Neben Entwicklungsgeschichte und sprachtheoretischen Aspekten spielt vor allem die Namenmorphologie eine große Rolle bei der Entwicklung der heutigen Eigennamen. Diese Arbeit versucht eine knappe Übersicht über einen Teil der Morphologie zu bieten, d.h. hier wird nur die morphologische Struktur der germanischen Personennamen betrachtet.Der Schwerpunkt dieser Arbeit wird auf den zweigliedrigen Männernamen liegen, da sie die „Hauptmasse der alten zweigliedrigen Vollnamen“ bilden, aus denen sich zum Teil die eingliedrigen Personennamen ableiten. Allerdings finden auch diese eingliedrigen Rufnamen sowie Frauennamen eine Behandlung. Der erste Teil der Arbeit gibt eine kurze Übersicht über die germanischen Personennamen an sich, wobei die grundlegenden Prinzipien ihrer Struktur angesprochen werden. Das darauf folgende Kapitel stellt den Schwerpunkt der Arbeit dar: Die Darstellung der Struktur der zweigliedrigen Männernamen, wobei die Bildungsprinzipien derer an zahlreichen Beispielen erläutert werden. Ein bedeutender Punkt innerhalb dieses Kapitels stellen die sogenannten Primärbildungen, die älteste Schicht der germanischen Personennamen dar. Im Anschluss folgt je ein Kapitel über die eingliedrigen Personennamen sowie die Frauennamen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die germanischen Personennamen
3. Die zweigliedrigen Personennamen: Männernamen
3.1 Das Bildungsprinzip der Zusammensetzung
3.2 Die Stammformen des Erstgliedes
3.3 Kompositionsarten
3.4 Kompositionsgesetze
3.5 Die Namenwörter der Primärbildung
3.5.1 Die Lexeme der Primärbildung
3.5.2 Zweitglieder germanischer Primärbildung
3.5.3 Erstglieder germanischer Primärbildung
3.6 Sekundärbildungen
4. Eingliedrige Personennamen
5. Frauennamen
6. Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Der größte Teil des Wortschatzes besteht aus Namen. Sie ‚gehen‘ jeden Menschen persönlich ‚an‘, sind ihm quasi auf den Leib geschriebene Geschichte und entwickeln als Kennzeichen des Individuums faszinierende Bedeutsamkeit.[1]
Dieser „größte Teil des Wortschatzes“ der deutschen Sprache verdient eine besondere Beachtung auf mehreren Ebenen. Neben Entwicklungsgeschichte und sprachtheoretischen Aspekten spielt vor allem die Namenmorphologie eine große Rolle bei der Entwicklung der heutigen Eigennamen. Diese Arbeit versucht eine knappe Übersicht über einen Teil der Morphologie zu bieten, d.h. hier wird nur die morphologische Struktur der germanischen Personennamen betrachtet. Die Arbeit besitzt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, denn es werden nur die grundlegenden Prinzipien und Gesetze exemplarisch erläutert. Eine komplette Übersicht würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen.
Schon zur Zeit der indogermanischen Sprache waren bereits zweigliedrige Kompositionen und deren Kurzformen geläufig. Genau dieser Zustand hat sich „über die germanischen Einzelsprachen hinaus und im Deutschen bis zur Höhe des Mittelalters erhalten.“[2]
Der Schwerpunkt dieser Arbeit wird auf den zweigliedrigen Männernamen liegen, da sie die „Hauptmasse der alten zweigliedrigen Vollnamen“ bilden, aus denen sich zum Teil die eingliedrigen Personennamen ableiten.[3] Allerdings finden auch diese eingliedrigen Rufnamen sowie Frauennamen Erwähnung, wenn auch nur in stark verkürzter Form.
Dazu ist nochmal kurz in Erinnerung zu rufen, um was es sich bei Morphologie handelt: „Morphologie befasst sich mit der sprachlichen Gestalt als solcher und im einzelnen mit den kleinsten bedeutungstragenden Einheiten, den Morphemen“.[4]
Der erste Teil der Arbeit gibt eine kurze Übersicht über die germanischen Personennamen an sich, wobei die grundlegenden Prinzipien ihrer Struktur angesprochen werden. Das darauf folgende Kapitel stellt den Schwerpunkt der Arbeit dar: Die Darstellung der Struktur der zweigliedrigen Männernamen, wobei die Bildungsprinzipien derer an zahlreichen Beispielen erläutert werden. Ein bedeutender Punkt innerhalb dieses Kapitels stellen die sogenannten Primärbildungen, die älteste Schicht der germanischen Personennamen dar. Im Anschluss folgt je ein Kapitel über die eingliedrigen Personennamen sowie die Frauennamen.
