Vorbemerkungen zu einem Themenkomplex mit Spannungspotenzialen: "KunstPädagogik" - "bildende Kunst"
"Der Mensch ist seine Kunst." (Asger Jorn. Zitiert nach Steffens, A.: Selbst-Bildung. Die Perspektive der Anthropoästhetik. Oberhausen 2011, S. 11)
Theoretische Überlegungen und deren Relevanz für eine pädagogische Praxis in und außerhalb von schulischen Kontexten an der Schnittstelle zwischen Kunst und Pädagogik begleiten mich nun schon von Beginn des Studiums an. Der Laie macht sich gemeinhin wenig Gedanken darüber, ob und wenn ja, was Kunst und Pädagogik gemeinsam haben und worin sie sich unterscheiden. In Zeiten, in denen Bildung an ihrer ökonomischen Verwertbarkeit gemessen wird, hat es die Kunst und somit auch die Kunstpädagogik als scheinbare Nebensächlichkeit im Kanon der Schulfächer schwer, sich in den Curricula der Bundesländer zu halten. Ich möchte einige Fragen an den Beginn dieser Arbeit stellen, um dann in mehreren Schritte den Versuch zu unternehmen, diese systematisch zu klären. (...)
Die Relevanz des Gegenstandes steht (also) außer Frage: Bildung betrifft jeden! Nicht nur diejenigen, die sich für ein Studium eines Lehramtes oder einer anderen pädagogischen Fachrichtung entscheiden, müssen sich mit Fragen der Bildung auseinandersetzen. Jeder, der studiert, bildet sich. Es ist Aufgabe und Pflicht jedes Studierenden, in Bildungsprozesse einzutreten. Darüber hinaus müssen wir als zukünftige Lehrerinnen und Lehrer nicht nur in der Lage sein, Bildungsprozesse bei den uns anvertrauten Schülerinnen und Schülern anzustoßen, sondern auch selbst fortwährend in Auseinandersetzung mit sich ständig und immer schneller ändernden Rahmenbedingungen treten.
Meine These ist: Nur, wer eigene Bildungsprozesse reflektiert und wer sich intensiv mit der Frage auseinandersetzt, was Bildung eigentlich ist, kann Bildungsprozesse auch bei Schülerinnen und Schülern anstoßen, in Gang setzen. Nur wer den Schmerz wie auch die Lust an der ständigen Auseinandersetzung mit dem Neuen und dem Fremden kennt, die Bildungsprozessen unweigerlich innewohnen, kann in seiner Funktion als Vor-Bild zeigen, dass es sich lohnt, sich dieser Aufgabe zu stellen. Dabei bin ich der Überzeugung, dass insbesondere die aktuelle Kunstpädagogik einen wichtigen Beitrag zum Verständnis und zur Reflexion eigener Bildungsprozesse leisten kann.
Inhaltsverzeichnis
1 Vorbemerkungen zu einem Themenkomplex mit Spannungspotenzialen: „KunstPädagogik“ - „bildende Kunst“
2 Methodische Überlegungen. Oder: Zum Problem der wissenschaftlichen Methodenvielfalt
2.1 Hermeneutik
2.1.1 Zur Begriffsgeschichte
2.1.2 Der hermeneutische Zirkel
2.1.3 Produktive Interpretation
2.1.4 Pädagogische Hermeneutik
2.2 Bildungstheorie
3 Bildung
3.1 Bildung: eine kleine Begriffsgeschichte
3.1.1 Die Bedeutungsbreite des deutschen Wortes Bildung bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts
3.1.2 18. Jahrhundert: Bildung und Erziehung als Schlüsselbegriffe der entstehenden Pädagogik im Zeitalter der Aufklärung
3.1.3 Die Idee der Bildung im 19. Jahrhundert
3.1.4 20. Jahrhundert: Die Hinwendung zur empirischen Forschung
3.2 Postmoderne Bildungsbegriffe
3.2.1 Dietrich Schwanitz: Bildung. Alles, was man wissen muss.
3.2.2 Hartmut von Hentig: Bildung. Ein Essay
3.2.3 Bildungsverständnisse im Vergleich
3.3 Versuch einer Systematisierung: Bildung als Prozess
4 Kunst
4.1 Der traditionelle Kunstbegriff
4.1.1 Platon: Kunst als Spiegel der Wahrheit
4.1.2 Aristoteles: mímesis als Wegbereiter der catharsis
4.1.3 Kunst im Mittelalter: Darstellung des Göttlichen
4.1.4 Renaissance: Geburt des neuzeitlichen Kunstbegriffes
4.1.5 Kant: Schönsein als höchster Zweck des Kunstwerkes und die Entdeckung des Genies
4.1.6 Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Das „Wunder der Idealität“
4.1.7 Auf dem Weg zur Moderne: Die Überhöhung der Kunst im 19. Jahrhundert
4.2 Die Folgen der Moderne: Der erweiterte Kunstbegriff
4.2.1 Die Welt im Umbruch
4.2.2 Marcel Duchamp: Kunst als Gegenkunst
4.2.3 Joseph Beuys: Der anthropologische Kunstbegriff
4.2.4 Arthur C. Danto: Die Verklärung des Gewöhnlichen
4.3 Versuch einer Systematisierung: Kunst in der Postmoderne als hermeneutischer Prozess
5 Leben
5.1 Das Leben als Material
5.2 Wilhelm Schmid: Lebenskunst als Ziel eines gebildeten Lebens
5.2.1 Die Bedeutung der Hermeneutik für die Lebenskunst
5.2.2 Lebenskunst als Kunst
5.3 Versuch einer Systematisierung: Leben als Aufgabe
6 Bildung an der Schnittstelle. Oder: Im Spannungsfeld zwischen Kunst und Pädagogik
6.1 Den Wald vor lauter Bäumen: Wirrungen kunstpädagogischer Konzepte
6.1.1 Gunter Otto: Erziehung, nicht Bildung
6.1.2 Gert Selle: Auto-Didaktik oder Selbst-Bildung?
6.2 Bildung mit Kunst? Bildung aus Kunst? Oder Bildung durch Kunst?
6.3 Künstlerische Bildung
7 Potenziale künstlerischer Bildung vor dem Horizont allgemeiner Bildung
7.1 Künstlerische Bildung als Prozess mit dem Ziel: Lebenskunst
7.1.1 Exkurs 1: Die Bedeutung des Beuysschen Kunstbegriffes für die künstlerische Bildung
7.1.2 Exkurs 2: Die Bedeutung des Schmidschen Lebenskunstkonzeptes für die künstlerische Bildung
7.1.3 Exkurs 3: Andreas Steffens: Die Perspektive der Anthropoästhetik
7.2 Zur praktischen Relevanz: Das Portfolio als Bildungsinstrument
7.2.1 Das künstlerische Portfolio
7.2.2 Das Portfolio „Schulpraktische Studien“
8 Schlussbemerkungen
Literatur
Erklärung
1 Vorbemerkungen zu einem Themenkomplex mit Spannungspotenzialen: „KunstPädagogik“ - „bildende Kunst“
„Der Mensch ist seine Kunst.“[1]
Theoretische Überlegungen und deren Relevanz für eine pädagogische Praxis[2] in und außerhalb von schulischen Kontexten an der Schnittstelle zwischen Kunst und Pädagogik begleiten mich nun schon von Beginn des Studiums an. Der Laie macht sich gemeinhin wenig Gedanken darüber, ob und wenn ja, was Kunst und Pädagogik gemeinsam haben und worin sie sich unterscheiden. In Zeiten, in denen Bildung an ihrer ökonomischen Verwertbarkeit gemessen wird, hat es die Kunst und somit auch die Kunstpädagogik als scheinbare Nebensächlichkeit im Kanon der Schulfächer schwer, sich in den Curricula der Bundesländer zu halten. Ich möchte einige Fragen an den Beginn dieser Arbeit stellen, um dann in mehreren Schritte den Versuch zu unternehmen, diese systematisch zu klären. Dabei beschränke ich mich bewusst auf den Aspekt der Bildung und lasse den der Erziehung[3] in den Hintergrund rücken, obwohl außer Frage steht, dass beides Grundbegriffe sowohl der Allgemeinen Pädagogik als auch der Kunstpädagogik sind. Begründen möchte ich diese Entscheidung damit, dass die Bildung im Gegensatz zur Erziehung (die idealerweise mit dem Erreichen des Erwachsenenalters abgeschlossen sein sollte) jeden von uns auch selbst betrifft und eine Klärung ihrer Begriffsbedeutungen und -inhalte daher für unsere eigenen Selbstbildungsprozesse relevant sein sollte.
