Innerhalb wissenschaftlicher und populärwissenschaftlicher Textproduktion ist eine Wissensdarstellung gefragt, die den jeweiligen Sachverhalt hinsichtlich des adressierten Rezipienten in angemessener Länge, Explizitheit und Genauigkeit darstellt. Für die Förderung des Verständnisses beim Rezipienten werden verschiedene sprachliche Mittel eingesetzt, sodass der dargestellte Sachverhalt in seiner Komplexität begriffen werden kann. Als ein solches Mittel wird seit dem Durchbruch der kognitiven Linguistik zu Anfang der 1980er Jahre auch die Metapher anerkannt. Die bedeutende Rolle der Metapher für kognitive Prozesse wie Denken, Sprechen und Handeln heben der Linguist George Lakoff und der Philosoph Mark Johnson hervor. Deren Werk „Metaphors we live by“ (1980) bildet die Grundlage der kognitiven Metapherntheorie. Nach ihrer Theorie basieren die kognitiven Prozesse auf metaphorischen Konzepten, die zur Strukturierung des Alltags aber auch anderen Lebensbereichen dienen. Neues Wissen wird in Analogie zu bekannten Konzepten verstanden. Das allgemeine Verständnis der Metapher als nicht-wörtlichen Gebrauch eines Lexems wird in dieser Theorie deutlich erweitert auf ihre Rolle beim alltäglichen Verstehensprozess.
Die Metapher gilt in der kognitiven Linguistik als ein wesentliches Werkzeug des Denkens. So ist eine beträchtliche Zahl an Publikationen zur Metapher und ihrer Bedeutung in verschiedenen Bereichen zu finden. Neben den gemeinsamen Arbeiten von Lakoff und Johnson zur Metaphorik in der Sprache des Alltags und der Philosophie, widmete sich Lakoff auch der Sprache der Politik sowie in Zusammenarbeit mit dem Linguisten Mark Turner der poetischen Metapher. Seit den 1990er Jahren wird auch die Metaphorik in Fachsprachen untersucht und Forschungsarbeiten zu populärwissenschaftlichen Diskursen haben gezeigt, dass in diesem Bereich eine Fülle von Metaphern zur Verständnisförderung eingesetzt wird. Dazu sind die Arbeiten von Liebert und Biere zur Metaphorik in der Wissenschaft und den Medien (1997) zu nennen, Jäkels Ausführungen zur Metapher in den Bereichen Geistestätigkeit, Wirtschaft, Wissenschaft und Religion (2003) sowie Baldaufs Werk zur Alltagsmetapher (1997).
Die vorliegende Arbeit geht der Frage nach, ob korrespondierende Metaphern-konzepte in Fachtexten und Sachbüchern eingesetzt werden, um konkrete Wissensbereiche von Experten an Experten und von Experten an Laien zu vermitteln.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis V
1 Einleitung
2 Theoretische Annäherung an die Metapher: Begriffsbestimmung, Typen und Funktionen
2.1 Begriffsbestimmung „Metapher“ im Allgemeinen
2.2 Der klassische Metaphernbegriff nach Aristoteles
2.3 Die Bildfeldtheorie nach Harald Weinrich
2.4 Klassifizierung der Metapher nach dem Konventionalitätsgrad
2.4.1 Konventionelle Metaphern
2.4.2 Neue Metaphern
2.5 Funktionen von Metaphern
3 Metaphern und Kognition
3.1 Die kognitive Linguistik und Semantik als Rahmen der kognitiven Metapherntheorie
3.2 Die kognitive Metapherntheorie: Einleitung
3.3 Komponenten und der Prozess der Übertragung einer konzeptuellen Metapher
3.3.1 Ursprungs- und Zielbereich der konzeptuellen Metapher
3.3.2 Ursachen und Motivierung für Ursprungs- und Zielbereich
3.3.3 Mapping – Eigenschaften und Prinzipien der metaphorischen Übertragung
3.4 Klassifikation von konzeptuellen Metaphern
3.4.1 Die Klassifikation nach Lakoff und Johnson (1980, 2008)
3.4.2 Die Klassifikation der kognitiven Metapher nach Christa Baldauf (1997)
3.5 Kritik an der kognitiven Metapherntheorie
4 Metaphern und Wissensvermittlung
4.1 Metaphern und Modelle des Wissens
4.1.1 Wissensformen und die Verortung der Metapher
4.1.2 Speicherformen von Wissen: Konzepte und Schemata
4.2 Verstehen von Metaphern: Analogiebildung und mentale Modelle
4.3 Vermittlung von semantischem Wissen mit Texten
4.4 Arten und Prinzipien des Wissenstransfers
4.5 Spezifika fachinternen und fachexternen Wissenstransfers
4.5.1 Merkmale des fachinternen Wissenstransfers
4.5.2 Merkmale des fachexternen Wissenstransfers
4.6 Zur Rolle von Metaphern in der Wissensvermittlung
5 Metaphernkonzepte in der fachinternen und fachexternen Wissensvermittlung
5.1 Fragestellung
5.2 Das Korpus
5.2.1 Texte der Hochschul- und Expertenkommunikation: Lehrbücher und wissenschaftliche Artikel
5.2.2 Texte der Experten-Laien-Kommunikation: Sachbücher
5.3 Zum Untersuchungsgegenstand Web
5.4 Methodisches Vorgehen für die Metaphernanalyse
6 Darstellung der Ergebnisse
6.1 Quantitative Aspekte zum Auftreten der Metapherntypen
6.2 Gemeinsam verwendete Ursprungsbereiche
6.2.1 Die Netz-Metapher als Ausgangspunkt verschiedener Metaphernkonzepte
6.2.2 Attributsmetaphern
6.2.3 Ontologische Metaphern
6.2.4 Bildschematische Metaphern
Behälter-Metapher
Weg-Metapher
Skalen-, Distanz- und Gleichgewichtsmetapher
6.2.5 Konstellationsmetaphern
Metaphorik des Sehens
Wert-Metapher
Fahrzeug-Metapher
Transport-Metapher
Werkzeug-Metapher
Theater-Metapher
Bauwerk-Metapher: Plattform
Personifikation/Animation
Kriegs-Metapher
6.2.6 Kreative Metaphern
Lagerhaus-Metapher
Krankheits-Metapher
Blogs und die Blogosphäre
6.3 Unterschiedlich verwendete Konstellationsmetaphern
Sport-Metapher
Handels-Metapher
Bürotätigkeiten-Metapher
Wasser- und Flut-Metapher
Maschinen-Metapher
6.4 Diskussion der Ergebnisse
7 Zusammenfassung und Ausblick
Literatur
Anhang
I. Übersicht zum Verhältnis der konzeptuellen Metaphern zur Gesamtanzahl der Sätze
II. Übersicht zu den konzeptuellen Metaphern im analysierten Korpus
Eidesstattliche Erklärung zur Eigenständigkeit der Arbeit
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1 - Übersicht sprachliche und konzeptuelle Metapher
Abbildung 2 - Übersicht zur konzeptuellen Metapher mit Ursprungs- und Zielbereich
Abbildung 3 - Die Metapher und das menschliche Gedächtnis
Abbildung 4 - Metaphernverhältnis Sachtexte
Abbildung 5 - Metaphernverhältnis Lehrbücher
Abbildung 6 - Metaphernverhältnis wissenschaftliche Artikel
Abbildung 7 - Verteilung der Metapherntypen nach Textsorte
Abbildung 8 - Ursprungsbereiche fachinterne und fachexterne Konstellationsmetaphern
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1 - Theater-Metapher in fachexternen Texten
Tabelle 2 - Theater-Metapher in fachinternen Texten
Tabelle 3 - Zielbereiche für Personifikation/Animation
1 Einleitung
There seem to be two main views of the role of metaphor in education.
On the one hand, there is the idea that metaphors are primarily of aesthetic value, with perhaps secondary utility as heuristic aids. […]
On the other hand, metaphors occasionally receive a bad press in education. Metaphors are used when one is too lazy to do the hard, analytic work of determining precisely what one wants to say. Consequently, metaphors encourage sloppy thought.
