In order to address the subject “Drugs in the Mughal Empire”, it is necessary to introduce some terms and basic concepts and explain some background circumstances. First and foremost it makes sense to illustrate the definition of the term drug as such.
Moreover, opium is addressed specifically and its production, mode of action and pharmacological application as well as its effect on the human body will be explained briefly.
Originally the pharmacological term drug described a substance of plant or animal origin. Another classification of the term refers on the one hand to the medicinal drug and on the other hand to the narcotic drug. The term medicinal drug means dried medicinal plants or parts of these plants, as for example roots, seeds or essential oils. The formulations of these plants or plant parts (or extracts of active substances) are therefore used as remedies.
In more recent times the word “drug” established itself as a term for narcotics (narcotic drugs) and addictive narcotics in general which sometimes can cause dependencies.
Thus the term “drug” underwent a semantic shift, which must be taken into account, as ‘pharmaceutical drugs’ must under no circumstances be equated with ‘drugs’.
Nevertheless it should be noted that certain substances whose effect was originally or is still used for medical purposes and thus are to be seen as medicinal drugs, can be used very well also as narcotic drug or toxic substance. The definition, whether this involves a remedy, a narcotic drug or a toxic substance, is rather vague and therefore determined by the intended purpose, the user or patient, the field of application and often the dosage in particular.
Theophrastus Paracelsus defined the toxicity of substances as follows: All things are poison, and nothing is without poison; only the dose permits something not to be poisonous.
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Um auf das Thema „Drogen im Mogulreich“ einzugehen, sollten einleitend einige Begriffe, Grundlagen und Hintergründe erläutert werden. So ist es zu allererst sinnvoll, die Definition des Begriffs Droge als solche darzulegen.
Des Weiteren wird auf Opium im speziellen eingegangen und seine Gewinnung, Wirkweise, pharmakologische Anwendung, sowie seine Auswirkung auf den Organismus kurz erläutert.
Ursprünglich bezeichnete der pharmakologische Begriff Droge zu allererst einen pflanzlichen oder tierischen Stoff.
1. Einleitung
a) Der „Drogenbegriff“
Um auf das Thema „Drogen im Mogulreich“ einzugehen, sollten einleitend einige Begriffe, Grundlagen und Hintergründe erläutert werden. So ist es zu allererst sinnvoll, die Definition des Begriffs Droge als solche darzulegen.
Des Weiteren wird auf Opium im speziellen eingegangen und seine Gewinnung, Wirkweise, pharmakologische Anwendung, sowie seine Auswirkung auf den Organismus kurz erläutert.
Ursprünglich bezeichnete der pharmakologische Begriff Droge zu allererst einen pflanzlichen oder tierischen Stoff. Eine weitere Einteilung des Begriffs ist zum einen die Arzneidroge, zum anderen die Rauschdroge. Als Arzneidroge versteht man getrocknete Arzneipflanzen oder deren Teile, wie Wurzeln, Samen oder auch ätherische Öle. Die Zubereitung dieser Pflanzen oder Pflanzenteile (oder Auszüge ihrer Wirkstoffe) dienen hier als Heilmittel.
Aus dem angelsächsischen Sprachraum etablierte sich in der neueren Zeit das Wort „Droge“ („drug“) als eine Begrifflichkeit für Rauschmittel (Rauschdrogen) und Suchtgifte generell, welche mitunter auch zu Abhängigkeiten führen können.[1] Der Begriff Droge durchlebte also eine semantische Verschiebung, welche beachtet werden muss, „da man keinesfalls „Arzneimittel“ mit „Drogen“ gleichsetzen darf.“[2]
Dennoch muss beachtet werden, dass bestimmte Stoffe, deren Wirkung im ursprünglichen Sinne zu medizinischen Zwecken genutzt wurde bzw. noch immer wird, also Arzneidrogen darstellen, sehr wohl auch zum Zwecke der Rauschdroge oder als Gift benutzt werden können. Die Definition, ob es sich um ein Heilmittel, eine Rauschdroge oder ein Gift handelt, ist also eine fließende und wird bestimmt durch den Verwendungszweck, den Konsumenten bzw. Patienten, das Verwendungsumfeld und vor allem oft durch die Dosis.