Die Relevanz des Gegenstandes steht also außer Frage: Bildung betrifft jeden! Nicht nur diejenigen, die sich für ein Studium eines Lehramtes oder einer anderen pädagogischen Fachrichtung entscheiden, müssen sich mit Fragen der Bildung auseinandersetzen. Jeder, der studiert, bildet sich. Es ist Aufgabe und Pflicht jedes Studierenden, in Bildungsprozesse einzutreten. Darüber hinaus müssen wir als zukünftige Lehrerinnen und Lehrer nicht nur in der Lage sein, Bildungsprozesse bei den uns anvertrauten Schülerinnen und Schülern anzustoßen, sondern auch selbst fortwährend in Auseinandersetzung mit sich ständig und immer schneller ändernden Rahmenbedingungen treten.
Meine These ist: Nur, wer eigene Bildungsprozesse reflektiert und wer sich intensiv mit der Frage auseinandersetzt, was Bildung eigentlich ist, kann Bildungsprozesse auch bei Schülerinnen und Schülern anstoßen, in Gang setzen. Nur wer den Schmerz wie auch die Lust an der ständigen Auseinandersetzung mit dem Neuen und dem Fremden kennt, die Bildungsprozessen unweigerlich innewohnen, kann in seiner Funktion als Vor-Bild zeigen, dass es sich lohnt, sich dieser Aufgabe zu stellen. Dabei bin ich der Überzeugung, dass insbesondere die aktuelle Kunstpädagogik einen wichtigen Beitrag zum Verständnis und zur Reflexion eigener Bildungsprozesse leisten kann.
An den Beginn meiner Arbeit möchte ich grundsätzliche methodische Überlegungen stellen, die sich angedeutet schon im Titel der Arbeit finden. Die Frage, was man unter Begriffen wie Bildung oder Kunst verstehen kann, hängt nämlich in nicht unerheblichem Maß vom zugrundeliegenden Wissenschafts- und Forschungsverständnis ab. Die allererste Frage, die zu stellen ist, bevor es an die Begriffe gehen kann, ist diese: Auf welchem Weg kommt man zu neuen (theoretischen) Erkenntnissen, welchen Wert haben diese Erkenntnisse an sich und welche Relevanz haben sie dann für eine wie auch immer geartete pädagogische Praxis? Ich habe mich an dieser Stelle für die Methode der Hermeneutik entschieden, auch, weil sie sowohl in der Pädagogik als auch in der Kunst (-wissenschaft) ihren historischen Ort hat.
Nach Klärung der von mir verwendeten wissenschaftlichen Methoden soll ein Überblick über die Begriffs- und Bedeutungsgeschichte der Forschungsgegenstände dieser Arbeit, Bildung und Kunst, gegeben werden. Auch hier liegt die Überlegung zugrunde, dass ein nahezu inflationärer Gebrauch dieser Begriffe in der (kunst-) pädagogischen Fachsprache zu beobachten ist, ohne, dass die jeweils gemeinte Bedeutungsbreite vorher geklärt worden wäre. Hierdurch kommt es immer wieder zu offensichtlichen Missverständnissen, die dazu führen, dass man „aneinander vobei“ redet, und weder gegenseitiges Verständnis noch Erkenntnis gewonnen werden kann. Ein dritter Gegenstand tritt nach Klärung der Begrifflichkeiten hinzu: Das Leben. Gemeinsam mit Bildung und Kunst bildet das Leben einen Dreiklang: Drei Pole, die sich aufeinander beziehen und gleichzeitig ganz unterschiedlicher Natur sind. Hier geht es hinein in die ureigensten Grundgedanken der Philosophie: Möglicherweise sind die Fragen, die wir an Bildung, Kunst und Leben stellen am Ende doch nicht so voneinander verschieden, wie ursprünglich gedacht?
Schließlich soll es um eine „Schnittmenge“ gehen, „etwas“, welches ich an der Schnittstelle zwischen diesen Forschungsbereichen zu finden hoffe und erwarte. Dabei muss eine Auseinandersetzung mit der Schwierigkeit stattfinden, dass zwei scheinbar unverbundene und auch unvereinbare Lebens- und Forschungsbereiche auf einen Nenner zu bringen sind. Die Theorien, die dabei in dieser Arbeit vorgestellt werden, können angesichts der Fülle an Material nur exemplarischen Charakter haben. Es gäbe ausreichend Forschungsraum, um über jedes einzelne Unterkapitel eine eigene Dissertation zu schreiben, wenn sie denn noch nicht geschrieben wurde. Mir geht es am Ende um die alles entscheidende Frage, welche Relevanz die aus der Schnittmenge theoretischer Untersuchungen gewonnenen Erkenntnisse für eine kontinuierlich stattfindende Lehrer-Selbst-Bildung haben kann und wie sie für die alltägliche pädagogische Praxis, sei es in der Schule oder anderswo, fruchtbar zu machen ist.
2 Methodische Überlegungen. Oder: Zum Problem der wissenschaftlichen Methodenvielfalt
Sowohl in der Allgemeinen Pädagogik und Bildungstheorie als auch in der Kunstpädagogik findet man begriffliche Traditionen und Erkenntnisse, die seit alters her überliefert sind und dennoch auf merkwürdige Weise vergessen zu sein scheinen. Diese „Geschichtslosigkeit“, die sich in den neuzeitlichen Wissenschaften zunehmend findet, hat zur Folge, dass es kaum noch Klarheit darüber gibt, ob Erkenntnisfortschritte erzielt worden sind oder ob es sich schlicht um Wiederholungen von schon Gedachtem und Erkanntem handelt.[4] Hinzu kommt, dass je nach Selbstverständnis der Pädagogik als einer Real-, Erfahrungs- und Sozial- oder als Geisteswissenschaft empirische, auf Erfahrung bezogene oder auf Anschauung begründete Forschungsmethoden dominieren und hierdurch bestimmte Forschungsergebnisse und pädagogische Theoriebildungen über solche begrifflichen Traditionen konstituiert und differenziert werden.[5]
Es ist also notwendig, vorab zu klären, auf welche Weise in dieser Arbeit Erkenntnisse gewonnen werden sollen und warum diese und keine andere Methode der Erkenntnisgewinnung gewählt wurde. Dies ist eine (bildungs-) theoretische Arbeit. Sie beschäftigt sich mit Texten und Theorien, in denen sich Menschen Gedanken über Inhalt und Ziel von Bildung im Allgemeinen und Bildung durch und mit Kunst im Besonderen machen. Beim Versuch, die sich aufdrängenden Fragen zu beantworten, stößt man schnell auf Schwierigkeiten. Eine wesentliche Schwierigkeit ist die, dass Sprache (und da es hier um Texte geht, geht es unvermeidbar immer auch um die Sprache der Texte) für den Rezipienten niemals eindeutig sein kann. Es ist also dringend geboten, die Vielfalt und Uneindeutigkeit einiger Begrifflichkeiten zu klären, bevor eine tiefergehende Beschäftigung mit Ihnen erfolgen kann.