Petrie & Oshlag (1993, S. 579)
Innerhalb wissenschaftlicher und populärwissenschaftlicher Textproduktion ist eine Wissensdarstellung gefragt, die den jeweiligen Sachverhalt hinsichtlich des adressierten Rezipienten in angemessener Länge, Explizitheit und Genauigkeit darstellt. Für die Förderung des Verständnisses beim Rezipienten werden verschiedene sprachliche Mittel eingesetzt, sodass der dargestellte Sachverhalt in seiner Komplexität begriffen werden kann. Als ein solches Mittel wird seit dem Durchbruch der kognitiven Linguistik zu Anfang der 1980er Jahre auch die Metapher anerkannt. Wie Petrie und Oshlag (1993, S. 579) zum Bildungsbereich im Allgemeinen zusammenfassen, würde die Metapher dabei einerseits als ästhetisches Sprachwerkzeug gesehen und sollte nicht entscheidend für das Verständnis sein. Andererseits seien Metaphern ein bequemes Mittel für die Erklärung neuer Wissensbereiche, könnten vor allem aber in die Irre führen. Die bedeutende Rolle der Metapher für kognitive Prozesse wie Denken, Sprechen und Handeln heben der Linguist George Lakoff und der Philosoph Mark Johnson hervor. Deren Werk „Metaphors we live by“ (1980) bildet die Grundlage der kognitiven Metapherntheorie. Nach ihrer Theorie basieren die kognitiven Prozesse auf metaphorischen Konzepten, die zur Strukturierung des Alltags aber auch anderen Lebensbereichen dienen. Neues Wissen wird in Analogie zu bekannten Konzepten verstanden. Das allgemeine Verständnis der Metapher als nicht-wörtlichen Gebrauch eines Lexems wird in dieser Theorie deutlich erweitert auf ihre Rolle beim alltäglichen Verstehensprozess.
Die Metapher gilt in der kognitiven Linguistik als ein wesentliches Werkzeug des Denkens. So ist eine beträchtliche Zahl an Publikationen zur Metapher und ihrer Bedeutung in verschiedenen Bereichen zu finden. Neben den gemeinsamen Arbeiten von Lakoff und Johnson zur Metaphorik in der Sprache des Alltags („Metaphors we live by“, 1980), und der Philosophie („Philosophy in the flesh“, 1999), widmete sich Lakoff auch der Sprache der Politik („Moral Politics“, 1996) sowie in Zusammenarbeit mit dem Linguisten Mark Turner der poetischen Metapher („More than cool reason“, 1989). Seit den 1990er Jahren wird auch die Metaphorik in Fachsprachen untersucht und Forschungsarbeiten zu populärwissenschaftlichen Diskursen haben gezeigt, dass in diesem Bereich eine Fülle von Metaphern zur Verständnisförderung eingesetzt wird. Dazu sind die Arbeiten von Liebert und Biere zur Metaphorik in der Wissenschaft und den Medien (1997) zu nennen, Jäkels Ausführungen zur Metapher in den Bereichen Geistestätigkeit, Wirtschaft, Wissenschaft und Religion (2003) sowie Baldaufs Werk zur Alltagsmetapher (1997).
Die vorliegende Arbeit geht der Frage nach, ob korrespondierende Metaphernkonzepte in Fachtexten und Sachbüchern eingesetzt werden, um konkrete Wissensbereiche von Experten an Experten und von Experten an Laien zu vermitteln. Das Korpus für die Bearbeitung dieser Fragen setzt sich aus jeweils drei Sachbüchern, Kapiteln aus Lehrbüchern der Wirtschaftsinformatik und wissenschaftlichen Artikeln zusammen. Sämtliche untersuchten Texte thematisieren das Gebiet des Web 2.0 und stellen dazu einführende Informationen für den jeweils adressierten Leser dar. Diese Texte eignen sich für den Vergleich von Metaphernkonzepten zum Web 2.0, weil sie adäquate Repräsentanten der fachinternen und fachexternen Wissensvermittlung sind. Fachinterne Texte werden von Experten an Experten adressiert, während fachexterne Texte der Informierung eines Laien respektive eines Nicht-Experten durch einen Vermittler dienen, der selbst nicht vom Fach sein muss, aber ebenso ein Experte sein kann. Die Ergebnisse der Korpusanalyse werden im empirischen Teil der Arbeit vorgestellt und anschließend im Sinne der Fragestellung diskutiert. Ein Metaphernkonzept ist im Verständnis der kognitiven Linguistik ein im Gedächtnis des Sprechers gespeichertes, abstrahiertes Muster, das im Moment einer Äußerung aktualisiert wird.[1]
Die Arbeit[2] beginnt mit einem Theorieteil (Kapitel 2), der sich zunächst den dominanten Theorien zur Metapher, die Substitutionstheorie und Bildfeldtheorie, widmet. Die Darstellung der Klassifizierung nach dem Lexikalisierungsgrad von Metaphern, die auf den Charakter einer kognitiven Metapher hinführt, folgt. Der Abschnitt „Funktionen von Metaphern“ schließt das erste Kapitel zur theoretischen Annäherung an die Metapher ab und weist auf die Aufgaben von Metaphern in der Wissensvermittlung hin. Kapitel 3 erläutert die für die Korpusanalyse zugrunde liegende kognitive Metapherntheorie nach George Lakoff und Mark Johnson, indem es die Theorie in ihrem Forschungsumfeld vorstellt und die grundlegenden Prinzipien sowie den Kern der Theorie, die konzeptuelle Metapher und deren Bestandteile, erörtert. Es folgt die Darstellung der Klassifikation der konzeptuellen Metapher nach Lakoff und Johnson und der Erweiterung dieser Typologie nach Christa Baldauf. Eine kritische Revision der kognitiven Metapherntheorie schließt das Kapitel ab. Da in der vorliegenden Arbeit die Rolle der Metapher in der Wissensvermittlung analysiert wird, zeichnet Kapitel 4 die Grundlagen der Speicherung des Wissens nach, um im weiteren Abschnitt die Arten und Prinzipien des Wissenstransfers zu erläutern. Darauffolgend sind die Merkmale des Wissenstransfers in fachinternen und fachexternen Texten zusammengefasst. Im Anschluss wird die Metapher als kognitives Werkzeug in diesen Zusammenhang eingeordnet. Dem Theorieteil wird der Analyseteil (Kapitel 5 und 6) angeschlossen, der die Fragestellung der Arbeit mit Bezug auf die theoretischen Ausführungen bearbeitet und schließlich die Ergebnisse in einer Diskussion interpretiert.
Das Korpus ist in drei Teilen aufgeteilt, die mit folgenden Bezeichnungen im fortlaufenden Text genannt werden:
Teil A: Sachbücher – „A, (fortlaufende Nr. der Metapher nach Auftreten im Originaltext)“
Teil B: Lehrbücher – „B, (fortlaufende Nr. der Metapher nach Auftreten im Originaltext)“
Teil C: wissenschaftliche Artikel – „C, (fortlaufende Nr. der Metapher nach Auftreten im Originaltext)“
2 Theoretische Annäherung an die Metapher: Begriffsbestimmung, Typen und Funktionen
Dieses Kapitel bildet einen Einstieg in die für die vorliegende Arbeit bedeutsame Metaphernforschung. Dazu werden zunächst der Begriff der Metapher erläutert und anschließend zwei grundlegende Denkansätze vorgestellt: die Metapherntheorie nach Aristoteles sowie die Bildfeldtheorie von Weinrich. Beide spielen eine wichtige Rolle für das Verständnis der in Kapitel 3 thematisierten kognitiven Metapherntheorie, da Letztere unter anderem in Diskussion mit der klassischen aristotelischen Metapherntheorie entstand. Der Abschluss dieses Kapitels stellt die Einteilung der Metaphern nach lexikalischen Gesichtspunkten vor und erläutert die Funktionen, die Metaphern im Text erfüllen.
2.1 Begriffsbestimmung „Metapher“ im Allgemeinen
Die Metapher wird im laienhaften Verständnis meist vereinfacht als „bildlicher Vergleich“ verstanden - eine vage Begriffsbestimmung, die für diese Arbeit mit Blick auf die Wissensvermittlung mithilfe von Metaphern nicht ausreichend ist. Generell kann aber formuliert werden, dass eine Metapher darin besteht, einen Begriff in einem bestimmten Kontext zu benutzen, sodass der Begriff in seiner wörtlichen Bedeutung nicht verstanden werden oder zu Fehldeutungen führen kann. Dabei findet aufgrund einer Ähnlichkeitsbeziehung zwischen zwei Bereichen die Übertragung von Aspekten des Quellbereichs auf einen Zielbereich statt. „Dein Mann ist ein Löwe“ impliziert die Ähnlichkeit des Mannes mit einem Löwen aufgrund der Eigenschaft „stark, kräftig sein“ und setzt so bildlich eine Beziehung zwischen den Eigenschaften des Quellbereichs „Löwe“ und denen des Zielbereichs „dein Mann“.
