Die Schülerinnen und Schüler der Klasse S2b04a besuchen die Berufsfachschule für Sozial- und
Gesundheitswesen. Die Berufsfachschule ist eine zweijährige Vollzeitschulform. Die Klasse
besteht aus 13 Schülerinnen und 8 Schülern, deren Altersstruktur und Schulbildung im weiteren
Sinne als heterogen bezeichnet werden kann. Die Schüler dieser Klasse befinden sich im ersten
Ausbildungsjahr.
1 Angaben zur Lerngruppe
Die Schülerinnen und Schüler der Klasse S2b04a besuchen die Berufsfachschule für Sozial- und Gesundheitswesen. Die Berufsfachschule ist eine zweijährige Vollzeitschulform. Die Klasse besteht aus 13 Schülerinnen und 8 Schülern, deren Altersstruktur und Schulbildung im weiteren Sinne als heterogen bezeichnet werden kann. Die Schüler dieser Klasse befinden sich im ersten Ausbildungsjahr.
1.1 Besonderheiten der Klasse
Ich befinde mich im Rahmen meines bedarfsdeckenden Unterrichts seit dem 15. September 2004 in dieser Klasse. Die Klasse zeigt eine wechselhafte Unterrichtsbeteiligung. Das Interesse am Fach Politik / Gesellschaftslehre variiert je nach Themenbereich.
Einige Schülerinnen und Schüler haben Probleme, bestimmte Sachverhalte und vor allem ihr eigenes Verhalten zu reflektieren und bestimmte Gegebenheiten differenziert zu betrachten. Oft kommt es zu Kommentaren wie „Frauen gehören nur hinter den Herd“. Eine weitere Besonderheit ist der unterschiedliche kulturelle Hintergrund der Schülerinnen und Schüler (5 Schülerinnen aus der Türkei, 3 Schüler aus Polen, 1 Schüler aus Griechenland und 2 Schülerinnen aus Russland), so dass mit dem Thema sensibel umgegangen werden muss.
Die Vorbildung der Lerngruppe verteilt sich wie folgt:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Einzelne sehr stille Schülerinnen und Schüler müssen immer wieder motiviert und ins Unterrichtsgeschehen eingebunden werden. Das Fach Politik /Gesellschaftslehre wird in dieser Klasse zwei Stunden in der dritten und vierten Unterrichtsstunde am Donnerstag unterrichtet.
1.2 Besonderheiten der Lerngruppensituation
1.2.1 Fachkompetenz
Das Leistungspotential der Klasse ist heterogen. Als spezielles Vorwissen, soweit es für die Planung dieser Stunde relevant ist, können Kenntnisse der Schülerinnen und Schüler vom Wandel der Familie von der vorindustriellen Produktions- und Lebensgemeinschaft zur heutigen Kleinfamilie mit der für sie typischen Arbeitsteilung vorausgesetzt werden. Weiterhin wurden in dieser Klasse durch eine Gegenüberstellung die Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Einstellung zu Familie und Sexualität in islamisch / christlich- geprägten Gesellschaften erarbeitet. Gegenstand dieser Stunde sollen die Gründe und Motive der Eltern für die Zwangsverheiratung ihrer Töchter bzw. die Folgen der Zwangsverheiratung für die Frauen sein.
1.2.2 Methodenkompetenz
Die Klasse ist mit verschiedenen Unterrichtsmethoden und Sozialformen (Einzelarbeit, Partnerarbeit und Gruppenarbeit) vertraut. Sie ist neuen Methoden gegenüber relativ offen. Einige Schülerinnen und Schüler haben Schwierigkeiten, eigene Gedanken in Sätze zu fassen und diese innerhalb einer Diskussion zu artikulieren. Bei Partner- und Gruppenarbeiten stellte ich fest, dass sich die Privatgespräche bzw. Privataktivitäten einiger Schülerinnen und Schüler so verselbständigten, dass eine gemeinsame kontinuierliche Beschäftigung mit dem Unterrichtsgegenstand erheblich behindert wurde.
1.2.3 Sozialkompetenz
Die Schülerinnen und Schüler verhalten sich mir gegenüber offen und freundlich. Jedoch haben sich innerhalb der Klasse zwei Gruppierungen von jeweils drei Schülerinnen gebildet. Zwischen diesen Beiden Gruppen bestehen Spannungen, die den Unterrichtsverlauf teilweise erschweren.
2 Didaktische Entscheidung
2.1 Curriculare Vorgaben
Gestützt auf die Rahmenrichtlinien für das Unterrichtsfach Politik in berufsbildenden
Schulen in Nordrhein Westfalen beinhaltet die Unterrichtseinheit das politische
Handlungsfeld „3“, „Chancen und Probleme der Internationalisierung und Globalisierung“[1].
