Einleitung
„Ich beabsichtige hier nicht, einer Schriftgattung zu huldigen, von der ich oft genug gesagt habe, wie gefällig und zugleich trügerisch sie ist: die Autobiographie.“ (7)
Bourdieus „soziologischer Selbstversuch“ möchte, wie er in dem ersten Satz des Buches festhält keine Autobiographie sein, sondern eine ihm „angemessen erscheinende Sicht der Dinge“ (7). Eine an sich akzeptable Absicht, wenn jemand nach einer gewissen Lebenszeit den Entschluss fasst, das Erlebte schriftlich mitzuteilen, wäre Bourdieu nicht Zeitlebens jemand gewesen, der wissenschaftliche Methodik, vorgefundene gesellschaftliche Zustände, aber auch sich selber als einen Teil des zu Erforschenden ständig hinterfragt hätte. So hat er im Jahr 1986 den Artikel „L’illusion biographique“ – „Die biografische Illusion“ veröffentlicht, in welchem er Kritik äußert, dass Biografie als ein zeitlich und logisch orientierter Zusammenhang gesehen wird (vgl. Liebau 1990: 83) – verantwortlich hierfür macht Bourdieu den Eigennamen, der als Institution aus Zeit und Raum herausgenommen wird und von Veränderungen ausgeschlossen ist (vgl. Bourdieu 1986). Jedoch geht mit dieser Verwendung des Eigennamens eine extreme Abstraktion der Identität der Person einher (vgl. Liebau 1990: 86). Für Bourdieu ist statt Biografie der Begriff „Trajectoire“ – Laufbahn treffender; darunter sind Positionen zu verstehen, „die nacheinander von demselben Akteur (oder derselben Gruppe) in einem Raum eingenommen werden, der sich selbst ständig entwickelt und der unausweichlichen Transformationen unterworfen ist“ (Bourdieu 1998). Bourdieu selber ist aus einfachen Verhältnissen bis an die Spitze der Gesellschaft gelangt, ohne sich jedoch jemals selbst vollständig zu diesem Feld gehörig zu fühlen. Inwiefern die Veränderungen des Raums, und die soziologische Beschreibung dieser Veränderungen im Buch gelungen ist, wird im Rahmen dieser Rezension besprochen.
Passend zur geäußerten Kritik an der klassischen Biographie, folgt Bourdieus Selbstversuch keiner Chronologischen Ordnung, sondern gliedert sich grob in drei Teile:
Inhaltsverzeichnis
- Biographische Angaben zu Pierre Bourdieu
- Einleitung
- Akademisches Feld der 50-er Jahre
- Algerien
- Kindheit, Jugend, Studienzeit...
- Schlussfolgerung und Kritik.
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Pierre Bourdieus „Soziologischer Selbstversuch“ zielt darauf ab, eine persönliche Sicht auf seine Lebenserfahrungen und seine Entwicklung als Soziologe zu präsentieren. Er vermeidet dabei eine traditionelle Autobiografie und konzentriert sich stattdessen auf die Darstellung seiner soziologischen Denkweise und der prägenden Einflüsse auf seine Karriere.
- Die Entwicklung der „Theorie der Praxis“ und die zentralen Konzepte von Habitus, Kapital, Klasse, soziales Feld und sozialer Raum
- Die kritische Analyse des akademischen Feldes in Frankreich in den 50er und 60er Jahren
- Die Rolle von Erfahrung und Biografie in der soziologischen Forschung
- Die Bedeutung von sozialer Ungleichheit und sozialer Mobilität
- Die Bedeutung der empirischen Sozialforschung und die Zusammenführung von Subjekt und Objekt
Zusammenfassung der Kapitel
- Biographische Angaben zu Pierre Bourdieu: Dieses Kapitel beleuchtet Bourdieus Lebensweg von seiner frühen Kindheit bis zu seinen akademischen Anfängen in Frankreich. Es skizziert seine Bildung und seine frühen beruflichen Stationen.
- Einleitung: Bourdieu erläutert in diesem Kapitel seine Intentionen für die Abfassung des Buches und erklärt, warum er keine traditionelle Autobiografie schreiben möchte. Er stellt die zentralen Themen des Buches vor und skizziert seine kritische Haltung gegenüber der gängigen Auffassung von Biografie.
- Akademisches Feld der 50-er Jahre: Dieses Kapitel widmet sich Bourdieus frühen akademischen Erfahrungen in Frankreich und beschreibt das akademische Feld in den 50er Jahren. Er schildert kritisch die damaligen Machtverhältnisse und die Dominanz bestimmter Denkrichtungen.
- Algerien: In diesem Kapitel schildert Bourdieu seine Zeit in Algerien, die von sozialpolitischen Veränderungen und dem Bürgerkrieg geprägt war. Er beschreibt seine Forschungen in diesem Kontext und die Bedeutung der Erfahrungen für seine spätere soziologische Arbeit.
Schlüsselwörter
Die zentralen Themen von Bourdieus „Soziologischem Selbstversuch“ lassen sich in Schlüsselbegriffen wie Habitus, Kapital, soziales Feld, soziale Ungleichheit, soziale Mobilität, Theorie der Praxis, akademisches Feld, empirische Sozialforschung und Biografie zusammenfassen. Das Buch befasst sich mit der Entstehung und Entwicklung seiner soziologischen Denkweise und beleuchtet dabei die Bedeutung von Erfahrung, Biografie und sozialen Strukturen für die Entstehung und Gestaltung wissenschaftlicher Erkenntnisse.
- Quote paper
- Jan Danis (Author), 2012, Rezension: Pierre Bourdieu - Ein Soziologischer Selbstversuch, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/207583