Theophrastus Paracelsus definierte die Toxizität von Stoffen folgendermaßen: Alle Ding' sind Gift und nichts ohn' Gift; allein die Dosis macht, das ein Ding kein Gift ist.
b) Heilmittel und Rauschdroge Opium: Ein Kurzüberblick
Da sich dieses Essay mit dem Thema des Gebrauchs von Opium befasst, möchte ich im Folgenden einige einleitende Fakten zu diesem Stoff erläutern, auch um anhand dieses Beispiels noch einmal den „Drogenbegriff“ aufzugreifen.
Bislang ist der Wissenschaft eine Anzahl von circa 700 Mohnarten („Papaveraceae“) bekannt, wobei der Gehalt an Opiumalkaloiden nur bei wenigen Arten erwähnenswert und somit von pharmakologischer Bedeutung ist. Papaver somniferum L.[3], der Schlafmohn, ist die Mohnart, die am häufigsten Erwähnung findet und deren Gehalt an Alkaloiden zur Opiumproduktion am lohnenswertesten scheint.
Nach wie vor strittig ist die Frage, woher die Urform des Mohns stammt, und aus welcher dieser Formen sich später der Papaver somniferum entwickelte. Die meisten Wissenschaftler beheimaten die Urform des medizinisch-pharmakologisch bedeutsamen Mohns im östlichen Mittelmeerraum, von wo aus er seine weitere Verbreitung fand.
Das Zentrum der antiken Mohnkultur siedelt Matthias Seefelder in der griechischen Stadt Mekone an, welche sich westlich von Korinth befand. Er beschreibt weiter, dass die Mohnpflanze wohl von hier ausgehend ihre Verbreitung fand und stützt diese Annahme anhand der philologischen Entwicklung der Bezeichnung „Mohn“: Der ursprüngliche Name der Pflanze war lt. Seefelder „Mekon“, wandelte sich auf seinem Weg Richtung Norden und Nordwesten zum Beispiel zu „Mak“ im Russischen, über „Magen / Mogen“ im Altsüddeutschen zu „Mohn“ im Hochdeutschen und „Valmoghe“ im Altschwedischen.[4]
Als sprachliche Entstehung des Wortes „Opium“ (griechisch: ỏπόϛ / Saft) beschreibt Seefelder ferner, es sei wohl die kleinasiatische Stadt Afion als Ursprung zu seiner Namensgebung zu sehen, da hier bis heute der Mohnanbau von erheblicher Bedeutung sei.
Es wäre – so Seefelder – allerdings bis heute nicht klar, ob die Städte „Afion oder Afyon“ und „Mekone“ dem Produkt bzw. der Pflanze ihre Namen verliehen, ober umgekehrt.[5]
Da ich im Laufe der folgenden Kapitel ausführlicher auf die medizingeschichtliche Entwicklung der Mohnart Papaver somniferum bzw. Opium eingehen werde, möchte ich in dieser Einleitung zuvor noch die Inhaltsstoffe dieser Pflanze, sowie deren pharmakologische und toxische Wirkung auf den Organismus kurz erläutern.
Papaver somniferum beinhaltet circa 40 verschiedene Alkaloide, welche auch als (exogene,) chemische Noxen bezeichnet werden. Diese werden in zwei Bereiche eingeteilt: Auf der einen Seite die Alkaloide der Morphinanreihe (Morphin, Codein, Thebain etc.), auf der anderen Seite die Benzyltetrahydroisochinolinalkaloide (Papaverin, Noscapin u.a.), wobei die hier in Klammern Genannten die Hauptalkaloide sind und unterschiedliche Wirkungen auf den Organismus bzw. das Zentralnervensystem nehmen.[6]
Zur Gewinnung des Rohopiums werden die noch unreifen Kapseln (circa 14 Tage nachdem die Blütenblätter abgefallen sind) entweder diagonal oder vertikal eingeritzt. Die Schnitte dürfen allerdings nicht zu tief ausgeführt werden, da der Milchsaft sonst nicht nach außen aus dem Mohnkopf herausquellen, sondern ins Innere abfließen würde. Dies würde zum Verderben der Fruchtkapsel führen. Nachdem der Milchsaft an der Kapsel erhärtet ist, wird dieser abgeschabt und zu Kuchen gepresst. Die Menge an Trockenmasse beträgt pro Mohnkapsel zwischen 20mg und 50mg.
