Vergleichende Werbung war in Deutschland lange Zeit verboten und wurde erst durch die Richtlinie 97/55/EG in der Europäischen Union zulässig. Durch Urteile des Bundesgerichtshofs und eine Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb im Jahr 2000 wurde dies in deutsches Recht umgesetzt. Dennoch blieb vergleichende Werbung in der Europäischen Union und speziell in Deutschland weitestgehend unerforscht. Wissen über ihre Einsatzmöglichkeiten und Wirkung ist jedoch unerlässlich, um auch in Zukunft rechtliche Regelungen festlegen zu können. Zusätzlich können Werbetreibende nur so fundierte Entscheidungen hinsichtlich des Einsatzes und der Art der Gestaltung dieses Werbemittels treffen. Deshalb setzt sich die vorliegende Arbeit mit der vergleichenden Werbung in Deutschland auseinander und kann somit einen Ausgangspunkt für weitere europäische Forschung bilden.
Die Thematik der vergleichenden Werbung kann in zwei Forschungsbereiche untergliedert werden. Der erste Bereich betrifft ihre Wirkungsweise. Hierbei stellt sich die Frage, ob vergleichende Werbung erfolgreicher ist als nichtvergleichende Werbung. Darüber hinaus wird untersucht, welche Faktoren und Mechanismen dies beeinflussen. Die Arbeit widmet sich dem Forschungsbereich, indem sie im ersten Teil einen Überblick über die bisher zu diesem Thema durchgeführten, überwiegend US-amerikanischen Studien gibt und hieraus ein Kontingenzmodell der vergleichenden Werbung entwickelt. Die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf den deutschen Markt und die wenigen existierenden deutschen Studien werden im Anschluss diskutiert.
Der zweite Forschungsbereich betrifft den tatsächlichen Einsatz vergleichender Werbung in der Praxis. Während hierzu in den USA einige nicht aktuelle Studien vorliegen, blieb diese Thematik in Deutschland gänzlich unerforscht. Aus diesem Grund stellt der zweite Teil der Arbeit eine empirische Untersuchung dar. Dabei wird aufgezeigt, in welchem Maß in Deutschland vergleichend geworben wird und wie solche Anzeigen gestaltet sind.
Die Erkenntnisse der beiden Forschungsbereiche werden im Anschluss zusammengeführt. Hierdurch kann beurteilt werden, ob die aus der Werbewirkungsforschung abgeleiteten Handlungsempfehlungen in der Praxis umgesetzt werden.
Den beschriebenen Ausführungen vorangestellt sind eine Abgrenzung des Begriffs der vergleichenden Werbung und eine Darstellung der vergangenen und aktuellen rechtlichen Rahmenbedingungen in Deutschland und der Europäischen Union.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1. Gegenstand und Zielsetzung der Arbeit
2. Begriffsbestimmung zur vergleichenden Werbung
3. Rechtliche Rahmenbedingungen
4. Wirkung vergleichender Werbung
4.1 Gegenüberstellung der Effektivität vergleichender und nichtvergleichender Werbung
4.2 Entwicklung eines Kontingenzmodells der vergleichenden Werbung
4.2.1 Aufbau des Kontingenzmodells
4.2.2 Gestaltungsformen vergleichender Werbung
4.2.3 Einflussfaktoren auf die Werbewirkung
4.3 Deutsche Studien zur Wirkung vergleichender Werbung
4.4 Zwischenfazit: Empfehlungen und Forschungsbedarf
5. Empirische Untersuchung: Einsatz vergleichender Werbung
5.1 Bisherige Forschungsergebnisse
5.2 Forschungsfragen
5.3 Methodische Vorgehensweise
5.4 Ergebnisse
5.5 Einschränkungen
5.6 Zwischenfazit: vergleichende Werbung in der Praxis
6. Fazit
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Kriterien der Effektivität vergleichender Werbung
Abbildung 2: Kontingenzmodell der vergleichenden Werbung
Abbildung 3: Intensität des Vergleichs – Beispiel
Abbildung 4: Darstellung der Konkurrenz bei direkt vergleichender Werbung - Beispiel
Abbildung 5: Zweiseitiger Vergleich – Beispiel
Abbildung 6: Untermauerung des Werbevergleichs – Beispiel
Abbildung 7: Vergleich mit Produktklasse – Beispiel
Abbildung 8: US-amerikanische Studien zum Einsatz vergleichender Werbung
- Ergebnisse
Abbildung 9: Zentrale Ergebnisse von Varlam (2000)
Abbildung 10: Anteil vergleichender Werbung an Gesamtzahl der Anzeigen
Abbildung 11: Intensität der vergleichenden Werbung
Abbildung 12: Art des Angebots bei vergleichender und nichtvergleichender Werbung
Abbildung 13: Anteil vergleichender Werbung nach Branchen
Abbildung 14: Art des Vergleichsobjekts bei direkt und indirekt vergleichender Werbung
Abbildung 15: Darstellung der Konkurrenz bei direkt vergleichender Werbung
Abbildung 16: Verglichene Produktattribute
Abbildung 17: Untermauerungsarten bei direkt und indirekt vergleichender Werbung
Abbildung 18: Zusammenhang von Anzeigengröße und Anteil vergleichender Werbung
Abbildung 19: Anteil direkter, indirekter und gesamter vergleichender Werbung an Gesamtzahl der Anzeigen 2001 und 2011 (eigene Darstellung)
