Diese Seminararbeit widmet sich der Sozialrevolutionären Partei Russlands zwischen den beiden Revolutionen 1907 und 1917.
Dabei wird im ersten Teil die Rolle der PSR während der Revolution von 1907 beschrieben, wobei insbesondere auf die Gründe für ihr Scheitern, die verschiedenen Parteien sowie die Duma und das Oktobermanifest eingegangen wird.
Der zweite Teil behandelt die Neuorientierung der Partei nach der Revolution sowie die Rolle der PSR in der Revolution von 1917.
Inhaltsverzeichnis:
1. Einleitung und Inhaltsverzeichnis
2. Die PSR während der Revolution
2.1 Gründe für das Scheitern der PSR
2.2 Die verschiedenen Parteien
2.3 Die Duma als konstituierende, parlamentarische Verfassung und das Oktobermanifest
3. Die PSR in der Krise nach der Revolution
3.1 Neuorientierung der PSR nach der Revoluti on
3.2 Die Krisenkonferenz und ihre Folgen
3.3 Die PSR und die Revolution von 1917
Einleitung
Diese Arbeit soll, anlehnend zum mündlichen Referat, im weiteren Sinne eine Fortsetzung des Themas „Die Wiederbelebung des Populismus; Das Programm der Sozialrevolutionäre“ darstellen. Hier soll nun auf den Zeitraum nach der ersten Revolution 1907- 1917 eingegangen werden. Das ist insofern interessant, als dass sich aus dem Referat verschiedenste Fragestellungen bezüglich dieses Zeitraumes nach der Revolution ergeben haben.
Zunächst wird nochmals auf die PSR (Partei der Sozialrevolutionäre) und ihre Rolle in der Revolution 1905- 1907 und danach eingegangen, sowie auf die Gründe des Schei terns und Versagens hingewiesen. Auch aber soll untersucht werden, welche wichtigen Einflüsse diese Partei auf das politische Geschehen ausübte, wie sich das Verhältniss zu den zahlreichen anderen, erst während oder nach der Revolution entstandenen Parteien darstellte, die ebenfalls charakterisiert werden sollen, Auch die Duma und das Oktobermanifest sollen zu dem Parteienspektrum in Beziehung gesetzt werden.
Bei einer solch bedeutenden zeitlichen Begrenzung der Jahre 1907 und 1917 muss ebenfalls immer wieder der geschichtliche Hintergrund berücksichtigt werden. Da die PSR schon 1922 ¡/später[1] verboten wurde und ihr Wirken praktisch mit der Auflösung der Verfassunggebenden Versammlung 1918 endetejhielt ich es nicht für nötig, den historischen Rahmen bis 1922 zu stecken.
Eine ausführliche Literaturliste findet sich am Ende dieser Arbeit. Insgesamt habe ich mich auf acht Werke beschränkt, die auch schon für das Referat verwendet wurden und zum einen auf die Parteien im besonderen und zum anderen auf die russische Geschichte im allgemeinen eingehen. Zu erwähnen wäre noch, dass man sich bei der Suche nach detailgenauem Material über die PSR immer wieder bei Hildemeiers „Sozialrevolutionären Partei“ oder „den Russischen Parteien von 1905 bis 1917/wiederfi ndet; über den geschichtlichen Äbriss im Allgemeinen jedoch findet man reichlich Literatur, in der man gelegentlich auf Gegensätze stösst.