Vor dem Hintergrund der Forderung nach Rückbesinnung auf eine notwendige Verschränkung von Empirie und Hermeneutik schließe ich mich hier den Thesen gesellschaftskritischer TheoretikerInnen an und möchte Pädagogik (und damit auch Bildungstheorie) als Geisteswissenschaft verstanden wissen, auch, weil ich der Auffassung bin, dass eine intersubjektiv nachprüfbare, falsifizierbare Beschreibung, Erklärung und Vorhersage der Erziehungs- und Bildungswirklichkeit nicht möglich ist. Der Gegenstand ist nicht vom Betrachter zu lösen. Um dieser Schwierigkeit zu begegnen, habe ich mich für die klassisch qualitative Denkform der Hermeneutik entschieden.[6]
2.1 Hermeneutik
Die Hermeneutik ist Methode des Auslegens und Deutens von Dokumenten, Schriften, Sprach- und Kunstwerken. Sie „soll Inhalte eines Textes aus- oder offen legen, die zunächst - z.B. bei der oberflächlichen Lektüre - nicht auffallen. Sie öffnet gewissermaßen den Blick für Textgehalte, die bei der normalen Lektüre nicht unmittelbar sichtbar werden.“[7] Hermeneutik bezieht sich auf Sprache. Ich befasse mich in dieser Arbeit mit sprachlichen Phänomenen, nämlich den Begriffen Bildung und Kunst. Diese Begiffe sind vieldeutig und bedürfen der Auslegung.[8] Im weiteren Sinne ist damit auch der geisteswissenschaftliche Weg des Verstehens gemeint.[9]
2.1.1 Zur Begriffsgeschichte
Der Begriff Hermeneutik geht ursprünglich auf hermeneutica, eine lateinische Ableitung des 17. Jahrhunderts aus dem griechischen Verb ermeneuein, zurück, welches mit „aussagen, verkünden, dolmetschen, erklären, auslegen“ übersetzt werden kann. Die Grundbedeutung von ermeneia (Aussage von Gedanken) verweist auf das, was die Hermeneutik zu leisten versucht: Einen Sinnzusammenhang aus einer „anderen Welt“ in die eigene zu übertragen.[10]
Schon im Antiken Griechenland galt die Kunst des Erklärens, Interpretierens und Übersetzens als wichtiges Prinzip der Mythologie und Philosophie. Hermes ist als Götterbote wie auch als Erfinder von Sprache und Schrift der mythologische Gott der Hermeneutik.[11]
Die moderne Hermeneutik hat ihren Ursprung im Zeitalter der Aufklärung. Johann Christoph Dannhauer führte mit seiner Hermeneutica sacra den Begriff 1654 in Form eines gedruckten Leitfadens zur „richtigen“ (d.h. protestantischen) Auslegung der Heiligen Schrift ein. Es handelt sich hierbei um ein Regelwerk mit dessen Hilfe die Erfassung des richtigen Sinnes von Gottes Wort erst möglich gemacht werden sollte.[12] Neben diesem Regelwerk entstanden in der Folge weitere „Spezialhermeneutiken“ oder „materiale“ Hermeneutiken, die sich vorwiegend im theologischen und juristischen Bereich aus der Praxis heraus entwickelten.
Seit 1800 bildete sich auf Grundlage der juristischen und theologischen Spezialhermeneutiken eine allgemeine (oder philosophische) Hermeneutik heraus, die die Voraussetzungen des (Text-) Verstehens und der Interpretation ergründen wollte. Insbesondere Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher (1768-1834)[13] und Wilhelm Dilthey (1833-1911)[14] verdanken wir die Weiterentwicklung der Hermeneutik zu einer Wissenschaftstheorie.[15]
Mit den Philosophen Martin Heidegger und dessen Schüler Hans-Georg Gadamer erhielt die Hermeneutik schließlich einen „universalen Charakter“. Sie entwickelte sich zu einer Philosophie des Verstehens. Gadamer kam als Vordenker dieser philosophischen Hermeneutik zu dem Schluss, „daß Verstehen nur so möglich ist, daß der Verstehende seine eigenen Voraussetzungen ins Spiel bringt.“[16] Er benannte auch die Methodenproblematiken theologischer und juristischer Spezialhermeneutiken, die ohne Anerkennung der Grenzen eigener Selbstauffasisung zu dogmatischen Interpretationen führen können.[17]
2.1.2 Der hermeneutische Zirkel
Verstehen als zirkulärer Prozess wurde erstmals von Schleiermacher thematisiert, später von Dilthey zur Theorie des hermeneutischen Zirkels weiterentwickelt und ist bis heute von zentraler Bedeutung für die Hermeneutik.[18] „[...] Auch innerhalb einer einzelnen Schrift kann das Einzelne nur aus dem Ganzen verstanden werden, und es muß deshalb eine kursorische Lesung, um einen Überblick des Ganzen zu erhalten, der genaueren Auslegung vorangehen [...] Dies scheint ein Zirkel, allein zu diesem vorläufigen Verstehen reicht diejenige Kenntnis des Einzelnen hin, welche aus der allgemeinen Kenntnis der Sprache hervorgeht.“[19]
Verstehen ereignet sich nicht von selbst. Vielmehr spielt das individuelle Vorverständnis sowie das Wissen, die Erfahrung und die historische Bedingtheit des Interpreten eine entscheidende Rolle. Ein Text, beziehungsweise das zu Verstehende, muss als „Fremdes“ in das „Eigene“, Vertraute integriert werden. Je nachdem, ob das zu Verstehende passt oder nicht, erscheint dem Leser der Text verständlich oder aber er nimmt an ihm Anstoß. Den dadurch entstehenden hermeneutischen Zirkel des Verstehens kann man mit Heidegger als „Ineinanderspiel der Bewegung der Überlieferung und der Bewegung des Interpreten“ betrachten, wobei die Antizipation von Sinn aus der Gemeinsamkeit, die uns mit der Überlieferung verbindet, das Verständnis des Textes leitet.[20]
2.1.3 Produktive Interpretation
Ziel der zirkulären Hermeneutik von Schleiermacher und Dilthey war, dass die Interpretation des Textes mehr als ein reines Verständnis dessen sein sollte, was der Autor damit ursprünglich hatte sagen wollen. Es ging angesichts des eigenen weitaus breiteren Wissens um historische Hintergründe vielmehr um ein besseres Verständnis eines Textes aus der Vergangenheit. Gadamer nannte diesen Umstand „Produktivität“ einer hermeneutischen Situation, mit der Begründung, dass das Verstehen des Autors nicht nur reproduktiver, sondern stets auch produktiver Art sei und damit immer den vom Autor gemeinten Sinn übertreffe. Allerdings sei Verstehen in Wahrheit kein Besserverstehen. Es genüge zu sagen, dass man anders verstehe, wenn man denn überhaupt verstehe.[21]
2.1.4 Pädagogische Hermeneutik
Mit Schleiermacher fand die von ihm neu begründete Hermeneutik auch Eingang in die entstehende Wissenschaft der Pädagogik.[22] In der pädagogischen Hermeneutik geht es nun nicht mehr nur um das Verstehen oder die Interpretation von Texten. Man könnte in diesem Zusammenhang auch von einer anwendungsbezogenen Hermeneutik (im Gegensatz zu literatur- oder kunstwissenschaftlichen Hermeneutiken[23] ) als fachwissenschaftliche Forschungsmethode sprechen.[24]
Ich schließe mich den Überlegungen Wolfgang Klafkis an, der sich in seinem 2001 erschienenen Beitrag in der „Einführung in die pädagogische Hermeneutik“ für ein weites Verständnis des Hermeneutik-Begriffes ausspricht. Es soll bei der Verwendung hermeneutischer Methoden keinesfalls lediglich um die Auslegung des richtigen Sinngehaltes von Dokumenten, gleich welcher Art, gehen. Vielmehr geht es ihm, neben dem Einbezug anderer wissenschaftlicher Verfahren, um eine „überprüfbare Erkenntnis der Wirklichkeit, hier: der Erziehungswirklichkeit [...], und zwar so, daß man zugleich um Leistung und Grenze solcher Erkenntnis weiß.“[25]
Für die nun folgenden Betrachtungen heißt das, dass ich mich nicht lediglich auf die produktive Interpretation dessen beschränke, was Texte über Bildung, Kunst und künstlerische Bildung hergeben. Ich möchte weiter gehen und auch das in meine Überlegungen mit einbinden, was sich in der gegenwärtigen Wirklichkeit beobachten lässt. Dass damit eine Subjektivität einhergeht, kann vor dem Hintergrund der vorangegangenen Überlegungen meines Erachtens nach in Kauf genommen werden. Es sei dem Leser dieser Arbeit überlassen, ob er sich selbst in einen hermeneutischen Verstehensprozess hineinbegeben möchte, in dessen Ergebnis nicht nur vielleicht, sondern um Gadamer zu folgen, in jedem Fall etwas anderes, vielleicht auch etwas neues entstehen möge.