Die Metapher ist in dieser klassischen Sichtweise ein Phänomen des nicht-wörtlichen Sprachgebrauchs, welcher sowohl auf Rezipienten- als auch auf Produzentenseite verschiedene Wirkungen bei den Beteiligten erzielt wie Motivierung, Überzeugung oder ein besseres Verständnis eines abstrakten Sachverhalts. Während beim sogenannten wörtlichen Sprachgebrauch die einzelnen Lexeme entsprechend ihrer im Sprachsystem verankerten Bedeutung verwendet werden, liegt der Nutzen der Metapher für den Sprecher vor allem darin, diesen wörtlichen Sprachgebrauch aufzubrechen. So können konventionelle, alltägliche und automatisierte Wortverwendungen ausgebaut und verändert werden, indes bei rein wörtlichem Gebrauch schnell Lücken auffallen für die Benennung neuer, schwer verständlicher und/oder abstrakter Sachverhalte und Objekte (vgl. Schwarz-Friesel & Skirl, 2007, S. 1 f.). „Wörtlicher“ Sprachgebrauch bedeutet dabei idealisiert umschrieben, den Abruf der im Sprachsystem verankerten Bedeutung eines Lexems (vgl. ebd., S. 1). Voraussetzung für eine metaphorische Äußerung ist im allgemeinen Verständnis die Ähnlichkeit zwischen zwei Gegenständen beziehungsweise Begriffen, sodass die Bedeutungsübertragung dank „gleicher oder ähnlicher Bedeutungsmerkmale [stattfindet]“ (Bußmann, 2002, S. 432). Bezüglich der kognitiven Metapherntheorie soll hier nur kurz angerissen werden, dass dort eine Unterscheidung von „wörtlich“ und „metaphorisch“ als problematisch angesehen wird, da das eine das andere terminologisch ausschließen würde. Dass dies jedoch nicht der Fall ist, sondern dass das eine auch als das andere verstanden werden kann, wird mit der kognitiven Metapherntheorie klargestellt (vgl. Lakoff, 1993, S. 204).
Die sprachliche Ausformulierung der Metapher kann durch unterschiedliche Wortarten manifestiert werden (z. B. Substantiv, Adjektiv, Verb). Sie beschränkt sich dabei nicht auf einzelne Lexeme, sondern kann auch aus einer ganzen Wortgruppe bestehen. Der Kontext hat in diesem Sinne eine besondere Bedeutung, ohne den eine Metapher keine Metapher mehr ist, oder wenigstens ein Widerspruch in der Bedeutung der Aussage entsteht. Die metaphorische Verwendung des Begriffs „Löwe“ im Satz „Dein Mann ist ein Löwe“ kann je nach Kontext unterschiedliche Bedeutungen erzielen. Wörtlich betrachtet wird der Bezug zum Tier „Löwe“ als dem katzenartigen Raubtier, das in Afrika lebt, assoziiert. Das ist für den Rezipienten eine fragwürdige Aussage. Metaphorisch gesehen werden hier wohl die Eigenschaften des Löwen, wie Kraft, Stärke und seine dominante Stellung auf den Begriff „Mann“ übertragen.
Die bedeutsame Rolle der Metapher in vielen Gebrauchssituationen und Kontexten führt zu zahlreichen Definitionen, Theorien und Modellen in den unterschiedlichsten Disziplinen. Für den theoretischen Teil dieser Arbeit sind die aristotelische Theorie als „Ursprungskonzeption“ zur Metapher, die auch das allgemeine Metaphernverständnis geprägt hat, sowie die Bildfeldtheorie nach Weinrich von Interesse. Unter praktischen Gesichtspunkten ist die kognitive Metapherntheorie von Lakoff und Johnson aus der kognitiven Linguistik für die spätere Metaphernanalyse von Belang. Aus diesem Grund wird Lakoffs und Johnsons Theorie in Kapitel 3 gesondert erläutert.
2.2 Der klassische Metaphernbegriff nach Aristoteles
Trotz ihrer Entwicklung vor mehr als 2000 Jahren spielt die klassische Metapherntheorie bis heute weiterhin eine große Rolle, besonders in den Bereichen der Literaturdidaktik und dem rhetorischen Gebrauch sprachlicher Stilmittel. Die aristotelische Metaphernbestimmung prägt ebenso die auf sie folgenden Theorien, sei es, dass sie sich daran orientieren oder sie kritisieren.
Das griechische Wort „metaphorá“ bedeutet „Übertragung“ oder „woandershin tragen“(metaphérein ), der Begriff wird demnach selbst in einem bildlichen Gebrauch verwendet.[3] Aristoteles (384-322 v. Chr.) zählt die Metapher zu den sogenannten Tropen, einer Gattung rhetorischer Mittel, zu denen unter anderem auch der Vergleich und die Metonymie gehören.[4] Seine Definition der Metapher führt er in den Werken „Poetik“ und „Rhetorik“ aus:
„Eine Metapher ist eine Übertragung eines Wortes, das somit in uneigentlicher Bedeutung verwendet wird, und zwar entweder von der Gattung auf die Art oder von der Art auf die Gattung, oder von einer Art auf eine andere, oder nach den Regeln der Analogie.“
(Aristoteles, Poetik, 21)
Die Metapher beruht auf der Letzten der im Zitat genannten Möglichkeiten der Bedeutungsübertragung. Voraussetzung für eine Analogie ist, und diese Bedingung sieht Aristoteles in der Sprache als erfüllt an, dass „jedes Ding prinzipiell durch ein allgemein gebräuchliches ‚eigentliches Wort‘ […] bezeichnet wird.“ (Kohl, 2007, S. 109).[5] Für die aristotelische Metapherntheorie gilt grundlegend, dass das tatsächliche Wort durch ein anderes ersetzt (substituiert) wird. Er begründet mit dieser Aussage die sogenannte Substitutionstheorie, der zufolge ein Wort ein anderes substituiert aufgrund einer vorhandenen Ähnlichkeitsbeziehung zwischen den beiden Begriffen (vgl. Kurz, 2009, S. 7).
Aristoteles (Rhetorik, III, 2, 6) versteht seine Definition als gültig für die Bereiche der Rhetorik, Poetik und der Alltagssprache. Er zeigt, dass „alle […] in der Unterredung Metaphern [gebrauchen]“, sowohl als „eigentümliche“ als auch als „allgemein gebräuchliche Ausdrücke“ (ebd.). Die Metapher ist für ihn aber vor allem das wichtigste sprachliche Mittel in der Poetik. Daraus entstand, wie Kurz (2009, S. 8) es nennt, „die Tendenz, die poetische, damit die metaphorische Redeweise aus einer Differenz zur alltäglichen zu erklären“. Dass Aristoteles aber auch die Alltagssprache als einen Träger für Metaphern begreift, ist aufschlussreich, da dieser Aspekt teilweise in der Literatur unerwähnt bleibt. Der Aspekt ist hier besonders bedeutsam, da eine erste Parallele zu Lakoff und Johnson gezogen werden kann, deren kognitive Metapherntheorie auf der Alltagsmetapher aufbaut.