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Urteile des Bundesgerichtshofs zur vergleichenden Werbung
Tabelle 2: Häufig genannte Vor- und Nachteile vergleichender Werbung
Tabelle 3: US-amerikanische Studien zur Effektivität vergleichender Werbung
Tabelle 4: Deutsche Studien zur Effektivität vergleichender Werbung
Tabelle 5: US-amerikanische Studien zum Einsatz vergleichender Werbung - Vorgehen
Tabelle 6: Klassifizierungsschema für Werbeanzeigen
Tabelle 7: Intercoder-Reliabilität
Tabelle 8: Anzahl der analysierten Werbeanzeigen
Tabelle 9: Anzahl der Konkurrenten bei direkt und indirekt vergleichender Werbung
Tabelle 10: Darstellung der Konkurrenz bei indirekt vergleichender Werbung
1. Gegenstand und Zielsetzung der Arbeit
Vergleichende Werbung war in Deutschland lange Zeit verboten und wurde erst 1997 durch die Richtlinie 97/55/EG der Europäischen Kommission in der Europäischen Union zulässig. Durch Urteile des Bundesgerichtshofs und eine Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb im Jahr 2000 wurde diese Richtlinie in deutsches Recht umgesetzt. Dennoch blieb vergleichende Werbung in der Europäischen Union und speziell in Deutschland weitestgehend unerforscht. Wissen über ihre Einsatzmöglichkeiten und Wirkung ist jedoch unerlässlich, um auch in Zukunft rechtliche Regelungen festlegen zu können. Zusätzlich können Werbetreibende nur so fundierte Entscheidungen hinsichtlich des Einsatzes und der Art der Gestaltung dieses Werbemittels treffen. Aus diesem Grund setzt sich die vorliegende Arbeit mit der vergleichenden Werbung in Deutschland auseinander und kann somit einen Ausgangspunkt für weitere europäische Forschung bilden.
Die Thematik der vergleichenden Werbung kann in zwei Forschungsbereiche untergliedert werden. Der erste Bereich betrifft ihre Wirkungsweise. Hierbei stellt sich insbesondere die Frage, ob vergleichende Werbung erfolgreicher ist als nichtvergleichende Werbung. Darüber hinaus wird untersucht, welche Faktoren und Mechanismen dies beeinflussen. Die Arbeit widmet sich dem Forschungsbereich, indem sie im ersten Teil einen Überblick über die bisher zu diesem Thema durchgeführten, überwiegend US-amerikanischen Studien gibt und hieraus ein Kontingenzmodell der vergleichenden Werbung entwickelt. Die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf den deutschen Markt und die wenigen existierenden deutschen Studien werden im Anschluss diskutiert.
Der zweite Forschungsbereich betrifft den tatsächlichen Einsatz vergleichender Werbung in der Praxis. Während hierzu in den USA einige nicht aktuelle Studien vorliegen, blieb diese Thematik in Deutschland bisher gänzlich unerforscht. Aus diesem Grund stellt der zweite Teil der Arbeit eine empirische Untersuchung dar. Dabei wird aufgezeigt, in welchem Maß in Deutschland vergleichend geworben wird und wie solche Anzeigen gestaltet sind.
Die Erkenntnisse der beiden Forschungsbereiche werden im Anschluss zusammengeführt. Hierdurch kann beurteilt werden, ob die aus der Werbewirkungsforschung abgeleiteten Handlungsempfehlungen in der Praxis umgesetzt werden.
Den beschriebenen Ausführungen vorangestellt sind eine Abgrenzung des Begriffs der vergleichenden Werbung und eine Darstellung der vergangenen und aktuellen rechtlichen Rahmenbedingungen in Deutschland und der Europäischen Union.
2. Begriffsbestimmung zur vergleichenden Werbung
Das deutsche Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) definiert vergleichende Werbung als „jede Werbung, die unmittelbar oder mittelbar einen Mitbewerber oder die von einem Mitbewerber angebotenen Waren oder Dienstleistungen erkennbar macht“ (UWG 2010, § 6 Absatz 1). Diese Arbeit distanziert sich bewusst von der Legaldefinition und nimmt anstelle dessen eine forschungsbasierte Begriffsbestimmung vor. Eine begrenzte Anzahl an Aufsätzen versucht, die Nutzung und Wirkungsweise vergleichender Werbung innerhalb des Rahmens eines bestehenden Rechtssystems zu beurteilen (vgl. z.B. Pechmann/Stewart 1994; Rennhak 1999). Dieser Ansatz greift jedoch zu kurz. Hierfür gibt es insbesondere zwei Gründe.
Zum einen können sich gesetzliche Regelungen ändern und somit die Grenzen des Spielraums für die Werbegestaltung verschieben. So hat es sich auch bei der vergleichenden Werbung ereignet. Aufgrund des Verbots dieser Werbeform bis zum Jahr 1998 blieb die Thematik in Deutschland weitestgehend unerforscht (Tscheulin/Helmig 1999, S. 550; Varlam 2000, S. 1), sodass sich die Werbepraxis nach ihrer Legalisierung mit wenig Wissen über ihre Wirkungsweise konfrontiert sah. Um möglichen zukünftigen Gesetzesänderungen vorwegzugreifen und dem Gesetzgeber eine Grundlage für potenzielle Änderungen zu geben, ist es demnach sinnvoll, vergleichende Werbung auch über ihre aktuellen rechtlichen Möglichkeiten hinaus zu beurteilen.
