Geschrieben und erstmals 1910 veröffentlicht in Der Sturm und später in der
Gedichtsammlung Meine Wunder (1911) ist das Gedicht eines der ganz großen der Dichterin Else Lasker-Schüler. Davon wollen einem Dichter nur einige wenige, vielleicht eine Hand voll – wie Benn meint ‒ gelingen. Das Gedicht war eins von Thomas Manns Lieblingsgedichten, wie aus einem Else Lasker-Schüler Gästebucheintrag hervorgeht. Und Karl Kraus, der gefürchtete Kunst- und Literaturkritiker Wiens im beginnenden 20. Jahrhundert und, wie Herwarth Walden (Der Sturm), Herausgeber einer berühmten Zeitschrift "Die Fackel", schrieb anlässlich des Abdrucks des Gedichtes in dieser Zeitschrift als Fußnote, dass dieses Gedicht von Else Lasker-Schüler, »d[er] stärkste[n] und unwegsamste[n] Erscheinung des modernen Deutschland« eines der »entzückendsten und ergreifendsten, die ich je gelesen habe,«sei, und er dafür seinen gesamten Heine hergeben wolle.
172[1] EIN ALTER TIBETTEPPICH
1 Deine Seele, die die meine liebet
2 Ist verwirkt mit ihr im Teppichtibet
3 Strahl in Strahl, verliebte Farben,
4 Sterne, die sich himmellang umwarben.
5 Unsere Füße ruhen auf der Kostbarkeit
6 Maschentausendabertausendweit.
7 Süsser Lamasohn auf Moschuspflanzentron
8 Wie lange küsst dein Mund den meinen wohl
9 Und Wang die Wange buntgeknüpfte Zeiten schon.
Geschrieben und erstmals 1910 veröffentlicht inDer Sturm[2]und später in der GedichtsammlungMeine Wunder(1911)[3]ist das Gedicht eines der ganz großen der Dichterin Else Lasker-Schüler. Davon wollen einem Dichter nur einige wenige, vielleicht eine Hand voll – wie Benn meint ‒ gelingen. Das Gedicht war eins von Thomas Manns Lieblingsgedichten, wie aus einem Else Lasker-Schüler Gästebucheintrag[4]hervorgeht. Und Karl Kraus, der gefürchtete Kunst- und Literaturkritiker Wiens im beginnenden 20. Jahrhundert und, wie Herwarth Walden (Der Sturm), Herausgeber einer berühmten ZeitschriftDie Fackel, schrieb anlässlich des Abdrucks des Gedichtes in dieser Zeitschrift als Fußnote, dass dieses Gedicht von Else Lasker-Schüler, »d[er] stärkste[n] und unwegsamste[n] Erscheinung des modernen Deutschland« eines der »entzückendsten und ergreifendsten, die ich je gelesen habe,«[5]sei, und er dafür seinen gesamten Heine hergeben wolle.
Einige Nummern später wurde eine Besprechung der neu erschienenen Sammlung »Meine Wunder« ebenfalls in der Fackel abgedruckt. Darin interpretiert ein gewisser Richard Weiß einige der Gedichte, unter anderem auch »Ein alter Tibetteppich«[6]: eine sensible und wortmächtige Interpretation, der im Folgenden das ein und andere entlehnt ist.
[...]
[1]Vgl. Gedicht Nr. 172 in: Lasker-Schüler, Else (1996): Werke und Briefe. Gedichte. Kritische Ausgabe. Bearbeitet von Karl Jürgen Skrodzki. 11 Bände. Hg. v. Norbert Oellers, Heinz Rölleke und Itta Shedletzky. Frankfurt a. M.: Jüdischer Verlag im Suhrkamp Verl. (KA ELS-Werke, 1.1 und 1.2).
[2]Der SturmJg. 7. Nr. 41. S. 328.
[3]Meine Wunder. Gedichte von Else Lasker-Schüler. Karlsruhe und Leipzig, Dreililienverlag 1911.
[4]Am 17. August 1920 trug Else Lasker-Schüler in das Gästebuch von Erika Mann (1905-1969), der ältesten Tochter von Thomas Mann, das Gedicht »Ein alter Tibetteppich« ein (Stadtbibliothek München). Unter dem Gedichttext: »Signore dottores Lieblingsgedicht / 17 VIII. 20 Else Lasker-Schüler«. Eine kleine Zeichnung (zwei Köpfe im Profil) ist beschriftet: »Jussuf von Theben und Ossman sein Somali grüßen Euch in treuer Freundschaft«. Quelle: http://www.kj-skrodzki.de/Dokumente/Text_031.htm. Vgl. auch KA ELS-Werke, 1.2 S. 169.
[5]Vgl. Die Fackel12 (313-314), S. 36.
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- Dipl. Ing. Karl Bellenberg (Author), 2012, Gedichtinterpretation: Else Lasker-Schüler "Ein alter Tibetteppich", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/206367
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