2.2 Bildungstheorie
Womit befasst sich die Bildungstheorie und was ist demgemäß mit „bildungstheoretischen“ Überlegungen gemeint? Zunächst einmal darf der Begriff Bildungstheorie in Folge der vorangegangenen Überlegungen zur Hermeneutik aus sich heraus verstanden werden: Es geht um die Theorie der Bildung. Die Theorie der Bildung gibt es vermutlich fast ebenso lange, wie es den Begriff der Bildung im deutschen Sprachraum gibt. Denn schon früh haben die Menschen, die den Begriff der Bildung verwendet haben, Gedanken über dessen Inhalt und Bedeutung gemacht.
Begibt man sich jedoch auf die Suche nach einer systematischen Erklärung oder Definition dessen, was eigentlich mit Bildungstheorie im Gebäude der Allgemeinen Pädagogik gemeint ist, findet man nicht viel. Eine der wenigen Lexikon-Definitionen zu Inhalt und Gegenstand der Bildungstheorie findet sich im „Wörterbuch Pädagogik“ des Deutschen Taschenbuchverlages:
„In Abhängigkeit von den weltanschaulichen, politischen und religiösen Grundlagen einer Gesellschaft entstehen Bildungsprogramme als Konzepte für individuelle und kollektive Anstrengungen, in deren Verlauf Bildung gelingen soll [...] Ihr Kriterium sind Leitbilder vom erwünschten, als richtig und wertvoll beurteilten Verhalten des Einzelnen in der Auseinandersetzung mit den fundamentalen Problemstellungen der Lebensgestaltung in der individuellen Existenz, in der Familie, sozialen Gruppen, politischen Verbänden und Prozessen, in Arbeit und Beruf, Kunst, Wissenschaft und Religion. B. [Bildungstheorie] untersucht die Entstehungs- und Begründungszusammenhänge solcher Bildungskonzeptionen. Sie rekonstruiert die inhaltliche, methodische und organisatorische Gestaltung solcher Prozesse, die individuelle Lernfähigkeit, gesellschaftliche Tüchtigkeit und reflektierte Wertorientierung ermöglichen sollen. Sie fragt nach den jeweils in den Bildungskonzeptionen und ihrer Praxis enthaltenen anthropologischen Vorstellungen, nach den Normen und Prinzipien, die in Bildungsprozessen zu beachten sind, nach den Aufgaben, die aus spezifischen Bildungskonzeptionen erwachsen, sowie nach ihrem Verhältnis zueinander.“[26]
„Bildungstheorie“ grenzt sich ab von „Bildungsforschung“, die seit den 1960er Jahren insbesondere auf Praxis und Praxisorientierung hinzielt und sich vorwiegend empirischer Methoden bedient.[27] Eine der wenigen, systematisch durchdachten und historisch-hermeneutisch reflektierten Bildungstheorien findet man bei Dietrich Benner (*1941), der sich in seinen „Hauptströmungen der Erziehungswissenschaft“[28] zur Bildungstheorie als einem der insgesamt drei Teilbereiche umfassenden Teil der traditionellen Pädagogik äußert. Benner ordnet die Theorie der Bildung als eine Art untrennbaren Gegenpol zur Theorie der Erziehung in das Gebäude der Pädagogik ein. Während die Theorie der Erziehung sich mit den „Möglichkeiten erzieherischer Kommunikation im Hinblick auf eine Anleitung praktischer Erfahrung in konkreten Erziehungssituationen“ beschäftigt und diese analysiert, geht es bei der Theorie der Bildung um eine „Sinnbestimmung“ und „Sinnorientierung“ erzieherischer Praxis. Die Erziehung braucht eine bildungstheoretische Sinn- und Aufgabenorientierung. Die Bildungstheorie hat eine orientierende Funktion, sie rückt die erzieherische Praxis in eine kritische Distanz zum gesellschaftlichen Leben und bestimmt die grundsätzliche Beziehung zwischen Theorie und Praxis neu.[29]
3 Bildung
„Die letzte Aufgabe unseres Daseyns: dem Begriff der Menschheit in unserer Person, sowohl während der Zeit unseres Lebens, als auch noch über dasselbe hinaus, durch die Spuren des lebendigen Wirkens, die wir zurücklassen, einen so grossen Inhalt als möglich, zu verschaffen, diese Aufgabe löst sich allein durch die Verknüpfung unseres Ichs mit der Welt zu der allgemeinsten, regesten und freiesten Wechselwirkung.“[30]
„Nicht überall, wo Bildung draufsteht, ist auch Bildung drin. So könnte man salopp die Schwierigkeit beschreiben, die über manche sprachliche Verwirrung hinaus die sachliche Beschäftigung mit Bildung erschwert.“[31] Jedermann und -frau redet von Bildung: Man kann sich diesem Begriff kaum entziehen, ob man nun die tagesaktuelle Politik verfolgt oder sich im privaten Rahmen mit anderen Eltern über Schule und Kinder unterhält: Bildungssystem, Bildungspolitik, Bildungsexperten, Bildungsserver, Bildungsgutscheine, Bildungskonferenzen, Bildungsempfehlungen und Bildungspläne, Bildungswerke, Bildungszentren und Bildungsstätten. Bei so viel versammelter Kompetenz[32] (auch so ein „Unwort“ in der deutschen Bildungslandschaft) muss die Frage gestellt werden, was es mit diesem viel strapazierten Begriff denn eigentlich auf sich hat. Was ist „wa(h)re Bildung“? Oder ist Bildung eine Ware?[33] Bildung ist der vielleicht unklarste Begriff im gegenwärtigen pädagogischen Sprachgebrauch. Im Grunde genomme bräuchte es eine umfassende historisch-kritische Bildungsgeschichte, die den Begriff vor dem Hintergrund der jeweiligen zeitgeschichtlichen Gegebenheiten analysiert und reflektiert. Das kann und soll in diesem Zusammenhang nicht geleistet werden. Es soll jedoch ein Schlaglich auf die unterschiedlichen Entwicklungsstränge und die daraus resultierende Bedeutungsbreite des Begriffes Bildung geworfen werden.