2. Die germanischen Personennamen
Die Überlieferung der germanischen Personennamen lässt sich bis zu den römischen Schriftstellern zurückverfolgen (Ario-vistus, Segi-merus, usw.).[5] Noch heute werden sie zum Teil als Vorname verwendet oder leben in den Familiennamen weiter.[6]
Ein Prinzip der germanischen Personennamen ist die Einnamigkeit, d.h. es herrscht in allen Einzelsprachen nur ein Name für nur eine Person vor. Die Beinamengebung zu einer genaueren Beschreibung eines Charakters blieb noch während des gesamten Frühmittelalters sehr zurückhaltend.[7]
Die „Hauptmasse“[8] der Personennamen ist im Germanischen (Sieg-fried), wie auch im Altindischen (Dewa-dattu „Gottgegeben“), im Griechischen (Hero-dotos ‚von ,Hera‘ geschenkt‘) und im Slwaischen (russ. Bogo-slaw ‚Gottes Ruhm‘) zweigliedrig[9], auch dithematisch genannt.[10]
Beweise für bereits noch frühere Vorkommnisse im indogermanischen Sprachraum liefern Bildungen wie die althochdeutschen Namen Lot-hari, Hlud-olf – Idg. * segho – ‚Kraft, Sieg‘: aind. Saha- ǰah, gall. Sego-vesus, germ. Sigi-mērus. Diese Beispiele weisen nicht nur die Zweigliedrigkeit auf, sondern auch die Sinnverwandtschaft von Namen in der gemeinsamen Vorzeit.[11]
Diese zweigliedrigen Namen sind folglicherweise durch Zusammensetzung, bzw. Komposition gebildet worden.[12]
Der Typus der Zweigliedrigkeit kam in dieser Zeit zu seiner vollen Entfaltung: Bis zum Anbruch der Karolinger sind schon circa 2000 germanische Personennamen überliefert. Desweiteren häufte sich ihr Auftreten im 8. und 9. Jahrhundert in den aufgefundenen Quellen dieses Zeitraums.[13]
Die Einnamigkeit lässt sich allerdings noch in weitere Kategorien einteilen: Neben den zweigliedrigen Personennamen sind auch die einstämmigen oder eingliedrigen zu nennen, zu denen die aus den dithematischen Namen durch Kürzung neu entstandene Kurzformen, ein- oder zweistämmige Beinamen oder Übernamen sowie die kurzformigen Lallnamen zu unterscheiden sind.[14]
Die eingliedrigen - auch monothmenatisch genannt – Namen sind allerdings vergleichsweise eher selten, „manche wohl erst aus Bei- zu Rufnamen geworden“.[15]
„Alte eingliedrige Personennamen“ scheinen bei Frauennamen häufiger gewesen zu sein und hielten sich länger als bei den Männernamen, zum Beispiel mhd. Uote im Nibelungenlied oder Berte im frühmhd. König Rother.[16]
Dreigliedrige Personennamen lassen sich nur in jüngerer Zeit und selten beobachten. Bei diesen Vorkommnissen handelt es sich um die „sekundär vollzogene Zusammensetzung eines bereits vorhandenen zweigliedrigen Vollnamens mit einem weiteren Namenwort“. Als Beispiel wäre hier Got-lieb-olt oder Wan-bern-helm zu nennen.[17] Diese Gruppe wird in der folgenden Untersuchung nicht betrachtet.
Unter den „Glieder“, die die Einteilung in die oben genannten „Klassen“ zu verantworten haben, werden die germanischen Appellative verstanden, allerdings nicht Derivations- oder Flexionsmorpheme, wie zum Beispiel ahd. fridu ‚Friede, Schutz‘ oder r ī chi ‚Herrschaft, mächtig‘. Syntaktisch gesehen lassen sich die Namen zu der Kategorie der Substantive einordnen, welche den Regeln der germanischen Flexion folgen, also stark oder schwach.[18]
3. Die zweigliedrigen Personennamen: Männernamen
Im Folgenden wird nur auf die Bildung der zweigliedrigen Männernamen eingegangen. Die Behandlung der Frauennamen wird zunächst ausgelassen, da eine „sehr alte Schicht movierender Namen und eine etwas jüngere Schicht mit nichtmovierenden Zweitgliedern zu unterscheiden ist“.[19]
Dieses Prinzip der Movierung wird in Kapitel 6 näher erläutert.
