Der 1935 von dem deutschen Philosophen Walter Benjamin im französischen Exil
verfasste Aufsatz Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen
Reproduzierbarkeit thematisiert den (technischen) Wandel der Kunst von einem
unnahbaren, auratischen Kultobjekt hin zu einem vollständig durchdrungenen,
politisch instrumentalisierbaren Kulturgut der zerstreuten Massen.
Die These Walter Benjamins, durch die technische Reproduktion zerfalle die Aura
eines Kunstwerkes bildet die Grundlage meiner Auseinandersetzung mit dem
Aufsatz. Zunächst einmal werde ich Benjamins Konzept der Aura sowie seine
Ausführungen zu deren Verfall vorstellen. Danach werde ich anhand von
Beispielen diskutieren, ob die Reproduktion eines Werkes tatsächlich immer mit
einem Aurazerfall einhergeht, oder ob durch die Medien stattdessen nicht sogar
eine neue Aura konstituiert werden kann.
In einem zweiten Teil geht es dann um die von Benjamin konstatierten
medieninduzierten Wahrnehmungsveränderungen der Menschen.
Zunächst werden die von Benjamin angesprochenen Veränderungen in der
Rezeption von Medien und Wirklichkeit kurz dargestellt und später auf mögliche
Wahrnehmungsveränderungen im alltäglichen Leben eingegangen, die auf den
Konsum neuer Medien zurückzuführen sind.
Inhaltsverzeichnis
1. Themenstellung
2. Zerfall und Neuentstehung der Aura
2.1 Walter Benjamins Begriff der Aura
2.1.2 Arbeitsdefinition der Aura: Die Aura als wahrgenommener Zauber
2.2 Der Zerfall der Aura durch die technische Reproduktion
2.3 Die Konstituierung von Aura durch die technische Reproduktion
2.4 Zwischenfazit
3. Wahrnehmungsveränderungen durch die Medien
3.1 Wahrnehmungslenkungen nach Walter Benjamin
3.2 Langfristige Wahrnehmungsveränderungen durch den Konsum neuer n
3.2.1 Der Fotoblick
3.2.2 Gedankenstrukturierung durch Twitter und Facebook
3.2.3 Die Umgebung als Landkarte
3.3 Zwischenfazit zu den medieninduzierten Wahrnehmungsveränderungen
4. Fazit
5. Literaturverzeichnis
1. Themenstellung
Der 1935 von dem deutschen Philosophen Walter Benjamin im französischen Exil verfasste Aufsatz Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit thematisiert den (technischen) Wandel der Kunst von einem unnahbaren, auratischen Kultobjekt hin zu einem vollständig durchdrungenen, politisch instrumentalisierbaren Kulturgut der zerstreuten Massen.
Die These Walter Benjamins, durch die technische Reproduktion zerfalle die Aura eines Kunstwerkes bildet die Grundlage meiner Auseinandersetzung mit dem Aufsatz. Zunächst einmal werde ich Benjamins Konzept der Aura sowie seine Ausführungen zu deren Verfall vorstellen. Danach werde ich anhand von Beispielen diskutieren, ob die Reproduktion eines Werkes tatsächlich immer mit einem Aurazerfall einhergeht, oder ob durch die Medien stattdessen nicht sogar eine neue Aura konstituiert werden kann.
In einem zweiten Teil geht es dann um die von Benjamin konstatierten medieninduzierten Wahrnehmungsveränderungen der Menschen.
Zunächst werden die von Benjamin angesprochenen Veränderungen in der Rezeption von Medien und Wirklichkeit kurz dargestellt und später auf mögliche Wahrnehmungsveränderungen im alltäglichen Leben eingegangen, die auf den Konsum neuer Medien zurückzuführen sind.
