„Die Zeiten, in denen man einfach „guter Hoffnung“ war, scheinen endgültig der Vergangenheit anzugehören – abgelöst von Zeiten, in denen sich die Qualität der Hoffnung lediglich pränataldiagnostisch bestimmen lässt.“ (Fuchs, 2011, 78)
Immer mehr entwickelte sich die Pränatale Diagnostik (PND) in den letzten Jahrzehnten zu einem routinemäßigen Standard in der Schwangerenvorsorge. Die Konsequenzen auf das Schwangerschaftserleben, welche sich durch diese Untersuchungen und Verfahren allerdings ergeben, werden zunehmend unterschätzt. Somit soll in folgender Arbeit die Frage analysiert werden, ob und inwieweit die PND das Schwangerschaftserleben beeinflusst und welche Konsequenzen sich dadurch für werdende Mütter ergeben.
Auch für uns, als Autorinnen der vorliegenden Arbeit, stellt das zu bearbeitende Thema einen Komplex dar, mit welchem wir uns konfrontiert sehen. Nicht nur, dass sich in unserem Bekanntenkreis viele junge Mütter finden, die die Möglichkeit hatten, spezielle Verfahren der PND in Anspruch zu nehmen und daraus folgend ihre Schwangerschaft unterschiedlich erlebt haben, wie sie uns z.T. ebenso vor dem Verfassen der Arbeit berichteten. Auch für uns selbst ist das Thema, wenn auch nicht in näherer Zukunft, von Bedeutung, v.a. unter dem Aspekt, dass auch wir selbst irgendwann einmal Kinder haben möchten. Somit stellt die vorliegende Arbeit zum einen eine wissenschaftliche Forschung dar, aus der sich zum anderen aber auch für uns persönlich eine Bereicherung ergibt.
Zum optimalen Verständnis der dargestellten Forschungsergebnisse soll zunächst ein kurzer theoretischer Hintergrund geliefert werden. Nach einem Abriss zur vorgeburtlichen Entwicklung liegt das Hauptaugenmerk dieses Teils auf der Darstellung der Verfahren der PND. Auf Grundlage der vorliegenden Literatur werden im folgenden Teil die Hypothesen aufgezeigt und kurz erläutert. Diese wiederum sollen mit eigens durchgeführten Interviews analysiert werden, welche im vierten Teil der Arbeit umrissen werden sollen. Es werden neben den Interviewpartnern und den jeweiligen Situationen ebenso der Interviewleitfaden vorgestellt.
Im folgenden Haupt- und eigentlichen Forschungsteil der Arbeit soll anhand der einzelnen Hypothesen eine Antwort auf oben aufgezeigte Fragestellung gegeben werden, die letztlich im Fazit nochmals verkürzt dargestellt sowie eine eigene Stellung bezogen werden soll.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Nötiges Vorwissen
2.1 Vorgeburtliche Entwicklung
2.2 Rechtliche Grundlagen
2.3 Verfahren der PND
2.3.1 Nichtinvasive Verfahren
2.3.2 Invasive Verfahren
3. Hypothesen
4. Empirischer Teil und Methodik
4.1 Halboffenes Interview
4.2 Interviewpartner und -situation
4.3 Interviewleitfaden
4.3.1 Anmerkungen zum Leitfaden
4.3.2 Fragestellungen
5. Auswertung der Forschungsergebnisse
5.1 H1: Entscheidungsfragen
5.2 H2: Schwangerschaftserleben
5.3 H3: Einflüsse von außen
5.4 H4: Emotionale Bindung zum Kind
5.5 H5: Beratung
5.6 H6: Risiken
5.7 H7: Nach auffälligem Befund
5.8 H8: PND als Selektion
6. Aussicht und mögliche Lösungsansätze
7. Fazit und eigene Stellungnahme
1. Einleitung
„Die Zeiten, in denen man einfach „guter Hoffnung“ war, scheinen endgültig der Vergangenheit anzugehören - abgelöst von Zeiten,[1] in denen sich die Qualität der Hoffnung lediglich pränataldiagnostisch bestimmen lässt.“ (Fuchs, 2011, 78)[2]
Immer mehr entwickelte sich die Pränatale Diagnostik1 (PND) in den letzten Jahrzehnten zu einem routinemäßigen Standard in der Schwangerenvorsorge. Die Konsequenzen auf das Schwangerschaftserleben, welche sich durch diese Untersuchungen und Verfahren allerdings ergeben, werden zunehmend unterschätzt. Somit soll in folgender Arbeit die Frage analysiert werden, ob und inwieweit die PND das Schwangerschaftserleben beeinflusst und welche Konsequenzen sich dadurch für werdende Mütter ergeben.
Auch für uns, als Autorinnen der vorliegenden Arbeit, stellt das zu bearbeitende Thema einen Komplex dar, mit welchem wir uns konfrontiert sehen. Nicht nur, dass sich in unserem Bekanntenkreis viele junge Mütter finden, die die Möglichkeit hatten, spezielle Verfahren der PND in Anspruch zu nehmen und daraus folgend ihre Schwangerschaft unterschiedlich erlebt haben, wie sie uns z.T. ebenso vor dem Verfassen der Arbeit berichteten. Auch für uns selbst ist das Thema, wenn auch nicht in näherer Zukunft, von Bedeutung, v.a. unter dem Aspekt, dass auch wir selbst irgendwann einmal Kinder haben möchten. Somit stellt die vorliegende Arbeit zum einen eine wissenschaftliche Forschung dar, aus der sich zum anderen aber auch für uns persönlich eine Bereicherung ergibt.
Zum optimalen Verständnis der dargestellten Forschungsergebnisse soll zunächst ein kurzer theoretischer Hintergrund geliefert werden. Nach einem Abriss zur vorgeburtlichen Entwicklung liegt das Hauptaugenmerk dieses Teils auf der Darstellung der Verfahren der PND. Auf Grundlage der vorliegenden Literatur werden im folgenden Teil die Hypothesen aufgezeigt und kurz erläutert. Diese wiederum sollen mit eigens durchgeführten Interviews analysiert werden, welche im vierten Teil der Arbeit umrissen werden sollen. Es werden neben den Interviewpartnern und den jeweiligen Situationen ebenso der Interviewleitfaden vorgestellt.
Im folgenden Haupt- und eigentlichen Forschungsteil der Arbeit soll anhand der einzelnen Hypothesen eine Antwort auf oben aufgezeigte Fragestellung gegeben werden, die letztlich im Fazit nochmals verkürzt dargestellt sowie eine eigene Stellung bezogen werden soll.
Pränatale Diagnostik bezeichnet vorgeburtliche Untersuchungen, die zusätzlich zu den im Mutterpass vorgesehen Ultraschalluntersuchungen zur Früherkennung von Beeinträchtigungen des Kindes durchgeführt werden.
Anzumerken ist dabei, dass auch in der Auswertung der Hypothesen nochmals auf Fachliteratur eingegangen wird, um für ein besseres Textverständnis zu sorgen. Dabei wird zunächst die Sicht auf Entscheidungsfragen zur PND gelenkt, d.h. inwieweit sich welche Personen aus welchen Gründen für bzw. gegen pränataldiagnostische Verfahren entschieden haben. Im Anschluss daran soll auf das Schwangerschaftserleben während der Zeit des Wartens auf Ergebnisse eingegangen werden. Wie sich werdende Mütter auch von ihrem sozialen Umfeld beeinflussen lassen, soll ein dritter Punkt klären. Im Folgenden wird die emotionale Bindung zum Kind analysiert. Aufbauend auf diesen Erkenntnissen soll das Thema Beratung umfangreich betrachtet und Risiken der PND vorgestellt werden. Die beiden letzten Teile beschäftigen sich letztlich mit der Situation nach einem auffälligen Befund, woraus sich die Frage ergibt, ob die Pränataldiagnostik eine Selektionsfunktion einnimmt, d.h. also, ob die PND als Mittel dazu dient, unerwünschte, beeinträchtigte Kinder schon vor der Geburt „auszusortieren“. Somit werden alle für uns relevanten Felder abgedeckt und umfangreich analysiert. Um die Arbeit nicht mit dahingestellten Fakten und Forschungsergebnisse abzuschließen werden im sechsten Teil mögliche Lösungen und Strategien vorgestellt. Im Anhang finden sich alle Interviews noch einmal vollständig transkribiert sowie ein Abkürzungsverzeichnis aller in der Arbeit verwendeten Abkürzungen.