2.3 Die Bildfeldtheorie nach Harald Weinrich
Die im Allgemeinen der Metapher zugewiesene „Bildhaftigkeit“ wird in der Bildfeldtheorie von Harald Weinrich buchstäblich. Seine Theorie entstand aus der Beobachtung einer Anzahl isolierter Einzelmetaphern und isolierter Einzelwörter in einer Sprache (vgl. Weinrich, 1976, S. 282 f.). Beide treten in einer ähnlich geringen Zahl auf, wenn sie überhaupt existieren. Nach Weinrich (1976, 287), der von einer europäischen „Bildfeldgemeinschaft“ ausgeht, gibt es zu jeder Einzelmetapher ein übergeordnetes Bildfeld. Zur Einzelmetapher „In gewisser Weise ist Web 2.0 kein Schritt vorwärts, […].“ (A, 78) gehört das übergeordnete Bildfeld FORTSCHRITT IST VORWÄRTSBEWEGUNG AUF EINEM WEG, zu welchem aber auch die Einzelmetapher gezählt werden kann: „[…] der Aufbau einer technischen Plattform kann nur der erste Schritt auf dem Weg der erfolgreichen Social Software-Nutzung sein […].“ (A, 221).[6]
In der Bildfeldtheorie besteht eine Metapher aus den beiden Elementen Bildspender und Bildempfänger. Der Bildspender liefert für den Bildempfänger ein prädikatives Schema, eine sogenannte „Dies-ist-das-Beziehung“. So wird beziehungsweise werden mithilfe von semantischen Merkmalen des Bildspenders dem Bildempfänger neue Bedeutung(en) zugeordnet. Die semantische Entfernung zwischen Bildspender und Bildempfänger nennt Weinrich die „Bildspanne“, die er als „Oberbegriff“ in folgender Äußerung verdeutlicht:
„Semantische Nähe und Ferne sind grob danach bestimmbar, ob sich ein Oberbegriff leicht und einleuchtend einstellt. Bei einem Kreis und einem Quadrat liegt der Oberbegriff ‚geometrische Figur‘ auf der Hand und gibt den Rahmen für einen gewissen Verifizierungszwang ab […].“
(Weinrich, 1996, S. 329)
Der Begriff des übergeordneten Bildfelds entspricht dem sogenannten metaphorischen Konzept, welches im dritten Kapitel dieser Arbeit im Rahmen der kognitiven Metapherntheorie eingehender erläutert wird.
2.4 Klassifizierung der Metapher nach dem Konventionalitätsgrad
Im folgenden Abschnitt wird die sprachliche Metapher nach dem Grad ihrer Lexikalisierung respektive Konventionalisierung klassifiziert. Man unterscheidet Metaphern folglich nach ihrer Gebräuchlichkeit beziehungsweise Neuartigkeit in der Lexik einer Sprache. Dazu werden zwei Typen unterschieden: die konventionellen Metaphern (auch: lexikalisierte Metaphern) und die neuen Metaphern. Konventionelle und neue Metaphern liegen jeweils auf den äußeren Enden eines Spektrums, das in der Metaphernforschung bisher ohne befriedigendes Ergebnis immer wieder auszudifferenzieren versucht wird (vgl. Kohl, 2007, S. 56). In den folgenden Ausführungen wird der Unterteilung und Erläuterung von Schwarz-Friesel & Skirl (2007, S. 28 ff.) gefolgt, deren Ursprünge wiederum bei Gerhard Kurz zu finden sind. Von Kurz (2009, S. 9) stammt die Unterteilung in „lebendige, innovative Metaphern“ und „klischeehafte Metaphern“. Der Vorteil dieser feingliedrigen Unterscheidung liegt darin, dass das Korpus der vorliegenden Arbeit auf bestimmte Phänomene hin exakter analysiert werden kann.
2.4.1 Konventionelle Metaphern
Konventionelle, lexikalisierte Metaphern sind bereits Bestandteil im alltäglichen Sprachgebrauch und im Lexikon abgespeichert. In diesem Sinne werden sie (meist) unbewusst eingesetzt, und ihre stilistische Wirkung ist in manchen Fällen weniger offensichtlich als in anderen.
Zu den konventionellen, lexikalisierten Metaphern zählen:
- Tote Metaphern,
- Konventionalisierte, lexikalisierte Metaphern und
- Klischeehafte Metaphern.
Eine als tot bezeichnete Metapher kann vom normalen Sprachbenutzer kaum noch als solche erkannt werden, wenn die etymologische Bedeutung nicht bewusst präsent ist. Hierzu zählt zum Beispiel ‚Zweck‘ von ‚Zwecke‘ mit der ursprünglichen Bedeutung ‚Nagel‘ beziehungsweise ‚Pflock in der Zielscheibe‘.
Konventionalisierte, lexikalisierte Metaphern sind zwar aus synchroner Perspektive noch erkennbar, aber sie werden parallel sowohl als Metaphern als auch in ihrer ursprünglichen, wörtlichen Bedeutung genutzt. Ein Beispiel einer konventionalisierten Metapher, die auch im Korpus als grundlegender Begriff verwendet wird, ist die des „Netzes“. Im ursprünglichen Sinne steht es für etwas „Geknüpftes“ aus dem Bereich des Nähens, das im Laufe der Zeit für ein Fangnetz in der Fischerei genutzt wurde. Seit der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts steht es auch für ein „System von Verteilungsleitungen für die Versorgung mit Strom, Wasser, Gas u. Ä.“[7] und schließlich für das Internet. Lakoff und Johnson zählen zur Veranschaulichung ihrer Theorie zur Alltagsmetapher eine beträchtliche Zahl konventionalisierter Metaphern in ihrem Werk „Metaphors we live by“ auf.
Als klischeehafte Metaphern werden schließlich solche bezeichnet, die sich „im Übergangsbereich von lexikalisierten und neuen Metaphern“ befinden (Schwarz-Friesel & Skirl, 2007, S. 29). Dazu zählen zum Beispiel die „rosarote Brille“ und „ein hohes Tier“.
2.4.2 Neue Metaphern
Neuartige Metaphern werden durch den bewussten Einsatz des Sprechers deutlich und meist auch vom Rezipienten bewusst als solche wahrgenommen (vgl. ebd., S. 29 f.). Man unterscheidet dabei zwei Typen:
- Kreative Metaphern und
- Innovative Metaphern
Die kreativen Metaphern deuten auf bereits bekannte konzeptuelle Kombinationen[8] hin (z. B. GELD ALS WASSER), die in lexikalisierten Metaphern belegt werden können (z. B. ‚Geldquelle‘) und diese „entweder erweitern oder zumindest mit unkonventionellen lexikalischen Mitteln benennen (wie z. B. durch ‚Geldbächlein‘)“ (ebd., S. 30).
Innovative Metaphern hingegen sind so „neu“, dass man sie nicht von bereits bekannten Konzeptualisierungen herleiten kann. Sie erstellen somit neue „Konzeptkopplungen“ (z. B. ‚Geldhaar‘, ‚Finanzfussel‘) (ebd.).
Es muss an dieser Stelle noch einmal auf die Bedeutung des Kontexts, in dem die jeweilige Metapher verwendet wird, verwiesen werden. Denn erst im Zusammenhang kann entschieden werden – sofern dies möglich ist, ob eine Metapher z. B. eher als „tot“, „lexikalisiert“ oder „innovativ“ einzuordnen ist. Auch in der Analyse des Korpus kommt dem jeweiligen Kontext eine große Bedeutung zu. Zudem kann sich auch eine innovative Metapher zu einer toten Metapher entwickeln, je nachdem, wie stark sie in den Sprachgebrauch eindringt. Auch eine bereits lexikalisierte Metapher kann in einem neuartigen Zusammenhang wieder innovativ wirken. Man sollte demnach eher von einer Tendenz einer Metapher hin zur Alltagssprache beziehungsweise zur Rhetorik sprechen. Kohl (2007, S. 57) geht eher von einer Verbindung Alltagssprache – konventionelle Metaphorik aus, während Schwarz-Friesel & Skirl (2007, S. 30 f.) zum Zusammenhang Alltagssprache – innovative Metaphorik tendieren.
2.5 Funktionen von Metaphern
Sowohl für den Autor als auch den Lernenden erfüllen Metaphern in Texten, die der Wissensvermittlung dienen, wichtige Funktionen. Je nach Kontext der jeweiligen Metapher, aber auch beeinflusst von der Intention des Autors, können gleichzeitig mehrere Funktionen realisiert werden. In der Literatur zur Metapher werden die Funktionen von Metaphern grob eingeteilt in rhetorische und kognitive Arten (vgl. Jäkel, 2003, S. 31 ff.).
Eine Metapher wird vor allem dann als rhetorisches Mittel eingesetzt, wenn sie den Leser überzeugen oder überraschen will oder auch eine Bewertung hinzufügen soll. Zum Beispiel beinhaltet die Metapher des „Computervirus“ in Assoziation zum biologischen Ursprung eine Infizierungsgefahr und damit eine Bewertung des Sachverhalts. Auch Sätze wie das folgende Beispiel beinhalten bereits wertende metaphorische Ausdrücke, die derart zumindest in dem speziellen Kontext entstehen können. Die Begriffe „beherrschen“ sowie „Revolution“ fungieren hier als rhetorische Mittel:
„Google beherrscht nicht nur den Markt für Suchanfragen im Internet, sondern könnte mit seinen Angeboten von Online-Anwendungen (Google Mail oder die Office-Anwendungen Text & Tabellen) sogar die nächste Revolution auf dem IT-Markt beginnen.“ (B, 34)
Neben der rhetorischen Funktion haben Metaphern aber vor allem kognitive Aufgaben, sodass ihre Verwendung die kognitiven Prozesse wie Denken, Sprechen und Handeln des Lesers beziehungsweise Lernenden beeinflussen kann. In diesem Sinne sind sie besonders interessant im Zusammenhang mit Texten zur Wissensvermittlung, wie sie in der vorliegenden Arbeit untersucht werden.