Der deutsche Bildungsbegriff[34], für den es in anderen Sprachräumen kein Äquivalent gibt, kann also nicht zeitlos definiert, sondern nur in seiner historisch-systematisch-dynamischen Vielschichtigkeit erschlossen werden.[35] Insbesondere die Unterscheidung von Bildung zu Ausbildung und Erziehung[36], die es in anderen Sprachen in solcher Klarheit nicht gibt, spiegelt die Einzigartigkeit und Komplexität dieses Begriffes wider, der nur vor dem Hintergund historischer und gesellschaftlicher Entwicklungsprozesse in Deutschland zu verstehen ist.[37] Es bietet sich also an, einen kurzen Abriss der historischen Entwicklung der Wortbedeutung zu geben. Wie hat sich der Begriff der Bildung von seinem Auftauchen bis zum heutigen Zeitpunkt entwickelt, welche Bedeutungsverschiebungen hat er möglicherweise erfahren und was muss man unter einem zeitgemäßen Bildungsbegriff verstehen?[38] Exemplarisch sollen hier und da Theoretiker der Bildung zu Wort kommen, die den Bildungsbegriff in besonderem Maße und in ihrer jeweiligen Zeit geprägt haben.
3.1 Bildung: eine kleine Begriffsgeschichte
3.1.1 Die Bedeutungsbreite des deutschen Wortes Bildung bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts
Das Wort Bildung findet sich bereits in den ältesten deutschprachigen Schriftzeugnissen. Schon im Spätalthochdeutschen findet man es in der Form bildunga und im Mittelhochdeutschen als bildunge[39], was so viel wie Bildnis, Gestalt oder (mystisch sinnliche) Vorstellung bedeutet[40]. Der Begriff Bildung und das zugehörige Verb bilden[41] waren zentrale Begriffe für die spätmittelalterlichen Kirchenväter, die hier nicht nur eine der vier traditionellen Tugenden, die imaginatio eingedeutscht, sondern vielmehr den Begriff um ihre mystisch-religiösen Erfahrungen in seiner abstrakten Bedeutung erheblich erweitert hatten.[42]
3.1.2 18. Jahrhundert: Bildung und Erziehung als Schlüsselbegriffe der entstehenden Pädagogik im Zeitalter der Aufklärung
In der pädagogischen Fachsprache tauchte der Begriff Bildung erstmals in der Mitte des 18. Jahrhunderts im Zusammenhang der entstehenden wissenschaftlichen Pädagogik[43] auf.[44] In dieser Zeit erfuhr der Begriff eine einzigartige und bis in die Gegenwart reichende philosophisch-ästhetische, pädagogische und ideologische Aufladung bis hin zur Überhöhung. Für die Autoren des 18. Jahrhunderts war Bildung dabei meist noch gleichbedeutend mit Erziehung und Ausbildung der Verstandeskräfte. Auch Immanuel Kant (1724-1804) ordnete die Bildung in seiner Schrift „Über Pädagogik“ der Erziehung zu: „Der Mensch ist das einzige Geschöpf, das erzogen werden muß. Unter Erziehung nämlich, verstehen wir die Wartung (Verpflegung, Unterhalt), Disziplin (Zucht) und Unterweisung nebst der Bildung.“ Bildung und Erziehung dienten dazu, den Menschen besser und glücklicher zu machen. Diese Art von Bildung sollte dafür sorgen, dass eine wachsende Zahl besserer Menschen auch die Gesellschaft insgesamt verbessern würde.[45].
Das Bildungsverständnis der Philanthropen
Für Philanthropen wie Johann Heinrich Campe (1764-1818) war vorrangiges Ziel von Bildung die nutzbringende Eingliederung des Menschen in die Gesellschaft.[46] Hauptsächliche Intention der Pädagogik der Aufklärung war die „Glückseligkeit des einzelnen Menschen“ und des „allgemeinen Erdbodens“. Sie sollte durch eine professionelle Erziehung gefördert werden, für die wiederum ein wissenschaftlich fundiertes und sicheres Wissen erforderlich war. Bildung im Zeitalter der Aufklärung, diente dazu, die „vernünftig angelegten Seelen verständig zu machen“. Sie erfolgte durch Lehre, die Kenntnisse vermitteln und zum Denken bilden sollte. Dabei war unbestritten, dass Bildung innerhalb der bestehenden gesellschaftlichen Klassen und Stände, entsprechend ihrer jeweils unterschiedlich geistigen Vermögen und Bedürfnisse, zu erfolgen hatte.[47] Konsens war: „Der Mensch muß für den Staat gebildet werden; das ist dem strengsten und unwidersprechlichsten Rechte gemäß“.[48]
Johann Gottfried Herder: Bildung als zunehmend eigenständiger Begriff
Mit Johann Gottfried Herder (1744-1803) gewann der Bildungsbegriff ein stärkeres Eigenleben und grenzte sich zunehmend vom Erziehungsbegriff ab. Für Herder war Bildung nicht mehr gleichzusetzen mit Erziehung oder Lehre, sondern ein eigenständiger und zielgerichteter Prozess, der sich im Menschen selbst ereignete und damit in die Nähe von „Geist“, „Kultur“ und „Humanität“ rückte. Ihm ging es um die Verbesserung der Seelenkräfte und der Humanität des Menschengeschlechts. In seinem Werk „Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit“ betrachtet Herder die Bildung als Werk von Natur und Geschichte, als „Werk des Schicksals“ und „Resultat tausend mitwirkender Ursachen“. Bildung bei Herder ist Geschichte. Der Mensch ist noch nicht Subjekt, sondern Objekt eines Prozesses, dem er sich nicht entziehen kann.[49]
Goethe, Hegel und die Bedeutung der Griechen: Bildung um die Jahrhundertwende
Um die Jahrhundertwende vom 18. zum 19. Jahrhundert gewann der Bildungsbegriff allmählich seine „klassische“ Ausprägung. Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) schuf mit „Wilhelm Meisters Lehrjahre“ den Typus des Bildungsromanes und gab dem Begriff der Bildung durch ihn gleichzeitig eine idealtypische Form: In ihm spiegelt sich das Ergebnis eines gewandelten Menschenbildes, aus dem sich neue Erziehungs- und Bildungskonzeptionen heraus entwickelten. Bildung bezog sich fortan nicht mehr nur auf Seele und Geist, sondern auch auf das äußere Erscheinungsbild eines Menschen, seine Gestalt, sein Auftreten und seine Rede. Die antiken Griechen, die nach Ansicht Goethes in der bisherigen Geschichte rückblickend die höchste Bildungsstufe erreicht hatten, dienten hierbei als Paradigma. Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770-1831) sah im Studium der alten Sprachen gar die Grundlage jeglicher Bildung. Für Hegel war Bildung die Fähigkeit des Menschen, in diese Welt des Geistes, die ihm Halt verschaffte, abzutauchen.[50]
3.1.3 Die Idee der Bildung im 19. Jahrhundert
Mit zunehmender Ausbreitung der Diskussion über Bildung musste die Diskrepanz zwischen einer klassisch-idealistisch-humanistischen Bildungskonzeption und einer dem Wohle des Staates verpflichteten Standes- und Berufsbildung zu Konflikten führen. Uneinigkeit herrschte in der Frage, in wiefern die Bildung der individuellen Kräfte des einzelnen Menschen durch andere Zwecksetzungen, etwa die Brauchbarkeit im Hinblick auf die Erfordernisse der Gesellschaft und des Staates, geopfert werden durfte.[51]