2. Dioskurides, Maimonides und Avicenna über den Gebrauch und Nutzen des Opiums.
Bereits im 1. Jh. nach Chr. führte der griechische Arzt und Pharmakologe Pedanios Dioskurides (Πεδάνιος Διοσκουρίδης) in seinem fünfbändigen Werk „Über die Heilmittel“ (Περὶ ὕλης ἰατρικῆς bzw. lat. De materia medica) die medizinischen Eigenschaften und Anwendungsbereiche einiger pharmakologisch relevanter Mohnarten, sowie die des Opiums auf. So beschreibt er im IV. Buch (Cap. 64-67) die Papaver-Sorten Mekon Rhoias (Περὶ[7] Mἡκωvoς ῥoιᾶς), Mekon (Gartenmohn / Περὶ Mἡκωvoς ἡμέρoυ), Mekon Keratitis (Hornmohn / Περὶ Mἡκωvoς κερατίτιδoς) und Mekon Aphrodes (Περὶ Mἡκωvoς ὰφρὡδoυς), sowie in Cap. 165 den Schaummohn (Peplos / Περὶ Πέπλoυ) und im II. Buch, Cap. 165 den Wilden Lattich (Περὶ ὰγρίας Θρίδακoς), dem er eine mohn- bzw. opiumähnliche Wirkung beimisst.
Er schreibt hierzu: „Der Wilde Lattich [welchen die Propheten Titansblut, Zoroaster Pherumbros, die Römer Lactuca silvatica nennen] gleicht dem Gartenlattich, […]. Im Ganzen ist er in seiner Wirkung dem Mohn ähnlich, weshalb auch Einige seinen Saft unter das Opium mischen.“[8] (Wilder Lattich scheint dem heutigen Giftlattich L. virosa zu entsprechen.)
Bezüglich des von Dioskurides genannten Schaummohns (Peplos) fügt Berendes jedoch an, dass die meisten Autoren hier von einer anderen Pflanze ausgehen, als von Dioskurides aufgeführt. Die Pflanze Euphorbia retusa L. sei hier wahrscheinlicher. Er bemerkt ferner: „Es ist das tertium genus Papaveris des Plinius XX 209, welches auch Mekon (bei den Hippokratikern) oder Paralion heisst.“ (Berendes 1970, S.462.)
Bei Euphorbia retusa L. handelt es sich um ein Wolfsmilchgewächs (Euphorbiaceae). Diese sind aufgrund ihrer zum Teil starken Toxizität pharmakologisch interessant.
Ein besonders großes Augenmerk legt Dioskurides auf die oben genannten Mohnsorten (Mekon) bzw. den medizinischen Gebrauch und Nutzen des Opiums, sowie seine Prüfung auf Reinheit. Er gibt vor allem drei Arten an, die er als Gartenmohn (oder auch Thylakitis) und Mekon Rhoias (oder auch Pithits) benennt. Die dritte von ihm erwähnte Sorte lässt er namenlos, bemerkt jedoch, dass diese „wilder und arzneilich wichtiger“ sei.[9] Berendes fügt hierzu Folgendes an:
„Papaver somniferum L. (Papaveraceae), Schlafmohn, Gebräuchlicher Mohn. […] Will man die dritte als besondere Art, betrachten, so könnte es P. hybridum L., Saatmohn, sein, welcher mit P. Argemone auf Saatfeldern häufig vorkommt und auch grosse Aehnlichkeit mit ihm hat, doch sind die Kapseln mehr verkehrt-eiförmig, rundlich und borstig.[10] - Plinius XX 202 unterscheidet gleichfalls drei Arten Mohn, nämlich Papaver sativum mit mehr runden Köpfchen, P. silvestre mit kleinen und rundlichen Köpfchen, aber viel wirksamer, und in der Mitte zwischen beiden P. Rhoeas.“[11]
Dioskurides lässt gerade aber dem „Gartenmohn“ (Mekon / Mἡκωvoς ἡμέρoυ) eine besondere Bedeutung zukommen. Daher könnte es sich hier meiner Meinung nach um die (später) als Papaver somniferum L. genannte Art handeln, da diese – wie oben gesagt – besonders reich an Opiumalkaloiden ist, die zum einen pharmakologisch besonders relevant sind, und zum anderen Berendes in oben zitierter Anmerkung vom „Gebräuchlichen Mohn“ spricht.