Nach Jäkel (ebd.) wird die „Funktionsweise der Metapher [in der Betrachtungsweise des kognitiven Ansatzes] als eine primär kognitive bestimmt.“ Diese Äußerung formuliert zugleich die Grundannahme, die hinter der Fragestellung dieser Arbeit steht: dass Metaphern grundsätzlich kognitiver Natur sind und folglich mit ihnen kognitive Vorgänge wie Denken und Lernen gestaltet werden können. Jäkel räumt der Metapher als maßgebliche Aufgabe die Erklärungs- beziehungsweise Verständnisfunktion ein, die, wie er bemerkt, bereits in der Definition nach Lakoff und Johnson festgehalten ist.[9] Mithilfe eines „Explanans X“ wird das „Explanandum Y“ erklärt, der Ursprungsbereich X erklärt den Zielbereich Y (ebd.). Die Metapher ist hierbei von großem Nutzen in der Didaktik und Pädagogik, da Lerninhalte existieren, die nur über metaphorische Konzepte erklärt werden können. Der Begriff „Netz“ für den weltweiten Verbund von Computern steht beispielhaft für die Übertragung aus einem bekannten Erfahrungsbereich des Menschen (die Natur) auf einen neuen, noch zu erschließenden Bereich (neuartiges Medium). Die Metapher hilft so bei der Strukturierung ganzer Bereiche, um dem Lernenden Zugang zu diesem Wissen zu verschaffen. Für den Lernenden bietet die Metapher im didaktischen Zusammenhang viele Vorteile. Zum einen ist sie durch ihre Bildhaftigkeit behilflich bei der Memorisierung neuer Lerninhalte und ist besonders für visuelle Lerntypen eine Stütze. Zum anderen können durch übergeordnete Bildfelder, wie sie Weinrich schon erkannte[10], einzelne unbekannte Metaphern erschlossen werden (vgl. Koch, 2010, S. 45 f.). Ein Bildfeld wie WEB 2.0 IST EINE BÜHNE beinhaltet unterschiedliche sprachliche Metaphern wie zum Beispiel:
Selbst den Protagonisten des Web 2.0-Trends dürfte es schwer fallen, eine genaue Definition dessen zu geben, wofür der Begriff ganz genau steht. (B, 7)
Mit nur wenig Aufwand können Sie langsam, quasi als Zuschauer von der Tribüne, die Funktionsweise des Netzwerks beobachten – und lernen. (B, 171)
Die Rolle des Einzelnen wandelt sich dabei vom Informationskonsumenten hin zum Informationsproduzenten. (A, 217)
Diese Einzelmetaphern können durch Rekurs auf das höhere Konzept des Web 2.0 als Bühne erschlossen werden.
Eine weitere Aufgabe der Metapher besteht in ihrer heuristischen beziehungsweise konstitutiven Funktion, die auf dem „kreativen Potential“ (Jäkel, 2003, S. 35 f.) der Metapher beruht. Dank dieser Eigenschaft spielen Metaphern vor allem in der Wissenschaft, und hier besonders in der Theoriebildung, eine wesentliche Rolle. Metaphern können die Ausarbeitung einer Theorie unterstützen, indem ein metaphorisches Grundgerüst erschaffen wird. Auch Theorien selbst sind, wie Lakoff und Johnson feststellen, Metaphern. THEORIEN SIND BAUWERKE ist eines der metaphorischen Konzepte, welches sie in „Metaphors we live by“ erläutern. „Diese Theorie ist aus verschiedenen Teilen zusammengebaut“ verdeutlicht dies als sprachliches Metaphernbeispiel. Die Metapher dient im Sinne der heuristischen Funktion nicht zur direkten Erklärung eines Sachverhalts, sondern ist selbst die Basis für eine Theorie oder einen anderen Gegenstand.
Die Analyse der Korpora sowie die Erläuterung der kognitiven Metapherntheorie werden noch einmal präzisieren, wie wichtig die metaphorischen Funktionen und ihr Zusammenspiel in der Wissensvermittlung sind.
3 Metaphern und Kognition
Dieses Kapitel skizziert die Herkunft der kognitiven Metapherntheorie, ihre Kernaussage sowie terminologische Aspekte. Anschließend wird auf die Ursprungs- und Zielbereiche der so genannten konzeptuellen Metapher und die Klassifikation dieser aus der kognitiven Sichtweise eingegangen. Den Abschluss bildet eine kritische Stellungnahme zur kognitiven Metapherntheorie.
3.1 Die kognitive Linguistik und Semantik als Rahmen der kognitiven Metapherntheorie
Die kognitive Metapherntheorie entstand innerhalb des Forschungsansatzes der kognitiven Linguistik, die sich seit der Mitte des 20. Jahrhunderts entwickelt hat. Zuvor lieferte vor allem die generative Linguistik die Leitlinien für sprachwissenschaftliche Auseinandersetzungen. Auch sie kann selbstverständlich als eine kognitive Wissenschaft gelten, da sie sich doch ebenfalls mit der kognitiven Fähigkeit ‚Sprache‘ auseinandersetzt. Doch das generative Paradigma sieht die Sprache als eigenständiges Modul mit eigenen Regeln. Die kognitive Linguistik versteht sich als „Alternative zur generativen Theorietradition“ (Jäkel, 2003, S. 20, dort Verweis auf Langacker, 1987, S. 4). Sie betrachtet die Sprache als eine wichtige Manifestation unserer allgemeinen kognitiven Fähigkeiten (vgl. Tendahl, 2009, S. 113). Es geht ihr nicht um die Aufstellung von Regeln oder die Feststellung von Sprachformalismen. Stattdessen wird die Empirie, der Sprachgebrauch selbst, fokussiert, um daraus zumindest Tendenzen feststellen zu können. Eine grundlegende Charakteristik der kognitiven Linguistik ist die Kritik an der Annahme der Trennung von Syntax und Semantik sowie der Trennung von wörtlicher und bildlicher Sprache (vgl. Jäkel, 2003, S. 20), welche in direktem Zusammenhang mit der kognitiven Metapherntheorie und deren Annahmen steht.
Die kognitive Linguistik untersucht die sprachliche Fähigkeit als Teil der Kognition, um „inhärente Eigenschaften des mentalen Kenntnissystems“ und seine „Interaktionsweise mit anderen kognitiven Subsystemen“ erklären zu können (Schwarz, 2008, S. 42).
Als Teilgebiet der kognitiven Linguistik setzt die kognitive Semantik die Bedeutungen sprachlicher Einheiten mit kognitiven Einheiten gleich und untersucht sie mit den Mitteln der Kognitionswissenschaften. Dabei geht sie von den außersprachlichen Konzepten aus und gelangt von dort hin zu den Wörtern (vgl. Blühdorn, 2001, S. 61). Innerhalb der kognitiven Linguistik werden zwei Ausprägungsformen unterschieden, die auch die kognitive Semantik betreffen: Holismus und Modularismus. Da die kognitive Metapherntheorie dem Holismus zugeordnet wird, soll dieser kurz thematisiert werden.
Im holistischen Ansatz erfolgt „keine Trennung zwischen Welt und Sprachwissen bei der Repräsentation von Bedeutungen“ (Schwarz, 2002, S. 277). Bedeutungen entsprechen den kognitiven Kategorien aufgrund ihrer Repräsentation im Lexikon und ihrer Aktivierung im Sprachverarbeitungsprozess (ebd.). Zur Beschreibung der Bedeutungen beziehungsweise kognitiven Kategorien werden allgemeine Kognitionsprinzipien zurate gezogen, wie Konzeptualisierung, Mustererkennung, Kategorisierung. Dabei soll die untrennbare Verflechtung von allgemeinen kognitiven und sprachlichen Regeln und Prinzipien herausgearbeitet werden.