Darüber hinaus ist die Gesetzeslage zur vergleichenden Werbung auch heute in den Ländern noch teils sehr unterschiedlich. So bieten zum Beispiel die USA, im Vergleich zu Deutschland, den Werbetreibenden einen recht großen Handlungsspielraum (Romano 2005, S. 412), während vergleichende Werbung in anderen Staaten noch immer verboten ist. Auch wenn kulturelle Unterschiede für eine unterschiedliche Wirkungsweise vergleichender Werbung im Ländervergleich sprechen, erscheint es dennoch sinnvoll, auch in Deutschland nicht erlaubte Formen der vergleichenden Werbung, beispielsweise in Laborexperimenten, zu erforschen und diese Ergebnisse mit denen aus anderen Ländern zu vergleichen.
Eine erste grundlegende Studie zur vergleichenden Werbung stammt von Wilkie und Farris (1975). Diese definieren vergleichende Werbung als „advertising that: 1. Compares two or more specifically named or recognizably presented brands of the same generic product or service class, and 2. Makes such a comparison in terms of one or more specific product and service attributes” (S. 7). Diese Definition wurde in den folgenden Jahren von vielen Autoren übernommen. Andere Forscher empfanden sie jedoch als zu begrenzt (Muehling/Kangun 1985; Rennhak 1999). Ein besonderer Kritikpunkt ist in dem Zusammenhang, dass diese Definition nur den Vergleich mit konkreten, erkennbaren Wettbewerbern zulässt. Andere Vergleichsformen wie die Alleinstellung des beworbenen Produkts (z.B. „Der umweltfreundlichste Benzinmotor der Welt“), der unspezifische Vergleich mit der Konkurrenz (z.B. „Kundennähe oder Standardisierung ist für manche Energieversorger die große Frage. Für andere das große Plus“) oder die Gegenüberstellung mit einem nicht eindeutig erkennbaren Mitbewerber (z.B. „Marke X“) werden nicht eingeschlossen. Des Weiteren sagen Wilkie und Farris (1975) aus, dass die genannten Wettbewerbsangebote derselben generischen Produkt- oder Dienstleistungsklasse wie die beworbene Marke entspringen müssen. Auch diesem Punkt kann widersprochen werden. Denkbar sind beispielsweise Vergleiche mit Waren, die zwar anderen Produktklassen angehören, die für die Kunden jedoch einen ähnlichen Nutzen erbringen. So könnte eine Zeitschrift mit einem TV-Sender, die beide der Unterhaltung dienen, verglichen werden. Zusätzlich muss der Vergleich nicht, wie bei Wilkie und Farris (1975) dargestellt, auf Marken begrenzt sein. Er kann sich alternativ auf Produkte und Unternehmen, aber auch ganze Produktklassen und -kategorien beziehen (Barry 1993a, S. 27; Walker/Anderson 1991). Darüber hinaus sollte eine Definition der vergleichenden Werbung über den Vergleich spezifischer Produkt- und Dienstleistungsattribute hinausgehen (Rennhak 1999) und zum Beispiel den Vergleich unternehmensbezogener Eigenschaften wie der Marktposition zulassen. Insgesamt kann also auch in diesem Zusammenhang für eine möglichst umfassende Definition der vergleichenden Werbung plädiert werden.
Begriffsfestlegungen anderer Autoren weisen zumeist einen Teil derselben Einschränkungen auf (vgl. z.B. Barry 1993a; Chow/Luk 2006; Muehling et al. 1989). Da bisher noch keine Definition existiert, die dem umfassenden Charakter dieser Arbeit entspricht, erfolgt hier eine eigene Begriffsbestimmung. Gemäß dieser ist vergleichende Werbung jede Form von Werbung, die
1. ein Unternehmen oder das Angebot eines Unternehmens mit einem oder mehreren anderen Unternehmen, deren Angeboten oder einer oder mehreren Produktkategorien direkt oder indirekt vergleicht und
2. diese Gegenüberstellung generell oder auf der Basis von Attributen oder Nutzendimensionen vornimmt.
Hierzu können weitere Erläuterungen gemacht werden. Das Angebot eines Unternehmens kann die Form einer Marke, eines Produkts, einer Dienstleistung, eines spezifischen Produktmodells, aber auch einer ganzen Produkt- oder Dienstleistungssparte besitzen. Des Weiteren wird bei einem direkten Vergleich die Konkurrenz durch Nennung oder visuelle Darstellung eindeutig kenntlich gemacht, während bei einem indirekten Vergleich Mitbewerber nur durch Implikation (z.B. in Form von „Marke X“ oder „der führende Hersteller“) dargestellt sind. Die Identifizierbarkeit eines konkreten Wettbewerbers muss im letzteren Fall nicht gegeben sein.
Die Definition dient jedoch auch dazu, den Begriff der vergleichenden Werbung nicht zu weit zu fassen und konkrete Abgrenzungen vorzunehmen. Boddewyn und Marton (1978, S. 5) sowie Levy (1983, S. 381) stellen zu Recht fest, dass es kaum eine Werbung geben kann, die nicht zu einem gewissen Grad einen Vergleich mit der Konkurrenz darstellt. Dabei könnte zum Beispiel durch die bloße Präsentation der Vorteile eines Produkts impliziert werden, dass Mitbewerber diese nicht bieten. Ein Bezug zur Konkurrenz muss bei vergleichender Werbung also stets vorliegen. Darüber hinaus muss die Nachricht auch Informationen über das werbende Unternehmen oder dessen Angebot enthalten, da eine bloße Kritik an den Mitbewerbern nicht als Werbung angesehen werden kann (Eichholz 2008, S. 4). Nicht eingeschlossen ist zudem die ebenfalls viel erforschte Preisvergleichswerbung, bei der ein Unternehmen den Preis seines Produkts anderen Referenzpreisen wie der unverbindlichen Preisempfehlung oder einem ehemaligen Preis gegenüberstellt (vgl. z.B. Grewal/Compeau 1992). Vergleichende Werbung würde hier nur im Falle des Vergleichs mit dem Preis eines Konkurrenten vorliegen. Genauso ist nach dem Verständnis dieser Arbeit keine vergleichende Werbung gegeben, wenn ein Produkt mit anderen Produkten desselben Unternehmens, anderen Produktversionen oder früheren Modellen desselben Produkts verglichen wird (vgl. z.B. Kara et al. 1997; Yagci et al. 2009). Gleiches gilt für den Vergleich mit Normen und Standards, die beispielsweise durch Gesetze oder Vereinbarungen festgelegt wurden (vgl. z.B. Jain et al. 2006).