Wilhelm von Humboldt: Die Forderung nach Allgemeiner Bildung im Neuhumanismus
Bereits in der den Aufklärungspädagogen folgenden Generation wurde das aufklärerische Erziehungs- und Bildungsprogramm von den Vertretern des Neuhumanismus heftig kritisiert. Bildung fungierte neben Individualität nun als für sich selbst stehender theoretischer Leitbegriff und wurde nicht mehr als das Ergebnis planmäßiger Erziehung, sondern als Ergebnis individueller Anstrengungen betrachtet.[52] Man stellte jetzt die Frage, inwiefern die Bildung der Vollkommenheit des einzelnen Menschen seiner „Brauchbarkeit“ geopfert werden dürfe.[53] Insbesondere Wilhelm von Humboldt (1767-1835) war es, der sich sehr dezidiert für eine „Allgemeine Bildung“ aussprach, die den Menschen zu „stärken und zu läutern“ habe, und die von einer lediglich auf berufliche Zwecke hin ausgerichtete „Spezialbildung“ unterschieden werden müsse. Im Mittelpunkt einer allgemeinen Bildung habe nicht „irgendetwas Einzelnes zu stehen“, nicht gesellschafftlicher Nutzen oder die Frage einer späteren Berufstätigkeit. Vielmehr gehe es um, „den Menschen“ und darum „die Kräfte seiner Natur“ zu „stärken“ und zu „erhöhen“ um „seinem Wesen Werth und Dauer“ zu verschaffen.[54] „Was verlangt man von einer Nation, einem Zeitalter, von dem ganzen Menschengeschlecht, wenn man ihm seine Achtung und Bewunderung schenken soll? Man verlangt, dass Bildung, Weisheit und Tugend so mächtig und allgemein verbreitet, als möglich, unter ihnen herrschen, dass es seinen inneren Werth so hoch steigern, dass der Begriff der Menschheit, wenn man ihn von ihm, als dem einzigen Beispiel, abziehen müsste, einen grossen und würdigen Gehalt gewönne.“[55]
„Der deutsche Bildungsbegriff konstituierte sich [...] gerade in dem Augenblick, da die Pädagogik Partei nahm gegen [...] erzieherische Verknechtung des Menschen.“[56] Mit dieser „Neuerfindung“ des Bildungsbegriffes erhielt der bildungstheoretische Diskurs nun auch erstmals eine gesellschaftskritische Stoßrichtung. Für die Ermöglichung der geforderten Selbstbildungsprozesse, die Bildung individueller Kräfte durch die selbsttätige Aneignung und Gestaltung der Welt waren entgegenkommende gesellschaftliche Rahmenbedingungen notwendig.[57] In einer Welt, die geprägt durch die ständische Gesellschaft noch klar in privilegiert und nicht-privilegiert unterteilt war, erschien dies als eine unerhörte Forderung.
Herbart und das Konzept der Bildsamkeit
Johann Friedrich Herbart (1776-1841)[58] schließlich war der erste, der den Begriff der Bildsamkeit im Sinne von Bildungsfähigkeit in seinem „Umriss pädagogischer Vorlesungen“ zum Grundbegriff einer allgemeinen Pädagogik erhob und damit Erziehung und Bildung als Formen pädagogischen Handelns zusammenfasste. Für eine Bildung, die er als Übergang von einer Unbestimmtheit in eine Bestimmtheit verstand und deren Förderung Aufgabe moderner Erziehung und Bildung sei, sei die Mitwirkung der Lernenden am eigenen Bildungsprozess, die zum Selber-Denken, Selber-Urteilen und Selber-Handeln auffordere, bei gleichzeitigem Verzicht auf eine indoktrinierende Wissensvermittlung konstitutiv.[59] Herbart hielt an Humboldts Grundthese fest, dass sich die Staatsschule zu einer Institution allgemeiner und freier Menschenbildung entwickeln sollte, und befand sich damit im Widerspruch zu anderen Akteuren der preußischen Schulreform, die letztendlich bewirkten, dass die Schule zu einer selektiven Einrichtung wurde, die gesellschaftlich „nützliche“ Qualifikationen vermitteln sollte.[60]
[...]
[1] Asger Jorn. Zitiert nach Steffens, A.: Selbst-Bildung. Die Perspektive der Anthropoästhetik. Oberhausen 2011, S. 11
[2] Zum Begriff der Praxis vgl. Benner, D.: Grundstrukturen pädagogischen Denkens und Handelns. In: Lenzen, D.; Mollenhauer, K.: Enzyklopädie Erziehungswissenschaft Bd. 1. Theorien und Grundbegriffe der Erziehung und Bildung. Stuttgart 1992 (2. Aufl.), S. 285f. Benner äußert sich hier auch zum Problem einer zunehmenden Ausdifferenzierung der Erziehungswissenschaft(en) in eine Fülle von Einzeldisziplinen, die eine Verständigung über pädagogisches Denken und Handeln zunehmend schwierig machen. Ein ähnliches Phänomen lässt sich auch angesichts der Fülle von Kunstpädagogiken beobachten.
[3] „Ganz allgemein wird man als E[rziehung] jene Maßnahmen und Prozesse bezeichnen können, die den Menschen zu Autonomie und Mündigkeit hinleiten und ihm helfen, alle seine Kräfte und Möglichkeiten zu aktuieren und in seine Menschlichkeit hineinzufinden.“ Art. Erziehung. In: Böhm, W.: Wörterbuch der Pädagogik. Stuttgart 2005, S. 186
[4] Vgl. Benner, D.: Vorwort. In: Benner, D.; Oelkers, J. (Hgg.): Historisches Wörterbuch der Pädagogik. Weinheim, Basel 2004, S. 7
[5] Art. Forschungsmethoden. In: Böhm, W.: Wörterbuch der Pädagogik. Stuttgart 2005, S. 212: „Forschungsmethoden (der Pädagogik). Sind wissenschaftliche Verfahren in Form generalisierbarer Datenerhebung oder Verhaltensbeobachtung zur Gewinnung von (pädagogisch relevantem) Wissen, zur Förderung und Vermehrung des Erkenntnisbestandes über und/oder zur Nutzanwendung für die verschiedenen Praxisbereiche der Erziehung.“
[6] Vgl. Art. Forschungsmethoden. In: Böhm, W.: Wörterbuch der Pädagogik. Stuttgart 2005, S. 212
[7] Rittelmeyer, C.; Parmentier, M. (Hgg.): Einführung in die pädagogische Hermeneutik. Darmstadt 2001, S. 2
[8] Vgl. Schleiermacher, F.: Hermeneutik und Kritik mit besonderer Beziehung auf das Neue Testament. In: Frank, M. (Hrsg.): F.D.E. Schleiermacher. Hermeneutik und Kritik. Frankfurt a.M. 1977, S. 69-306
[9] Vgl. Art. Hermeneutik. In: Böhm, W.: Wörterbuch der Pädagogik. Stuttgart 2005, S. 283. Vgl. auch Rittelmeyer, C.; Parmentier, M. (Hgg.): Einführung in die pädagogische Hermeneutik. Darmstadt 2001, S. 1. Zur Konzeption der Geisteswissenschaften und dem Selbstverständnis geisteswissenschaftlicher Pädagogik vgl. Herrmann, U.: Erziehung und Bildung in der Tradition Geisteswissenschaftlicher Pädagogik. In: Lenzen, D.; Mollenhauer, K.: Enzyklopädie Erziehungswissenschaft Bd. 1. Theorien und Grundbegriffe der Erziehung und Bildung. Stuttgart 1992 (2. Aufl.), S. 25-41
[10] Vgl. Art. Hermeneutik. In: Böhm, W.: Wörterbuch der Pädagogik. Stuttgart 2005, S. 283. Vgl. auch Rittelmeyer, C.; Parmentier, M. (Hgg.): Einführung in die pädagogische Hermeneutik. Darmstadt 2001, S. 1
[11] Vgl. Nöth, W.: Handbuch der Semiotik. Stuttgart, Weimar 2000 (2. Aufl.), S. 418
[12] Vgl. Vogt, J.: Einladung zur Literaturwissenschaft. Paderborn 2008 (6. Aufl.), S. 54ff. Vgl. auch Rittelmeyer, C.; Parmentier, M. (Hgg.): Einführung in die pädagogische Hermeneutik. Darmstadt 2001, S. 1ff.