Die kognitive Metapherntheorie ist Bestandteil der kognitiven Semantik, da auch aus klassischer Sicht Metaphern ein semantisches Phänomen sind, wenn es um die aktuelle Bedeutung in einer sprachlichen Äußerung geht. In einem größeren Zusammenhang ist sie aber im Allgemeinen der kognitiven Linguistik zuzuordnen, da es nicht nur um die übertragenen Bedeutungen (besser: Konzepte) geht, sondern vor allem um die Strukturierung unseres Wissens und Bewusstsein, unserer Kognition.
Seit einiger Zeit wird in der Kognitionswissenschaft des Öfteren mit dem Begriff „Embodiment“ (dt.: „Verkörperung“) gearbeitet. Unsere kognitiven Fähigkeiten wie Sprache und Denken sind nicht unabhängig von unserem Körper, wie es von der generativen Linguistik angenommen wird. Kognitive Linguisten sind von der Abhängigkeit von Kognition und Körper überzeugt und sind demzufolge vor allem an der Art der Zusammenarbeit von Denken, Körper und Sprache interessiert (vgl. Tendahl, 2009, S. 113). Die Verankerung von sprachlichen Strukturen in schematisierten Körpererfahrungen zeigt sich laut kognitiver Linguistik unter anderem in den „konzeptuellen Metaphern“ nach Lakoff und Johnson (1980). Sie werden der Gegenstand der nächsten Kapitel sein.
Die kognitive Metapherntheorie entstand folglich in einem Paradigma, das die untrennbare Verflechtung der kognitiven Fähigkeiten des Menschen – darunter Sprache und Erfahrung – geltend macht. Zudem liefert die kognitive Metapherntheorie weitere Indizien, dass diese Verbindung tatsächlich existiert, indem sie aus der Empirie Tendenzen aufzeigt, wie der Mensch die Welt konzeptualisiert und wie er neue Erfahrungen in diese Konzepte einbaut. Es erfolgt keine Erklärung mehr für eine sprachsystematische Auffälligkeit der Metapher (zumindest nicht intendiert), sondern eine Erklärung für die Struktur unserer Kognition, für welche die Metapher ein wesentliches Hilfsmittel darstellt.
3.2 Die kognitive Metapherntheorie: Einleitung
Die kognitive Metapherntheorie bildet die theoretische Grundlage dieser Arbeit, da sie mit den mentalen Leistungen des Menschen beim Metaphernverstehen arbeitet und die Verortung der Metapher auf der konzeptuellen Ebene betont. Damit dient die Theorie als Analysemuster für die Herausarbeitung von Metaphern, die zur Wissensvermittlung in Texten zum Web 2.0 eingesetzt werden. Metaphern stellen hier ein Mittel und Werkzeug des menschlichen Denkens dar und dienen als Träger von Informationen und Wissen. Wie auch in der aristotelischen Theorie und der Bildfeldtheorie nach Weinrich wird davon ausgegangen, dass eine Metapher aus einem Quellbereich und einem damit zu erklärenden Zielbereich besteht. Die Benennungen dieser Bereiche sind jedoch unterschiedlich. Da die kognitive Theorie die Verankerung der Metapher im Denken und nicht in der Sprache des Menschen hervorhebt, spielt der rhetorische Wert in dieser Theorie eine vergleichsweise geringe Rolle.
Mit „Metaphors we live by“ (1980) schufen George Lakoff und Mark Johnson ein grundlegendes Werk zur kognitiven Metapherntheorie, welches dieser zum Durchbruch verhalf. Viele Aspekte lassen sich schon vor Lakoffs und Johnsons Hauptwerk in anderen wissenschaftlichen Auseinandersetzungen zur Metapher finden.[11] Doch die kognitive Metapherntheorie stellt ein „Modell der mentalen Repräsentation metaphorischer Strukturen“ (Stöckl, 204, S. 21) dar, in dem es nicht vorrangig darum geht, die Metapher als stilistisches Phänomen zu betrachten und die jeweiligen semantischen Inhalte zu erläutern. Die kognitive Metapherntheorie sieht die Metapher stattdessen als einen Bestandteil der konzeptuellen Struktur der Kognition des Menschen. Dahinter steht die Annahme der Unzulänglichkeit des traditionellen, aristotelischen Metaphernverständnisses und der damit verbundenen Begriffsbestimmung.
Lakoff und Johnson sehen neben der stilistischen Leistung der Metapher in erster Linie ihre Funktion, den alltäglichen Sprachgebrauch zu gliedern. Für sie „durchdringt [die Metapher] unser Alltagsleben“ und gleichzeitig „[ist] unser alltägliches Konzeptsystem, nach dem wir sowohl denken als auch handeln, […] im Kern und grundsätzlich metaphorisch“ (Lakoff & Johnson, 2008, S. 11). Nicht nur unsere Sprache ist demnach metaphorisch, sondern auch unsere Konzepte von der Welt selbst sind es. Die Sprache nutzen sie dabei als „Erkenntnisquelle“, die Struktur des unbewussten Konzeptsystems des Menschen herauszuarbeiten, da die „Kommunikation auf dem gleichen Konzeptsystem beruht, nach dem wir denken und handeln“ (ebd.). Lakoff und Johnsons Definition impliziert den Ursprung einer Metapher in der Kognition des Menschen:
„Das Wesen der Metapher besteht darin, daß wir durch sie eine Sache oder einen Vorgang in Begriffen einer anderen Sache beziehungsweise eines anderen Vorgangs verstehen und erfahren können.“
(Lakoff & Johnson, 2008, S. 13)
Die kognitive Metapherntheorie differenziert dazu in eine kognitive Verankerung der Metapher und in eine jeweils aktuelle sprachliche Realisierung einer Metapher. Kognitiv verankert wird sie als konzeptuelle Metapher bezeichnet. In Ergänzung dazu steht die konkret sprachlich realisierte Metapher, die von Lakoff und Johnson als „ konventionelle Metapher “ genannt wird. Die konzeptuelle Metapher ist eine abstrakte Größe, eine höher liegende Instanz, die in einer konkreten Situation schließlich mit einer „sprachlichen Metapher“ manifestiert wird. Der Satz „Wir stehen am Scheideweg“, geäußert von einem Ehepartner bezüglich der ehelichen Situation, stellt solch eine konkret sprachliche Metapher dar. Die entsprechende konzeptuelle Metapher lautet LIEBE IST EINE REISE. Dies erklärt die häufig leichte Verständlichkeit selbst einer neuartigen Metapher (vgl. Gibbs, 1994, S. 251). Ihr Wesen als „Werkzeug des Denkens“[12] hilft dem Menschen, mit schwer verständlichen und schwer fassbaren Sachverhalten und Objekten sprachlich umgehen zu können.[13]
Abbildung 1 verdeutlicht die Beziehung der beiden Seiten der Metapher: Während die konzeptuelle Metapher in der Kognition liegt, wird sie von der sprachlichen im Moment der Äußerung aktualisiert und somit wiederum die Existenz der konzeptuellen Metapher nachgewiesen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1 - Übersicht sprachliche und konzeptuelle Metapher
3.3 Komponenten und der Prozess der Übertragung einer konzeptuellen Metapher
Ein gemeinsamer Aspekt von traditioneller und kognitiver Metapherntheorie sind die Komponenten des Ursprungs- und Zielbereichs der Metapher. Lakoff und Johnson sprechen davon in ihrer Definition des Wesens der Metapher, Aristoteles benennt es als die „Übertragung eines Wortes (das somit in uneigentlicher Bedeutung verwendet wird) […] von einer Art auf eine andere, oder nach den Regeln der Analogie“ (Aristoteles, Poetik, 21; 67). In beiden Definitionen geht es um den Ursprungs- und den Zielbereich einer Metapher. Lakoff und Johnson nennen diese Bereiche „source domain“ (Ursprungsbereich) und „target domain“ (Zielbereich). Der Zielbereich wird von dem Begriff abgedeckt, der in der jeweiligen Aussage verwendet und der mit dem Ursprungsbereich verknüpft wird. Die Verknüpfung erfolgt dabei über die Metapher, die Teile des Ursprungs- auf den Zielbereich projiziert. Im Folgenden soll es um diese beiden Bereiche im Sinne der kognitiven Theorie sowie um den Übertragungsprozess (Mapping) zwischen den Bereichen gehen.