3. Rechtliche Rahmenbedingungen
In Deutschland war vergleichende Werbung lange Zeit verboten (Rennhak 2001, S. 1; Schwaiger et al. 2007, S. 2; Varlam 2000, S. 9). Es existierte jedoch kein Gesetz, das sich dieser spezifischen Werbeform widmete (Illing 2002, S. 5). Anstatt dessen wurde sie unter dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb behandelt (Freund 2001, S. 6; Ruppert 1998; Tscheulin/Helmig 1999, S. 552; Wiltinger 2002, S. 46). Vergleichende Werbung wurde demnach als sittenwidrig angesehen und war hierdurch nicht gestattet (Berlit 2002, S. 1; Hempelmann 1997; Varlam 2000, S. 9). Es existierten lediglich eng begrenzte Ausnahmen, die vergleichende Werbung erlaubten, wenn ein hinreichender Anlass bestand und die Ausführungen sachlich richtig waren und nicht über das Notwendige hinaus gingen (BGH 1998c). Dazu zählten Auskunfts-, Abwehr-, System- oder Warenarten-, Aufklärungs- und Fortschrittsvergleiche, die jedoch in der Praxis zu nur wenigen Anwendungen führten (Illing 2002, S. 40ff.; Rennhak 1999, S. 1; Varlam 2000, S. 14; Wiltinger 2002, S. 48f.).
Auch in anderen Ländern Europas, so zum Beispiel in Belgien, Niederlande, Luxemburg, Italien, Frankreich und Spanien, war vergleichende Werbung verboten oder nur in engen Grenzen gestattet und wurde als unnötige Herabsetzung der Konkurrenz, unangebrachte Rufausnutzung erfolgreicher Wettbewerber oder nicht autorisierte Nutzung fremder Marken angesehen. In Großbritannien herrschten vergleichsweise liberale Regelungen (Barigozzi/Peitz 2004; Freund 2001, S. 12ff.; Petty/Spink 1995, S. 310; Tscheulin/Helmig 1999, S. 552; Wiltinger 2002, S. 41f.).
Die Europäische Kommission hat sich jedoch das Ziel gesetzt, diese unterschiedlichen Regelungen zur vergleichenden Werbung zu harmonisieren. Bereits Mitte der 1970er Jahre hat sie deshalb einen Vorschlag zur Regulierung irreführender und vergleichender Werbung in den Europäischen Rat eingebracht (Dianoux/Herrmann 2000, S. 4; Petty/Spink 1995, S. 311; Varlam 2000, S. 22). Aufgrund des Widerstands einiger Staaten führte dies jedoch zunächst nur zu der Richtlinie 84/450/EWG, die sich ausschließlich mit irreführender Werbung befasste (Dianoux/Herrmann 2000, S. 4). Am 06. Oktober 1997, über zehn Jahre später, wurde dann aber die Richtlinie 97/55/EG verabschiedet, die die vorhergehende Richtlinie ersetzte und nun auch vergleichende Werbung regulierte (Bennett 1997, S. 85; Wiltinger/Fischer 2006, S. 293). Sie war durch die Mitgliedsstaaten innerhalb von dreißig Monaten in nationales Recht umzusetzen. Erneute leichte Änderungen führten zu den Richtlinien 2005/29/EG und der aktuellen Richtlinie 2006/114/EG vom 12. Dezember 2006.
Die Richtlinien wurden von der Europäischen Kommission entwickelt, um die Regelungen zu Werbemaßnahmen in der gesamten Europäischen Union zu vereinheitlichen (Gierl 2002, S. 13). Die Richtlinie 84/450/EWG hatte lediglich Mindestkriterien festgelegt, die zur Vermeidung irreführender Werbung durch die Länder implementiert werden sollten (Berlit 2002, S. 2). Die Möglichkeit, weitergehende Gesetze zu erlassen, führte jedoch noch immer zu signifikanten rechtlichen Unterschieden zwischen den Staaten (EG 2005). Die Europäische Kommission empfand die Harmonisierung der Werbung betreffenden Rechtsvorschriften jedoch als notwendig, um den freien Fluss von Waren und Dienstleistungen zwischen den Mitgliedsstaaten zu gewährleisten (Barigozzi/Peitz 2004, S. 10; EG 2006; Petty/Spink 1995, S. 310). Andernfalls würden vergleichende Werbeanzeigen, die in manchen Mitgliedsstaaten gestattet sind, in anderen als wettbewerbswidrig angesehen werden. Da die Werbetreibenden in diesem Fall neue, mit Kosten verbundene Anzeigen für den internationalen Markt entwickeln müssten, bestünde die Gefahr, dass das Unternehmen davon absieht, in anderen Mitgliedsstaaten seine Waren oder Dienstleistungen anzubieten (Lingenberg 2005, S. 1). Ein weiterer Grund war die Stärkung der Verbraucherposition. So wurde argumentiert, dass Konsumenten durch den direkten Vergleich von Produkten anderweitig nicht verfügbare Informationen erhielten und infolgedessen fundiertere Kaufentscheidungen treffen könnten (Bennett 1997, S. 85). Des Weiteren soll durch die Darstellung objektiver Vorzüge des beworbenen Produkts der Wettbewerb gefördert werden (EG 2006). Dabei werden als mögliche wettbewerbspolitische Konsequenzen eine Steigerung von Produktverbesserungen und -innovationen, das Sinken von Preisen sowie eine Erleichterung des Markteintritts für neue Mitbewerber genannt.