Ziel der vorliegenden Arbeit ist es demnach, entgegen vieler Veröffentlichungen zum Thema Pränataldiagnostik, auf das Erleben der PND aus Sicht der schwangeren Frau einzugehen und, ohne den Status des Kindes vollends außer Augen zu lassen, einen anderen, bisher nur selten betrachteten Blickwinkel auf das Thema zu eröffnen.
An dieser Stelle soll weiterhin ein spezieller Dank an die Bundeszentrale für politische Bildung gehen, die uns Zugang zum Online-Portal „Pränataldiagnostik. Ein Angebot für Fachkräfte aus Medizin und Beratung“ ermöglichte und damit mit vielerlei aktuellen Informationen, Studien und anderem Material unterstützte.
2. Nötiges Vorwissen
2.1 Vorgeburtliche Entwic klung
Die folgende Darstellung der vorgeburtlichen Entwicklung bezieht sich auf Angaben der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung in der Broschüre „Rundum Schwangerschaft und Geburt“ (Khaschei, 2010) sowie den Veröffentlichungen in „Bioethische Urteilsbildung im Religionsunterricht“ (Fuchs, 2010). Die Entwicklung des Kindes im Mutterleib soll aufgrund späterer Diskussion um den Status des Embryo (s. Punkt 5.7) hier verkürzt aufgezeigt werden. Nachdem nach circa 24 Stunden die Befruchtung und Zellverschmelzung abgeschlossen ist, wird das befruchtete Ei mit Hilfe der Flimmerhärchen2 der Eileiterwände zur Gebärmutter transportiert. Dort nistet sich das „Zellkügelchen“ (Khaschei, 2010, 8) in die Gebärmutterschleimhaut ein und verbindet sich so mit dem mütterlichen Kreislauf. Nach etwa 21 Tagen sind schließlich erste Lebenszeichen, wie z.B. Herzschläge, erkennbar.
Nach circa fünf bis sechs Wochen sind beim Embryo erste Nervenreflexe möglich, woraufhin ab dem dritten Monat eine rasante Entwicklung des Gehirns folgt. In dieser Zeit entwickelt sich ebenso die Möglichkeit zum Schlucken, Verdauen und Urinieren. Der Embryo versucht sich an ersten Atemübungen; die Organentwicklung wird weitestgehend abgeschlossen. Nach dieser Zeit spricht man nicht mehr vom Embryo, sondern vom Fötus. Bis zu diesem Zeitpunkt (12. Schwangerschaftswoche) darf in den meisten Ländern, so auch in Deutschland, straffrei abgetrieben werden. Zu beachten ist aber, dass alle Verfahren der Pränataldiagnostik - bis auf die erste Ultraschalluntersuchung, die für die neunte bis zwölfte Schwangerschaftswoche vorgesehen ist - nach der zwölften Schwangerschaftswoche stattfinden.
Im vierten Monat beginnt sich das zentrale Nervensystem sowie die Gleichgewichtssteuerung zu entwickeln. Die Mutter kann erste Bewegungen spüren. Bis zur 17. Schwangerschaftswoche ist auch der Kreislauf voll funktionsfähig. Erste Geräusche kann der Fötus ab dem fünften Monat wahrnehmen. Zu dieser Zeit entwickeln sich auch der Geschmackssinn und die Geschlechtsorgane, sodass bei günstiger Lage des Fötus das Geschlecht via Ultraschall bestimmt werden kann. Ab dem sechsten Monat beginnt der Fötus seine Umwelt zu erspüren und zu „begreifen“. So kann er beispielsweise die Herz- und Atemtöne der Mutter erkennen.
Eine Verhärtung und Stabilisierung des Skeletts sowie eine Festigung der Zehen- und Fingernägel findet ab dem siebten Monat statt. Es ist ebenso die Zeit, in der sich das Gesicht des Fötus voll ausbildet.
Flimmerhärchen, auch Zilien genannt, kleiden die Innenwände des Eileiters aus und dienen im weiblichen Organismus dem Transport des Eis im Eileiter.
In der 26. Schwangerschaftswoche öffnen sich weiterhin die Augenlider, die die Augen des Fötus seit nun mehr zwei Monaten geschützt haben.
Im achten Monat haben sich alle Organe beinahe vollständig entwickelt. Eine Ausnahme stellt dabei die Lunge dar, die erst in der 35. Woche voll ausgereift ist.
2.2 R echtliche Grundlagen zur Pränatalen Diagnostik
Die aktuellste Fassung der rechtlichen Grundlagen zur Pränatalen Diagnostik liefern das OnlinePortal der BZgA: „Pränataldiagnostik. Ein Angebot für Fachkräfte aus Medizin und Beratung“ (2010) sowie die Veröffentlichung in: „Spätabbruch: Schwangerschaftsabbruch nach der Pränataldiagnostik“ (Peters, 2011), die sich vorwiegend auf das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland beziehen. Diese sollen hierbei zusammenfassend dargestellt werden.
„Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit“, so steht es in Artikel 2 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland geschrieben. Grundsätzlich wird nicht zwischen geborenem und ungeborenem Leben unterschieden. Dennoch ermöglicht die derzeitige Fassung des §218a Strafgesetzbuch (StGB), welche 1995 in Kraft trat, einen Schwangerschaftsabbruch bis zum Ende der 12. Schwangerschaftswoche, wobei der Schwangeren eine Bedenkzeit von drei Tagen gewährleistet sein muss. Ebenso besteht eine Straffreiheit bei einem Schwangerschaftsabbruch nach kriminologischer und medizinischer Indikation (vgl. Peters, 2011). In Absatz 2 §218a wird dazu folgendes formuliert:
„Ein mit Einwilligung der Schwangeren von einem Arzt vorgenommener Schwangerschaftsabbruch ist nicht rechtswidrig, wenn er unter Berücksichtigung der gegenwärtigen und zukünftigen Lebensverhältnisse der Schwangeren angezeigt ist, um von ihr eine Gefahr für das Leben oder eine Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Gesundheitszustandes abzuwenden und die Gefahr nicht auf eine andere, für sie zumutbare Weise abgewendet werden kann.“ (Peters, 2011, 48)
Eine festgestellte Behinderung oder Erkrankung wird als Beeinträchtigung des Wohls der Schwangeren interpretiert und ein Schwangerschaftsabbruch ermöglicht. Somit kann ein straffreier Abbruch ohne zeitliche Fristsetzung beim Vorliegen der Gefahr einer Beeinträchtigung des gegenwärtigen bzw. zukünftigen physischen oder psychischen Wohls der Schwangeren durchgeführt werden. Damit wird ein Abbruch theoretisch bis zur Geburt des ungeborenen Kindes möglich. Innerhalb der BRD gibt es eine freiwillige Selbstbeschränkung von Medizinern, den Abbruch bis zur 24. SSW durchzuführen (vgl. Peters, 2011).
Weiterhin stellt die BZgA gesetzliche Regelungen vor, welche im Zusammenhang mit der PND von besonderer Wichtigkeit sind. Zum einen handelt es sich um das Schwangerschaftskonfliktgesetz (SchKG), zum anderen um das Gendiagnostikgesetz (GenDG). Beide Gesetze sollen im Weiteren näher beleuchtet werden.
Mit der seit dem 01. Januar 2010 geltenden Fassung regelt der Gesetzgeber mit dem SchKG, für den Fall eines auffälligen Befundes in der PND, Punkte für eine umfassende fachübergreifende ärztliche Beratung. Außerdem muss der Gesetzgeber, laut §2a SchKG, sicherstellen dass die Schwangere Kenntnis von ihrem Anspruch auf eine vertiefende psychosoziale Beratung sowie einen vereinfachten Zugang zu einer Beratungsstelle erlangt (vgl. BZgA, 2010).