3.3.1 Ursprungs- und Zielbereich der konzeptuellen Metapher
Bei der erneuten Betrachtung des bereits erwähnten Satzes „Wir stehen am Scheideweg“ und der korrespondierenden konzeptuellen Metapher LIEBE IST EINE REISE werden der Ursprungsbereich (Reise) und der Zielbereich (Liebe) der Metapher leicht erkennbar. Bestimmte Aspekte, die konzeptuell unter dem Begriff „Reise“ gespeichert sind, werden auf den Bereich „Liebe“ übertragen, da dieser schwer fassbar, abstrakt und nicht genau abgrenzbar ist. Ursprungs- und Zielbereich sind grundsätzlich konzeptuell repräsentiert, sodass auch von „konzeptuellen Domänen“ gesprochen wird (Jäkel, 2003, S. 22).
Der Ursprungsbereich ist nach Lakoff und Johnson in den meisten Fällen ein „konkreter, sinnlich erfahrbarer und verifizierbarer Gegenstandsbereich“ (Jäkel, 1998, S. 100). Es sind damit meist die erfahrungs- und körpernahen Bereiche, die als Ursprung für eine Metapher dienen. Hier spielt vor allem die sinnliche Wahrnehmung der Umwelt des Menschen eine wichtige Rolle. Die Sprachgemeinschaft und so auch der individuelle Sprecher verfügen über sogenannte „ganzheitliche Wissensbestände“ zu diesem Bereich.[14] Strukturen des Ursprungsbereichs werden dann mithilfe der Metapher auf den Zielbereich projiziert. Die kognitive Metapher ist in Jäkels (2003, S. 32) Sinne eine „X ist Y“-Relation, wobei X den Herkunftsbereich und Y den Zielbereich darstellt. Nach dem Linguisten Kövecses (2002, S. 6) besteht das Wissen um eine Metapher daraus, dass jene Menge von festen Übereinstimmungen zwischen einem Ziel- und Ursprungsbereich einer konzeptuellen Metapher bewusst ist. Dieses Verständnis der metaphorischen Leistung haben wir bereits bei Kurz unter dem „prädikativen Schema“ kennengelernt.
Der Zielbereich lässt im Gegensatz zum Ursprungsbereich in einem bestimmten Kontext eine eindeutige, oder wenigstens eine grobe Struktur vermissen, ist unter Umständen nur mittelbar erfahrbar und dadurch schwer fassbar und abstrakt. Der Zielbereich Liebe ist ein subjektives, abstraktes Gefühl (oder ein Zustand?), für dessen Strukturierung der Mensch ein konkretes Bezugssystem wie eine „Reise“ benötigt. An dieser Stelle wirkt die Metapher als Bindeglied, wie Abbildung 2 zeigen wird. Abbildung 1 zur Unterscheidung von konzeptueller und sprachlicher Metapher kann also um einige Aspekte erweitert werden:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2 - Übersicht zur konzeptuellen Metapher mit Ursprungs- und Zielbereich
So werden im Korpus beispielsweise die sozialen Netzwerke als Bauwerke metaphorisiert, sodass der Leser die Netzwerke analog zu einem Bauwerk verstehen kann:
Ein weiteres wichtiges charakteristisches Element von MySpace ist der Aufbau von Netzwerken, zu denen man Freunde oder Bekannte einlädt. (A, 79)
3.3.2 Ursachen und Motivierung für Ursprungs- und Zielbereich
Das Beziehungssystem zwischen Herkunfts- und Zielbereich verdeutlicht die Beweggründe und Motive der eingesetzten Metaphern in der Wissensvermittlung. Kövecses (2002, S. 68 f.) listet verschiedene Ursachen aus der traditionellen und kognitiven Sichtweise auf, die dazu führen, dass zwischen zwei Domänen Beziehungen gesehen werden, aufgrund derer eine metaphorische Projektion möglich ist. Die traditionelle Sichtweise wird an dieser Stelle ausgeklammert.
In der kognitiven Linguistik wird eine Vielzahl von Faktoren aufgezählt, die einzeln, aber auch im Zusammenspiel, über die Basis der Metapher bestimmen können. Aufgrund der Verbindung konzeptueller Metaphern mit dem menschlichen Erleben werden die Ursachen auch als erfahrungsbasiert (experiential basis) bezeichnet. Im Folgenden werden einige Aspekte erläutert, die im Zusammenhang mit den gesammelten Metaphern im Korpus stehen.
Zunächst wird eine Korrelation in der Erfahrung der beiden Bereiche vermutet („correlations in experience“). Korrelation bedeutet im Verständnis der Semiotik eine indexikalische Beziehung zwischen den Ereignissen A und B. Kövecses (ebd.) verweist auf ein Ereignis 1 „sich ärgern“, das Ereignis 2 „die Körpertemperatur steigt an“ zur Folge hat. Aus dieser Korrelation entsteht die konzeptuelle Metapher WUT IST HITZE und die sprachliche Metapher „das Blut zum Kochen bringen.“
Außerdem können wahrgenommene strukturelle Ähnlichkeiten zwischen den Bereichen auftreten. Beispielhaft hierfür wird die konzeptuelle Metapher DAS LEBEN IST EIN GLÜCKSSPIEL genannt, die aus dem Verglich, dass wir unser Leben mit seinen Abschnitten und Erfolgs- beziehungsweise Misserfolgserlebnissen im Verständnis eines Spiels betrachten, entsteht.
Eine weitere Möglichkeit besteht in wahrgenommenen Ähnlichkeiten, die auf der Kategorie der ontologischen Metaphern beruhen. Ontologische Metaphern liefern, wie in Kapitel 3.4 noch näher erläutert wird, eine Konzipierung von abstrakten Objekten und Sachverhalten und stellen selbst meistens die Basis für Metaphern mit einer größeren Struktur dar („strukturelle Metaphern“). Durch sie werden Entitäten und Ereignisse, die nicht physikalisch sind, als Objekt, Substanz oder auch Behälter gesehen (vgl. ebd., S. 72). Sofern dann zwei Bereiche diese Eigenschaft teilen, kann die Wahrnehmung zu bestimmten strukturellen Ähnlichkeiten führen. Dazu zählt zum Beispiel GEDANKEN SIND ESSEN und alle dazu gehörenden sprachlichen Metaphern, die darauf beruhen, dass DER VERSTAND EIN BEHÄLTER IST und GEDANKEN SIND OBJEKTE/ENTITÄTEN (ebd.).
3.3.3 Mapping – Eigenschaften und Prinzipien der metaphorischen Übertragung
Aus der mathematischen Terminologie führt Lakoff (1987, S. 225) den Begriff des Mapping (deutsch: Abbildung) ein, der ab diesem Zeitpunkt zur Bezeichnung des Prozesses der metaphorischen Übertragung verwendet wurde.[15] Statt Mapping oder metaphorischer Übertragung gebrauchen Lakoff und Johnson selbst auch synonym dazu „metaphorical projection“ (vgl. Lakoff, 1987, S. 268; Johnson, 1996, S. XX). In dieser Arbeit wird die deutsche Entsprechung „metaphorische Übertragung“ bevorzugt.
Aus den bisherigen Erläuterungen zu Ursprungs- und Zielbereich einer Metapher wird klar, dass es offensichtlich ein System von festen, konventionellen metaphorischen Übertragungen gibt, auf die vor allem in der Alltagssprache immer wieder zurückgegriffen wird. Vor allem bei konventionellen Metaphern, die im Sprachgebrauch verankert sind, werden konkrete, physische Erfahrungen auf abstraktere, nicht-physische übertragen. Es findet dabei eine sogenannte Verkörperung der Erfahrung („embodiment“, s. Abschn. 2.1) statt. Generell sind Mappings dadurch charakterisiert, dass eine Übertragung entsprechend des Modells und der vorstellungsschematischen[16] Struktur des Quellbereichs stattfindet (vgl. Lakoff, 2008, S. 24). „Vorstellungsschemata“ sind inkorporierte Muster von Erfahrungen, die mittels senso-motorischer Wahrnehmung entstanden sind. Dazu gehören zum Beispiel das WEG-Schema und das BEHÄLTER-Schema, die aus der Erfahrung gebildet werden, wenn sich der menschliche Körper in einer Vorwärtsbewegung befindet (WEG) oder der Mensch die Erfahrung eines ihn umgebenden Raumes beziehungsweise seines Körpers als Behälter von etwas macht. Das verdeutlicht die Nutzung der Strukturen des Quellbereichs (z. B. Höhe, Form) für das Denken über den Zielbereich mithilfe der metaphorischen Projektion:
Auf die Spitze treibt es Amazon mit seinem Mechanical Turk. (B, 478).[17]
Dadurch entstehen zwischen den Ursprungs- und Zielbereichen ontologische Übereinstimmungen, entsprechend der Systematik der übertragenen Entitäten zwischen Quelle und Ziel.[18] Jäkel (1998, S. 101) erklärt, dass diese „präkonzeptuellen Vorstellungsschemata“ für die „erfahrungsgemäße Verankerung auch der abstraktesten Begriffsdomänen [sorgen]“.
