Überblick über die landwirtschaftliche Produktion, das Steuersystem und die wichtigsten Produktionsfaktoren im Mogulreich. Beginnend mit grundlegenden Informationen, den Reforen unter Akbar (1542 - 1605) und den Entwicklungen unter Akbars Nachfolger Jahangir.
Einleitung
Um das Wirtschafts- und Steuersystems des Mogulreiches analysieren zu können, sollen zunächst einige Grundlagen dargestellt werden.
Das Mogulreich war ein klassischer Agrarstaat, dessen hauptsächliche Einnahmen aus landwirtschaftlicher Überproduktion gespeist wurden und in dem rund die Hälfte der Bevölkerung im primären Sektor, der Landwirtschaft, beschäftigt waren (vgl. Anhang, Tabelle 1). Als wichtigste Einnahmequelle ist die Grundsteuer bzw. die Steuer auf den Grundbesitz zu nennen.
Bis zur Regentschaft von Ǧalāl ad-Dīn Muḥammad Akbar (1556 - 1606) wurde diese Steuer in Form von Naturalien, also landwirtschaftlichen Produktionsüberschüssen eingetrieben. Diese Abgabe betrug ca. ein Drittel des Ernteaufkommens. Erst mit Akbars Verwaltungsreformen wurden die Abgaben in Naturalien durch Geldzahlungen ersetzt. Weitere wichtige Steuern waren die Zölle auf den Handel, die Münz- und Erbschaftssteuer sowie die ǧizya, die Kopfsteuer für Nichtmuslime. Die Steuern wurden im Mogulreich durch die ğāgīrdāri (Lehnsherren) oder zamīndāri (Großgrundbesitzer) eingezogen und dienten vornehmlich der Finanzierung des Militärs, des Verwaltungsapparates sowie des höfischen Lebens. Obwohl das Mogulreich einen sehr ausgeprägten Verwaltungsapparat durch das Mansab-System hatte, blieben sowohl die Verwaltung der Infrastruktur als auch die nationale Wirtschaftsförderung hinter den Möglichkeiten zurück. Nur Akbar hatte mit seinen Verwaltungsreformen die Ausbesserung der Handelsstraßen gefördert und „Staatsanleihen“ ausgegeben, um die Binnenwirtschaft zu fördern. Allgemein lässt sich feststellen, dass Akbar durch seine Reformen das bereits sehr differenzierte staatliche Verwaltungssystem in eine neuere und effektivere Form überführte, die dem Mogulreich innere Stabilität und Wohlstand garantierte. So gelang es ihm, seinen Ministern und Nachfolgern aus dem regional sehr unterschiedlichen Indien einen verbundenen Wirtschaftsraum mit fester Geldwirtschaft und großer Binnennachfrage nach heimischen Produkten zu formen: „(…) then under the Mughals the Indian economy had passed from a level of loosely integrated units of self-suffiency to one where there is a vast monetized sector, involving the extensive development of internal commerce“1.
Agrarsystem
Wie oben bereits dargestellt, war das Mogulreich ein Agrarstaat, dessen landwirtschaftliche Produktion der Hauptzweig der nationalen Wirtschaftskraft war und dessen Bevölkerung zum Großteil im Agrarsektor beschäftigt war. Die Arbeit in der Landwirtschaft war dabei sowohl Recht als auch Pflicht der ländlichen Bevölkerung: „Cultivation as a right was vested hereditarily in the peasent, but it was also an obligation from which no peasent was exempt“2. Die Hauptanbauprodukte waren zunächst Reis, Weizen, Hirse und Baumwolle.
Ab dem 16. Jahrhundert wurden auf dem Seeweg auch „neue“ Pflanzen eingeführt und als Nutzpflanzen kultiviert. Diese Ausweitung der agrarischen Produktion erstreckte sich hauptsächlich auf den „aus Amerika übernommenen Anbau von Tabak und Mais“3, Paprika, Kartoffeln und bestimmte Obstorten.
Auch über den Landweg wurden, wie zum Beispiel Melonen und Weitrauben aus Persien, neue Anbaupflanzen ins Mogulreich importiert. Aus dieser Kultivierung ausländischer Nutzpflanzen und der breit aufgestellten agrarischen Produktion ergab sich die Notwendigkeit, das Steuersystem auf diese Diversität auszurichten. So wurde die Besteuerung so weit aufgeschlüsselt, dass es für jede Feldfrucht bzw. jedes Produkt ein bestimmtes Steueraufkommen gab. So waren kommerzielle Nutzpflanzen wie Indigo und Schlafmohn sehr viel höher besteuert als reine Nutzpflanzen4. Diese Komplexität im Verwaltungssystem soll im Folgenden näher untersucht werden.
Steuersystem
Wie oben bereits dargestellt, war das Steuersystem des Mogulreichs sehr stark ausdifferenziert und komplex. Die Entwicklung dieses Systems geht bis auf das Sultanat von Delhi zurück, wurde aber im Wesentlichen von Šīr Šāh (1486 - 1545) begründet. Er führte als erster Großmogul eine Steuerveranlagung aufgrund einer Landvermessung (pers. zabt) ein und legte damit den Grundstein für alle späteren Entwicklungen und Reformen des Steuersystems. Diese Landvermessung ging einher mit der Einführung einer neuen Silbermünze (rūpiyā) sowie der Einführung innovativer Maß- und Gewichtseinheiten. Es handelt sich dabei um eine verwaltungstechnische Neuerung, die unter Akbar perfektioniert wurde (siehe unten).