Mit Inkrafttreten der Richtlinie 97/55/EG und der Umsetzung in nationales Recht in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union gilt vergleichende Werbung nun als grundsätzlich zulässig (EG 1997; EG 2006). Für die legale Nutzung dieser Werbeformen müssen allerdings eine Reihe von Kriterien erfüllt werden. Diese sind kumulativ, bei Nichterfüllung eines Kriteriums gilt also die gesamte Werbung als nicht legal (EG 2006; Menke 1998).
In Deutschland wurde die Richtlinie 97/55/EG durch drei Gerichtsurteile des Bundesgerichtshofs umgesetzt (BGH 1998a, 1998b, 1998c; Rennhak 1999, S. 1; Tscheulin/Helmig 1999, S. 554; Wiltinger 2002, S. 52). Dies geschah, indem bei den Verfahren der damalige Paragraph 1 des UWG im Sinne der Richtlinie ausgelegt wurde (BGH 1998c; Eichholz 2008, S. 1). Hierdurch ist 1998 in Deutschland ein Wechsel von einem Verbot zu einer grundsätzlichen Zulässigkeit vergleichender Werbung unter der Einhaltung bestimmter Voraussetzungen erfolgt. Tabelle 1 fasst die Gerichtsurteile des Bundesgerichtshofs, die vergleichende Werbung betreffen, zusammen.
Tabelle 1: Urteile des Bundesgerichtshofs zur vergleichenden Werbung
(eigene Darstellung)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Gesetzlich wurde die Richtline 97/55/EG durch die Änderung des UWG vom 01. September 2000 in Deutschland umgesetzt (Eichholz 2008, S. 1). Dabei wurden die in der Richtlinie formulierten Definitionen und Kriterien zum Großteil ohne Änderungen übernommen (Lingenberg 2005, S. 3). Auch bei der Reform des UWG im Jahr 2004 wurden diese Regelungen inhaltlich beibehalten (Eichholz 2008, S. 1). Im genauen Wortlaut werden die Kriterien, unter denen vergleichende Werbung in Deutschland unzulässig ist, in folgender Weise formuliert:
„Unlauter handelt, wer vergleichend wirbt, wenn der Vergleich
1. sich nicht auf Waren oder Dienstleistungen für den gleichen Bedarf oder dieselbe Zweckbestimmung bezieht,
2. nicht objektiv auf eine oder mehrere wesentliche, relevante, nachprüfbare und typische Eigenschaften oder den Preis dieser Waren oder Dienstleistungen bezogen ist,
3. im geschäftlichen Verkehr zu einer Gefahr von Verwechslungen zwischen dem Werbenden und einem Mitbewerber oder zwischen den von diesen angebotenen Waren oder Dienstleistungen oder den von ihnen verwendeten Kennzeichen führt,
4. den Ruf des von einem Mitbewerber verwendeten Kennzeichens in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt,
5. die Waren, Dienstleistungen, Tätigkeiten oder persönlichen oder geschäftlichen Verhältnisse eines Mitbewerbers herabsetzt oder verunglimpft oder
6. eine Ware oder Dienstleistung als Imitation oder Nachahmung einer unter einem geschützten Kennzeichen vertriebenen Ware oder Dienstleistung darstellt“ (UWG 2010, § 6).
Hierüber hinausgehend ist § 5 Absatz 3 UWG einzubeziehen. Danach ist auch irreführende vergleichende Werbung unzulässig (Heße 2006, S. 107).
Diese Kriterien wurden in den Urteilen des Bundesgerichtshofs und in der juristischen Gemeinschaft (vgl. z.B. Berlit 2002; Illing 2002) diskutiert. Hieraus entstanden einige Implikationen. Es ergibt sich zum Beispiel, dass der persönliche Vergleich, der sich auf die Person des Mitbewerbers und dessen Eigenschaften wie Herkunft oder Familienstand bezieht (Illing 2002, S. 20; Tscheulin/Helmig 1999, S. 552), weiterhin unzulässig bleibt. Eine Gegenüberstellung muss sich stets auf Waren oder Dienstleistungen beziehen (Menke 1998). Diese Produkte müssen nicht von dergleichen Art sein, eine Substituierbarkeit aus der Perspektive der Konsumenten ist ausreichend (BGH 1998b). Darüber hinaus dürfen keine subjektiven, wertenden Urteile, die sich beispielsweise auf den Geschmack beziehen, angeführt werden. Lediglich Tatsachendarstellungen sind erlaubt (Heße 2006, S. 110). Durch die Forderung des Vergleichs relevanter und wesentlicher Eigenschaften der Produkte ist zudem die bloße Anführung nebensächlicher Produktattribute verboten (Heße 2006, S. 110). Die genannten Eigenschaften müssen nachprüfbar sein. Das bedeutet allerdings nicht, dass der Konsument selbst ohne Weiteres in der Lage dazu sein muss (BGH 1998a). Darüber hinaus hat der Bundesgerichtshof im Hinblick auf das fünfte Kriterium festgestellt, dass jede vergleichende Werbung die Eigenschaften des beworbenen Produkts zu einem gewissen Grad als überlegen und die Konkurrenz dementsprechend als unterlegen darstellt. Von einer unrechtmäßigen Herabsetzung kann jedoch nur gesprochen werden, wenn „besondere Umstände hinzutreten, die den Vergleich in unangemessener Weise abfällig, abwertend oder unsachlich erscheinen lassen“ (BGH 1998b).