Dioskurides führt in diesem Kapitel eine Reihe von Rezepturen gegen unterschiedlichste Krankheiten bzw. deren Symptome an. Es muss in diesem Zusammenhang erwähnt werden, dass er bereits im 1. Jh. n. Chr. Opioide gegen bestimmte Erkrankungen einsetzte, die heute – gut 1900 Jahre nach seinem Tod – von der modernen Medizin noch immer eingesetzt werden (, wenn auch in chemisch abgewandelter Form). So hebt er beispielsweise in Rezepturen die analgetische, sowie die sedierende Wirkung des Opiums hervor. Außerdem seien Opium-Rezepturen auch bei Husten oder Bauchfluss (, also Diarrhöe) usw. anzuwenden. Auf diese vier von Dioskurides genannten Anwendungsgebiete werde ich später erneut zurückkommen.
Er warnt in seinen Rezepturen allerdings auch vor der Giftigkeit der Inhaltsstoffe und sagt deutlich, dass er (der Saft des Mohns) „im Uebermass getrunken schadet“ und „Lethargie bewirkt und tödtet.“[12]
Im Übrigen unterscheidet Dioskurides zwei Arten der Anwendung des Milchsaftes: Den reinen, getrockneten und konzentrierten Saft, der durch Anritzen der Mohnköpfe gewonnen wird, bezeichnet er als Opos (ỏπόϛ). Es bestünde aber auch die Möglichkeit des Pressens der ganzen Mohnköpfe samt Blattwerk. Dieser – von ihm Mekonion (μηκώνιoν) genannte – Extrakt sei in seiner Wirkung schwächer, als der reine Saft. Er gibt als Beispiel eine Rezeptur gegen Geschwüre an, bei denen u.a. Mekonion als Kataplasma (, also als Breiumschlag) hilfreich sei.
Dioskurides war mit seinen medizinisch-pharmakologischen Erkenntnissen absolut wegweisend für die weitere Medizin. Dennoch möchte ich in diesem Kapitel noch auf zwei weitere, äußerst bedeutsame Personen zu sprechen kommen. Auf der einen Seite sei Moses Maimonides (griechisch Μαϊμονίδης, hebräisch משה בן מיימון / Moshe ben Maimon bzw. arabisch أبو عمران موسى بن عبيد الله ميمون القرطبي / Abū ʿImrān Mūsā b.ʿUbaidallāh Maimūn al-Qurṭubī; gest.1204) zu nennen, auf der anderen Seite
Abū ʿAlī al-Ḥusain b. ʿAbdullāh b. Sīnā (أبو علي الحسين بن عبد الله بن سينا oder kurzابن سينا / Ibn Sina oder Avicenna; gest. 1037).
Der persische Arzt Avicenna beschreibt in seinem Werk Qānūn fῑṭ-Ṭibb („Kanon der Medizin“) in mehreren Kapiteln ebenfalls die medizinischen Eigenschaften des Mohns (als gesamte Pflanze) und des Opiums. So beschreibt er auf Seite 133 speziell die Wirkung und Anwendungsbereiche des Afyūn und greift mitunter die Erkenntnisse Dioskorides‘ auf. Er gibt hier allerdings auch weitere Rezepturen an und präzisiert u.a. manche Mohnarten, einige Dosierungen und Ausweichpräparate und gibt darüber hinaus Anweisungen zur Reinheitsprüfung des Opiums. Allerdings führt auch er, wie Dioskurides, keine exakten Angaben zu den einzelnen Rezepturen auf. Zwar benennt er jeweils die Inhaltsstoffe, jedoch verschweigt er, wie viel von jedem einzelnen Stoff genommen werden sollte, sowie die Angaben zur genauen Galenik.
Genau wie Dioskurides spricht Avicenna dem ägyptischen Schlafmohn (Dioskurides nennt Mekon zwar Gartenmohn, schreibt jedoch, dass die Ägypter ihn Nanti nennen würden) die stärkste Wirkung zu. Gleich zu Beginn schreibt Avicenna zur „Beschaffenheit“ des Opiums, es sei der „der Sonne ausgesetzte Saft des ägyptischen schwarzen Mohns“.[13]
Auch er schreibt, es könne eine Art „Opium“ aus Lattich hergestellt werden, dessen berauschende Wirkung jedoch schwächer sei.
Wie bereits Dioskurides wendet auch Avicenna Opium als schmerzstillendes, betäubendes und schlafförderndes Medikament an. Auch die äußerliche Anwendung bei Geschwüren, sowie eingenommen bei Husten und Durchfällen wird von ihm angeraten.
Auch Avicenna weist auf die möglicherweise tödliche Wirkung bei Falschanwendung hin.