Für metaphorische Übertragungen gelten nach Lakoff und Johnson bestimmte Gesetzmäßigkeiten:
Die These der Unidirektionalität besagt, dass eine metaphorische Übertragung in asymmetrischer Richtung verläuft: vom konkreteren Ursprungs- zum abstrakteren Zielbereich und nicht umgekehrt. Jäkel (ebd.) spricht von einer „X ist Y“-Relation, nach der das Explanans X als konkreteren, einfacher strukturierten Ursprungsbereich, den komplizierteren Zielbereich, das Explandandum Y, erklärt. Beispielhaft gilt folgender Satz:
Blogs sind keine Einbahnstraßen der Kommunikation. (B, 411)
Während es möglich ist, von einem Blog als einer Einbahnstraße zu sprechen, ist es andersherum so gut wie unmöglich, ein Blog metaphorisch auf eine Einbahnstraße zu übertragen. „Eine Einbahnstraße ist ein Blog“ ist deutlich schwieriger zu verstehen, besonders wenn der Begriff „Blog“ unklar ist.
Das Prinzip der Invarianz erstreckt sich auf die Strukturen des Ursprungs- und des Zielbereichs. Nach dem Invarianzprinzip wird die kognitive bildschematische Struktur des Ursprungsbereichs so übertragen, dass sie die Struktur des Zielbereichs nicht verletzt (Lakoff, 1993, S. 199). Für die Metapher des Behälters bedeutet dies etwa, dass Inneres auf Inneres beziehungsweise Äußeres auf Äußeres übertragen wird. Die inhärenten Strukturen des Zielbereichs begrenzen damit die Möglichkeiten der Übertragung automatisch. So kann man auch sagen, dass man ausgehend vom Zielbereich und dessen Strukturen (Lakoff: „topology“) die metaphorische Übertragung vom Ursprungsbereich vollzieht, indem nur die Strukturen des Ursprungsbereichs auf den Zielbereich übertragen werden, die mit dessen Strukturen übereinstimmen. Damit gestalten sich nach Lakoff (2008, S. 24) Mappings immer nur partiell und das Invarianzprinzip beschränkt ein Mapping strukturell. Kövecses (2002, S. 12) beschreibt Mapping als ein dem Verstehensprozess zugrunde liegendes „set of fixed correspondences“ („ein Satz von festen Übereinstimmungen“ [Übersetz. d. Verf.]), das heißt, nur ein Teil wird metaphorisch von einem auf den anderen Bereich übertragen. Partielle Übertragung betrifft dabei beide Bereiche einer Metapher. Im Falle des Zielbereichs spricht man vom Highlighting beziehungsweise Hiding bestimmter Aspekte des Bereichs („Beleuchten“ und „Verbergen“, vgl. Lakoff & Johnson, 2008, S. 18 f., S. 66 f.). Verschiedene Metaphern beleuchten einzelne Aspekte des gleichen Zielbereichs und verbergen dadurch gleichzeitig andere Aspekte. Darüber hinaus wird nur ein Teil beziehungsweise zwei oder drei Teile des Ursprungsbereichs für die metaphorische Übertragung verwendet (vgl. Kövecses, 2002, S. 81 f.). Die folgenden Beispiele zur Bauwerks-Metapher verdeutlichen dies, es liegen unterschiedliche Zielbereiche vor, aber der gleiche Ursprungsbereich „Bauwerk“:
a) Es gibt hier keine statischen Webseiten mehr, sondern bestenfalls noch Gerüste. (A, 21)
b) Webbaustellen sind bei Google unerwünscht (A, 376)
c) Diese ersten Gründerjahre legten schließlich den Grundstein für das Aufkommen weiterer populärer Online Social Networks […], die seit dem Jahr 2003 nachhaltig das Geschehen um Online Social Networks prägen. (A, 384)
Im Zielbereich Webseiten wie in a) wird auf den Aspekt der Struktur (Gerüst) fokussiert, während für den Zielbereich Internet in b) der Prozess der Konstruktion hervorgehoben wird.
[...]
[1] Neben „Metaphernkonzept“ verwenden Lakoff und Johnson auch „konzeptuelle Metapher“.
[2] Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird im Text nur die männliche Form verwendet.
[3] Diese Tatsache offenbart eine innewohnende Problematik für sämtliche Definitionen und Theoriebildungen zur Metapher: der Begriff „Metapher“ selbst ist eine Metapher. Diese Problematik kann aber hier nicht betrachtet werden.
[4] Vergleich: „Achill ist stark wie ein Löwe“, Metonymie: „Ich habe heute Mozart gehört.“ (ein Stück von Mozart).
[5] Kohl weist hier aber auch auf die inne liegende Problematik einer möglichen nicht arbiträren Zuweisung von Inhalt und Ausdruck eines sprachlichen Zeichens hin, die mit der genannten Aussage Aristoteles verbunden ist. Seine Ansicht wird mit der Saussureschen Sprachtheorie (die Arbitrarität zwischen Inhalt und Ausdruck bestimmt) entkräftet.
[6] Hier und im Folgenden werden die aus dem Korpus zitierten Beispiele im Original wiedergegeben. Eventuelle Unstimmigkeiten in der Grammatik und Rechtschreibung bleiben bestehen. Hervorhebungen in Kursivschrift stammen von der Verfasserin dieser Arbeit zur Verdeutlichung der metaphorischen Ausdrücke.
[7] Duden Herkunftswörterbuch, 2001, S. 555. Vgl. auch Kohl, 2007, S. 60 f.
[8] Mit dem Begriff „Konzept“ wird sich in Kapitel 3.1 näher beschäftigt. Im Wesentlichen stellt ein Konzept in der kognitiven Linguistik eine „mentale Informationseinheit im Langzeitgedächtnis“ des Menschen dar. Darin und mithilfe eines Konzepts wird das „Wissen über die Welt [abgespeichert], organisier[t] und kategorisier[t]“. (Metzler, 2010, S. 367) Vereinfacht wird ein Konzept mit „Begriff“ gleichgesetzt.
[9] „The essence of metaphor is understanding and experiencing one kind of thing in terms of another.“ (Lakoff & Johnson, 1980, S. 5). Mehr dazu folgt in Kapitel 2.
[10] Bildfelder entsprechen den in Kapitel 2 erläuterten konzeptuellen Metaphern beziehungsweise Metaphernkonzepten.
[11] S. vor allem Weinrichs Bildfeldtheorie.
[12] S. Drewer (2003): „Die kognitive Metapher als Werkzeug des Denkens“.
[13] Es wird in der gesamten Arbeit der üblichen Notation gefolgt, indem sprachliche Metaphern in Normalschrift gedruckt werden, während die konzeptuellen Metaphern in Großbuchstaben geschrieben werden.
[14] Auch: Skripts, Frames, Szenarios. Eine nähere Erläuterung in Bezug zur Thematik dieser Arbeit wird in Kapitel 4 gegeben.
[15] Eine Abbildung im mathematischen Sinne ist eine Zuordnung, durch die für jedes Element einer Menge x genau ein zugeordnetes Element einer Menge y festgelegt wird.
[16] Lakoffs (1987, S. 267) und Johnsons (1987, S. 29) Bezeichnung lautet „image-schemata“. Als Übersetzung wird auch „Bildschemata“ verwendet, Jäkel kritisiert jedoch die fälschliche Assoziation eines „Bildes“, um das es hier aber nicht geht (2003, S. 30).
[17] „Mechanical Turk“ ist ein Portal des Online-Händlers Amazon, auf dem Menschen (anstatt von Maschinen) einfache bis komplexere Arbeiten über das Internet erledigen, z. B. Adressen zu Personen heraussuchen.
[18] „There are ontological correspondences, according to which entities in the domain of love […] correspond systematically to entities in the domain of a journey […].“, Lakoff, 1993, S. 190.
- Arbeit zitieren
- Ulrike Hager (Autor:in), 2012, Zur Metaphorik im Wissenstransfer, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/204907
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