Im Anschluss an das einleitende Kapitel soll es Aufgabe des zweiten Abschnitts sein, die allgemeine Struktur und Herrschaftsprinzipien der SED zu verdeutlichen und gewissermaßen eine Einführung in die Vorstellungen der Sowjetunion und der SED-Führungskräfte vom ihrem sozialistischen Staat zu bieten. Danach erfolgt im drittel Kapitel eine Übersicht über das Ministerium für Staatssicherheit. An dieser Stelle werden viele Zahlen und Fakten benannt, um einen Überblick zu bekommen, wie groß der Apparat der Staatssicherheit wirklich war und wie er strukturiert wurde. Anschließend wird im fünften Abschnitt dargestellt, wie verwoben die SED und das MfS wirklich waren und welchen Mitteln man sich bediente, um die politische Macht der Partei zu sichern. Im abschließenden fünften Kapitel der Arbeit folgt schließlich eine auswertende Betrachtung.
Inhaltsverzeichnis
1.Einleitung
2.Entstehung und Herrschaftsgrundlagen der SED
2.1 Die Gründung der SED unter dem Deckmantel der „freiwilligen Vereinigung“
2.2 Prinzipien und Organisation der SED
2.3 Das Zentralkomitee
2.4 Die Arbeit des ZK-Sekretariats
3.Aufbau des Ministeriums für Staatssicherheit
3.1 Der Apparat des Ministeriums für Staatsicherheit
3.2 Die Führungsspitze und der dazugehörige Unterbau
3.3 Inoffizielle Mitarbeiter des MfS
3.4 Das Budget des MfS
4.Das MfS als Schild und Schwert der SED
5.Schlussbetrachtung
6.Literatur- und Quellenverzeichnis
7.Abkürzungsverzeichnis
1.Einleitung
In der historischen Nachbetrachtung der kurzen Geschichte der Deutschen Demokratischen Republik kanalisiert sich in regelmäßigen Abständen immer wieder das gleiche kontroverse Diskussionsthema: War die DDR ein Unrechtsstaat? Der elfte Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland, Joachim Gauck, der in seiner vorherigen Position Leiter der Stasi-Unterlagen-Behörde war, hat hierzu folgende Meinung:
„Der Begriff trifft zu, weil es in der DDR keine Unabhängigkeit der Justiz gab, keine Gewaltenteilung. Es gab keine Herrschaft des Rechts, weil eine Instanz wie die herrschende SED in den Bereich des Rechts eingreifen konnte. Nicht jedermann konnte das, aber die zentralen Führungsinstanzen der Partei sehr wohl. Zudem war es unmöglich, staatliches Handeln auf dem Gerichtsweg anzugreifen, man hätte dazu die Verwaltungsgerichte gebraucht. Aber die gab es ebensowenig wie ein Verfassungsgericht.“[1]
Der Ministerpräsident Mecklenburg-Vorpommerns, Erwin Sellering, verharrt wiederrum sogar darauf, die DDR nicht als vollkommenen Unrechtsstaat abzustempeln, indem nichts Gutes passiert ist. Auch der Theologe Friedrich Schorlemmer warnte davor, die DDR mit dem Begriff Unrechtsstaat zu dämonisieren, weil man dem Leben in dem untergegangenen Staat nicht gerecht wird.[2]
Auch heutzutage gibt es immer noch intensive Debatten und oftmals polemische Äußerungen zur Einordnung der DDR und die mit ihr verbundenen Herrschaft der SED. Ein deutliches Merkmal dafür, wie viel Brisanz in diesem Thema steckt.
Zwar soll im Rahmen dieser Arbeit eine ausführliche Diskussion dieser Thematik nur bedingt erfolgen, jedoch werden die untersuchten Aspekte mit Sicherheit auch im Hinblick auf die Kategorisierung der DDR als Unrechtsstaat von Nutzen sein. Denn Ziel der vorliegenden Arbeit ist es zunächst, ein Charakteristikum der ausgeübten Herrschaft der SED zu erarbeiten. Auf welche Art und Weise regierten die Mitglieder der Einheitspartei einen Staat, der aus heutiger Betrachtung als „Unrechtsstaat“ bezeichnet wird? Wie war ein Staat organisiert, in dem es keine Unabhängigkeit der Justiz, respektive Gewaltenteilung gab?
Aus den aufgeworfenen Fragen resultiert eine weitere Problemstellung dieser Arbeit, die sich konkret damit befassen soll, wie es der SED gelang, so lange an der politischen Macht zu bleiben und auf welche „Hilfsmittel“ sie dabei zurückgriff.
Ein wichtiger Schritt zur Sicherung geschah am 8. Februar 1950, mit dem Beschluss für das Gesetz zur Bildung eines Ministeriums für Staatssicherheit (MfS). Dass das Ministerium für Staatssicherheit im Laufe der Jahre, als Schild und Schwert der Partei, oder als Staat im Staat Angst und Schrecken verbreitete, ist durchaus bekannt. Aber inwieweit war die „Firma“, wie sie sich selbst gern nannte, überlebenswichtig für die politische Machtsicherung der SED?