Als Ausweichpräparat („Der Ersatz“) zum Opium rät er zu folgender Rezeptur:
„Der Ersatz ۞ Er kann durch das Dreifache von den Samen des schwarzen Bilsenkrautes und das Zweifache von den Samen der Mandragora ersetzt werden.“[14] ؛ [15]
Auf welche Weise die Samen eingenommen werden sollen, gibt Avicenna nicht an.
Maimonides führt zu „Banǧ“ verschiedene Pflanzengattungen an. U.a. steht es für das weiße (Hyoscyamus albus), sowie das schwarze Bilsenkraut (Hyoscyamus niger). Aufgrund der Verbreitungsgebiete beider Bilsenkrautarten (H. albus kommt heute vor allem im Mittelmeergebiet, H. niger in fast ganz Europa über Nordafrika bis Nordindien vor) gehe ich in meiner Übersetzung vom schwarzen Bilsenkraut aus. Zum einen aufgrund der persischen Abstammung Avicennas, zum anderen, da das schwarze Bilsenkraut deutlich häufiger vorkommt, als das weiße.
Natürlich wäre es möglich, dass sich Avicenna auf altgriechische Überlieferungen stützte, in denen Hyoscyamus albus gemeint ist. Er präzisiert dies in seinem Werk unter „Afyūn“ jedoch nicht.
Dioskurides indes unterschied die Arten. Allerdings warnt er eindringlich vor der Giftigkeit des schwarzen Bilsenkrautes und rät zur Verwendung des weißen.[16]
Die Hauptalkaloide des Bilsenkrautes sind Scopolamin und Hyoscyamin, welche – ähnlich dem Schlafmohn – Rauschzustände auslösen. Die letale Scopolamin-Dosis liegt jedoch schon bereits bei 40-50mg, so dass – ebenfalls dem Opium ähnlich – bei Überdosierungen der Tod durch Atemdepression einsetzt. Erwähnenswert ist allerdings, dass das im Opium enthaltene Morphin erst bei einer Menge von 200mg (bis – bei an die Droge gewöhnten Personen – 1,5 g) tödlich wirkt.
Da Avicenna explizit von „den Samen des Banǧ“ spricht, könnte er auch die Samen von Datura stramonium gemeint haben. Auszuschließen ist wohl, er könne mit „Banǧ“ Cannabis bezeichnet haben, da die Samen des Hanfs – im Gegensatz zu den übrigen Pflanzenteilen – kein berauschendes THC (Tetrahydrocannabinol) beinhalten und somit wohl kaum eine vergleichbare Wirkung auf das Zentralnervensystem ausüben würden, wie Bilsenkraut, Schlafmohn oder Stechapfel.
Das genaue Ursprungsgebiet der Datura stramonium ist nach wie vor umstritten. So gehen Botaniker aber davon aus, sie könne aus Südostasien eingeführt worden sein[17]. Als Neophyt ist sie mittlerweile in sehr vielen Erdteilen verbreitet. Datura stramonium ist – wie Hyoscyamus niger bzw. albus auch – pharmakologisch interessant, da die Pflanze mit ihrem hohen Anteil an Scopolamin, Hyoscyamin und Atropin extrem giftig ist. Die richtige Dosierung könnte sich als schwierig erwiesen haben, da der Gehalt an toxischen Inhaltsstoffen (mitunter stark) variieren kann. Die Boden-, Licht- und Wärmebedingungen nehmen einen entscheidenden Einfluss auf die Ausbildung der Toxine innerhalb der Pflanze.