2.Die PSR während der Revolution
Ais am 9.1, 1905 mit dem berüchtigten „Blutsonntag“ die erste der drei russischen Revolutionen des 20 Jhd. eingeläutet wurde, wurde sie von den Sozialrevolutionären begeistert aufgenommen. Endlich schien die Zeit reif fìlr das, worauf die Sozialrevolutionäre Agitation unter der agrarischen und städtischen Bevölkerung hingearbeitet hatte: lj)as Ende des Zarismus[1]. Diese überschwengliche Stimmung schien berechtigt, konnten steli doch die Sozialrevolutionäre neben den Sozialdemokraten als einzige Partei zugute halten, wirklich aktiv den Versuch einer Politisierung der Bevölkerung unternommen zu haben. Und tatsächlich findet man auch in der J üngeren“ Literatur Hinweise auf die Bedeutsamkeit dieses an „Umfang und Breite alles Übertreffenden revolutionären Geschehens, was sowohl im Februar als auch während der Revolution im Oktober 1917 geschah! Die Revolution von 1905 war sicherlich die elementarste und umfassendste der drei, die das Land in diesem Jahrhundert erlebt hať[2]. Die PSR drang auf einen fortgesetzten militanten Verlauf, „die Chance müsse genutzt werden, man dürfe nicht nach Art der Sozialdemokraten bei ökonomischen Streiks stehenbleiben; fort mit den Bedenken und Vorurteilen gegen militante Mittel[3];' Zu diesem Zweck schuf man sog. „Kampfbrüderschaften“, kaufte von Japan eine Schiffsladung Waffen und dezentralisierte den Terror, indem man die Staatsmacht auf breiter Front angriff.[4]
Zu diesen plötzlichen revolutionären Tätigkeiten und Möglichkeiten kam es aus verschiedensten Gründen:
Die schnell wachsende städtische Bevölkerung bewirkte Hungersnöte und Armut in den Städten. Die durch Aufstände genährte revolutionäre Stimmung griff rasch auf die Landbevölkerung über, wo sie die von den Sozialrevolutionären geforderte „Agrarrevolution" auslöste, vielerorts kam es kam zu gewaltsamen Enteignungen der Gutsherren und Umverteilungen der Ländereien. Missernten und Hunger, die gewaltigen Verluste und Belastungen des Japankrieges, die Berichte der heimkehrenden Soldaten taten ein übriges, um die revolutionäre Stimmung zu schüren[5], Endlich schien das eingetreten, was die PSR für das Bezwingen der Autokratie für unabdingbar hielt: f|in~|èmeinsamôr Aufstand von städtischer und ländlicher Bevölkerung, von Proletariat und Bauern.
2.1.Gründe für das Scheitern der PSR
Auf diesem Höhepunkt des revolutionären Geschehens ist meiner Meinung nach zu bemerken, dass es den Aufständischen an letzter Konsequenz zur Neugestaltung des Staates fehlte, was dann vielleicht eine grössere und längerfristige Unterstützung in der Bevölkerung gefunden hätte: Dies lag primär daran, dass man verständlicherweise nicht dazu in der Lage war, die breite aufständische Volksmasse auf ein revolutionäres Fernziel einzuschwören, es fehlte an kurzfristigen, bedeutenden Erfolgen, die man vorweisen konnte. Als Beispiel sei ein Zitat von Jan Kusber angefügt: “Folgt man den Zahlen des Fabrikinspektors V.E. Varzar, so breiteten sich die Streiks unter den russischen Arbeitern im Januar mit einer derartigen Geschwindigkeit aus, dass die Zahl der Beteiligten im Lande binnen Monatsfrist knapp 445.000 erreichte. Bereits im Februar sank die Zahl auf unter 300.000 ab“[6].