„Gemäß §2a SchKG neuer Fassung muss der die Diagnose mitteilende Arzt oder die Ärztin unter Hinzuziehung von Ärztinnen und Ärzten, die mit der im Raume stehenden Gesundheitsschädigung bei geborenen Kindern Erfahrung haben, über die medizinischen, psychischen und sozialen Aspekte des Befunds und Unterstützungsmöglichkeiten bei physischen und psychischen Belastungen beraten. Diese Beratung muss allgemein verständlich und ergebnisoffen erfolgen.“ (BZgA, 2010)
Die Schwangere hat somit einen Anspruch auf eine Beratungsstelle in der eine vertiefende psychosoziale Beratung erfolgt und muss über diese informiert werden. Ist die werdende Mutter mit dem Kontakt zu einer Beratungsstelle, Selbsthilfegruppe oder einem Behindertenverband einverstanden, muss ihr auch bei der Vermittlung geholfen werden. Kommt es zu einer schriftlichen Feststellung einer medizinischen Indikation muss die betroffene Frau im Voraus über medizinische und psychische Aspekte eines Schwangerschaftsabbruches informiert sein. Allerdings ist keine Beratung verpflichtend, sodass die Schwangere auf Teile der Aufklärung verzichten kann, indem sie dies dem zuständigen Arzt schriftlich bestätigt. Ärzte sind allerdings zu einer umfangreichen Aufklärung und Beratung sowie einer eventuellen Vermittlung zu einer psychosozialen Beratungsstelle verpflichtet. Weiterhin sind Ärzte verpflichtet, eine Bedenkzeit von drei Tagen zwischen der Mitteilung der Diagnose und der schriftlichen Feststellung der Voraussetzungen einer medizinischen Indikation zu gewährleisten. Bei einem Verstoß gegen diese Vorschrift des SchKG droht laut §14 SchKG ein Bußgeld bis zu 5000 Euro (vgl. Peters, 2011). Diese Bedenkzeit tritt erst außer Kraft, wenn das Leben der Schwangeren in Gefahr ist oder eine gegenwärtige Gefahr für das Leib besteht, wie vorher in Absatz 2 §218a beschrieben.
Mehr Rechtssicherheit bezüglich genetischer Untersuchungen bringt das Gendiagnostikgesetz. Es beinhaltet das Recht, den eigenen genetischen Befund zu kennen sowie das Recht auf Nichtwissen, kurz gesagt: das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Mittels dieses Gesetzes werden genetische Untersuchungen erfasst. Es handelt sich um genetische Eigenschaften, die vererbt, während der Befruchtung oder der Geburt erworben worden sind. Die genetischen Untersuchungen dienen damit der Feststellung menschlicher genetischer Eigenschaften oder vorgeburtlicher Risikoabklärung:
„Zulässig ist eine vorgeburtliche genetische Untersuchung eines Embryos oder Fötus während der Schwangerschaft nur dann, wenn die Untersuchung darauf gerichtet ist, genetische Eigenschaften festzustellen, die die Gesundheit des Embryos oder Fötus vor oder nach der Geburt beeinträchtigen. Eine genetische Untersuchung ist auch zulässig, wenn vor einer medikamentösen Behandlung des Embryos oder Fötus festgestellt werden soll, ob die Wirkung eines Arzneimittels durch genetische Eigenschaften beeinflusst wird, also zur Ermöglichung einer optimalen medikamentösen Therapie.“ (BZgA, 2010)
Weiterhin muss festgehalten werden, dass vorgeburtliche genetische Untersuchungen auf im Erwachsenenalter auftretende Krankheiten verboten sind.
„Durch den Arztvorbehalt wird sichergestellt, dass genetische Untersuchungen nur durch dazu qualifizierte Personen vorgenommen werden, und dass die Untersuchung einschließlich der Aufklärung und genetische Beratung sowie der Befundmitteilung angemessen und kompetent durchgeführt wird.“ (BZgA, 2010)
Eine freie Entscheidung für die Schwangere soll mit der Trias „Beratung-Diagnostik-Beratung“ für oder gegen eine genetische Untersuchung ermöglicht werden. Im Robert-Koch-Institut Berlin wurde für die Umsetzung des Gesetzes eine interdisziplinäre zusammengesetzte, unabhängige Gendiagnostik-Kommission eingerichtet. Diese Kommission erstellt verpflichtende Richtlinien und veröffentlicht diese (BZgA, 2010).
2.3 Ve rfahren de r PND
Die folgende Auseinandersetzung mit den Methoden und Verfahren der Pränataldiagnostik beziehen sich auf Angaben der BZgA: Schwangerschaftserleben und Pränataldiagnostik (2006) sowie Peters (2011).
Ziel der PND ist es, mittels geeigneter Untersuchungsverfahren, Entwicklungsstörungen beim Ungeborenen zu erkennen. Die PND informiert also über die Entwicklung des Embryos, gewährleistet und garantiert aber keine Behandlung bzw. Therapie des ungeborenen Kindes sowie der Schwangeren. In der öffentlichen Diskussion sieht man die PND als eine Methode, schwere Beeinträchtigungen und Fehlbildungen noch vor der Geburt zu erkennen. Es handelt sich bei pränataldiagnostischen Maßnahmen um freiwillige medizinische Untersuchungen mit folgenden möglichen Indikationen: z.B. Verdachtsdiagnosen beim Gynäkologen, vorausgegangene gynäkologische Eingriffe, Mehrlingsgravidität 3 , Einnahme von Medikamenten, die die Schwangerschaft beeinträchtigen können, familiäre Vorbelastung, das mütterliche Alter ab 35 Jahre sowie Erkrankungen der Schwangeren selbst. Es basiert auch eine Vielzahl der Indikationen auf Norm- und Werthaltungen, religiösen Einstellungen, sozio-kulturelle Schichtzugehörigkeit und der beruflichen Situation, was später nochmals in der Auswertung der Forschungsergebnisse deutlich werden wird.
Um einen vertiefenden Einblick in das Thema Pränataldiagnostik zu bekommen, sollen im Folgenden die Verfahren der PND näher beleuchtet und erklärt werden. Zunächst wird dabei in nicht-invasive und invasive Verfahren unterschieden.
Mehrlingsschwangerschaft.
2.3.1 Nicht-invasive Ve rfahren
Nichtinvasive Verfahren sind Untersuchungen, die nicht oder in geringem Maße in den Körper der Schwangeren eingreifen.
Die wichtigste Methode dabei ist die Ultraschalldiagnostik, bei der über einen Schallkopf ausgesendete vom fötalen Gewebe zurückgeworfene Schallwellen auf einem Monitor in ein Bild umgesetzt werden. Diese Methode erfolgt über die Bauchdecke, wobei der Schallkopf auf diese gesetzt wird. Es gibt zudem den vaginalen Ultraschall bei dem ein stabförmiger Schallkopf in die Scheide eingeführt wird. Diese Methode bereitet den Frauen oft Unannehmlichkeiten und Schmerzen. Der Ultraschall wird zur Feststellung einer Schwangerschaft sowie der Bestimmung des Schwangerschaftsstadiums durchgeführt. Außerdem dient er dem Ausschluss einer Bauchhöhlenoder Eileiterschwangerschaft, dem Erkennen von Mehrlingen, der Wachstumskontrolle, der Kontrolle der Herztätigkeit und der Lage des Ungeborenen, der Entwicklung von Mutterkuchen und Ungeborenen sowie der Messung der Blutversorgung. Der Ultraschall wird ebenso bei der Feststellung von Fehlbildungen und möglicher Vorbereitung von Fruchtwasserpunktionen und Chorionzottenbiopsie angewendet, worauf im nächsten Punkt noch genauer eingegangen wird. Die Ultraschalluntersuchungen sind während der gesamten Schwangerschaft möglich, wohingegen der vaginale Ultraschall überwiegend nur im ersten Schwangerschaftsdrittel angewandt wird. Laut Mutterpass sind drei Ultraschalluntersuchungen vorgesehen: in der 9.-12. SSW, der 19.-22. SSW und der 29.-32. SSW (vgl. Khaschei, 2010). Die Schwangere erfährt mit den Ultraschalluntersuchungen, neben den schon aufgezeigten Faktoren, wie lange die Schwangerschaft bereits besteht, wie das Wachstum des Ungeborenen verläuft, die Lage des Kindes, Aussagen über die Entwicklung und Funktion der Organe sowie Aussagen über die Körperform4. Außerdem kann die Schwangere die Nackenfaltendicke des Ungeborenen als möglichen Hinweis z.B. auf ein Down- Syndrom messen lassen.
Mit dem Ultraschall können weiterhin Auffälligkeiten beim Ungeborenen erkannt werden, die oft weitere Untersuchungen nach sich ziehen, aus denen sich allerdings bestimmte psychische Belastungen für die Schwangere ergeben können, wie sich im Punkt 5.2 noch zeigen wird. Für das Ungeborene stellt der Ultraschall ebenfalls eine, wenn auch gering einzuschätzende, Belastung dar, da der Geräuschpegel sehr hoch ist und sich Wärme entwickelt. Dennoch wird dieses Verfahren als Routine wahrgenommen und erscheint den Patientinnen aufgrund des Bildes auf dem Monitor als ersten „richtigen“ Zugang zum Kind.
So kann z.B. ein offener Rücken gesehen werden.