[13] F.D.E. Schleiermacher war Lehrer und Theologe und hatte ab 1810 den Lehrstuhl für Theologie an der neu gegründeten Berliner Humboldt-Universität inne. Schleiermachers Pädagogik beeinflusste maßgeblich die geisteswissenschaftliche Pädagogik im 20. Jahrhundert. Vgl. Art. Schleiermacher. In: Böhm, W.: Wörterbuch der Pädagogik. Stuttgart 2005, S. 560
[14] W. Dilthey, Professor für Philosophie in Basel, Kiel, Breslau und Berlin, begründete die Selbstständigkeit der Geisteswissenschaften gegenüber den Naturwissenschaften und gab ihnen eine erkenntnistheoretische Grundlage. Im Unterschied zu den Naturwissenschaften, die das physische Objekt durch Erkennen gewinnen, geschieht dies bei geistigen Objekten durch Verstehen. Vgl. Art. Dilthey. In: Bosl, K.; Franz, G.; Hofmann, H. (Hgg.): Biographisches Wörterbuch zur deutschen Geschichte. 3 Bde. München 1995. Erster Band: A-H, Sp. 544
[15] Vgl. Vogt, J.: Einladung zur Literaturwissenschaft. Paderborn 2008 (6. Aufl.), S. 56
[16] Gadamer, H.-G.: Hermeneutik. In: Ritter, J. (Hrsg.): Historisches Wörterbuch der Philosophie. Band 3. Darmstadt 1974, Sp. 1069ff.
[17] Vgl. ebd.
[18] Vgl. Nöth, W.: Handbuch der Semiotik. Stuttgart, Weimar 2000 (2. Aufl.), S. 419
[19] Schleiermacher, F.D.E.: Hermeneutik und Kritik. Beziehung auf das Neue Testament. Berlin 1883. In: Frank, M. (Hrsg.): F.D.E. Schleiermacher. Hermeneutik und Kritik. Mit einem Anhang sprachphilosophischer Texte Schleiermachers. Herausgegeben und eingeleitet von Manfred Frank. Frankfurt a.M. 1977, S. 97
[20] Vgl. Nöth, W.: Handbuch der Semiotik. Stuttgart, Weimar 2000 (2. Aufl.), S. 420.
[21] Vgl. ebd., S. 420f.
[22] Erste nachhaltige Versuche, die Pädagogik systematisch-wissenschaftlich auszuarbeiten, gingen von Schleiermacher und Herbart aus. Vgl. Art. Pädagogik. In: Böhm, W.: Wörterbuch der Pädagogik. Stuttgart 2005, S. 479. Zur Pädagogik Herbarts vgl. Benner, D.: Die Pädagogik Herbarts. Eine problemgeschichtliche Einführung in die Systematik neuzeitlicher Pädagogik. Weinheim, München 1993 (2. Aufl.)
[23] Auf hermeneutische Ansätze in der Kunstwissenschaft soll an dieser Stelle nicht eingegangen werden, wenngleich sie ihren unbestreitbaren Platz im Kanon der kunstwissenschaftlichen Methoden haben. Es sei an dieser Stelle auf den hermeneutischen Ansatz der Ikonik von Max Imdahl verwiesen. Vgl. Brassat, W.; Kohle, H. (Hgg.): Methoden-Reader Kunstgeschichte. Köln 2003, S. 77-97
[24] Vgl. Rittelmeyer, C.; Parmentier, M. (Hgg.): Einführung in die pädagogische Hermeneutik. Darmstadt 2001, S. VII.
[25] Vgl. Klafki, W.: Hermeneutische Verfahren in der Erziehungswissenschaft (1971). In: ebd., S. 125ff.
[26] Art. Bildungstheorie. In: Schaub, H.; Zenke, K. G. (Hgg.): Wörterbuch Pädagogik. München 2007 (2. Aufl.), S 111ff.
[27] Vgl. Art. Bildungsforschung. In: Böhm, W.: Wörterbuch der Pädagogik. Stuttgart 2005, S. 94.
[28] Benner, D.: Hauptströmungen der Erziehungswissenschaft. Weinheim, Basel 2001 (4. Aufl.)
[29] Vgl. ebd., S. 63f.
[30] Humboldt, W.: Die Bildung des Menschen. In: Baumgart, F. (Hrsg.): Erziehungs- und Bildungstheorien. Bad Heilbrunn 2007 (3. Aufl.), S. 94.
[31] Dörpinghaus, A. et al.: Einführung in die Theorie der Bildung. Darmstadt 2009 (3. Aufl.) zitiert nach: Prüwer, T.: Humboldt reloaded. Kritische Bildungstheorie heute. Marburg 2009, S. 9
[32] „Dieser aus anderen wissenschaftlichen Disziplinen und aus der Umgangssprache entlehnte Begriff hat entsprechend dieser Herkunft verschiedene Bedeutungen“: Hier erscheint die Bedeutung von Kompetenzen als „Zuständigkeiten für bestimmte Sachgebiete bzw. Aufgaben [...] als Ergebnisse von Lernprozessen“ am passendsten. Vgl. Art. Kompetenz. In: Böhm, W.: Wörterbuch der Pädagogik. Stuttgart 2005, S. 368
[33] Eine Frage, die in Zeiten einer allgegenwärtigen PISA-Hysterie, durchaus gestellt werden muss. Hier sei verwiesen auf einen der zahlreichen Titel, die sich in jüngerer Zeit mit dem Begriff und der Bedeutung von Bildung in Zeiten ökonomischer Verwertbarkeit auseinandergesetzt haben: Jochen Krautz: Ware Bildung. Schule und Universität unter dem Diktat der Ökonomie. München 2007
[34] Ich beschränke mich hier bewusst auf den deutschen Bildungsbegriff, der seit dem Beginn deutscher Schriftzeugnisse in unterschiedlicher Bedeutungsbreite auftaucht und lasse Überlegungen, die dem Inhalt dieses Begriffes, sei es in anderen Zeiten oder an anderen Orten (z.B. Platons Höhlengleichnis oder Rousseaus Idee der perfectibilité) entsprechen könnten, außer acht. Ich verzichte außerdem auf eine detaillierte Darstellung deutscher Pädagogik und somit auch des Erziehungsbegriffes, auch, wenn sich das eine vom anderen nicht immer so leicht trennen lässt.
[35] Vgl. Art. Bildung. In: Böhm, W.: Wörterbuch der Pädagogik. Stuttgart 2005, S. 90
[36] Zur Unterscheidung von Bildung und Ausbildung sowie zur Bedeutungsbreite des Erziehungsbegriffes sei auf die einschlägigen Lexikon- oder Handbuchartikel verwiesen, etwa die entsprechenden Artikel in Böhm, W.: Wörterbuch der Pädagogik. Stuttgart 2005. Zur Unterscheidung von Bildung von Ausbildung, Qualifikation und Kompetenzen vgl. auch Bolle, R.: Theorie der Bildung des Menschen. Thesenpapier zur 11. Vorlesung (WS 2010/11). Karlsruhe (unveröffentlicht), S. 15f.
