Goethe zollte dem Islam als Religion und dem berühmtesten Propheten dieser Glaubensrichtung, Mohammed, großen Respekt. Da dies bewiesen ist, soll es nicht Aufgabe dieser Studienarbeit sein, dies zu betrachten. Mich interessiert in dieser Arbeit ausschließlich die Gegen-meinung dazu. Neben der im Vordergrund stehenden Anerkennung der religiösen Strömung übt auch Goethe Kritik an den Praktiken und Wertvorstellungen des Islams aus, die selbst ihm im 19. Jahrhundert schon als altertümlich und nicht vertretbar erschienen. Diesen in der Forschung zu unbeachteten Aspekt möchte ich deutlicher ausleuchten.
Bevor ich Goethes Meinung zu den Schattenseiten des Islam mittels einer textimmanenten Werkanalyse herausarbeite, muss in einem vorangestellten theoretischen Teil zunächst ein Rahmen konstruiert werden, der Basiswissen zum Islam erläutert und Goethes allgemeinem Bezug dazu verdeutlicht. Ist dies geschehen, soll in einem zweiten Teil das Werk West-östlicher Divan kurz vorgestellt und philologisch eingeordnet werden. Danach kann ich mich einzelnen Textpassagen, wie der eingangs vorgestellten, widmen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Theoretische Betrachtungen
2.1 Der Islam
2.2 Goethes allgemeine Beziehung zum Islam
3. Die Suche nach den Schattenseiten
3.1 Goethes West-östlicher Divan
3.2 Werkimmanente Betrachtung
3.3 Die ausgelassene Schattenseite
4. Fazit
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Behandelt die Frauen mit Nachsicht!
Aus krummer Rippe ward sie erschaffen;
Gott konnte sie nicht ganz grade machen.
Willst du sie biegen, sie bricht;
Läßt du sie ruhig, sie wird noch krümmer:
Du guter Adam, was ist denn schlimmer?1
Die hier vorgelegte Arbeit beschäftigt sich mit Johann Wolfgang von Goethes Gedichtsammlung West-östlicher Divan und rückt Textstellen wie diese in den Fokus der Aufmerksamkeit. Mommsen hat in ihrem Werk Goethe und die arabische Welt die Beziehung des herausragenden Dichters zum Thema eingehend studiert und dargelegt. Sie hält in ihrer Untersuchung fest, dass Goethe gerade in seinem Werk West-östlicher Divan „dem Islam seine Verehrung bezeugt hat“.2 Dies trifft fraglos auf viele Gedichte des Bandes zu und wurde in der Rezeption unter verschiedenen Methoden der Literaturforschung erfolgreich belegt. Goethe zollte dem Islam als Religion und dem berühmtesten Propheten dieser Glaubensrichtung, Mohammed, großen Respekt. Da dies bewiesen ist, soll es nicht Aufgabe dieser Studienarbeit sein, dies zu betrachten. Mich interessiert in dieser Arbeit ausschließlich die Gegen-meinung dazu. Neben der im Vordergrund stehenden Anerkennung der religiösen Strömung übt auch Goethe Kritik an den Praktiken und Wertvorstellungen des Islams aus, die selbst ihm im 19. Jahrhundert schon als altertümlich und nicht vertretbar erschienen. Diesen in der Forschung zu unbeachteten Aspekt möchte ich deutlicher ausleuchten.
Bevor ich Goethes Meinung zu den Schattenseiten des Islam mittels einer textimmanenten Werkanalyse herausarbeite, muss in einem vorangestellten theoretischen Teil zunächst ein Rahmen konstruiert werden, der Basiswissen zum Islam erläutert und Goethes allgemeinem Bezug dazu verdeutlicht. Ist dies geschehen, soll in einem zweiten Teil das Werk West-östlicher Divan kurz vorgestellt und philologisch eingeordnet werden. Danach kann ich mich einzelnen Textpassagen, wie der eingangs vorgestellten, widmen.
Es ist nicht meine Absicht, im Zuge dieser Arbeit die Gedichte sprachanalytisch zu betrachten. Augfrund des beschränkten mir zu Verfügung stehenden Umfanges werde ich die formale Analyse auslassen, um mich allein auf die semantische Ebene konzentrieren zu können. Auch diese kann nicht umfassend dargestellt werden und muss so auf das Wesentliche beschränkt werden, dass am Ende die Frage geklärt werden kann, welche Schattenseiten Goethe im Islam gesehen hat.