Für die Messung der Durchblutung in der Nabelschnur und wichtiger Blutgefäße des Ungeborenen gibt es weiterhin einen Spezialultraschall. Dieser wird ebenfalls über die Bauchdecke durchgeführt. Die Schwangere erfährt, ob das Kind ausreichend mit Nährstoffen und Sauerstoff versorgt wird. In der Regel ist der Spezialultraschall nach der 20. Schwangerschaftswoche (SSW) möglich, da bei diesem eine 10-fach höhere Energie als normal eingesetzt wird und somit nicht in der Frühschwangerschaft angewendet werden sollte.
Zu den nichtinvasiven Verfahren gehören weiterhin Verfahren zur Risikoeinschätzung wie der Nackentransparenz-Test, der Erst-Trimester-Test und der Triple-Test. Mittels Ultraschall (Nackentransparenz-Test) wird die Nackenfalte beim Ungeborenen gemessen. Bei einem auffälligen Wert wird die Schwangere an einen Spezialisten überwiesen, welcher ein statistisches Risiko für eine mögliche Beeinträchtigung des Kindes errechnet. Dieser Test kann zwischen der 12. und 14. SSW erfolgen und gibt Auskunft über ein mögliches Down-Syndrom, andre Chromosomenabweichungen oder einen Herzfehler.
Beim Erst-Trimester-Test wird der Frau Blut entnommen, wobei die Hormon- und Eiweißwerte Humanes Choriongonadotropin5 (HCG) und Pregnancy associated Plasma Protein A6 (PAPP-A) bestimmt werden. Der Test kann in der Regel zwischen der 11. und 13. SSW erfolgen. Zur Erstellung des statistischen Risikowertes werden die Nackenfaltenmessung sowie das Alter der Frau hinzugezogen.
Ein weiteres nichtinvasives Verfahren ist der s.g. Triple-Test. Bei diesem wird der Schwangeren ebenfalls Blut entnommen und die Hormone HCG und Östriol7 sowie das Alphafetoprotein8 (AFP) bestimmt. Mit diesen Werten, dem Alter und dem Gewicht der Frau sowie der genauen Schwangerschaftsdauer erfolgt die Risikoeinschätzung zwischen der 16. und 18. SSW. Mit diesem Test erfährt man das Risiko eines möglichen Down- Syndroms, einer anderen Chromosomenabweichung sowie Neuralrohrdefekten wie z.B. ein offener Rücken. Im Vergleich zum Erst-Trimester-Test bringt der Triple-Test ungenauere Ergebnisse. Die Zuverlässigkeit bei Neuralrohrdefekt liegt zwischen 60-90%, bei Trisomie 21 zwischen 50-65%. Hervorzuheben ist, dass Risikoeinschätzungen nur Berechnungen von Wahrscheinlichkeiten sind und keine tatsächlichen Sachverhalte. Auffällige Werte führen zu Verunsicherungen bei der Frau und möglicherweise zu weiteren Untersuchungen, die die Schwangere belasten können (siehe Punkt 5.2 und 5.6).
Humanes Chroiongonadotropin - verantwortlich für die Erhaltung der Schwangerschaft.
Protein, welches Hinweise auf Abweichungen und Fehlbildungen beim Ungeborenen geben kann. Wichtiges weibliches Geschlechtshormon, welches in den Eierstöcken produziert wird. Transportprotein.
Alle Tests werden als Grundlage für weitere Untersuchungen, wie Fruchtwasserpunktion oder Chorionzottenbiopsie durchgeführt. Die Befunde sind abhängig vom behandelnden Arzt, der Durchführung sowie von Computerprogrammen, der die Werte errechnet. Somit könnte eine falsche ungenaue Anwendung und Auswertung zu einem auffälligen Befund führen, welcher jedoch keine realen Tatsachen darstellt. Verfahren zur Risikoeinschätzung müssen selbst bezahlt werden und werden als individuelle Gesundheitsleistung angeboten. Die Krankenkassen zahlen nur die medizinisch notwendigen Leistungen.
2.3.2 Invasive Ve rfahren
Bei den invasiven Verfahren handelt es sich um Chorionzottenbiopsie, Fruchtwasseruntersuchung (Amniozentese) und Nabelschnurpunktion (Cordonzentese). Aufgrund fötaler Zellen liegen bei diesen Verfahren zuverlässigere Ergebnisse als bei nichtinvasiven Untersuchungen vor, jedoch sind sie grundsätzlich mit dem Risiko für das Auftreten einer Fehlgeburt sowie einer Öffnung der Fruchtblase vor dem Geburtstermin (vorzeitiger Blasensprung) verbunden.
Erklärt wird zunächst das Verfahren der Chorionzottenbiopsie. Durch die Bauchdecke der Frau wird mittels einer Hohlnadel in den sich bildenden Mutterkuchen eingestochen. Ein Teil des Chorionzottengewebes, aus dem sich später der Mutterkuchen bilden soll, wird entnommen und die gewonnen Zellen auf ihren Chromosomensatz direkt danach und nach der Kultivierung der Zellen untersucht. Dieses Verfahren ist zwischen der 10. und 12. SSW möglich und wird zur Feststellung von Chromosomenabweichungen beim Ungeborenen, bei einem Verdacht auf eine Stoffwechselerkrankung, nach einem auffälligen Ultraschallergebnis sowie zur Suche nach einer vererbbaren Krankheit oder Behinderung eingesetzt. Zu beachten sind mögliche Schmerzen und Blutungen nach dem Eingriff sowie die Gefahr der Blutgruppenunverträglichkeit der Schwangeren mit einem negativen Rhesusfaktor.9 Es kann zu ungenauen Befunden kommen, wenn mütterliche statt kindliche Zellen entnommen worden sind: dann muss die Untersuchung wiederholt werden. Das Fehlgeburtenrisiko wird je nach Literaturquelle unterschiedlich beziffert und kann zwischen 0,5% bis über 3,5% liegen.
Das bekannteste Verfahren, welches ursprünglich bei Frauen über 35 Jahren eingesetzt wurde, ist die Fruchtwasseruntersuchung, die heute auch von jüngeren Frauen in Anspruch genommen wird.
Daher wird bei jeder Erstuntersuchung zunächst die Blutgruppe der werdenden Mutter bestimmt. Ist diese rhesus-positiv, so birgt dies für das Ungeborene keine Gefahr, wobei bei rhesus-negativ nur dann keine Probleme auftreten, wenn das Kind auch negativ ist. Hat es allerdings einen positiven Rhesusfaktor können Unverträglichkeiten auftreten, da der Organismus der Frau Antikörper gegen die Blutkörper des Ungeborenen bildet, was u.a. zu Blutarmut führen kann.
Bei dieser Untersuchung wird mit einer Hohlnadel durch die Bauchdecke der Schwangeren in die Fruchtblase gestochen. Dabei werden etwa 15-20ml Fruchtwasser mit abgelösten Zellen des Ungeborenen entnommen und die Chromosomen auf Anzahl und Struktur untersucht. Angewendet wird das Verfahren zur Suche nach Chromosomenabweichungen, bei einem auffälligen Befund beim Ultraschall, bei Neuralrohrdefekten, bei vorherigen Fehlgeburten mit Verdacht auf Chromosomenabweichung, zur Suche nach diagnostizierten Erbkrankheiten sowie bei hohen Antikörperwerten bei einer Frau mit negativem Rhesusfaktor. Die Untersuchung kann zwischen der 14. und 20. SSW erfolgen. Bei einem so genannten FISH-Test (Schnelltest) kann die Anzahl der Chromosomen 13, 18 und 21 sowie die Geschlechtschromosomen überprüft. Diese Ergebnisse liegen bereits an einem Tag mit einer Genauigkeit von 95% bis 98% vor. Je früher eine Fruchtwasseruntersuchung vorgenommen wird, desto höher ist das Risiko einer Fehlgeburt, im Normalfall beläuft sich dieses auf 1:200. Nach dem Eingriff können Wehen und Blutungen auftreten. Weiterhin kann es zu wiederholten Untersuchungen kommen und somit weitere psychische Belastungen für die Schwangere auslösen, u.a. durch das Warten auf weitere Befunde. Auch bei diesem Verfahren sind Fehldiagnosen möglich und es bestehen nur bedingte Aussagen über Schweregrad und Ausprägung der erhobenen Befunde.