Beate Maria Bollig beschreibt die medizinischen Anwendungsgebiete von Datura stramonium. So sei die Pflanze unter anderem als Analgetikum und Spasmolytikum zum Einsatz gekommen. Sie bemerkt jedoch auch, dass sich Datura ebenfalls als Rausch-, Mord- und Selbsttötungsmittel eignet.[18]
Die Symptome des Rausches bzw. der Überdosierung mittels Datura stramonium gibt sie unter anderem wie folgt an:
Stark geweitete Pupillen, Sehstörungen, Schluck- und Sprachstörungen, Mundtrockenheit, fehlendes Erbrechen, Gleichgewichtsstörungen, motorische Unruhe, Störungen der Bewegungskoordination, Bewusstseinstrübung, Halluzinationen, Desorientierung, Muskelkrämpfe, Weinkrämpfe und Rededrang, Übertemperatur, in gravierenden Fällen auch Herzrhythmusstörungen und komatöse Zustände, sowie Bewusstlosigkeit und Tod durch Atemlähmung.[19]
Dioskurides erwähnt im IV. Buch, Cap. 74 eine Pflanze namens Strychnos manikos (Περὶ Στρὑχνου μανικοῦ) und schreibt hierzu: „Die Wurzel, in der Menge von 1 Drachme mit Wein getrunken, hat die Kraft, nicht unangenehme Phantasiegebilde zu schaffen, 2 Drachmen getrunken, halten sie bis zu drei Tagen an, 4 Drachmen getrunken tödten gar.“[20]
Berendes gibt hierzu jedoch eine Anmerkung, da die von Dioskurides benutzte Bezeichnung nicht zweifelsfrei zuzuordnen war. So schreibt er:
„Fab. Columna hat die Verworrenheit sehr gut dadurch gelöst, dass er die Beschreibung auf zwei verschiedene Pflanzen bezieht, nämlich […] auf Atropa Belladonna L. (Solanaceae), Tollkirsche, und die anderen Kennzeichen auf Datura Stramonium L. (Solanaceae), Stechapfel.
Der wichtigste wirksame Bestandtheil ist das in den Blättern, Früchten, Samen und Wurzeln beider Pflanzen, bei Datura Stram. besonders in den Samen enthaltene Atropin. […] Die Hauptmenge er Alkaloide ist Hyoscyamin […].“[21]
Theophrastos von Eresos (Θεόφραστος) spricht ebenfalls über diese Strychnos genannte Pflanze, die auch als Thryon (ϑρύον) oder Persion (πέρσιον) bezeichnet wird. Sowohl er, als auch Dioskurides schreiben ihr sedierende, berauschende Wirkungen zu.[22]
Zu „Banǧ“ schreibt Avicenna: „Die Auswahl ۞ Der beste ist der Weiße. Gibt es diesen nicht, verwendet man den Roten. Der Schwarze wird stets gemieden, obwohl der Saft aus seinen Zweigen ein Ersatz für Opium ist.“[23]
Was er in diesem Fall mit „der Rote“ bezeichnet, scheint weiterhin auf Datura hinzudeuten. Bilsenkraut existiert als weißes und schwarzes, rotes Bilsenkraut indes gibt es nicht. Cannabis ist aufgrund der fehlenden Alkaloide in den Samenkapseln ebenfalls auszuschließen.
Meines Erachtens beschreibt Avicenna hier verschiedene Datura-Arten, da diese in den von ihm beschriebenen Farbgebungen vorkommen.
Avicenna spricht des Weiteren vom Ersatzpräparat Mandragora (Alraune) bzw. deren Samen. Er bezeichnet diese Pflanze als „al-luffāḫ“ ( اللفاخ ) . Maimonides erwähnt diese Pflanzenbezeichnung zwar auch (luffāḥ al-ǧinn bzw. tuffāḥ al-ǧinn), führt die Alraune jedoch unter ihrer syrischen Ursprungsbezeichnung „Yabrūḥ“.[24]
Dioskurides führt im IV. Buch ebenfalls die Alraune auf. Er bezeichnet sie als Mandragora, Antimelon, Dirkaia, Bombochylos, ägyptisch Apemum, römisch Mala canina oder Mala terrestria etc. (Cap. 76: Περὶ Mανδραγóρoυ) und setzt sie, wie Papaver somniferum, u.a. bei Schmerzen ein. Er hebt jedoch auch ihre sedierende und entzündungshemmende Wirkung hervor. Auch dieses Nachtschattengewächs ist äußerst giftig. Desgleichen tritt der Tod bei Überdosierung, v.a. durch die enthaltenen Alkaloide Atropin und Scopolamin, durch Atemdepression ein. Dioskurides schreibt hierzu beinahe beiläufig zur (Über-)Dosierung: „Ein Genuss mehr nimmt das Leben weg.“[25]
[...]
[1] Vgl. Hunnius – Pharmazeutisches Wörterbuch. 8. Auflage; Berlin / New York 1998. S. 439.
[2] Ebd. S. 439.
[3] Anmerkung: „L.“ ist das botanische Autorenkürzel und steht für den Namen des Botanikers Carl Nilsson Linnæus (bzw. Carl
von Linné), der die Pflanze erstmals klassifizierte.