2. Theoretische Betrachtungen
2.1 Der Islam
Der Islam ist die jüngste der monotheistischen Weltreligionen und steht neben dem Judentum und dem Christentum. Der Islam betont „die Einheit: die Einheit Gottes, die Einheit des Glaubens an ihn und die Einheit seiner Gemeinschaft“.3 Die Glaubensgemeinschaft stützt sich dabei auf den Koran, der ihr Equivalent zur jüdischen Thora und dem christlichen Neuen Testament ist. Der Koran wurde den Muslimen, so die Überlieferung, von ihrem Propheten Mohammed überbracht. Dieser habe das Wort Gottes empfangen und es für die Menschen in einer ihnen verständlichen Sprache aufgearbeitet. Der Koran wird von Muslimen „als das unverfälschte Wort Gottes gesehen, das Mohammed wortgetreu und ohne Zusätze an die gläubigen Menschen weitergab“.4 Der Glaube an die Inhalte des Korans geht so weit, dass die Sunna, jene Überlieferungen über das Leben des Propheten Muhammad, einen normativen Gesetzesanspruch erlangen. „Sie sind in der islamischen Theorie der Gesetzesgelehrtheit […] nach dem Koran die zweite grundlegende Quelle, aus der die Gesetzesgelehrten […] die Scharia, das göttliche Gesetz, entwickelt haben.“5 Inwiefern das problematisch ist, dazu (und zu weiteren inhaltlichen Komponenten des Islams) werde ich mich im dritten Kapitel noch äußern. Werfen wir an dieser Stelle einen Blick in Goethes Zeit und die damalige Rezeption des Islam:
Viele Jahrhunderte stand man dem Islam nicht nur misstrauisch, sondern gar feindselig gegenüber. Doch gerade zu Lebzeiten Goethes konnte dank der Aufklärung diese Meinung des Okzident überarbeitet werden. Das heilige Buch der Muslime, der Koran, erfuhr damals zum ersten Mal inhaltsgetreue Übersetzungen in europäische Sprachen und machte die Lehren erstmals für die westlichen Menschen zugänglich. Die Xenophobie, die Angst vor dem Fremden, konnte so allmählich abgebaut werden. Herausragende philologische Köpfe wie Lessing (man denke an sein Werkt Nathan der Weise), Leubnitz, Herder und eben auch Goethe ließen sich von dem nicht mehr negativistisch gefärbten sondern authentisch-neutralen Bilde der Religion inspirieren. Doch der aufklärerische Wind erreichte nicht alle Menschen und so gab es auch zu Goethes Zeiten noch Hetzreden gegen die jüngste monotheistische Religion. Goethe, der das Zeitungsgeschehen seiner Zeit mit großem Interesse verfolgte, war entsetzt. Zurecht sah er eine geistige Rückentwicklung in die Xenophobie. Daher war er frei von dieser Phobie bemüht, sein Studium des Islams tiefgründig anzugehen. Goethe war ein Aufklärer. Selbstredend strebte er auch im Namen der westlichen Kultur nach Toleranz. So versuchte er auch die nicht-christliche Lebens- und Moralvorstellungen der Muslime neutral zu betrachten. Während dieses Studiums erlebte Goethe, wie er sich in den Lehren des Korans geradezu selbst wiederfand, und begann, ihn zu verehren.
2.2 Goethes allgemeine Beziehung zum Islam
Katharina Mommsen zählt heute zu den Philologen, die Goethes Beziehung zur muslimischen Glaubenswelt am fundiertesten durchleuchtet hat. Sie sieht in Goethes Studium vor allen Dingen eine „innere Anteilnahme für die Religion der Muslime“.6 Sein gesamtes Bild vom Islam war vorwiegend nicht nur positiv, sondern Goethe strebte geradezu dem Lebensbild nach, das die Muslime von sich selbst hatten. Besonders angetan war Goethe von ihrem „Reinheitsstreben“ und dem Streben nach „Barmherzigkeit“,7 denn beides lag auch ihm in der inneren Wesensnatur. Die Punkte im Koran, die auch Goethes eigener Religionsauffassung entsprachen, fasst Mommsen zusammen. Demnach gefielen ihm das Streben nach der Einheit mit Gott und der islamische Gedanke, dass Gott sich in der Natur offenbart.8 Allerdings muss man dazu anmerken, dass diese Offenbarung in der Natur nicht mit dem Pantheismus gleichzusetzen ist, dem sich Goethe ansonsten gern verschrieb. Im Pantheismus verschmelzen Gott und die Natur. Im Islam selbst ist dies nicht der Fall. Die Natur ist die Schöpfung des monotheistischen Gottes, jedoch betrachten alle Monotheisten ihre Gottesentität getrennt von der eigentlichen Schöpfung. Dennoch schätzte Goethe, dass die Muslime in allem Sein das Machwerk des Einen sahen und sehen.
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1 Behandelt die Frauen mit Nachsicht! Aus Buch der Betrachtungen. In: Goethe, Johann Wolfgang: Sämtliche Werke nach Epochen seines Schaffens. Münchner Ausgabe. Band 11.1.2. West-östlicher Divan. Herausgegeben von Karl Richter in Zusammenarbeit mit Katharina Mommsen und Peter Ludwig. Carl Hanser Verlag. München 1998. S. 42 .
2 Mommsen, Katharina: Goethe und die arabische Welt. Inselverlag. Frankfurt am Main 1988. S. 157.
3 Bauer, Jochen: Konfliktstoff Kopftuch. Eine thematische Einführung in den Islam. Verlag an der Ruhr. Mühlheim an der Ruhr 2001. S. 13.
4 Ebd. S. 46.
5 Motzki, Harald: Ewig wahre Quellen? Wie glaubwürdig sind die Hadithe? Die klassische islamische adith-Kritik im Licht moderener Wissenschaften. In: Schneiders, Thorsten Gerald (Hrsg.): Islamverherrlichung. Wenn die Kritik zum Tabu wird. VS Verlag für Sozialwissenschaften. Wiesbaden 2010. S. 57.
6 Mommsen, Katharina: Goethe und die arabische Welt. S. 157.
7 Ebd. S. 165.
8 Ebd. S. 171.
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