2. Zerfall und Neuentstehung der Aura
2.1 Walter Benjamins Begriff der Aura
In seinem Kunstwerkaufsatz bezieht Benjamin den Begriff der Aura hauptsächlich auf vom Menschen geschaffene Kunstwerke, aber auch auf die menschliche Erscheinung selbst und auf die Natur.1
Bei der Aura handelt es sich Benjamin zufolge um eine „einmalige Erscheinung einer Ferne, so nah sie sein mag“.2 Die Aura sei an das einmalige „Hier und Jetzt“ eines Gegenstandes, einer Erscheinung oder eines Menschen gebunden und verweise stets auf etwas: Jedes Ding wurde in einem bestimmten Kontext geschaffen und mit einer Bedeutung aufgeladen; Kontext sowie Bedeutung seien in der Aura als „geschichtliche Zeugenschaft“ enthalten.3 Weiterhin wichtig für den Begriff der Aura ist die materielle Dauer eines Gegenstandes; das bedeutet, dass die Aura an das Bestehen ihres Trägers geknüpft ist und verschwindet, sobald der Gegenstand nicht mehr existiert.4
2.1.2 Arbeitsdefinition der Aura: Die Aura als wahrgenommener Zauber
Walter Benjamin differenziert in seinem Aufsatz nicht zwischen unterschiedlichen Auraarten; für ihn ist die Aura etwas homogenes, das von einzelnen Objekten ausstrahlt und gleichförmig auf alle Betrachter einwirkt.
Es stellt sich jedoch die Frage, ob ein Kunstwerk tatsächlich auf jede Person die gleiche Wirkung hat und ob überhaupt ein jeder die 'ausstrahlende' Aura wahrnimmt. Es ist anzunehmen, dass jemand, der um die Geschichte antiker Steinmalereien weiß, diese ganz anders perzipiert als eine Person, die die selben Malereien durch Zufall in einer Höhle vorfindet, sie aber nicht als solche erkennt und stattdessen für wetterbedingte Maserungen im Stein hält.
Selbst wenn man davon ausgehen würde, dass die Aura eines Gegenstandes auf alle Betrachter gleich wirkt, so müsste man doch zwischen den Auren verschiedener Dinge differenzieren. Die antike Höhlenmalerei, die nur versierten Wissenschaftlern in einen Kontext gestellt werden kann, wird vermutlich eine ganz andere Aura haben, als eine Marienstatue aus dem 13 Jahrhundert zu der - auf Initiative religiöser Gemeinden - jährlich 10.000 von Menschen pilgern.
Für meine weitere Arbeit mit dem Begriff der Aura gehe ich von drei Grundannahmen aus: erstens definiere ich die Aura als 'Zauber', der von einem Gegenstand ausgeht, beziehungsweise als den nichtmateriellen Wert, den dieser besitzt. Zweitens begreife ich die Aura als auf die individuelle - nicht generalisierbare - Wahrnehmung eines Objektes bezogen und drittens lege ich die Annahme zu Grunde, dass nicht alle Dinge ein gleichgroßes auratisches Potential besitzen, sprich es bei bestimmten Gegenständen (sei es aufgrund ihrer Entstehungsgeschichte, ihrer geographischen Lage oder anderer Faktoren) wahrscheinlicher ist, dass ein Groß von Menschen ihnen eine Aura zuspricht.
2.2 Der Zerfall der Aura durch die technische Reproduktion
Walter Benjamin geht davon aus, dass das, „was im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit des Kunstwerks verkümmert, […] seine Aura [ist]“.5 Die attestierte Auraverkümmerung sei auf unterschiedliche Gründe zurückzuführen:
Im Gegensatz zur manuellen Reproduktion, bei der das ursprüngliche Kunstwerk zwar kopiert, die Wahrnehmung des kopierten Gegenstandes jedoch nicht verändert werde6, erscheine der einst auratische Gegenstand, sobald er in einem neuen, technischen Medium abgebildet wird, in einem völlig anderen Licht. Er werde aus seinem Kontext gerissen und in einen neuen, oft widersprüchlichen Sinnzusammenhang eingeordnet, wodurch das auratisch so wichtige „Hier und Jetzt“, sowie der Traditionswert des Gegenstandes verloren gehen.7 Durch die massenhafte Reproduktion komme es außerdem zu einem Verlust der Einzigartigkeit des Kunstwerkes8 ; dem Gefühl nach kann jederzeit auf das Werk zugegriffen werden, wodurch er gewissermaßen seinen 'Zauber' verliert. Sehr schwerwiegend sei außerdem, der veränderte Blick des Rezipienten auf den Gegenstand durch das zwischengeschaltete Medium.