Die wichtigste verwaltungstechnische Neuerung unter Šīr Šāh war die Festlegung des Steueraufkommens. So wurde das Steueraufkommen jedes Jahr für jede einzelne Region des Reiches anhand der lokalen Preise festgelegt. Dies war eine Innovation, die vor allem den lokalen Landwirten dienlich sein sollte, da klimatische und geographische Unterschiede in den verschiedenen Reichsgebieten ausgeglichen werden sollten und ein spezifisches Steueraufkommen aller Gebiete, gleich wie ertragreich sie waren, erreicht werden sollte. Die Verschiedenheit der Reichsgebiete bedingte allerdings auch einige große Probleme für die Staatsfinanzen. So war aufgrund der unterschiedlichen geographischen und klimatischen Gegebenheiten die Landwirtschaft, bzw. der Ertrag aus selbiger, nicht nur unterschiedlich, sondern auch in einigen Gebieten gesicherter als in anderen. Es lässt sich demnach generell feststellen, dass der Osten des Reiches sicherer und ertragreicher war als der Westen (vgl. Karte 1). Die Folge aus diesen Unterschieden besteht vor allem darin, dass die komplette Staatsfinanzierung von guten Ernten abhängig war. Bei Missernten blieben die Abgaben der Regionen entsprechend gering und sowohl der Staatshaushalt als auch die lokalen Landwirte litten. Auf den Staatshaushalt hatte das System zwei schwerwiegende Auswirkungen. Zum einen erforderte es einen enormen Verwaltungsaufwand, die Preise für jedes Gebiet jährlich neu festzulegen, und zum anderen war der Haushalt immer mit einem großen Unsicherheitsfaktor behaftet, namentlich der Frage, wie die Ernten im jeweiligen Jahr ausfallen würden und wie hoch dementsprechend die Einnahmen würden. Dennoch war das Steuersystem so weit durchdacht, dass es in seinen Grundzügen, von den Reformen Akbars abgesehen, bis ins 18. Jahrhundert Bestand hatte.
Reform des Steuersystems unter Akbar
Akbar sah sich im Laufe seiner Herrschaft mit den Auswirkungen der oben dargestellten Probleme konfrontiert und nahm sich der Reformierung des Steuersystems sowie der Verwaltung an. Unter ihm gelang es, das Mogulreich „zu einem zentralisierten Herrschaftsgefüge“5 zusammenzubringen. Insgesamt lässt sich feststellen, dass „die Grundprinzipien, an denen sich das Mogulreich orientierte, eine starke Zentralisation schufen (…)“6. Ein erster Schritt, den der Herrscher und sein Finanzminister Todār Māl (gest. 1586) zu diesem Zweck unternahmen, war die Umstellung der kompletten Verwaltung auf die Amtssprache Persisch. Ferner wurde die Verwaltung in diverse Hierarchieebenen unterteilt, von denen die unterste Ebene (die der parganas), welche die lokale Finanzverwaltung übernahm, die Wichtigste war. Wie bereits dargestellt, kam im agrarischen Mogulreich „der Pflege, Verwaltung, Besteuerung, den fairen Abgabeleistungen und dem Schutz der Bauern eine besondere Bedeutung zu“7. Die Einteilung der staatlichen Verwaltung in strikte hierarchische Ebenen diente zum einen sicherlich der Effizienzsteigerung des Staates und zum anderen auch der Festigung Akbars als Herrscher, da die Verwaltungsangestellten, die Lehensherren und die Großgrundbesitzer alle von der Gunst des Großmoguln abhängig waren. Auch die Umstellung der kompletten Verwaltung auf die Amtssprache Persisch diente dem Ziel, die staatlichen Hierarchieebenen vom Hofe bis zu den einzelnen Provinzen für den Herrscher transparent und kontrollierbar sowie insgesamt effizienter zu gestalten. Eine weitere wichtige Neuerung für das agrarische Mogulreich war die Umstellung des Steuerapparates auf den Sonnenkalender. Da der islamische Mondkalender Schwankungen der Erntezeit zur Folge hatte, bot der Sonnenkalender mit feststehenden Erntemonaten zusätzliche Sicherheit und vor allem Regelmäßigkeit bei der Errechnung und Eintreibung der Steuern. Die bedeutendste Reformen unter Akbar stellten allerdings die Vereinheitlichung von Währung und Maßen sowie die Einführung eines neuen Systems zur Berechnung des Steueraufkommens, das dahsāla (pers. zehn Jahre), dar. Das System dahsāla bedeutete, dass der Durchschnittswert der Erträge für jede einzelne Region auf der Grundlage der letzten zehn Jahre berechnet wurde und anhand dessen, das Steueraufkommen festgelegt wurde. Um die Landverteilung und anschließend die Berechnung einzig in seiner Verantwortung zu wissen, zog er zunächst alle Lehen wieder ein und deklarierte sie als königlichen Besitz. Anschließend wurden sie neu verteilt und das dahsāla zur Berechnung des Steueraufkommens benutzt. Damit gelang es Kaiser Akbar, den verwaltungstechnischen Aufwand, das Steueraufkommen jährlich neu zu berechnen, zu umgehen. Der Vorteil in diesem System lag für die Landwirte darin, dass auch bei einer schlechten Ernte der Verlust nicht so groß war wie noch zu Zeiten Šīr Šāhs, da in den Durchschnittswerten auch frühere schlechte Ernteaufkommen eingerechnet waren. Der Nachteil dieses Systems zeigte sich erst nach einigen Jahren, als die Menge des von Europäern im Außenhandel eingeführten Silbers stark anstieg. Denn die zunehmende Einführung von Edelmetallen für die Münzprägung hatte starke Preisschwankungen zur Folge, die auch durch die langjährigen Durchschnittsberechnungen nicht kompensiert werden konnten. Diese Preis- und Konjunkturschwankungen wurden zudem durch die zahlreichen Feldzüge (z.B. 1581 gegen Kabul) und die ständig wachsende Armee, die Akbar inzwischen zu einem stehenden Berufsheer ausgebaut hat, intensiviert. Trotz dieser Schwächen war die Verwaltung Akbars so effizient, dass sie rund 100 Jahre lang in dieser Form überdauerte.