Die Richtlinien und das UWG selbst enthalten keinerlei Erläuterungen zu den Kriterien. Die teils unpräzise formulierten Anforderungen weisen deshalb noch einen recht großen Interpretations- und Auslegungsspielraum auf (Menke 1998). So bleibt beispielsweise unklar, was unter wesentlichen, relevanten, nachprüfbaren und typischen Eigenschaften zu verstehen ist oder welche exakten Bedingungen für das Vorliegen einer Herabsetzung oder Rufausnutzung erfüllt sein müssen. Daher müssen die konkreten Möglichkeiten und Grenzen vergleichender Werbung erst in den nächsten Jahren durch den Bundesgerichtshof und den Europäischen Gerichtshof erarbeitet werden (Menke 1998; Romano 2005, S. 413). Darüber hinaus führen die Unklarheiten aufgrund einer unterschiedlichen Auslegung durch die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union noch immer zu einem nicht vollständig harmonisierten Rechtssystem (Barigozzi/Peitz 2004; Ruppert 1998).
4. Wirkung vergleichender Werbung
4.1 Gegenüberstellung der Effektivität vergleichender und nichtvergleichender Werbung
Da durch den Erlass der Richtlinie 97/55/EG und die Änderung des UWG vergleichende Werbung nun auch in Deutschland zulässig ist, stellt sich die Frage, inwiefern ihr Einsatz für Werbetreibende überhaupt von Vorteil ist. Gegner und Befürworter vergleichender Werbung nennen eine Vielzahl an Argumenten. Eine Auswahl dieser ist in Tabelle 2 zusammengefasst.
Tabelle 2: Häufig genannte Vor- und Nachteile vergleichender Werbung
(eigene Darstellung)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Befürworter vergleichender Werbung sehen, ähnlich wie die Europäische Kommission, den großen Vorteil dieser Werbeform darin, dass durch den Vergleich der Produktattribute der beworbenen Marke mit denen der konkurrierenden Marke(n) Konsumenten besser informiert würden (Ash/Wee 1983, S. 370f.; Barry 1993a, S. 21). Diese könnten infolgedessen fundiertere Kaufentscheidungen treffen. Darüber hinaus erlaube vergleichende Werbung durch die Herstellung einer Relation zur Konkurrenz eine eindeutigere Positionierung des beworbenen Produkts im Markt, insbesondere durch die Differenzierung von oder Assoziation mit bestimmten Mitbewerbern. Als wettbewerbspolitische Konsequenzen werden zudem Produktverbesserungen, Preissenkungen und eine Reduzierung der Markteintrittsbarrieren aufgrund von Assoziierungsmöglichkeiten mit erfolgreichen Marken erwartet (Ash/Wee 1983; Barry 1993a, S. 21f.; Muehling et al. 1989). Des Weiteren herrscht Uneinigkeit darüber, ob vergleichende oder nichtvergleichende Werbung für Werbetreibende effektiver ist. Fürsprecher glauben zum Beispiel an einen positiven Einfluss dieses Formats auf die Aufmerksamkeit der Konsumenten und somit auch deren Erinnerung an die Werbung (Barry 1993a, S. 21f.). Negative Auswirkungen werden hingegen vor allem in Bezug auf die Glaubwürdigkeit der Aussage vermutet (Ash/Wee 1983, S. 370f.; Barry 1993a, S. 22). Weitere Gefahren sehen Kritiker in einer möglichen Informationsüberflutung, die eine Verwirrtheit der Konsumenten oder die fälschliche Identifizierung eines angeführten Konkurrenten als Sponsor der Werbung zur Folge haben könne (Ash/Wee 1983, S. 370f.; Barry 1993a, S. 22; Byer/Cooke 1985, S. 69; Muehling et al. 1989, S. 39). Als weitere Kritikpunkte werden die Bereitstellung kostenloser Werbezeit für die Konkurrenten, die Möglichkeit eines Werbekriegs durch entsprechende Gegenkampagnen der Mitbewerber und die Irreführung der Rezipienten, beispielsweise durch den Vergleich nebensächlicher Produkteigenschaften, genannt (Barry 1993a, S. 22; Bennett 1997, S. 85; Byer/Cooke 1985, S. 69; Muehling et al. 1989, S. 39).
Um die Effektivität vergleichender Werbung beurteilen zu können, ist es jedoch notwendig, diese Vermutungen im Rahmen empirischer Studien zu überprüfen. Bereits in den 1970er Jahren begann dies in den USA, sodass dort heute eine Vielzahl an Forschungsergebnissen zu diesem Thema vorhanden ist. In Deutschland hat aufgrund des weitgehenden Verbots dieser Werbeform bis 1998 eine Forschung in diesem Bereich bisher kaum stattgefunden, seit ihrer Legalisierung wurden lediglich einzelne Studien veröffentlicht. Die im Folgenden aufgeführten Ergebnisse beziehen sich deshalb ausschließlich auf den US-amerikanischen Raum. Eine Diskussion zur Übertragbarkeit dieser Resultate auf Deutschland und ein Überblick über die wenigen deutschen Untersuchungen werden im Kapitel 4.3 gegeben.
