeutigkeit in der Werbung gewagt werden.
Angesichts der noch relativ dürftig vorliegenden intermedialen Untersuchungen war es bei der Erstellung dieser Arbeit ein Anliegen, medienübergreifend zu arbeiten. So erstreckt sich die empirische Analyse einerseits auf die Anzeigen-, andererseits auch auf die Fernsehwerbung. Das Untersuchungskorpus umfasst zum einen Werbeanzeigen aus der Zeitschrift STERN, zum anderen Werbespots aus zwei öffentlich-rechtlichen und drei privaten Fernsehprogrammen. Vor dem Hintergrund der Einbeziehung unterschiedlicher Werbemedien soll auch auf die differierenden Rahmenbedingungen in der Anzeigen- und in der Fernsehwerbung eingegangen werden, denen das Spiel mit Ambiguität dort jeweils gegenübersteht.
Inhaltsverzeichnis
- Teil A: Vorbemerkungen
- 1. Einführung
- 2. Terminologie
- 3. Forschungsstand
- a) Textsortenübergreifende Untersuchungen
- b) Werbungsspezifische Untersuchungen
- Teil B: Theorie
- 4. Die Technik der Ambiguisierung
- 4.1 Das Prinzip des Erzeugens von Mehrdeutigkeit
- 4.2 Formen der Ambiguität: Polysemie vs. offene Referenz
- 4.3 Kontextabhängige Eigenschaften ambiger Ausdrücke in der Werbung
- 4.3.1 Kontextgestützte Ambiguität – scheinbare Ambiguität
- 4.3.2 Kontextgesteuerte Präsenz der einzelnen Bedeutungsebenen
- a) Ambiguität unter Verbleib auf der gleichen Bedeutungsebene
- b) Ambiguität zwischen verschiedenen Bedeutungsebenen
- ba) Motivierung
- bb) Wörtlichnehmen
- bc) Polysemantisierung
- bd) Literalisierung
- 5. Motive für die Verwendung von Ambiguität speziell in der Werbesprache
- 5.1 Definition und Funktionen von Werbung und Werbesprache
- 5.2 Grundbedingungen für ein erfolgreiches Spiel mit Ambiguität in der Werbung
- 5.3 Funktionen der Ambiguisierung als Sprachspiel in der Werbung
- a) Erregen von Aufmerksamkeit
- b) Anreiz zur gedanklichen Auseinandersetzung mit der betreffenden Werbung
- c) Intellektuelles Lusterlebnis
- d) Memorisierung
- e) Unverbindlichkeit / Deutungsfreiheit
- f) Verschleierung
- g) Zusammenfassung der Funktionen
- 5.4 Gründe für die zunehmende Nutzung von Sprachspielen in der Werbung
- 6. Rahmenbedingungen für das Sprachspiel der Ambiguisierung in der Print- und in der Fernsehwerbung
- a) Technische Unterschiede
- b) Unterschiede in Image und Mediennutzung
- Teil C: Techniken der Schaffung und Auflösung von Mehrdeutigkeit in Werbeanzeigen und Werbespots – Empirische Analyse
- 7. Erläuterungen zur Analyse
- 7.1 Zusammensetzung des Korpus
- 7.2 Methodik
- 7.3 Legende
- 8. Analyse: Makrotextuelle Verfahren
- 8.1 Übersicht: Makrotextuelle Faktoren der Ambiguisierung in der Werbesprache
- 8.2 Wirkung der Faktoren
- 8.2.1 Ambiguisierung ohne Visual-Bezug
- 8.2.2 Ambiguisierung mit Visual-Bezug
- a) Monosemierendes Visual bei Kontext-Visual-Divergenz
- b) Monosemierendes Visual bei Kontext-Visual-Konvergenz
- c) Monosemierendes Visual bei partieller Kontext-Visual-Konvergenz
- d) Polysemierendes Visual
- 8.2.3 Sonderfall: Ambiguisierung durch das Umfeld der Werbepräsentation
- 8.2.4 Zusammenfassung
- 9. Analyse: Mikrotextuelle Verfahren
- 9.1 Erläuterung sprachlicher und rhetorischer Techniken der Ambiguisierung
- a) Ambiguität durch elliptische Syntax
- b) Ambiguität im Bezug zwischen syntaktischen Komponenten
- c) Ambiguität durch Betonungsunterschiede
- d) Zeugma und Diaphora
- e) Ambiguität zwischen lexikalisierter und nicht lexikalisierter Bedeutung
- f) Ambiguisierung von Produktnamen
- g) Ambiguität auf sprachpragmatischer Ebene
- h) Ambiguität durch Spiele mit unterschiedlichen Konnotationen und inszenierte Negativität
- i) Anzüglichkeiten
- j) Orthographische Varianten
- k) Häufungen von Ambiguisierung innerhalb einer Anzeige
- l) Wiederholte Ambiguisierungs-Schemata in verschiedenen Werbungen desselben Anbieters
- 9.2 Werbekommunikative Funktionen der sprachlichen und rhetorischen Techniken
- Teil D: Fazit
- 10. Resümee und Ausblick
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Magisterarbeit untersucht die Verwendung von Ambiguisierung in der deutschen Werbung der Gegenwart. Sie beleuchtet die sprachtechnischen Grundlagen des Erzeugens von Mehrdeutigkeit und die verschiedenen syntaktischen Ebenen, auf denen Ambiguisierung auftreten kann.
