Man bewegt sich mit David Hume (1711 – 1776), dem wohl meist rezipierten englischsprachigen Vertreter des Empirismus, gedanklich innerhalb eines Verständnisses, welches die Erfahrung, also sinnliche Wahrnehmung als grundlegend für geistige Prozesse erachtet. Diese Bedingung seines Denkens steht in Widerstreit mit den spekulativen Theorien menschlicher Beweggründe, moralischer Prinzipien etc., die selbige primär aus der Vernunft ableiten. Für Hume ist die Vernunft jedoch nicht ursprünglich, sondern selbst etwas Gewordenes das dazu aufruft ergründet zu werden. Moral ist für ihn weit stärker an Gefühle gebunden als Vertreter seiner Zeit wahrhaben wollten. Mit diesem Verständnis reiht sich Hume zu den Theoretikern des ‚moral sense‘.
Im Interesse dieser Arbeit stehen die Analyse der Überlegungen, die Hume zu diesem Standpunkt führen, und die Folgerungen, die sich für Moral und das Moralische theoretisch aus der Annahme eines moralischen Gefühls ergeben. Der Abschnitt ‚Über die allgemeinen Prinzipien der Moral‘ und der Anhang ‚Über das moralische Gefühl‘ aus Hume ‚Eine Untersuchung über die Prinzipien der Moral‘ bilden somit den Anfangs- und Endpunkt der folgenden Betrachtungen.
Gliederung
1. Einleitung
2. Moral und Gesellschaft
Über die allgemeinen Prinzipien der Moral
Über das Wohlwollen
Über die Gerechtigkeit
Natur und Gesellschaft
3. Moral und Gefühl
Warum die Nützlichkeit gefällt
Über Eigenschaften, die uns selbst nützlich sind
4. Moral aus Gefühl
5. Schlussbemerkungen
6. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Man bewegt sich mit David Hume (1711 – 1776), dem wohl meist rezipierten englischsprachigen Vertreter des Empirismus, gedanklich innerhalb eines Verständnisses, welches die Erfahrung, also sinnliche Wahrnehmung als grundlegend für geistige Prozesse erachtet. Diese Bedingung seines Denkens steht in Widerstreit mit den spekulativen Theorien menschlicher Beweggründe, moralischer Prinzipien etc., die selbige primär aus der Vernunft ableiten. Für Hume ist die Vernunft jedoch nicht ursprünglich, sondern selbst etwas Gewordenes, das dazu aufruft ergründet zu werden. Moral ist für ihn weit stärker an Gefühle gebunden als Vertreter seiner Zeit wahrhaben wollten. Mit diesem Verständnis reiht sich Hume zu den Theoretikern des ‚moral sense‘.
Im Interesse meiner Arbeit stehen die Analyse der Überlegungen, die Hume zu diesem Standpunkt führen und die Folgerungen, die sich für Moral und das Moralische theoretisch aus der Annahme eines moralischen Gefühls ergeben. Der Abschnitt ‚Über die allgemeinen Prinzipien der Moral‘ und der Anhang ‚Über das moralische Gefühl‘ aus Hume ‚Eine Untersuchung über die Prinzipien der Moral‘ bilden somit den Anfangs- und Endpunkt der folgenden Betrachtungen.
2. Moral und Gefühl
Über die allgemeinen Prinzipien der Moral
Ausgehend von der fundamentalen Frage, ob Moral sich auf den Verstand oder das Gefühl gründe, entwickelt der schottische Philosoph in seinem Hauptwerk eine klärende Perspektive auf das Problem. Gleich einleitend legt Hume die Problematik in seiner ganzen Tragweite offen. Er sieht viele Verwirrungen der bisherigen Versuche dieses Thema zu behandeln in der verführerischen Kraft der Selbsttäuschung deduktiver Methodik begründet.[1] Aus ihren Irrtümern lernend, strebt Hume eine induktive Argumentation moralischer Phänomene an. Dieses Anliegen kreist um die traditionelle philosophische Problematik des Verhältnisses von Sein und Sollen. Ob also eine Ethik trotzdem zu rechtfertigen ist und auf welche Weise bleibt zu erörtern.