[37] Vgl. Vierhaus, R.: Bildung. In: Brunner, O.; Conze, W.; Koselleck, R. (Hgg.): Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland. Stuttgart 1997 (5. Aufl.), S. 508
[38] Hier möchte ich auf meine anfänglichen Überlegungen zur Hermeneutik verweisen, die zum Ergebnis hatten, dass „Verstehen nur so möglich ist, daß der Verstehende seine eigenen Voraussetzungen ins Spiel bringt.“ Gadamer, H.-G.: Hermeneutik. In: Ritter, J. (Hrsg.): Historisches Wörterbuch der Philosophie. Band 3. Darmstadt 1974, Sp. 1069
[39] Vgl. Vierhaus, R.: Bildung. In: Brunner, O.; Conze, W.; Koselleck, R. (Hgg.): Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland. Stuttgart 1997 (5. Aufl.), S. 509
[40] Vgl. Lexer, M.: Mittelhochdeutsches Taschenwörterbuch. Stuttgart 1992 (38. Aufl.), S. 21. Vgl auch: Hennig, B.: Kleines Mittelhochdeutsches Wörterbuch. Tübingen 1995 (2. Aufl.), S. 37
[41] Mhd. bilden, bileden, pil(e)den: sich verwandeln (in), sich entwickeln (zu); darstellen; nachahmen; hervorbringen, gestalten, (er-)schaffen, formen, ausrichten (nach), herstellen aus; verzieren mit; aufnehmen in. Vgl. ebd.
[42] Vgl. Vierhaus, R.: Bildung. In: Brunner, O.; Conze, W.; Koselleck, R. (Hgg.): Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland. Stuttgart 1997 (5. Aufl.), S. 510. Zur Begriffsgeschichte des Bildungsbegriffes vgl. auch Pazzini, K.-J.: Bilder und Bildung. Münster 1992. S. 39ff.: Pazzini geht hier sehr detailliert auf den mittelalterlichen Bildungsbegriff bei Meister Eckhart ein, der „gebildet werden“ als Stärkung der Kräfte der menschlichen Seele und „gebildet sein“ als eine Differenzierung und Freisetzung dieser Kräfte in die Welt versteht. Dabei ging es Eckhart mehr um den Prozess der Formung selbst, als um eine Ansammlung von Wissen oder Wahrheit. Pazzini schließt daraus, dass sich ein solches Verständnis von Bildung nur schwer für eine Übertragung in die heutigen organisierten Bildungs- und Lernprozessbestrebungen zu übertragen sei.
[43] Vgl. beispielsweise Trapp, E. C.: Pädagogik als Wissenschaft. In: Baumgart, F. (Hrsg.): Erziehungs- und Bildungstheorien. Bad Heilbrunn 2007 (3. Aufl.), S. 75ff. Trapp beschreibt in seinem 1780 erschienenen Text erstmals Ziel, Fragestellungen und mögliche Forschungsstrategien einer allerdings eher empirisch ausgerichteten pädagogischen Wissenschaft, die sich am Programm der damals so erfolgreichen pädagogischen Wissenschaften orientiert. Johann Friedrich Herbart, der bereits zu Beginn seiner wissenschaftlichen Karriere ab dem Wintersemester 1802/03 in Göttingen pädagogische Vorlesungen gehalten hatte, bemühte sich ab 1809 (dem Jahr, in dem Wilhelm von Humboldt Chef der Sektion für Unterricht und Kultus wurde) in seiner Funktion als Professor für Philosophie an der Universität Königsberg dort um die Einrichtung eines pädagogischen Seminars. Vgl. Benner, D. Die Pädagogik Herbarts. Weinheim, München 1993 (2. Aufl.) S. 20f.
[44] Vgl. Menze, C.: Bildung. In: Lenzen, D.; Mollenhauer, K.: Enzyklopädie Erziehungswissenschaft Bd. 1. Theorien und Grundbegriffe der Erziehung und Bildung. Stuttgart 1992 (2. Aufl.), S. 351
[45] Kant, I.: Über Pädagogik. In: Rink, F.T. Königsberg 1803, S. 697. Vgl. auch Vierhaus, R.: Bildung. In: Brunner, O.; Conze, W.; Koselleck, R. (Hgg.): Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland. Stuttgart 1997 (5. Aufl.), S.508f.
[46] Vgl. Prüwer, T.: Humboldt reloaded. Kritische Bildungstheorie heute. Marburg 2009, S. 16
[47] Vgl. Baumgart, F. (Hrsg.): Erziehungs- und Bildungstheorien. Bad Heilbrunn 2007 (3. Aufl.). S. 38. Vgl. auch Vierhaus, R.: Bildung. In: Brunner, O.; Conze, W.; Koselleck, R. (Hgg.): Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland. Stuttgart 1997 (5. Aufl.), S. 512f.
[48] Villaume, P: Individuelle Vervollkommnung und gesellschaftliche Brauchbarkeit. In: Baumgart, F. (Hrsg.): Erziehungs- und Bildungstheorien. Bad Heilbrunn 2007 (3. Aufl.), S. 64
[49] Vgl. Vierhaus, R.: Bildung. In: Brunner, O.; Conze, W.; Koselleck, R. (Hgg.): Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland. Stuttgart 1997 (5. Aufl.), S. 515f.
[50] Vgl. Vierhaus, R.: Bildung. In: Brunner, O.; Conze, W.; Koselleck, R. (Hgg.): Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland. Stuttgart 1997 (5. Aufl.), S. 518f.
[51] Vgl. ebd., S. 519; Vgl. auch Baumgart, F. (Hrsg.): Erziehungs- und Bildungstheorien. Bad Heilbrunn 2007 (3. Aufl.), S. 83
[52] Vgl. ebd., S. 83
[53] Vierhaus, R.: Bildung. In: Brunner, O.; Conze, W.; Koselleck, R. (Hgg.): Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland. Stuttgart 1997 (5. Aufl.), S. 519
[54] Vgl. Humboldt, W.: Die Bildung des Menschen. In: Baumgart, F. (Hrsg.): Erziehungs- und Bildungstheorien. Bad Heilbrunn 2007 (3. Aufl.), S. 94.
[55] Ebd., S. 95
[56] Humboldt unterschied hierbei zwei Arten von Schulen: Erziehungsschulen und Berufsschulen. Vgl. Blankertz, H.: Bildung im Zeitalter der großen Industrie. Hannover 1996, S. 45ff.
[57] Vgl. Baumgart, F. (Hrsg.): Erziehungs- und Bildungstheorien. Bad Heilbrunn 2007 (3. Aufl.), S. 83f.
[58] J.F. Herbart war Professor für Philosophie und Nachfolger auf Kants Lehrstuhl in Königsberg. Seine Pädagogik der „Bildsamkeit“ des Menschen durch individuelle Charakterbildung im erziehenden Unterricht war richtungsweisend. Zur Pädagogik Herbarts, deren Rezeption bis in die heutige Zeit durch zwei, einander widersprechende Deutungstraditionen geprägt ist, möchte ich auf die grundlegende Arbeit von Dietrich Benner verweisen: Benner, D.: Die Pädagogik Herbarts. Eine problemgeschichtliche Einführung in die Systematik neuzeitlicher Pädagogik. Weinheim, München 1993 (2. Aufl.)
[59] Benner, D.; Brüggen, F.: Bildsamkeit/Bildung. In: Benner, D.; Oelkers, J. (Hgg.): Historisches Wörterbuch der Pädagogik. Weinheim, Basel 2004, S. 196
[60] Vgl. Benner, D.: Die Pädagogik Herbarts. Eine problemgeschichtliche Einführung in die Systematik neuzeitlicher Pädagogik. Weinheim, München 1993 (2. Aufl.), S. 26f.
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- Susanne Posselt (Author), 2011, Gebildetes Leben - hermeneutische und bildungstheoretische Zugänge an der Schnittstelle zwischen Kunst und Pädagogik, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/206855