Die Cordonzentese (Nabelschnurpunktion) erfolgt mit einem Einstich durch die Bauchdecke der Frau. Mit einer Kanüle wird kindliches Blut (1-2ml) aus der Nabelschnur entnommen und untersucht. Dieses Verfahren, welches ab der 16. SSW genutzt werden kann, ist technisch sehr anspruchsvoll und aufwendig. Angewandt wird es bei einem Verdacht auf eine Infektion des Ungeborenen, bei einer Rhesus-Unverträglichkeit, zur Suche nach diagnostizierbarer Erbkrankheit und um ungenaue Befunde nach einer Amniozentese zu überprüfen. Es lassen sich Veränderungen von Chromosomen und Neuralrohrdefekte erkennen. Die Cordozentese stellt derzeitig die einzige Möglichkeit in der PND dar, die neben einer pränatalen Diagnostik auch eine pränatale Therapie ermöglich: leidet das Ungeborene z.B. an Blutarmut ist eine Bluttransfusion möglich, bei möglichen Infektionen des Kindes wird über die Frau eine „Medikamenten-Therapie“ durchgeführt. Aber auch bei diesem Verfahren liegt das Fehlgeburtenrisiko zwischen 1% und 7%. Mit zunehmenden Schwangerschaftsalter sinkt die Rate der Komplikationen, was bedeutet, dass dieses Risiko in der 19. SSW beispielsweise höher ist, als in der 24. SSW.
Abschließend ist anzuführen, dass alle invasiven Verfahren ohne örtliche Betäubung durchgeführt werden, da die mit dem Eingriff verbundenen Schmerzen so gering sind. Ebenfalls gibt es für alle invasiven Methoden und deren möglichen auffälligen Befunde, bis auf wenige Ausnahmen, keine Therapie, was bei auffälligem Befund in der Vielzahl der Fälle die Frage nach einem Schwangerschaftsabbruch aufwirft (s. Punkt 5.7).
3. Hypothesen
Im Folgenden werden die benötigten Hypothesen für die Auswertung der Arbeit und der Interviews vorgestellt. Diese sollen genauer erklärt werden, um ein besseres Verständnis zu erzielen. Inwieweit sich die aufgestellten Hypothesen widerlegen oder bestätigen lassen, wird in Punkt 5: „Auswertung der Forschungsergebnisse“ dargestellt.
H1 Die Entscheidung für bzw. gegen bestimmte Verfahren der PND stehen in Abhängigkeit zum Alter der schwangeren Frau.
In der Fachliteratur wird immer wieder darauf hingewiesen, dass das Alter der schwangeren Frau eine wesentliche Rolle bei der Entscheidung für oder gegen pränataldiagnostische Untersuchungen spielt. So wird u.a. angegeben, dass ab dem Alter von 35 Jahren ein erhöhtes Risiko für eine Beeinträchtigung des Ungeborenen vorliegt. Frauen, die demnach 35 Jahre oder älter sind werden wesentlich mehr (invasive) Untersuchungen vornehmen lassen, als Frauen, die jünger sind.
H2 Die PND hat negative Konsequenzen auf das Schwangerschaftserleben der Frau aufgrund der psychischen Belastung während der Zeit des Wartens auf Ergebnisse.
Die Zeit des Wartens ist immer mit Sorgen verbunden, aufgrund der Angst vor möglichen auffälligen Befunden. So empfinden die Schwangeren große Anspannung, Angstzustände und Verunsicherung, weswegen sie die Zeit der Schwangerschaft nicht ausgiebig als positiv und unbeschwert empfinden können.
H3 Die Entscheidungen der schwangeren Frau zum weiteren pränataldiagnostischen Vorgehen sind nicht selbstbestimmt und werden von ihrem sozialen Umfeld beeinflusst.
Neben dem Partner spielt der Arzt bei der Entscheidung, ob und welche Untersuchungen stattfinden sollen, die zweitwichtigste Rolle, die prozentual aber nur geringfügig von der des Partners abweicht. Die Frau verlässt sich demnach auf Aussagen anderer, lässt sich beeinflussen und kann nicht selbstbestimmt entscheiden.
H4 Die PND behindert den Aufbau einer emotionalen Bindung zum Kind bevor sichergestellt ist, dass das Kind gesund ist.
Durch die Angst vor auffälligen Ergebnissen können sich schwangere Frauen nicht vollkommen auf das Kind einlassen. So ist eine ausgeprägte Bindung, wie bei Frauen, die ihre Schwangerschaft ohne die Verfahren der PND erleben, möglich.
H5 Die Beratung zur PND weist gravierende Lücken. Psychosoziale Beratung findet kaum Beachtung.
Gynäkologen informieren die schwangeren Frauen überwiegend auf medizinischer Ebene. Es gibt kaum Hinweise auf weitere psychosoziale Beratung. Somit sind die Konsequenzen der pränataldiagnostischen Verfahren, welche sich für die Frau ergeben, für diese nicht klar ersichtlich.
H6 Die Risiken, die sich bei pränataldiagnostischen Verfahren ergeben, werden zunehmend unterschätzt.
Ergebend aus der mangelhaften Beratung und der nicht eindeutig ersichtlichen Konsequenzen der PND ist keine gut durchdachte Entscheidung möglich. Risiken, die sich ergeben können werden demnach falsch eingeschätzt.
H7 Nach einem auffälligen Befund in der PND erfolgt in den meisten Fällen ein Abbruch der Schwangerschaft.
Der überwiegende Teil der Schwangeren zieht bei auffälligem Befund, d.h. bei einer Beeinträchtigung des Ungeborenen die sofortige Beendigung der Schwangerschaft in Betracht. Der Abbruch stellt demnach für viele eine mögliche Alternative zu einem Leben mit einem behinderten Kind dar.
H8 Der medizinische Fortschritt führt zu einer Auslese unerwünschter, beeinträchtigter Kinder. Die Idealvorstellung des Menschen, welche durch die Gesellschaft vermittelt wird, setzt werdende Eltern unter Druck, ein gesundes Kind bekommen zu müssen. Die PND und damit die Möglichkeit zur Spätabtreibung stellt somit für diese Menschen ein geeignetes Mittel dar, um den gesellschaftlichen Ansprüchen zu genügen.
4.1 Halboffen es Inte rview
Für die Forschung wurde sich für ein halboffenes, d.h. teilstandardisiertes Interview entschieden. Dazu wurde zunächst ein Leitfaden erstellt, der als Grundlage für die Interviews dienen sollte, aber keineswegs so abgearbeitet wurde. Es sollte Raum gelassen werden für weiterführende Informationen bzw. für unerwartete Beobachtung, d.h. Dinge, die im Voraus nicht geplant waren, aber dennoch wichtig für die Forschung sind. Somit konnten durch diese Interviewform nicht nur Fragen abgeändert, weggelassen oder hinzugefügt, sondern ebenso die Formulierung und Reihenfolge der Fragen variiert werden.
4.2 Inte rvie wpartne r und -situation
Für die Forschungsarbeit wurden insgesamt acht persönliche Interviews mit jungen Müttern durchgeführt. Alle Interviewpartnerinnen wurden gezielt ausgewählt, sodass das Kriterium, dass alle während ihrer Schwangerschaft die Möglichkeit hatten, Verfahren der PND zu nutzen, übereinstimmte. Die Frauen stammen, vor allem aufgrund unserer Heimatorte, aus drei verschiedenen Bundesländern: Thüringen, Sachsen und Brandenburg. Sechs der befragten Frauen sind unter 30 Jahre alt, zwei der Befragten über 30 Jahre.
Der Ort sowie die Zeit der Interviews wurden vorher mit den Befragten abgesprochen. Sie fanden vorwiegend in Privatwohnungen zu sehr unterschiedlichen Zeitpunkten statt. Die Dauer der durchgeführten Interviews wurde von vornherein nicht festgelegt, ergab sich aus den Interviews und betrug in etwa eine halbe bis dreiviertel Stunde pro Gespräch. Alle Interviews wurden von jeweils einem Forschenden und einer zu befragenden Frau durchgeführt. Bei einigen Gesprächen war zunächst der Partner der Befragten anwesend, der aber zu Gesprächsanfang den Raum verließ. Nach Gesprächsende wurden die Interviews, welche währenddessen mit einem Diktiergerät aufgezeichnet wurden, sofort transkribiert. Im Anhang finden sich diese Aufzeichnungen in geglätteter Form, d.h. alle „äh“ etc. wurden heraus gestrichen, Pausen wurden durch (...) gekennzeichnet, dialektal geprägte Formeln o.ä. angepasst.
Alle Gesprächspartner wurden, aufgrund persönlicher Verbindung und Kenntnis, mit „Du“ angesprochen.