In Analogie zu einem Chirugen, der in den vor ihn liegenden Körper eindringe, so wahre auch der Kameramann keine Distanz zu dem von ihm gefilmten Gegenstand, sondern dringe tief in die auf den ersten Blick verborgenen Strukturen ein.9 Die filmische Realität, mit der der Rezipient dann konfrontiert wird, zeige zuvor verborgene Aspekte des gefilmten Objektes. Großaufnahmen bestimmter Details machen bisher unsichtbare Strukturen sichtbar und darüber hinaus sei es möglich durch Schnitte und Zeitlupen die Wahrnehmung der Zuschauer zu lenken.10 Es ließe sich resümieren, dass das Werk dadurch, dass es nicht mehr frei wirken kann seine Aura verliert und dadurch gewissermaßen 'entzaubert' wird.
2.3 Die Konstituierung von Aura durch die technische Reproduktion
Wenn Benjamin den Zerfall der Aura durch die technisch-mediale Reproduktion beschreibt, dann klingt es so, als sei der Verfall der Aura eine Art Naturgesetz. Da in unserer medialen Welt immer mehr Gegenstände, Menschen und Landschaften Objekte eines Filmes oder Statisten in einer Medienproduktion werden, müsste die Gesamtmenge der auf der Welt befindlichen Aura in dem Maße abnehmen, in dem immer mehr einst auratisch aufgeladene Dinge durch ein mediatisiertes Erscheinen säkularisiert und ihrer Aura beraubt werden.
Meine These ist nun, dass die neuen Medien die Aura eines Gegenstandes nicht zwangsläufig zerstören. Vielmehr können sie einem Gegenstand erst eine Aura verleihen oder sogar selbst einen 'auratischen Zauber' entwickeln.
Ich stimme Walter Benjamin zu, dass durch gewisse (Film-)Aufnahmen der säkuläre Charakter eines Gegenstandes - wenn auch nicht zerstört - so zumindest gemindert werden kann. Eine von vielen tausend Menschen verehrte Marienstatue, die stets unnahbar im hinteren Teil des Kirchenschiffes auf einem hohen Sockel stand, kann durchaus an Zauber verlieren, wenn sie in einem Film oder einer Dokumentation plötzlich von allen Seiten betrachtbar gemacht wird und zudem durch geschickte Kamerführungen und effektvolle Vergrößerungen auf unsauber gearbeitete Details hingewiesen wird.
Solch eine explizite Entauratisierung wird in den Medien jedoch eher selten betrieben. Oft wird die im Film gezeigte Abbildung eines Gegenstandes gar nicht allzu direkt mit dem tatsächlichen Kunstwerk verknüpft. Natürlich kann die Aura nicht im gleichen Maße wie das Abbild durch die Medien transportiert werden und der gezeigte Gegenstand erscheint im Zweifelsfall erst einmal auraleer.
[...]
1 Walter Benjamin(1936): Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkei (Dritte Fassung). Im Original in: Zeitschrift für Sozialforschung, Jg.5 (URL: http://walterbenjamin.ominiverdi.org/wp-content/kunstwerkbenjamin.pdf . S.1-28 [12.01.2012]) S.5-6, S.11 )
2 Benjamin (1936), S.4
3 Ebda.
4 Ebda.
5 Benjamin (1936), S.5
6 Ebda. S.4
7 Ebda
8 Ebda. S.7
9 Ebda. S18
10 Benjamin (1936), S.21
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