Der Themenkomplex „Lebenslänglich für die Ehre“ gehört zu den „Schlüsselproblemen der Gesellschaft“, welche konkrete und zentrale gesellschaftliche Missstände bezeichnen[2]. Ein didaktischer Grundsatz des Faches ist gerade die Problemorientierung dieser Missstände. Die Unterrichtseinheit entspricht diesem Grundsatz, da ein zentrales Problem des menschlichen Zusammenlebens betrachtet wird[3]. Die Diskrepanz zwischen Soll-Zustand (den Bestimmungen von Artikel 16 Absatz 2 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte) und Ist-Zustand (der gesellschaftlichen Realität) ist ein Spannungsverhältnis, das nach politischen Lösungen verlangt. Laut Lehrplan ist die grundlegende Aufgabe des Faches Politik / Gesellschaftslehre, die Schülerinnen und Schüler zur Gestaltung der Demokratie zu befähigen[4]. Hierfür eignet sich die Einheit - „Wer entscheidet, wen du heiratest? Die Motive und Folgen der Zwangsverheiratung“ - hervorragend.
2.2 Einbettung des Themas in die Unterrichtsreihe
Kern dieser Unterrichtsreihe ist, den Schülerinnen und Schülern deutlich zu machen, welche vielfältigen historischen Wurzeln dem Problem Zwangsverheiratung zugrunde liegen, und was die Ursachen und Auslöser dieses Problems sind. Sie werden dazu befähigt, bestimmte Standpunkte kritisch zu hinterfragen und zu bewerten.
In diesem Zusammenhang erfahren sie, dass überall auf der Welt Frauen und Mädchen gegen ihren Willen verheiratet werden. Frauen und Mädchen wird das Recht abgesprochen, selbst über ihr Leben zu entscheiden. Sie werden weiterhin feststellen, dass Zwangsverheiratungen auch in Deutschland stattfinden und welchen inneren und äußeren Konflikten die betroffenen Mädchen ausgesetzt sind.
Thema der Unterrichtsreihe: „Lebenslänglich für die Ehre“
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
2.3 Aussagen zu didaktischen Entscheidungen
Die Integration ausländischer Mitbürgerinnen und Mitbürger ist ein zentrales Thema in Deutschland. „In dem Maße, in dem es uns gelingt, Migrantinnen und Migranten in unsere Gesellschaft zu integrieren, fördern wir eine menschliche und stabile demokratische Gesellschaft“[5]. Die Akzeptanz der im Grundgesetz festgelegten Werte ist aber gleichermaßen Bedingung für eine erfolgreiche Integration. Die Möglichkeit eines gleichberechtigten und selbstbestimmten Lebens von Frauen gehört zu den grundlegenden Werten unserer Gesellschaft. Gerade deshalb muss alles getan werden, um Migrantinnen vor frauenverachtenden kulturellen und traditionellen Praktiken zu schützen. Es muss dafür Sorge getragen werden, dass die im Grundgesetz verankerten Rechte auch von Migrantinnen und Migranten beachtet werden. Um die Komplexität des Themas zu reduzieren, die Schülerinnen und Schüler mit einem Grundwissen auszustatten und sie für dieses Thema zu sensibilisieren, vermeide ich in dieser Unterrichtsstunde jegliche Konkretisierung der Gesetzeslage wie in § 6 des Grundgesetzes, Artikel 21 des UN-Komitees zur Abschaffung aller Formen von Diskriminierung gegen Frauen und Artikel 16, Absatz 2 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Die Schülerinnen und Schüler lernen, dass durch Zwangsverheiratung Frauen und Mädchen in ihrer Freiheit und Selbstbestimmung eingeschränkt werden. Dabei stehen diese Frauen und Mädchen ständig im Konflikt zwischen der Kultur des Herkunftslandes einerseits und den Lebensformen der deutschen Gesellschaft andererseits[6]. Aus Rücksicht auf die Traditionen ihrer Familien nehmen Frauen und Mädchen Einschränkungen und Verbote hin. Eine drohende Zwangsverheiratung macht den Konflikt schließlich unerträglich. Das Schicksal dieser Frauen, das sich oft unbemerkt von der Öffentlichkeit abspielt, ist Anlass für diese Unterrichtseinheit.
Um die o.g. Intentionen realisieren zu können, habe ich die Anfangsgeschichte so angelegt, dass sie an die Erfahrungswelt der Schülerinnen und Schülern anknüpft. Die Auswahl der Geschichte für den Einstieg soll einen direkten Problemaufriss ermöglichen. Als Sozialform habe ich mich für die Gruppenarbeit entschieden.
[...]
[1] vgl. Ministerium für Schule, Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen: S. 21
siehe unter Problem Aspekte: „Ursachen und Folgen von Migration sowie Möglichkeiten und Schwierigkeiten interkulturellen Zusammenlebens“
[2] Jansen, Bernd: Konzepte zur Sachanalyse und Unterrichtsplanung. 2. Auflage, Wochenschau Verlag, Schwalbach. 2002, S. 17
[3] vgl. Ministerium für Schule, Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen: S. 10ff
[4] Ebenda, S.14ff
[5] Claudia Eisenrieder; Zwangsheirat bei Migrantinnen.IN: Zwangsheirat- Lebenslänglich für die Ehre, Terre des femmes e.v. S. 43 ff. 2002. Tübingen
[6] Barbara Simons, Bildung und Wissenschaft, Januar 2005. S. 46
- Quote paper
- Mohammad Reza Khalili (Author), 2005, Wer entscheidet, wen du heiratest? Die Motive und Folgen der Zwangsverheiratung , Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/204694
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