4.3 Inte rviewleitfaden
4.3.1 Anme rkungen zum L eitfaden
Zunächst war es uns wichtig, Transparenz zu schaffen und Sicherheit bei der jeweiligen Befragten zu erzeugen. Dazu holten wir uns vor jedem Gespräch die Erlaubnis zum Fragenstellen ein und erzeugten eine gleichwertige Situation dadurch, dass wir auch der Interviewpartnerin die Möglichkeit zum Fragenstellen gaben. Wir boten an, dass die Möglichkeit zum Zurückziehen einer Frage besteht, sodass brisante Fragen nicht zwingend beantwortet werden müssen. Dies betonten wir am Anfang des Interviews ebenso wie vor der uns brisant erscheinenden Frage nochmals.
Zum Teil wurden in die Interviews Protagonisten eingeschoben, z.B. „Wie würde dein Mann darüber denken?“ oder ähnliches. Dies ist hierbei kein Problem, da die Interviews Ansichten wiederspiegeln sollen und keine Realitäten darstellen. Es wurden kaum ja/nein Fragen gestellt, um einen flüssigen Gesprächsverlauf beizubehalten. Weiterhin war es uns wichtig, Sensibilität zu bewahren, sodass Fragen, je nach Interviewpartnerin umformuliert wurden. Nach Abschluss jeden Interviews wurde gefragt, ob die Befragte selbst noch etwas hinzufügen möchte, was wir eventuell vergessen haben, zu fragen.
4.3.2 Fragestellungen
Frage 1: Ich würde dir gern ein paar Fragen zum Thema „Pränatale Diagnostik“ stellen. Dies ist das Thema unserer BA-Arbeit, die wir als Gruppe von drei Personen derzeit schreiben. Wir möchten in der Arbeit herausfinden, inwieweit die Pränatale Diagnostik das Schwangerschaftserleben beeinflusst. Alle Daten, die wir durch die Interviews erheben, werden streng vertraulich behandelt, d.h. es wird anonymisiert. Die Arbeit wird zum Schluss nur von unserem Professor und uns gelesen. Während des Interviews hast du auch die Möglichkeit, Fragen nicht zu beantworten, wenn diese dir unangenehm sind oder du sie nicht beantworten möchtest. Hast du bisher noch Fragen dazu? Möchtest du noch irgendetwas wissen?
Frage 2: Wie hat sich dein Leben mit der Geburt deines Kindes verändert?
Frage 3: Gab es spezielle Indikatoren, die für Verfahren der PND gesprochen haben? Bist du Raucher? Inwieweit gab es gewisse Risiken, wie z.B. vorangegangene Krankheiten o.ä. in der Familie?
Inwieweit wurdest du während der Schwangerschaft über die PND informiert und von wem? Warst du dir im Klaren darüber, was mit den Untersuchungen diagnostiziert werden kann und was dies für dich und den weiteren Schwangerschaftsverlauf bedeuten kann?
Kennst du alle möglichen Verfahren der PND? Welche Verfahren wurden dir empfohlen? Welche lehntest du von vornherein ab und welche kamen für dich in Frage? Warum?
Aus welchen Gründen hast du dich für bzw. gegen die PND entschieden? Gab es dazu schon Erfahrungen in deinem Bekanntenkreis? Wer oder was hat dich bei der Entscheidungsfindung beeinflusst? Welchen Einfluss hatte die öffentliche Diskussion über die PND auf deine Entscheidung? Wie lang hast du über deine Entscheidung nachgedacht? wie sich die Frauen entschieden haben, spaltet sich der Leitfaden nun in zwei Fragen an Frauen, die sic h für die PND entschieden haben In welchem Stadium der Schwangerschaft hast du dich für die PND entschieden und warum genau zu diesem Zeitpunkt? Inwieweit fühltest du dich dem Kind zu diesem Zeitpunkt schon emotional verbunden?
Ist dir das Risiko einer Fehlgeburt durch die Eingriffe während der invasiven Verfahren der PND bekannt? Inwieweit beeinflusste dies deine Entscheidung?
Hattest du trotz unauffälligem Befund Zweifel an diesem?
Wie bist du weiter verfahren? Inwieweit hattest du Zweifel bzw. Angst vor weiteren Untersuchungen bzw. deren Befunden? Inwieweit hast du die Entscheidung dazu allein gefällt? Oder hast du mit deinem Partner zusammen entschieden? Inwieweit haben die Untersuchungen zu deiner Sicherheit beigetragen oder haben sie eher zu Beunruhigung geführt?
Was gab dir die Sicherheit dafür, dass der Befund richtig ist? Inwieweit hast du die Entscheidung dazu allein gefällt? Oder hast du mit deinem Partner zusammen entschieden? Kannst du dir vorstellen, wie du auf eine Fehldiagnose reagiert hättest?
Frage 10: Wie hast du die Zeit des Wartens auf das Ergebnis einer Untersuchung erlebt? Wie hat dies dein Umfeld erlebt? Was hat du gegen Befürchtungen getan, z.B. um dich abzulenken?
Frage 11: Kannst du dir vorstellen, wie du reagiert hättest, wenn es zu einem auffälligen Befund gekommen wäre?
Kategorie 2 Fragen an Frauen, die sic h gegen die PND entschied e n haben
Frage 7 : Menschen, die sich für die PND entscheiden, argumentieren u.a. damit, dass man sich auf den gesundheitlichen Zustand des Kindes einstellen kann. Was hat dich dennoch dazu bewogen, dich gegen diese Verfahren zu entscheiden?
Frage 8: Wie hast du die Schwangerschaft, auch ohne die Gewissheit, dass das Kind gesund ist, erlebt?
Frage 9: Kannst du dir vorstellen, wie du auf ein beeinträchtigtes Kind reagiert hättest? Hättest du deine Entscheidung bereut? Abschluss: Möchtest du mir noch etwas erzählen, was wir zu diesem Thema vielleicht vergessen haben? Ich bedanke mich herzlich für deine Offenheit und deine Zeit.
Anhand der aufgezeichneten und transkribierten Gespräche mit den Befragten sollen nun die Hypothesen ausgewertet werden. Dabei werden ebenso Zitate aus schon vorhandenen Interviews in der Fachliteratur berücksichtigt und weitere Literatur zu Rate gezogen. Es ist schon jetzt festzustellen, dass sich zu jeder Hypothese zahlreiche Zitate finden lassen, die aber nicht immer im vollen Umfang dargestellt werden sollen. Somit wurde bei der folgenden Auswertung Unwichtiges herausgestrichen, was sich allerdings im Anhang, in dem alle Interviews vollständig transkribiert aufgezeigt werden, wiederfindet. Die Zahlen in Klammern hinter den Interviewzitaten verweisen auf die entsprechende Seite im Anhang, auf der sich das Zitat im vollständigen Kontext wiederfinden lässt.
5.1 Hypothese 1: Entscheidungsfragen zur PND
Die Entscheidung für bzw. gegen bestimmte Verfahren der PND steht in Abhängigkeit zum Alter der werdenden Mutter.
Man kann sagen, dass alle Schwangeren mit dem Thema der PND konfrontiert werden. Das haben wir auch über unsere Interviews herausfinden können. Mit einer Ausnahme, die von Frau E., haben alle befragten Mütter die nichtinvasiven Verfahren der PND in unterschiedlichem Ausmaß genutzt. Entscheidungen werden häufig aus dem „Bauch heraus“ entschieden, dennoch sollte genügend Zeit für die innere Auseinandersetzung gegeben sein:
„Wer vor die Wahl gestellt wird, die PND in Anspruch zu nehmen oder abzulehnen, sieht sich also der Forderung ausgesetzt, eine vertretbare, bewusste Entscheidung zu treffen.“ (Friedrich, Henze und Steman- Acheampong, 1998, 26)
Das Durchschnittsalter der Interviewpartnerinnen liegt bei etwa 30 Jahren, woraufhin sie sich nach eigenen Aussagen nicht in der Zielgruppe der Frauen, denen empfohlen wird, invasive Verfahren zu nutzen, befinden. Da keine der Befragten, außer Frau E., bei der Geburt ihres ersten oder zweiten Kindes über 30 Jahre alt war, wurde der Altersfaktor nicht beachtet und die Frauen wurden bezüglich ihres Alters nicht als „Risikopatienten“ von ihrem behandelnden Arzt eingestuft.