Es ergibt sich dementsprechend folgende Gliederung der Seminararbeit: Im Anschluss an das einleitende Kapitel soll es Aufgabe des zweiten Abschnitts sein, die allgemeine Struktur und Herrschaftsprinzipien der SED zu verdeutlichen und gewissermaßen eine Einführung in die Vorstellungen der Sowjetunion und der SED-Führungskräfte vom ihrem sozialistischen Staat zu bieten. Danach erfolgt im drittel Kapitel eine Übersicht über das Ministerium für Staatssicherheit. An dieser Stelle werden viele Zahlen und Fakten benannt, um einen Überblick zu bekommen, wie groß der Apparat der Staatssicherheit wirklich war und wie er strukturiert wurde. Anschließend wird im fünften Abschnitt dargestellt, wie verwoben die SED und das MfS wirklich waren und welchen Mitteln man sich bediente, um die politische Macht der Partei zu sichern. Im abschließenden fünften Kapitel der Arbeit folgt schließlich eine auswertende Betrachtung.
2.Entstehung und Herrschaftsgrundlagen der SED
Was bei zahlreichen Historikern der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) unter dem unzureichenden Wortlaut der Vereinigung der Kommunistischen Partei Deutschland (KPD) mit der Sozialdemokratischen Partei Deutschland (SPD) zur Sozialistischen Einheitspartei Deutschland (SED) resümiert wurde, war keineswegs so einfach, wie dieser Vorgang zunächst klingt. Denn es handelte sich um eine Vereinigung, die unter völlig verschiedenen Intentionen und großer Repression stattfand. Der Historiker Herrmann Weber geht sogar so weit von einer Zwangsvereinigung zu sprechen. Im folgenden Kapitel soll es Ziel sein die Entstehung, die grundlegende Funktionsweise und die Struktur des zentralen Staatsapparates charakteristisch herauszuarbeiten, um im darauf folgenden Kapitel die konkrete Umsetzung der organisatorischen, wie auch programmatischen Prinzipien darzulegen.
2.1 Die Gründung der SED unter dem Deckmantel der „freiwilligen Vereinigung“
Kurz nach der bedingungslosen deutschen Kapitulation 1945 formulierten die Spitzenkräfte der KPD bereits ihre etwas unorthodoxe Vorstellung der neuen Republik. Ihre führenden Politiker Walter Ulbricht und Wilhelm Pieck forderten eine parlamentarisch-demokratische Republik auf der Basis von freiem Handel, Privateigentum und freien Bürgern. Logischerweise schürten sie mit dieser Bekundung viele Zweifel an der Ernsthaftigkeit ihres Vorhabens, schließlich hatten sie in der Weimarer Republik den Parlamentarismus noch strikt abgelehnt. Auf Seite der SPD, dem angestrebten Bündnispartner, begegnete vorrangig Kurt Schumacher diesen neuen Aussagen der KPD mit großem Misstrauen. Ihren eigentlichen Zweck verfehlten die Demokratie-Bekenntnisse der Kommunisten dennoch nicht, denn die SPD-Vorsitzenden Grotewohl, Fechner und Gniffke sahen nun mehr keinen Grund zur entschiedenen Abspaltung von der KPD. Vor dem Hintergrund eines politischen Vakuums, das der Krieg hinterlassen hatte, entstand so die Basis für erste Vereinigungsgespräche zwischen KPD und SPD.[3]
Während der führende Sozialdemokrat Otto Grotewohl selbst nach der offiziellen Vereinigung noch betonte, dass die entstandene Vereinigungspartei, die SED, keine Folgepartei der KPD sei, beschwor zeitgleich der führende KPD-Politiker Walter Ulbricht sogar die „Neugeburt der deutschen Arbeiterbewegung“:
„Die SED kämpft als unabhängige Partei in ihrem Lande für die wahren nationalen Interessen ihres Volkes. Als deutsche sozialistische Partei ist sie die feste nationale Kraft […]“.[4]
Das doppelte Spiel, das die KPD um Wilhelm Pieck und Walter Ulbricht betrieb, wurde wenige Jahre später sehr deutlich, als sich der Wahrheitsgehalt von Ulbrichts Lippenbekenntnissen als immer geringfügiger erwies und die tatsächlichen Absichten der KPD immer offensichtlicher wurden. Lange Zeit hatte die SPD unter Führung von Kurt Schumacher schwerwiegende Vorbehalte gegenüber einer Vereinigung mit der KPD geäußert, da die KPD einerseits wesentlich stärker durch die sowjetischen Besatzer gefördert wurde und andererseits laut Schumacher nie in letzter Konsequenz demokratische Grundsätze verfolgte. Auch Otto Grotewohl betonte auf einer Konferenz unter 60 Abgeordneten beider Parteien weitere Differenzen, die insbesondere im Bereich des Wahlrechts deutlich wurden.[5]