3.1 Das Bildungsprinzip der Zusammensetzung
Wie schon oben erwähnt, wurden die germanischen Personennamen hauptsächlich aus zwei Bestandteilen zusammengesetzt. Grammatisch gesehen ruhen sie auf dem zweiten Glied des Wortes, welches das Grundwort bildet. Es wird von dem ersten Glied, dem Bestimmungswort[20], determiniert oder modifiziert.[21] Das Zweitglied bestimmt den Genus, sowie die Deklinationsklasse des Namens. Betrachtet man den althochdeutschen Männernamen Hadu-brant, weist das germanische Grundwort *branda- ‚Feuerbrand, Schwert(klinge)‘ einen maskulinen a -Stamm auf.[22]
Es handelt sich hierbei um die sogenannten „echte Komposita“: Zwischen Bestimmungs- und Grundwort ist hier ein ursprünglicher Fugenvokal zu finden, dessen „Erhaltung bis in die altgermanischen Einzelsprachen“ reicht. Beispiele für solche Komposita sind etwa um 400 urnord. Hlewa-gasti ʀ oder in der Mitte des 5. Jahrhundert Frawa-rada ʀ, bzw. ahd. Frawirat (zu * frawja -‚Herr‘).[23]
Die Glieder eines Kompositums dürfen keinesfalls mit Silben verwechselt werden, obwohl die Glieder in vielen Fällen einsilbig sind. Betrachtet man den Namen Diet-mar, so kann man feststellen, dass die Anzahl der Silben gleich Anteil der Namenglieder sind. Bei dem Beispiel Gund-beraht liegt allerdings auch Zweigliedrigkeit vor, woran auch die Mehrsilbigkeit des Grundwortes nichts ändert.[24]
Neben den determinativen Komposita, deren Grundwort durch das Bestimmungswort näher bestimmt wird, wie in Ans-win,Freund der Götter‘, gibt es auch eine Reihe kopulativer Zusammensetzungen, wie zum Beispiel Berht-hard,glänzend und stark zugleich‘. Hier sind die beiden Glieder einander gleichgeordnet.[25]
3.2 Die Stammformen des Erstgliedes
Das erste Glied der Komposita tritt in der Stammform des betreffenden Namenwortes auf: Es weist demzufolge, wie in anderen nominalen Kompositionen, kein Flexionselement auf: got. wein a -basi ‚Weinbeere‘, ahd. bot a -scaf ‚Botschaft‘. Der Vokal in der Kompositionsfuge stellt den Auslaut des Wortstammes dar und keine Endung.[26]
Grob wird im Germanischen zwischen konsonantischer – auch schwache Deklination – und vokalischer Deklinationsklasse – starke Deklination – unterschieden. Entscheidend ist bei dieser Differenzierung, ob das Stammbildungselement auf einen Vokal oder einen Konsonanten ausgeht. Innerhalb der vokalischen Deklinationsklasse lassen sich folgende Stämme unterscheiden:[27] Zum Ersten die a -Stämme, wie zum Beispiel in Gota-hart, Taga-suuind, Goma-hilt, usw. Unter dem Einfluss der Unbetontheit und der Vokale findet sich das - a ‑ verändert wieder, so dass in der Kompositionsfuge andere Vokale auftreten: Gere-frid, Gote-win; Beldi-rih, Heimi-rih; Hludo-uuicus. Der Stammvokal ist auch oft komplett verschwunden: Uuolf-ram, Hlud-uuin, Rinch-olf. Desweiteren gibt es den ō -Stamm, wie in Geba-hart oder Geba-rat. Im geschwundenen Zustand: Theot-bert, Grim-bert. Die ja -Stämme sind in den Beispielen Hari-beraht, Hugi-bald oder Eggi-hart wiederzufinden, in abgeschwächter Form in Uuine-rat und geschwunden in Hrih-bald oder Hug-bald. Der vierte erscheinende Stamm ist der wa -Stamm, wie in Salu-mari, Gara-man oder Sara-boto. Die Erscheinung der jō -Stämme, ist zum Beispiel in Hildi-ram, abgeschwächt in Hilderich und geschwunden in Hilt-uuin zu finden. Desweiteren treten noch die i -Sämme auf, wie in Juda-birg. Dazu zählen auch die alten s -Stämme: Sigi-bald, Sigi-mund, Bili-hilt. Beispiele für den geschwundenen i -Stamm sind Liut-frid, Sig-frid, Rim-hildis. Ein letzter noch zu nennender Stamm ist der u -Stamm, zu finden in Hadu-praht, Walu-ram, Fridu-hilt; eher selten abgeschwächt in Wala-ram oder Hada-rih. Geschwunden ist er zum Beispiel in Wit-hari. In den genannten Beispielen ist eine „Zerrüttung der Kompositionsfuge“ erkennbar.[28]
[...]