Zunächst muss jedoch festgelegt werden, was unter der Effektivität von Werbung zu verstehen ist. Ein Großteil der bisher veröffentlichten Studien bezieht sich auf das Hierarchie-der-Effekte-Modell (Lavidge/Steiner 1961), welches auch in dieser Arbeit zur Klassifizierung der Forschungsergebnisse herangezogen wird. Dieses sieht die drei wichtigsten Funktionen von Werbung in einer kognitiven, einer affektiven und einer konativen Wirkung. Wie in Abbildung 1 dargestellt, umfasst dabei der kognitive Einfluss insbesondere die Wahrnehmung und die gedankliche Verarbeitung der Werbung. Die affektive Wirkung betrifft Einstellungen bezüglich der spezifischen Werbung und der beworbenen Marke. Zu dem konativen Bereich zählen letztendlich die Kaufabsicht und der Kauf.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Kriterien der Effektivität vergleichender Werbung (eigene Darstellung)
Es existiert eine Vielzahl US-amerikanischer Studien, die den Unterschied zwischen vergleichender und nichtvergleichender Werbung im Hinblick auf ihre kognitive, affektive und konative Wirkung untersuchen. Tabelle 3 bietet eine Zusammenstellung ihrer Resultate. Diese wurden danach unterschieden, ob eine Überlegenheit der vergleichenden oder nichtvergleichenden Werbung oder kein Unterschied in der Effektivität festgestellt wurde.
Tabelle 3: US-amerikanische Studien zur Effektivität vergleichender Werbung
(eigene Darstellung)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Kognitive Wirkung
In der Literatur wird häufig die Ansicht vertreten, dass vergleichende Werbung zu einer höheren Aufmerksamkeit der Rezipienten führt als nichtvergleichende Werbung. Ein Grund hierfür liegt in der Neuartigkeit dieser Werbeform (Grewal et al. 1997; Sheluga/Jacoby 1978, S. 24), was jedoch in den USA, im Gegensatz zu Deutschland, inzwischen nicht mehr der Fall ist. Darüber hinaus wird vergleichende Werbung durch die Nennung von mindestens einer weiteren Marke für einen größeren Anteil der Rezipienten relevant, weil sie nicht nur das besondere Interesse der Nutzer der beworbenen Marke, sondern auch das der Verwender der genannten Konkurrenzprodukte weckt (Grewal et al. 1997, S. 3; Pechmann/Stewart 1991, S. 48; Wilkie/Farris 1975, S. 11). Gegensätzlich argumentieren Goodwin und Etgar (1980, S. 188), die auf das Risiko hinweisen, dass vergleichende Werbung zu einer Informationsüberflutung führt und damit die Aufmerksamkeit senkt. Tatsächliche Resultate empirischer Untersuchungen zu dieser Wirkungskomponente sind rar und gemischt. Während Pechmann und Stewart (1991) keinen Unterschied zwischen vergleichender und nichtvergleichender Werbung feststellen konnten, fanden Muehling et al. (1990) eine stärkere Aufmerksamkeit der Konsumenten bei der vergleichenden Form.
Im Anschluss hieran wird oft argumentiert, dass die angenommene erhöhte Aufmerksamkeit zu einem stärkeren Involvement der Rezipienten bei der Betrachtung der Werbung und dem beworbenen Produkt und schließlich zu einer intensiveren Verarbeitung der Werbebotschaft führt (Dröge 1989; Muehling et al. 1990; Pechmann/Esteban 1994). Diese Verarbeitung würde zudem dadurch erleichtert, dass durch die Bereitstellung von Informationen über die beworbenen und konkurrierenden Produkte ein Zurückgreifen auf bereits im Gedächtnis gespeicherte Eindrücke weniger notwendig sei (Chattopadhyay 1998, S. 462). Ein erhöhtes Involvement bei vergleichender gegenüber nichtvergleichender Werbung konnte von Muehling et al. (1990) sowie Pechmann und Esteban (1994) nachgewiesen werden, während Gotlieb und Sarel (1991) keinen Unterschied feststellten.
Ein negativeres Bild zeigt sich beim Verständnis der Werbung. Hier ergaben alle bereits durchgeführten Studien eine Unterlegenheit der vergleichenden gegenüber der nichtvergleichenden Werbung. Zurückzuführen ist dies vor allem auf das Potenzial der vergleichenden Werbung, die Rezipienten irrezuführen. So können beispielsweise Aussagen, die in Wahrheit eine Gleichheit der beworbenen Marke und der Konkurrenzmarken angeben (z.B. „Mehr Informationen für so wenig Geld sind in dieser Qualität auf dem deutschsprachigen Buchmarkt nicht zu finden“), von den Rezipienten als Überlegenheit missdeutet werden (Snyder 1989; Wyckham 1987). Darüber hinaus kommt es vor, dass durch den Vergleich der Marken bezüglich einer Produkteigenschaft auch andere, in der Werbeaussage folgende, aber nicht vergleichend dargestellte Produktattribute der beworbenen Marke als überlegen wahrgenommen werden (Barone/Miniard 1999; Barone et al. 2004; Etgar/Goodwin 1978). Zusätzlich führen einige Werbeanzeigen dazu, dass die Rezipienten eine Überlegenheit des Produkts gegenüber der gesamten Konkurrenz wahrnehmen, obwohl lediglich eine Auswahl an Konkurrenten gemeint war (z.B. „Was unterscheidet AXA Altersvorsorge von anderen Angeboten?“). Genauso kann die Darstellung der Überlegenheit des eigenen Angebots über eine größeren Anzahl ausgewählter, spezifischer Wettbewerber dazu führen, dass Konsumenten eine Spitzenposition des Produkts im Gesamtmarkt annehmen, obwohl führende Anbieter nicht in den Vergleich einbezogen wurden.