Wilhelm Pieck und Walter Ulbricht reagierten daraufhin kontinuierlich mit formalen Zugeständnissen. Mehr jedoch nicht, da sie sich der Unterstützung der Sowjetunion jederzeit bewusst waren. Sie hatten im Laufe der Verhandlungen mit der SPD längst die ideologischen und organisatorischen Grundlagen für die Gründung einer Einheitspartei unter kommunistischer Vorherrschaft geschaffen und erstrebten deshalb immer zielstrebiger eine baldige Vereinigung. Trotz großer, eigentlich unüberwindbarer, Differenzen kam auf eine Art und Weise, die sinnbildlich für das Vorgehen der Besatzungsmacht aus der Sowjetunion war, dennoch eine Vereinigung beider Parteien zustande. Denn auf weiterhin abneigende Haltungen der SPD-Mitglieder reagierten die sowjetischen Besatzer von nun an selbst:
„Wo sich die Ablehnung gegen die ‚Vereinigung‘ zeigte, griff die sowjetische Besatzungsmacht ein, es ergingen Redeverbote, und es wurden einzelne sozialdemokratische Einheitsgegner verhaftet.“[6]
Unter steigendem sowjetischen Druck und dem strikten Verbot einer Urabstimmung unter den SPD-Mitgliedern wurde schließlich am 20. April 1946 im Rahmen einer prunkvollen Zeremonie im Berliner Admiralspalast das Unvermeidliche bekanntgegeben: Die KPD und die SPD fusionierten unter dem Deckmantel der Freiwilligkeit zur Sozialistischen Einheitspartei Deutschland, der SED.
Dass sich die SED 1948, nur zwei Jahre Später, als Fortführerin der KPD betitelte, akzentuierte einerseits erneut das Schauspiel, das Ulbricht und die KPD betrieben, andererseits verdeutlichte es aber ebenso die baldige Machtlosigkeit der SPD im neuen Bündnis. Mit 1,3 Millionen Mitgliedern, die aus dem Zusammenschluss resultierten, erhob die SED direkt uneingeschränkten Führungsanspruch.
2.2 Prinzipien und Organisation der SED
In der Staatsgründung der Deutschen Demokratischen Republik am 07. Oktober 1949 wurzeln vielschichtige, komplexe Entwicklungsprozesse, deren ausgegebenes Ziel das gleiche ist: Die Errichtung eines sozialistischen Staats. Der demokratische Zentralismus stellte dabei das Grundprinzip des Staatsaufbaus der Partei dar. Für klare Richtlinien der staatlichen Leitung, Planung und Kontrolle waren die Gremien der SED verantwortlich, die wiederum der sowjetischen Kontrolle unterstanden. Die wichtigsten staatlichen Institutionen bildeten zu jener Zeit die Volkskammer, der Minister- und der Staatsrat. In der Volkskammer fanden die Bürger der DDR ihr Parlament wieder, dessen Legitimation vermeintlich auf dem Prinzip der Volkssouveränität beruhte. Doch durch die Verwendung von Einheitslisten, auf denen sich auch die Kandidaten von Massenorganisationen wiederfanden, standen schon vor der eigentlichen Wahl die Ergebnisse fest. Die SED zementierte auf diese Art und Weise langfristig ihren Anspruch auf absolute Macht.[7]
Was auf zentraler Ebene durch die SED beschlossen wurde, fand seine Verwirklichung durch die verschiedenartigen Ministerien. Als staatliche Organe war es ihnen vorbehalten, die staatlichen Vorgaben in Wirtschafts-, Innen-, Außen-, und Sozialpolitik umzusetzen. Ihre Handlungsfreiheit war in diesem Kontext sehr begrenzt und sie hatten die Pflicht, Beschlüsse und Gesetze der SED-Führung eigenverantwortlich durchzusetzen. Um dieser Pflicht gerecht werden zu können, standen ihnen finanzielle Mittel in Gestalt eines Haushalts zur Verfügung.
[...]
[1] http://www.bpb.de/files/X9WN7C.pdf
[2] Vgl. Ebd.
[3] Vgl. Weber, Herrmann: Aufbau und Fall einer Diktatur. Kritische Beiträge zur Geschichte der DDR, Köln 1991, S. 27ff.
[4] Vom SED-Vereinigungsparteitag 1946
[5] Vgl. Weber, Herrmann: Aufbau und Fall einer Diktatur. Kritische Beiträge zur Geschichte der DDR, Köln 1991, S. 28ff.
[6] Ebd. S. 31.
[7] Vgl. http://www.kas.de/wf/de/71.6611/
- Arbeit zitieren
- Jesse Bochert (Autor:in), 2012, War das Ministerium für Staatssicherheit die Überlebensbasis der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/207361
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