„[...]Ich war halt auch noch in einer Altersgruppe, wo es keine Bedenken geben sollte. Deswegen habe ich auch weitere spezielle Verfahren nicht gemacht.“ (Frau S., 64)
„[...]Dadurch, dass ich eben keine Risikopatientin war, also aufgrund des Alters oder der Vorerkrankungen aus der Familie.“ (Frau A., 57)
„Außerdem wurde ich von meinem Frauenarzt informiert. Blutabnahmen und Fruchtwasserpunktion. Aber es war aufgrund meines Alters und der Familienanamnese nicht nötig, weitere Untersuchungen durchfuhren zu lassen.“ (Frau K., 61)
Frau F. geht davon aus, dass eine Fruchtwasserpunktur zur Schwangerenvorsorge ab einem Alter von 35 sowieso dazu gehört:
„Ja, genau. Ja, die Fruchtwasserpunktur, die wurde bei mir nicht gemacht. [...] Und deshalb wurde die bei mir nicht gemacht. Speziell jetzt bei älteren Frauen, so ab 35 oder was, wird das sowieso gemacht.“ (Frau F., 70) Frau E., die während ihrer Schwangerschaft 35 Jahre alt war, wurde aufgrund ihres Alters, von ihrem Frauenarzt als einzige Risikopatientin eingestuft:
„Eben deshalb, weil ich daja schon 35 war. Er meinte dann halt, dass das ein Risikofaktor ist und dass es noch weitere Untersuchungen gibt, die ich in Anspruch nehmen kann, die ich aber selber bezahlen muss. [.] Er hat mir aber halt auch gesagt, dass ich mir das gut überlegen soll, weil manche Untersuchungen auch dem Kind schaden könnten.“ (Frau E., 98)
Jede Interviewpartnerin nutzte, meist aus dem Grund, dass es zur allgemeinen Schwangerenvorsorge dazu gehört, nichtinvasive Verfahren. So antwortet zum Beispiel Frau H. auf die Frage, ob sie sich bewusst für den Triple-Test entschieden hat:
„Doch schon, aber es gehörte mit zum Rund-Um-Paket und er10 hat mir empfohlen, es zu machen.“ (Frau H., 81)
Der Glaube daran, dass die meisten Verfahren der PND zur allgemeinen Schwangerenvorsorge gehören, wurde ebenso von über einem Drittel der befragten Frauen (36,8%) der Studie „Schwangerschaftserleben und Pränataldiagnostik“ (BZgA, 2006) als Grund für die Inanspruchnahme bestimmter pränataldiagnostischer Verfahren angegeben. V.a. die nichtinvasiven Verfahren neben den regulär vorgesehenen Ultraschalluntersuchungen scheinen zur Normalität geworden zu sein. Anders verhält es sich bei der Befürwortung invasiver Verfahren, wie sich im Folgenden zeigen wird.
Lediglich Frau E. nutzte, aufgrund ihres Alters, ein invasives Verfahren. Aufgrund dessen, dass alle anderen Interviewpartner nicht mit der Indikation Alter konfrontiert waren, erscheint dieser Faktor nicht mehr genügend relevant für die Entscheidungsfrage für bzw. gegen die PND bei jungen Müttern. Bleibt nun die Frage zu klären, warum bestimmte pränatale Verfahren genutzt werden und welche Gründe es für die Ablehnung invasiver Verfahren gibt. Es muss genauer herausgefunden werden, was sich bei der Entscheidung für oder gegen PND abspielt. Wodurch werden die Entscheidungsträger in ihrem Entscheidungsprozess bestimmt? (vgl. Friedrich et al., 1998)
Frau K., die Älteste der befragten Frauen, argumentiert u.a. damit, dass es zu ihrer Zeit (vor 23 Jahren) nicht üblich war, invasive Verfahren durchzuführen:
„Ich habe mich nicht direkt entschieden, es bestand kein Anlass und war damals nicht üblich. Auch mein Frauenarzt hat mir dazu nichts angeboten oder geraten.“ (Frau K.,61) Gynäkologe.
Es zeigt sich, dass das Thema der Pränatalen Diagnostik im Verlauf der Zeit immer populärer geworden ist. Die Methoden und Möglichkeiten der Medizin haben sich immer weiter entwickelt, was ebenso einen Grund für die Inanspruchnahme gewisser Untersuchungen darstellt:
„Ansonsten... wenn die Untersuchen nötig sind, sollen sie sie bitte schön auch machen, weil schließlich haben wir ja nun dafür die technischen Mittel. Also, wenn eine Gefahr abzusehen ist, hätte ich auch nichts gegen noch eine Untersuchung, aber es muss halt die Notwendigkeit da sein.“ (Frau F., 78)
Auch Frau M. argumentiert mit den immer fortschreitenden Möglichkeiten der Medizin und Technik:
„Und mir persönlich war das zu altmodisch, weil warum sollte man nicht die Technik nutzen, die man heutzutage hat, und dann halt wieder so einen Rückschritt zu machen, in Sachen Schwangerschaft, weil ich es einfach besser finde.“ (Frau M., 92)
In der Argumentation von Frau F. spielt allerdings ein weiterer Punkt eine wichtige Rolle: die Notwendigkeit für bestimmte Untersuchungen. Hierzu zählt nicht nur der Risikofaktor Alter, sondern ebenso das Vorhandensein von Auffälligkeiten in der Familiengeschichte oder bestimmte Auffälligkeiten in Ultraschalluntersuchungen o.ä. Ob es allerdings wirklich notwendig erscheint, bestimmte Beeinträchtigungen erkennen zu müssen, soll später im Punkt 5.7 und 5.8 noch genauer analysiert werden. Notwendigkeit kann in dem Fall aber auch bedeuten, dass eine Untersuchung hinsichtlich der Entscheidung, ob das Kind ausgetragen werden soll oder nicht, als wesentlich erscheint:
„Das ist völlig klar, dass ich eine Untersuchung machen lasse. Das muss man auch ganz genau wissen, sonst braucht man hier gar nicht zu sitzen . Ich kann mir nicht vorstellen, ein behindertes Kind zu haben. . Ich möchte weiter arbeiten, und deswegen muss das Kind gesund sein.“ (Hebamme, 40 Jahre, Indikation: Alter, in: Fuchs, 2011, 68)
Die Entscheidungsfähigkeit zur Austragung des Kindes nach einem auffälligen Befund löst auch bei 44% der befragten Frauen in der BZgA-Studie (2006) das entscheidende Motiv aus, pränataldiagnostische Verfahren in Anspruch zu nehmen und stellt damit einen zentralen Grund für diese Entscheidung dar, was allerdings im Punkt 5.7 noch ausführlich diskutiert werden soll.
In unseren Interviews fanden wir zunehmend weitere Motive für bzw. gegen die Inanspruchnahme der PND:
„Ja. Also, wir hatten damals dann auch diese Feindiagnostik mitgemacht in der 20. Schwangerschaftswoche, aber, nicht weil jetzt irgendein Risiko da war, sondern einfach so, weil wir halt gucken wollten, ob alles okay ist.“ (Frau A., 56)
Bei Frau A. gab es keine spezifischen Indikationen, die für weitere Verfahren der PND gesprochen hätten. Gäbe es allerdings Gründe für eine Fruchtwasseruntersuchung, hätte sich Frau A. möglicherweise auf weitere Untersuchungen eingelassen. In ihrer Antwort war sie sich aber nicht ganz sicher und konnte sich schwer in die mögliche Situation hinein versetzen.
Anders bei Frau S.:
„Nee, nee, gar nichts davon. Also, wir haben über das eine Verfahren nachgedacht, diesen Erst-Trimester-Test, also ob eine Wahrscheinlichkeit für eine Behinderung besteht. Aber das ist ja auch nicht sicher. Und da ich wahrscheinlich eh nicht abgetrieben hätte, habe ich das auch nicht gemacht. Aber als ich hier in Erfurt noch mal bei einem Arzt war, haben die noch mal so eine Feindiagnostik gemacht.“ (Frau S., 64)
Von den Frauen wird zunehmend kritisiert, dass Ergebnisse teilweise nicht sicher genug sind bzw. dass nur eine Wahrscheinlichkeit, ob eine Beeinträchtigung vorliegt oder nicht, angegeben werden kann. Weiterhin spielt natürlich auch immer eine Rolle, was bei einem auffälligen Befund in Erwägung gezogen wird. Somit bestätigt Frau S., dass sie bei einer möglichen Beeinträchtigung des Kindes nicht abgetrieben hätte und somit weitere Verfahren für sie selbst nicht relevant waren.