Šīr Šāh hat mit der Einführung der Rupie (rūpiyā) versucht, die verschiedenen Währungen und Maße des indischen Subkontinentes zu vereinheitlichen und damit binnenwirtschaftliche Vorgänge zu erleichtern. Akbar führte diesen Gedanken fort und schuf mit seinen Reformen ein System, das im gesamten Mogulreich Anwendung fand.
Neben der bereits vorhandenen silbernen Rupie, führte Akbar noch eine Gold- und eine Kupfermünze ein. Das Währungssystem bestand also aus drei Münzen, von denen die mohur (Goldmünze) den Gegenwert von 8 Rupien hatte8. Welcher Produktwert hinter dieser Berechnung steht, lässt sich am folgenden Beispiel darstellen: „So erfahren wir, daß die kostbarste Goldmünze, der mohur, dem Gesamtertrag von 2-3 Morgen Weizen entsprach“9. Eine Rupie wiederum hatte den Wert von 40 dam (Kupfermünzen). Diese Währungsreform ermöglichte eine einheitliche Binnenwirtschaft im gesamten Mogulreich. Da das Reich selbst über kaum Edelmetalle in Form von Bodenschätzen verfügte, wurden, wie oben dargestellt, in den Jahren nach der Währungsreform immer größere Mengen Edelmetalle von den europäischen Handelspartnern importiert. Insgesamt lässt sich feststellen, dass Silber das Hauptimportprodukt der Moguln war. Denn „Indien selbst brauchte in erster Linie Silber, nur in den 1660er und 1670er Jahren kamen größere Mengen Gold auf den Subkontinent“10. In späteren Jahren gab es allerdings immer größere Silberzuflüsse aus Amerika, die über europäische Händler ins Land kamen und den Kurs des Geldes abwerteten.
Neben den Reformen der Währung wurden unter Akbar und seinen Ministern, in erster Linie Todār Māl und Abū l-Fażl (1551 - 1602) auch die Längen-, Strecken- und Gewichtsmaße vereinheitlicht. Gerade für die Landvermessung, deren herausragende Bedeutung für die Grundsteuer bereits identifiziert wurde, boten die verwendeten Maße wichtige Möglichkeiten der Verwaltung. Unter Akbar wurden insgesamt drei Maße zur Landvermessung benutzt: bīghā, ‘ušrī und ḫarāğī11.
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1 Alaam, Muzaffer/ Subrahmanyam, Sanjay: The Mughal State 1526 - 1750, 1998, S. 283
2 Alaam/ Subrahmanyam, 1998, S. 262
3 Conermann, Stephan: Das Mogulreich - Geschichte und Kultur des muslimischen Indien, 2006, S. 101
4 Schimmel, Annemarie: Im Reich der Großmoguln - Geschichte, Kunst, Kultur, 2000, S. 109
5 Conermann, 2006, S. 44
6 Ebd. S. 46
7 Conermann, 2006, S. 47
8 Der Goldanteil im mohur betrug seit Akbars Währungsreform ca. 11,02 Gramm pro Münze, vgl. Allan, J.: „Mohur“ in EI Volume VII, S. 221
9 Schimmel, 2000, S. 107
10 Conermann 2006, S. 98
11 Vgl. Schimmel, 2000, S. 108, die Encyclopaedia of Islam gibt dazu allerdings die Information, dass es sich bei ‘ušrī und ḫarāğī um frühislamische Steuern handelt, die auch im Mogulreich wieder eingeführt wurden.
- Arbeit zitieren
- Marcel Jökale (Autor:in), 2012, Landwirtschaft, Handwerk und Steuersystem im Mogulreich, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/204456
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