Einen ähnlich nachteiligen Einfluss hat vergleichende Werbung laut der meisten Untersuchungen auf die Entstehung negativer Gedanken bezüglich der Marke und der Werbebotschaft. So haben zum Beispiel Konsumenten in einer Studie von Gorn und Weinberg (1984) zu 75% negative und nur zu 25% positive Gedanken bei der Betrachtung von vergleichender Werbung entwickelt. Bei nichtvergleichenden Formaten lagen diese Anteile bei jeweils 50%. Gegenargumente können dabei zum einen durch die direkte, offensive Art vergleichender Werbung entstehen. Andererseits wird ihre Entwicklung aber auch gefördert, wenn die Werbeaussage nicht mit der bereits existierenden Meinung des Rezipienten übereinstimmt (Stutts 1982, S. 306). Dies ist insbesondere dann zu erwarten, wenn der Konsument Nutzer einer in der Werbung genannten Konkurrenzmarke ist.
Diese negativen Reaktionen können jedoch nicht auf den wahrgenommenen Informationsgehalt der Werbung zurückgeführt werden. Wissenschaftler, die sich mit dieser Wirkungsvariablen auseinandergesetzt haben, konnten zumeist einen positiven Einfluss der vergleichenden Form feststellen. Dieses Ergebnis war zu erwarten, da vergleichende Werbung nicht nur Informationen zu der beworbenen Marke, sondern auch zu Konkurrenzprodukten bietet. Darüber hinaus weisen absolute Informationen allein manchmal nur einen geringen Nutzen auf (z.B. Nährwertinformationen) und werden erst durch die Bereitstellung eines Referenzwertes verständlich (Barigozzi/Peitz 2004, S. 24). Ein höherer Informationsgehalt vergleichender Werbung war für die Europäische Kommission ein Hauptgrund für die Förderung dieser Werbeform. Diese Annahme konnte also durch empirische Studien bestätigt werden. Der tatsächliche Informationsgehalt der Werbung kann jedoch reduziert werden, wenn in der Anzeige lediglich unbedeutende Produktattribute miteinander verglichen werden (McDougall 1978).
Weiterhin von Interesse für Werbetreibende ist es, wie vergleichende Werbung die wahrgenommene Positionierung eines Produkts oder Unternehmens im Markt beeinflusst. Hierbei können die Differenzierung von oder die Assoziation mit bestimmten Konkurrenten als Ziele vergleichender Werbung angesehen werden (Goodwin/Etgar 1980; Johnson/Horne 1987; Soscia et al. 2010). Insbesondere die Darstellung von Unterschieden bezüglich bestimmter Produktattribute hat das Potenzial, zwei Angebote in der Wahrnehmung der Rezipienten voneinander zu differenzieren (Miniard et al. 1993; Wilkie/Farris 1975). Andererseits kann aber auch eine stärker wahrgenommene Ähnlichkeit der Angebote das Ziel sein, zum Beispiel dann, wenn ein unbekanntes Produkt mit einem erfolgreichen Angebot verglichen wird (Dröge/Darmon 1987). Dementsprechend wurde in den bisherigen Studien die Wettbewerbsposition häufig durch die wahrgenommene Ähnlichkeit der in der Anzeige genannten Produkte gemessen. Durch die beiden entgegengesetzten Zielsetzungen vergleichender Werbung ist es nicht verwunderlich, dass die Studien gemischte Ergebnisse bezüglich dieser Wirkungskomponente liefern. Es muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass ein vergleichendes Format selbst dann manchmal zu einer höheren wahrgenommenen Ähnlichkeit der Angebote zu führen scheint, wenn eine Differenzierung das Ziel ist (Johnson/Horne 1988). Dies erklären Wissenschaftler vor allem damit, dass Angebote, die im Rahmen einer Werbung auf Basis bestimmter Produkteigenschaften miteinander verglichen werden, von den Rezipienten als miteinander vergleichbarer angesehen werden (Grewal et al. 1997, S. 4).
Die stärksten Bedenken, die Kritiker vergleichender Werbung äußern, betreffen die Glaubwürdigkeit der Werbeaussage. Diese konnten bisher durch fast alle Studien bestätigt werden. Dabei wurden die Aussagen nichtvergleichender Anzeigen von den Konsumenten als glaubhafter und weniger manipulativ wahrgenommen als diejenigen vergleichender Formate (Jain et al. 2000; Levine 1976; Murphy/Amundsen 1981; Shimp/Dyer 1978; Swinyard 1981). Dieses Ergebnis ist konform mit der bei der vergleichenden Werbung entstehenden größeren Anzahl an Gegenargumenten. So kann bei den Rezipienten beispielsweise die Vermutung aufkommen, dass der Werbetreibende nur für das eigene Produkt vorteilhafte Attribute vergleicht, während nachteilige Eigenschaften unerwähnt bleiben (Gierl 2002, S. 14). Dieses Resultat ist für Werbetreibende sehr bedeutsam, da die Akzeptanz der Werbebotschaft eine Voraussetzung für eine weitere positive Beeinflussung der Konsumenten ist (Stutts 1982; Wilkie/Farris 1975).
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- Lisa Geißler (Author), 2012, Vergleichende Werbung in Deutschland, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/203983