Wer sich mit dem politischen System Italiens beschäftigt, stellt schnell fest, dass es sich dabei um einen durchaus anspruchsvollen Untersuchungsgegenstand handelt. So ist beispielsweise Köppl (2007: 11) fraglos zuzustimmen, wenn er konstatiert: „Das Studium der italienischen Politik ist kein leichtes Unterfangen. Der Weg ist vielmehr steinig und voller verwirrender Windungen.“ Eine Parteiensystemtransformation Mitte der 1990er-Jahre, ein beinahe undurchschaubares Geflecht von Parteien, mehrere Wahlrechtsreformen sowie Regierungen, die im statistischen Durchschnitt nie länger als ein Jahr im Amt sind, lassen in den Augen des Betrachters das Bild eines politischen Systems entstehen, das ständig in Bewegung zu sein scheint. Aus diesem Grund erscheint es auch nicht weiter verwunderlich, dass die italienische Politik häufig mit Begriffen wie „Chaos und Dauerkrise“ (Köppl 2007: 11) assoziiert wird und Italien gemeinhin als „unregierbar und instabil“ (Ulrich 2009: 651) gilt.
Doch ist die vielfach vertretene These der Unregierbarkeit Italiens tatsächlich auch empirisch zutreffend oder entspringt sie eher einem defizitären Wissen über die italienische Politik und es müsste vielmehr von einer Schwerregierbarkeit Italiens gesprochen werden? Um diese Frage zu beantworten, werden in der vorliegenden Arbeit die Grundzüge des politischen Systems der Republik Italien skizziert und es wird im Zuge dessen der Versuch unternommen, einige der Faktoren herauszuarbeiten, die das Regieren in Italien erschweren und aus denen die spezifischen Probleme der italienischen Politik resultieren. Es ist dabei selbstverständlich nicht möglich, das politische System Italiens in allen Facetten darzustellen und auch neuere Entwicklungen – wie die italienische Schuldenkrise oder der Rücktritt Silvio Berlusconis im November 2011 – sollen ausgeklammert bleiben. Vielmehr hat es sich der vorliegende Essay zum Ziel gesetzt, die groben Strukturen und Entwicklungslinien der italienischen Politik knapp darzustellen, um auf diese Weise die These der Unregierbarkeit Italiens zu überprüfen.
Nach einem Blick auf die Entstehung der italienischen Verfassung (Kapitel 2) sowie auf den Aufbau und die Funktionsweise des italienischen Parlaments (Kapitel 3), werden das italienische Wahlsystem (Kapitel 4) und das italienische Parteiensystem (Kapitel 5) näher in den Blick genommen, bevor schließlich die Ausgangsfrage mit den gewonnenen Erkenntnissen beantwortet wird (Kapitel 6).
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Verfassungsentwicklung und Verfassungsprinzipien
- Parlament: Abgeordnetenhaus und Senat
- Wahlrecht und Wahlsystem
- Parteiensystem
- Das Parteiensystem der „Ersten Republik“ (1946-1991)
- Transformationsphase (1991-1996)
- Das Parteiensystem der „Zweiten Republik“ (seit 1996)
- Neuere Entwicklungen
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Dieser Essay hat zum Ziel, die Grundzüge des politischen Systems der Republik Italien zu skizzieren und die Faktoren zu analysieren, die das Regieren in Italien erschweren. Die Arbeit befasst sich mit der Frage, ob die gängige These der Unregierbarkeit Italiens empirisch haltbar ist oder ob von einer Schwerregierbarkeit gesprochen werden sollte.
- Verfassungsentwicklung und -prinzipien
- Funktion und Zusammensetzung des italienischen Parlaments
- Wahlrecht und Wahlsystem
- Transformation des italienischen Parteiensystems
- Ursachen für die Schwerregierbarkeit Italiens
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Der Essay führt in das Thema der Schwerregierbarkeit Italiens ein und stellt die Forschungsfrage.
- Verfassungsentwicklung und Verfassungsprinzipien: Dieses Kapitel beleuchtet die Entstehung der italienischen Verfassung und ihre wesentlichen Grundzüge. Es werden die Einflussmöglichkeiten des Ministerpräsidenten im Kontext der Verfassung diskutiert.
- Parlament: Abgeordnetenhaus und Senat: Der Aufbau und die Funktionsweise des italienischen Zweikammerparlaments werden beschrieben. Es werden die Unterschiede zwischen Abgeordnetenhaus und Senat beleuchtet.
- Wahlrecht und Wahlsystem: Dieses Kapitel analysiert das italienische Wahlsystem, einschließlich der Mehrheitsbonus und Sperrklauseln. Es wird die Bedeutung des Systems für die Koalitionsbildung hervorgehoben.
- Parteiensystem: Die Entwicklung des italienischen Parteiensystems in drei Phasen (erste Republik, Transformationsphase, zweite Republik) wird dargestellt. Es werden die wichtigsten Konfliktlinien in der italienischen Gesellschaft und ihre Auswirkung auf das Parteiensystem beleuchtet.
Schlüsselwörter
Schlüsselwörter dieses Essays sind: italienisches politisches System, Schwerregierbarkeit, Verfassung, Parlament, Wahlrecht, Parteiensystem, Koalitionsbildung, Transformation, Konfliktlinien, Subkulturen.
- Citar trabajo
- Christian Rohm (Autor), 2012, Un- oder schwerregierbar? – Grundzüge des politischen Systems der Republik Italien, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/205009