[4] Vgl. Seefelder, Matthias: Opium – Eine Kulturgeschichte – Antike - Arabien - China - Wirkungsweise - Chemie und Drogen
heute. 3. Auflage; Hamburg 1996. S.18.
[5] Ebd. S.19.
[6] Vgl. Hunnius – Pharmazeutisches Wörterbuch. 8. Auflage; S.1003.
[7] Περὶ = griechische Vorsilbe „über“: Die hier mit Περὶ eingeleiteten Pflanzenarten beziehen sich auf die Kapitel des Dioskurides.
[8] Berendes, J.: Des Pedanios Dioskurides Arzneimittellehre in fünf Büchern. Stuttgart 1970, S.227.
[9] Vlg. Ebd. S.397 f.
[10] Anmerkung: Berendes benennt die von Dioskurides als „Gartenmohn“ bezeichnete Art als „Papaver somniferum“. Mir scheint
dies allerdings eine Schlussfolgerung des Autoren selbst zu sein. In der Tat ist P. somniferum aus pharmakologischer Sicht
interessanter, jedoch gibt Dioskurides weder einen konkreten Pflanzennamen für „Gartenmohn“ an, noch für die von ihm
aufgeführte „dritte, wildere Art“, die Berendes als P. hybridum benennt. Ähnliche Schlussfolgerungen auch zu finden unter:
http://www.pharmawiki.ch/materiamedica/index.php?page=Buch_IV#65. Gartenmohn. (Stand: 28.09.2012)
[11] Berendes, J.: Des Pedanios Dioskurides Arzneimittellehre in fünf Büchern. Stuttgart 1970, S.399.
[12] Ebd. S.398.
[13] Avicenna: Al-Qānūn fῑ ṭ-Ṭibb - القانون في الطب – S.133. “Afyūn” / “ افيون ” : الماهية ۞ عصارة الخشخاش اﻼسود المصري مشمسة
[14] Avicenna: Al-Qānūn fῑ ṭ-Ṭibb - القانون في الطب – S.133. “Afyūn” / “ افيون ” : اﻼبدال ۞ بدله ثلثة اضعافه بزر البنج و ضعفه بزر اللفاخ
[15] Anmerkung: Hier mit „schwarzem Bilsenkraut“ übersetzt. Lt. Encyclopædia Iranica könnte es sich bei „Banǧ“ (oder auch
„Mang“) neben dem oben genannten Hyoscyamus (niger) ebenfalls um Cannabis sativa oder indica bzw. um Datura
stramonium handeln.
Vgl. http://www.iranicaonline.org/articles/bang-middle-and-new-persian-in-book-pahlavi-also-mang-arabicized-banj-a-kind-of-
narcotic-plant (Stand: 17.10.2012)
[16] Vgl. Berendes, J.: Des Pedanios Dioskurides Arzneimittellehre in fünf Büchern. S.402f.
[17] Anmerkung: S. P. Sangar sieht des Ursprung des Wortes “Dhattūra“ im Sanskrit. Sangar, S. P.: „Intoxicants in Mughal India“,
In: Indian Journal of History of Science, 16 (2); November 1981, S.206.
[18] Vgl. http://www.konturen.de/NEU_pages/a_z/stechapfel.html (Stand: 17.10.2012)
[19] Vgl. http://www.konturen.de/NEU_pages/a_z/stechapfel.html (Stand: 17.10.2012)
[20] Berendes, J.: Des Pedanios Dioskurides Arzneimittellehre in fünf Büchern. S.407.
[21] Ebd. S.407.
[22] Vgl. Sprengel, K.: Theophrasts Naturgeschichte der Gewächse. Darmstadt 1971: S.369.
[23] Avicenna: Al-Qānūn fῑ ṭ-Ṭibb - القانون في الطب – S.145.
“Banǧ” / “ بنج ”: الاختيار ۞ اجوده الابيض فان لم يوجد استعمل الاحمر ويجتنب الاسود دايما لكن عصارة اغصانه ربما الافيون
[24] Vgl. Rosner, Fred: Moses Maimonides’ Glossary of Drug Names – Maimonides’ Medical Writings (translated by Fred Rosner).
Haifa 1995, S.139 f.
[25] Berendes, J.: Des Pedanios Dioskurides Arzneimittellehre in fünf Büchern. S.409.
- Quote paper
- Aiko Gastberg (Author), 2012, Drogen im Mogulreich - Drugs in the Mughal Empire, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/205385
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