Über das Wohlwollen
Der 2. Abschnitt seiner Untersuchung beschäftigt sich mit dem Wohlwollen, welches in all seinen Ausformungen menschlichen Charakters sich allgemeiner Wertschätzung erfreut.[2] Hume postuliert dies als Tatsache, deren Beweisführung ihm gar überflüssig erscheint. Nun mag er damit sicher nicht gänzlich falsch liegen, doch dies bedingungslos für allgemeingültig zu erklären, widerstrebt dem kritischen Auge. Im weiteren Verlauf differenziert sich diese Feststellung. Hume interpretiert die manifestierten mithin allgemeinen Urteile als begründet und zweckhaft geworden durch ihre gesellschaftliche Nützlichkeit.[3] Soziale Würdigung und Repression sind die Kräfte, die in der Gesamtordnung der Gesellschaft die Sittlichkeit regulieren. Die Verflechtung von Wohlwollen und Nutzen für die Gemeinschaft relativieren die obige Feststellung, doch folgt man Humes Gedanke, so etabliert sich Wohlwollen durchaus als höchstmöglicher gesellschaftlicher Nutzen.[4] Damit ließe sich sagen unter Berücksichtigung der Gemeinschaft bzw. der Menschheit ist eine Ethik zum Zwecke des Gemeinwohls abzuleiten. Ob auch Hume zu diesem Schluss kommt, lässt dieser Abschnitt noch offen. Tendenziell ist seine Betrachtungsweise beschreibenden Charakters ohne den Anspruch aus Tatsachen Moral herzuleiten. Er lehnt diese Möglichkeit an anderer Stelle sogar als Fehlschluss ab, weshalb sich eine Ethik auf andere Fundamente stützen muss – es besteht keine Kausalität oder Unbedingtheit, die nur noch ermittelt werden müsste.[5] Wie beschrieben, stellt Hume die Nützlichkeit als kardinale Erklärungsmöglichkeit vor, die Moralvorstellungen einen (oft unbewussten) Zweck unterschiebt. Um dies nochmals zu betonen, stellen Humes Untersuchungen eine Beschreibung der Gesetze, denen unser Handeln und soziales Miteinander unterliegt, dar und verwirft somit den Anspruch normative Vorschriften aufzustellen.[6] Wie sich Ethik also bei ihm gebärdet, begleitet den Fortgang dieser Arbeit weiterhin.
Über die Gerechtigkeit
Wieder beginnt Hume einen Abschnitt, indem er sich aufgrund der Evidenz einer Feststellung der weitgreifenden Beweisführung dergleichen entzieht. In diesem Falle ist es die Gerechtigkeit, deren Nützlichkeit für eine Gesellschaft offenkundig sei und demnach „wenigstens einen Teil ihrer Wertschätzung aus dieser Überlegung“[7] entstammt. Nun zeichnet sich dadurch rückwirkend zugleich eine spezielle Vorstellung von Gesellschaft. Doch auch hier ist die eingehende Undifferenziertheit eher auf Humes Rhetorik als auf fehlende Vorsicht zurückzuführen, weshalb dieser Einspruch immerhin geschwächt wird.
Den Nutzen der moralisch bedingten Gerechtigkeit führt Hume auf die naturhafte, aber auch kulturelle Ungerechtigkeit zurück, deren Ausgleich der Mensch versucht ist zu leisten. Warum dies so ist, wird anhand von Beispielen erläutert, die sich am Verständnis von Wohlwollen abarbeiten. In aller Anschaulichkeit wird verdeutlicht, dass Gerechtigkeit im Sinne annähernder Gleichberechtigung innerhalb einer Gesellschaft erst ermöglicht, dass Menschen in ihr zufrieden leben können und nicht gezwungen sind, aus lebenserhaltenden Motiven ungerecht zu sein.[8] Ebenso wäre ein Zustand, indem Gerechtigkeit nicht vonnöten ist, da ein Überfluss dem Menschen diese Idee verwehrt, gekennzeichnet von uneingeschränktem Wohlwollen, welches sich der Mensch erst dann erlauben könnte.[9] Dieser Gedanke oder eben seine Umkehrung lässt eine Mitte hell werden, die man theoretisch getrost als Realität bezeichnen kann, in der das Wohlwollen sich in gerechtem Miteinander verwirklicht. Der Nutzen der Gerechtigkeit ist also soziales Wohlbefinden aufgrund gesellschaftlicher Ordnung und Sicherheit, welche z.B. mittels Gesetzen und Sanktionen ihre Gewährleistung erwirken. „Das Wohl der Menschheit ist das alleinige Ziel aller dieser Gesetze und Vorschriften.“[10]
[...]
[1] Vgl. Hume, David: Eine Untersuchung über die Prinzipien der Moral. 3. Aufl. Stuttgart: Reclam 2002, S.93.
[2] Vgl. ebd., S. 94.
[3] Vgl. ebd., 98 f.
[4] Vgl. ebd., S. 100.
[5] Vgl. Oettingen-Wallerstein, Maximilian: Humes These. Ein Klärungsversuch in der Sein-Sollens-Debatte. Würzburg: Königshausen & Neumann 2008, S. 13 ff.
[6] Vgl. Kulenkampff, Jens: David Hume. München: Beck 1989, S. 97.
[7] Hume 2002, S. 101.
[8] Vgl. ebd., S.104 ff.
[9] Vgl. ebd., S. 101 ff.
[10] Ebd., S. 112.
- Quote paper
- Eric Jänicke (Author), 2011, David Hume - Moralität aus Verstand oder Gefühl?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/204956
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