[1] Kunze, Konrad: dtv-Atlas Namenkunde. Deutsche Vor- und Familiennamen. München 1998, S. 2.
[2] Bach, Adolf: Deutsche Namenkunde I. Die deutschen Personennamen 2. Die deutschen Personennamen in geschichtlicher, geographischer, soziologischer und psychologischer Betrachtung, Heidelberg 1953, S. 1.
[3] Sonderegger, Stefan: Prinzipien germanischer Personennamengebung, in: Geuenich, Dieter/Haubrichs, Wolfgang/Jarnut, Jörg (Hgg.): Nomen et gens. Zur historischen Aussagekraft frühmittelalterlicher Personennamen (Ergänzungsbände zum Reallexikon der germanischen Altertumskunde 16), Berlin/New York 1997, S. 6.
[4] Schützeichel, Rudolf: Einführung in die Familiennamenkunde, in: Gottschald, Max: Deutsche Namenkunde. Unsere Familiennamen, Berlin/New York 51982, S. 23.
[5] Bach, Adolf: Deutsche Namenkunde I. Die deutschen Personennamen 1. Einleitung, zur Laut- und Formenlehre, Wortfügung, -bildung und -bedeutung der deutschen Personennamen, Heidelberg 1952, S. 79.
[6] Greule, Albrecht: Morphologie und Wortbildung der Vornamen: Germanisch, in: Eichler, Ernst/HILTY, Gerold/Löffler, Heinrich/Steger, Hugo/Zgusta, Ladislav (Hgg.): Namenforschung. Name Studies. Les noms propres. Ein internationales Handbuch zur Onomastik. An International Handbook of Onomastics. Manuel international d’onomastique (HSK 11), Teilbd. 2, Berlin/New York 1996, S. 1182.
[7] Sonderegger (1997), S. 5f.
[8] Ebd., S. 6.
[9] Bauer, Gerhard: Deutsche Namenkunde (Germanistische Lehrbuchsammlung 21), Berlin 21998
[10] Kunze, Konrad: dtv-Atlas Namenkunde. Vor- und Familiennamen im deutschen Sprachgebiet München 42003, S19.
[11] bach (1952), S. 80f.
[12] Bauer (1998), S. 139.
[13] Schützeichel (1982), S. 27.
[14] Sonderegger (1997), S. 6.
[15] Kunze (2003), S. 19.
[16] Sonderegger (1997), S. 7.
[17] Bach (1952), S. 81.
[18] Greule (1996), S. 1182.
[19] Ebd., S. 1186.
[20] Sonderegger (1997), S. 9.
[21] Schramm, Gottfried: Namenschatz und Dichtersprache. Studien zu den zweigliedrigen Personennamen der Germanen, (ZVS-Ergänzungshefte, 15), Göttingen 1957, S. 39.
[22] Greule (1996), S. 1183.
[23] Sonderegger (1997), S. 9.
[24] Schützeichel (1982), S. 24.
[25] Bach (1952), S. 84f.
[26] Ebd., S. 83.
[27] Schützeichel (1982), S. 24f.
[28] Bach (1952), S. 83.
- Quote paper
- Sandra Johann (Author), 2011, Namenmorphologie. Die morphologische Struktur der germanischen zweigliedrigen Rufnamen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/207129
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