Hier wird anschaulich, wie schnell die revolutionäre Begeisterung breiter Arbeiterschichten nachlassen kann, wenn deren Lebensverhältnisse durch die Streiks und dem damit verbundenen Ausbleiben der Gehälter bedroht werden. Auch Hildermeier unterstützt diese These bei seinen wichtigsten Punkten zum Scheitern der Sozialrevolutionären Agitation:“...und blieb das Engagement (der Streikenden) bestenfalls kurzfristig[7]
Und eine andere „Grundwahrheit“, von Gemov, einem der bedeutendsten Intellektuellen der PSR und Verfasser deren Parteiprogramms, erstmals formuliert, trug entscheidend zum Misserfolg der Revolution bei: Keine Revolution könne siegen, wenn es ihr nicht gelänge, die Armee auf ihre Seite zu ziehen, zu neutralisieren oder eine überlegene eigene militärische Macht aufzubauen. [8]
Diese Grundwahrheit trifft im Falle der Revolution sehr treffend zu; obwohl dem Bereich der Armceagitation hohe Bedeutung zugewiesen wurde, wurde auf diesem Aktionsfeld verhältnismässig wenig getan,[9] weswegen es nicht gelang, die Armee für die eigene Sache zu begeistern. Auch war man nicht in der Lage, die zaristischen Truppen auszuschalten oder handlungsunfähig zu machen, was die mangelnde Streikfähigkeit der Eisenbahner, welche für den Transport von Truppen zuständig war, beweist. Und eine eigene Übermacht konnte ebenfalls nicht geschaffen werden, lag das doch beispielsweise an so einfachen Gründen wie dem Sinken des Schiffes, welches jene schon erwähnte japanische Waffenladung nach Russland bringen sollte.
Abschliessend sei zum letztendlichen Scheitern der PSR gesagt, dass auch jener tief verwurzelte Glaube an das Gottgewollte[10]", also die Herrschaftslegitimität des Zaren, immer noch stärker wog, als man meinte; der Respekt vor dem Zaren war nach wie vor nicht unerheblich und auch die Revolutionäre getrauten sich nicht, absolute Forderungen nach dem Machtanspruch zu stellen; man vertraute vielmehr darauf, das die Autokratie den letzten Schritt der Abdankung von selbst vollziehen werde.[11] Aber auch die Tatsache, dass sich die verschiedenen politischen Gruppierungen während und besonders nach der Revolution uneins waren, trugen dazu bei, dass Nikolaus der Zweite auch nach der Revolution scheinbar unbeschädigt auf dem Thron sass.
Im folgenden soll nun auf die verschiedenen politischen Gruppierungen und auch auf die Geschichte der „Reichsduma“ eingegangen werden.
2.2 Die verschiedenen Parteien
Wie im folgenden kurz aufgezeichnet werden soll, sind im Zeitraum von 1905 bis 1917 eine Reihe von politischen Vereinigungen entstanden; dies spricht um so mehr für eine politische Vielfalt, die allerdings jenen auch schon angesprochenen Nachteil birgt, dass sich zu viele Meinungsträger mit eigenen Interessen bilden, was es der Autokratie wiederum einfach macht, die politische Bühne zu beherrschen.
Hinzu kommt noch die Tatsache, dass sich die Parteien sogar in sich noch uneinig waren, was kurz exemplarisch an den beiden sozialistischen Parteien dargelegt werden soll; Die Sozialdemokraten, noch vor den Sozialrevolutionären 1898 gegründet, sollten schon 1903 in die Mehrheitier (Bolschewik!) und Minderhcitler (Menschewiki) zerfallen, wenngleich die Trennung erst 1912 endgültig vollzogen wurde.[12]
[...]
[1] [3],[4],[5] : Manfred Hüdermeier: „Die Sozialrevolutionäre Partei Russlands“ 1978, S.143-144,
[2]: Adam B. Ulam: „ Russlands gescheiterte Revolutionen; Von den Dekabristen bis zu den Dissidenten“ 1981, S.164
[6]: Jan Kusber: „ Krieg und Revolution in Russland: „Das Militär Ira VeiftSltniss zu Wirtschaft, Autokratie und Gesellschaft“ 1997, S.67
[7] [8],[9],[10], : Manfred Hildermeier: „Die Sozialrevolutionäre Partei Russlands“ 1978, S.163, S.164, S.165,S.163,
[11]: Adam B. Ulam: „Russlands gescheiterte Revolutionen von den Dekabristen bis zu den Dissidenten“ 1981, S. 165,
[12]: Peter Scheibest: „Die russischen politischen Parteien von 1905 bis 1917“ 1972, S.16,
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- Paul Langner (Author), 2001, Die sozialrevolutionäre Partei Russlands zwischen den beiden Revolutionen 1907 und 1917, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/204357