Ein unterhaltsam zu lesender Text über den Komiker und Kabarettisten Hans Liberg. Der Niederländer hat praktisch ein Genre neu erfunden: Das Musik-Kabarett, bei dem auch gebildete Menschen etwas zu lachen haben.
Im Umkehrschluss heißt das aber auch, dass, wer hier lachen will, eine gewisse musikalische (Halb-) Bildung mitbringen sollte. Denn Hans Liberg zitiert in seinen Auftritten immer wieder klassische Musik, um sie dann jedoch einmal quer durch das moderne Showgeschäft zu ziehen!
Mit seinen Shows in den 80er Jahren war Hans Liberg Pionier, der "Erfinder des postmodernen Kabaretts", wie er selbst gerne sagt. Inzwischen gibt es solche Formationen wie "Salut Salon" oder die Programme von Aleksej Igudesman. Große Interpreten wie Gidon Kremer sind in diesen Shows aufgetreten und haben damit deutlich gemacht, dass das "ernste" klassische Musikleben eine Erneuerung dringend nötig hat.
Hans Liberg. Ein Portrait des niederländischen Komikers
von Mirjam Schadendorf
Hans Liberg ist der „Erfinder des postmodernen Kabaretts“. So sagt er es selbst über sich. Wer die Texte des erfolgreichen Showtalents genauer liest, findet auch noch weitere, überdenkenswerte Selbstaussagen des gelehrten Spaßmachers. So räsoniert der Niederländer, der ein Diplom in Musikwissenschaft vorzuweisen hat, über seinen erstaunlichen Werdegang: „Glücklicherweise ist er nicht der brillante Musikethnologe geworden, der er hätte sein können. Er hat sein Studium abgeschlossen, aber sein Wissen nicht zu fundierten Artikeln oder mitreißenden Telekollegkursen geformt.“ Ein wenig Unrecht hat Hans Liberg dann doch, denn im Prinzip sind seine Shows, mit denen er seit den 80er Jahren ein großes Publikum zu Dauerlachkrämpfen bringt, tatsächlich „Mitreißende Telekollegkurse“, in denen der Hörer viel Wissenswertes über die Kompositionsweise von Ludwig van Beethoven, das Zustandekommen von Nationalhymnen und den melodischen Gehalt von Bundestagsparteien lernen kann. Aber aufgepasst: Ganz im Sinne einer postmodernen Pädagogik sind in Libergs „Telekollegstunden“ immer einige Fehler versteckt!
Der unbekannte Musikwissenschaftler
Wussten Sie eigentlich, dass ein Teil unserer arbeitenden Bevölkerung sich als Musikwissenschaftler sein Geld verdient? Es gibt Länder, da weiß ein Großteil der Bevölkerung nicht, was ein Musikwissenschaftler resp. die weibliche Form dieser Spezies macht. Das kann ich Ihnen so genau sagen, weil ich selber zu dieser Spezies gehöre. Vor einigen Jahren war ich in Italien unterwegs und kam auf einem Weingut mit einem Amerikaner ins Gespräch. Natürlich wollte er wissen, was ich mache – das ist bei den Amerikanern so. Als ich sagte, dass ich ein Musicologist sei, starrte er mich an und fragte dann: „What does a musicologist do?“ Ich erklärte es ihm. In Deutschland ist das anders. Selbst wenn Sie einen Musikwissenschaftler vor sich hätten, würden Sie niemals fragen, was denn diese Spezies so tut. Das macht man in Deutschland nicht. Dennoch wissen es die meisten Deutschen nicht. Tatsächlich haben Angehörige dieser Fachrichtung so bedeutende Taten vollbracht wie die Werke von Wolfgang Amadeus Mozart zu zählen (Herr Köchel), die Beschaffenheit des Papiers zu testen, auf dem Johann Sebastian Bach geschrieben hat (ein Herr Dadelsen), ein großes Lexikon geschrieben, in dem alle Begriffe erklärt werden, die Musikwissenschaftler benutzen (Herr Sadie in englisch, Herr Eggebrecht in deutsch). Letzteres läßt ein wenig nachdenklich machen, was die kommunikativen Fähigkeiten der Musikwissenschaftler anbetrifft. Darüber hat sich wohl auch ein weiterer Angehöriger dieser Berufsgruppe Gedanken gemacht. Sein Lebenswerk besteht darin, kurze Abschnitte aus bekannten Werken großer Komponisten vorzuspielen (Hans Liberg).
So etwas tut ein Musikwissenschaftler eigentlich nicht, denn damit wird man dem Werk des großen Komponisten in der Regel nicht gerecht – es ist nämlich lang und kompliziert, und deswegen ist es anstrengend, zuzuhören. Das muss so sein. Das anstrengende Zuhören macht einen Teil der Größe des Werks aus. Ganz einfach. Diesen einfachen Merksatz hat der Bilderstürmer Hans Liberg aus den Angeln gehoben. Einen Aufschrei hat es deswegen nicht gegeben – Musikwissenschaftler neigen in der Regel nicht zum öffentlichen Protest. Verzückte Schreie hat Hans Liberg allerdings schon eher hervorgerufen, (alles auf der Bühne versteht sich –) und zwar bei den Leuten, die nicht wissen, was ein Musikwissenschaftler macht und die sich um die Merksätze des Musikhörens nicht scheren. Unzählige Zuhörer seiner Kabarettprogramme und Shows haben über seinen Umgang mit all den vielen Werken, die man an langen Abenden in Symphoniekonzerten hören kann, herzlich gelacht. – Ohne zu wissen allerdings, dass sie einen Musikwissenschaftler vor sich haben.
Erfolgreiche Entscheidungsschwierigkeiten
Jetzt dürfen Sie ihm aber deswegen nicht alles glauben! Das ist ja gerade sein Trick. Hans Liberg, Jahrgang 1954, schrieb sich mit 18 Jahren in der Universität seiner Heimatstadt Amsterdam für das Fach Musikwissenschaft ein, und machte sechs Jahre später dort seinen Abschluss, mit einer Diplom-Arbeit über „Scat Vocals“...?... (nein, nicht fragen, was das ist, es gibt genügend Lexika zum Nachschlagen s. S. 1)
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- Dr. Mirjam Schadendorf (Author), 2012, Hans Liberg - Ein Portrait des niederländischen Komikers, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/204922