- Analyse von Ambiguisierungstechniken und deren Funktionen in der Werbekommunikation
- Untersuchung der Faktoren, die Mehrdeutigkeit in Werbeanzeigen und Werbespots beeinflussen (Text, Visual, Produktzusammenhang, äußere Umstände)
- Erläuterung von sprachlichen und rhetorischen Techniken, die zur Erzeugung von Mehrdeutigkeit in Werbeanzeigen und Werbespots eingesetzt werden
- Vergleich der Rahmenbedingungen für das Sprachspiel der Ambiguisierung in der Print- und der Fernsehwerbung
- Bewertung der Werbewirksamkeit verschiedener Ambiguisierungsverfahren und deren möglicher Risiken
Zusammenfassung der Kapitel
- Teil A: Vorbemerkungen
- Kapitel 1: Einführung in das Thema Ambiguisierung und die Relevanz des Sprachspiels in der Werbung
- Kapitel 2: Definitionen und Abgrenzungen wichtiger Begriffe (Ambiguisierung, Sprachspiel, Entambiguisierung, Lexem, Lexemgruppe, Phraseologismus, Werbekontext etc.)
- Kapitel 3: Überblick über den Forschungsstand zur Ambiguisierung in der Werbesprache, mit Fokus auf textsortenübergreifende Untersuchungen und werbespezifische Studien
- Teil B: Theorie
- Kapitel 4: Detaillierte Analyse der Technik der Ambiguisierung, inklusive des Prinzips der Mehrdeutigkeitserzeugung, der Formen der Ambiguität (Polysemie, offene Referenz) und der kontextabhängigen Eigenschaften ambiger Ausdrücke
- Kapitel 5: Diskussion der Motive für die Verwendung von Ambiguität in der Werbesprache, unter Einbezug der Funktionen von Werbung und Werbesprache, der Bewusstseinsprozesse beim Verarbeiten von Ambiguität und der Gründe für die zunehmende Nutzung von Sprachspielen in der Werbung
- Kapitel 6: Vergleich der Rahmenbedingungen für das Sprachspiel der Ambiguisierung in der Print- und der Fernsehwerbung, unter Berücksichtigung von technischen Unterschieden und der Medienwahrnehmung
- Teil C: Empirische Analyse
- Kapitel 7: Erläuterung der Methode und des Korpus für die empirische Analyse (Zeitschrift STERN, Fernsehwerbespots)
- Kapitel 8: Untersuchung der makrotextuellen Verfahren zur Herbeiführung von Mehrdeutigkeit, mit Fokus auf die Rolle des Textes, des Visuals, des Produktzusammenhangs und externer Umstände
- Kapitel 9: Detaillierte Analyse von mikrotextuellen Verfahren (syntaktische, sprachliche und rhetorische Techniken der Ambiguisierung), die in Werbeanzeigen und Werbespots Anwendung finden
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit dem Phänomen der Ambiguisierung, einem Sprachspiel, das in der deutschen Werbung der Gegenwart eine zentrale Rolle spielt. Schwerpunkte sind dabei die Analyse von Ambiguisierungstechniken, die werbekommunikativen Funktionen von Mehrdeutigkeit und die Untersuchung der Faktoren, die diese in Werbeanzeigen und Werbespots beeinflussen. Weitere wichtige Begriffe sind Polysemie, offene Referenz, Kontextgestützte Ambiguität, Scheinbare Ambiguität, Motivierung, Wörtlichnehmen, Polysemantisierung, Literalisierung, Visual, Produktzusammenhang und Werbekontext.
- Quote paper
- Alexander Gehringer (Author), 2006, Ambiguisierung als Sprachspiel in der deutschen Werbung der Gegenwart, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/207709