Auch Frau F. hat die Feindiagnostik genutzt; ihr wurde aus ärztlicher Sicht geraten, eine weitere feindiagnostische Untersuchung durchführen zu lassen. Aufgrund der Informationen und Ratschläge des Gynäkologen kann man meinen, Frau F. wurde die Entscheidung abgenommen. Auf die Frage hin, welche Verfahren sie allerdings von vornherein ablehnen würde, antwortete sie:
„Alles was so irgendwie nicht von mir aus... (...) Also, wenn sie jetzt meine Blutuntersuchungen, die hätte ich gemacht oder mein Urin testen, oder bei mir Ultraschall, aber alles was jetzt irgendwie, wo sie jetzt quasi, ich sage jetzt mal, das Kind mit angefasst oder die Nahrungsquelle des Kindes, wie zum Beispiel die Nabelschnur angepiekt oder Fruchtwasser, hätte ich alles, denke ich, wenn es keinen expliziten Verdacht gegeben hätte, einfach nur so um zu gucken, so ohne Verdacht, nee!“ (Frau F., 72)
Frau F. schließt damit auch die invasiven Verfahren aus, aus Angst dem Ungeborenen Schäden zuzufügen.
Die 29- jährige Frau M. schüttelte den Kopf als sie nach der Fruchtwasseruntersuchung gefragt wurde:
„Der Gynäkologe hat mir dann gesagt, was ich machen könnte, aber man muss es nicht machen. Und warum sollte man das unbedingt machen? Weil, es reicht ja im Endeffekt, wenn man immer zu den Vorsorgeuntersuchungen geht. Das, was man machen sollte, habe ich gemacht, aber umso mehr du machst, umso ängstlicher wirst duja dann auch.“ (Frau M., 94)
Zusammenfassend wird festgestellt, dass nur eine der befragten Mütter das Risiko einer Fehlgeburt aufgrund invasiver Verfahren eingegangen ist. Bei allen anderen gab es keine Indikationen nach den durchgeführten nichtinvasiven Verfahren. Bei einigen unserer Interviewpartner zeigte sich jedoch bei genauerem Nachfragen, wie ihre Entscheidung bei einem auffälligen Befund gewesen wäre, dass die eine oder andere mit ihren Antworten ins Schwanken geraten ist. Die Mütter konnten sich nicht fest dafür oder dagegen entscheiden, ob sie möglicherweise weitere invasive Verfahren genutzt hätten. Der Altersfaktor für die vorgenommen nichtinvasiven Verfahren war nicht ausschlaggebend. Die Ausnahme war lediglich Frau E. (35 Jahre), die sich auf Rat ihres Gynäkologen und einem vorangegangen auffälligen Befund, für eine Fruchtwasserpunktion entschieden hatte.
Es ist demnach festzuhalten, dass das Alter natürlich, vor allem auf Rat des Gynäkologen hin, eine Rolle bei der Entscheidung für oder gegen invasive Verfahren der PND, spielt. Die Hypothese gilt damit als belegt. Allerdings ist dennoch festzuhalten, dass nicht nur das Alter, sondern ebenso zahlreiche andere Faktoren auf die Entscheidung einwirken, die so umfangreich und individuell sind, dass selbst in der Fachliteratur nicht auf jeden Faktor eingegangen werden kann. Somit stellt die vorangegangene Darstellung auch keineswegs Vollständigkeit dar, sondern lediglich einen Auszug der Gründe, aufbauend auf unseren Forschungsergebnissen.
5.2 Hypothese 2: Schwange rschaftse rieben
Die PND hat negative Konsequenzen auf das Schwangerschaftserleben der Frau aufgrund der psychischen Belastung während der Zeit des Wartens auf Ergebnisse.
Schon vor Beginn und natürlich während der Interviews haben wir uns ausführlich mit dem Thema Schwangerschaftserleben beschäftigt. Zu Beginn ist noch einmal festzuhalten, dass, bis auf Frau E., alle Befragten nur nichtinvasive Verfahren genutzt haben und die Ergebnisse dabei sofort oder innerhalb von 24 Stunden vorgelegen haben. Dies ist im Folgenden von Bedeutung, da die Wartezeit bis zum Ergebnis des Befundes einen wesentlichen Einfluss auf das Schwangerschaftserleben haben kann. Deutlich wurde dies v.a. bei der 37 jährigen Mutter, Frau E., die nach der Fruchtwasserpunktion, die sich aufgrund von Auffälligkeiten durchführen ließ, zwei Wochen auf ihren Befund warten musste. Ihre Gefühle innerhalb der Wartezeit beschreibt sie wie folgt:
„Schlimm. Wirklich ganz ganz schlimm. Ich war unruhig, war aufgeregt, habe mir Sorgen gemacht. Mein Mann hat versucht, mich zu beruhigen, aber das hat er auch nicht geschafft. Im Gegenteil, ich habe ihn mit meinen Sorgen auch noch angesteckt. Wir haben uns beide so fertig gemacht. Wir haben die letzten Tage kaum noch das Haus verlassen, da ja der Arzt anrufen könnte und uns sagen könnte, was raus gekommen ist. Es war schrecklich. Auch, weil wir dann halt noch mal nachgelesen haben und auch noch mal andere gefragt haben. Ich hoffte so sehr, dass es dem Kind gut geht... (...) Dieses Warten... (...) Es war schlimm. [...] Wenn ich noch mal schwanger werde, werden wir das auf keinen Fall wieder machen. Zwar ist dann das Alter noch bedeutender, aber nee. So etwas tue ich mir nicht mehr an. Auf keinen Fall!“ (Frau E., 100f.)
Das Beispiel von Frau E. zeigt, wie belastend die Wartezeit, das Bangen und Hoffen auf einen unauffälligen Befund sein kann. Aber auch das Warten zwischen den nächsten Untersuchungsterminen darf nicht außer Acht gelassen werden.
In der heutigen Zeit wird die Familienplanung viel intensiver durchdacht, als es noch vor einigen Jahren der Fall war:
„[...]Man hat sich Gedanken gemacht um finanzielle Absicherung. Sicher nicht ganz so intensiv wie heute, dass man erst Karriere machen möchte.“ (Frau K.., 60)
Frau E. fuhrt fort:
„[.-] Sie istja auch unser erstes Kind. Und wir hatten halt damals gesagt, dass wir selber erst einmal auf festen Beinen stehen müssen und uns erst dann auch wirklich um ein Kind kümmern können.“ (Frau E., 97)
So kommt auch dem Erleben der Schwangerschaft eine viel größere Bedeutung zu. Man meine, in den werdenden Müttern bestehe ein innerer vielleicht auch gesellschaftlicher Druck, ein gesundes Kind bekommen zu mussen. Damit nutzen sie alle Möglichkeiten, die die PND hergibt.
1988, als Frau K. ihr erstes Kind bekam, war es nicht selbstverständlich, sämtliche Verfahren der PND zu nutzen, auch waren diese Methoden in der Öffentlichkeit noch lange nicht so verbreitet als heute:
„Die erste Schwangerschaft habe ich gelassen und zufrieden erlebt. Bei der zweiten habe ich mir doll Gedanken gemacht. Da ich eben durch meinen Beruf genauestens über die Komplikationen bei einer Spontangeburt mit Beckenendlage Bescheid wusste. Eine Komplikation ist durch den langen Geburtsvorgang der Sauerstoffmangel des Neugeborenen. Der Sauerstoffmangel ist die Hauptursache für eine frühkindliche Hirnschädigung. Mit Absprache des Frauenarztes wurde im 8. Monat gemeinsam die Entscheidung für eine Sectio11 gelegt bzw. geplant. Und danach war die Schwangerschaft auch wieder etwas gelassener. Vorher war der Druck schon ziemlich groß“. (Frau K., 62)
Von Situationen der Überforderung, Ungewissheit, Angst, Stress und Belastung haben auch die weiteren Interviewteilnehmerinnen berichtet. Frau K. fühlte sich vor der Inanspruchnahme des Spezialultraschalls belastet, danach wieder entlasteter. So erging es anderen befragten Müttern ebenfalls. Nach Belastung folgt Entlastung. Es scheint, als dient die PND als modernes Mittel zur Beruhigung der Mütter bzw. der Paare, indem sie auf eine Bestätigung der Gesundheit des Kindes hoffen lässt.
„Die Zeit, in der man schwanger ist, sollte man genießen! Und sich nicht über alles einen Kopf machen, was passieren könnte, was wäre wenn.“ (Frau M., 96)
Frau M. hat ihre Schwangerschaft durchaus als positiv empfunden, allerdings herrschte auch bei ihr eine gewisse Unruhe und Unsicherheit:
„Ein Traum! Also es war gar nichts, nur zum Schluss hatte ich Wasser. Ja sonst war alles schick! [.] Man lebt zwar ein paar Monate dann damit, dass was sein könnte, macht sich natürlich dann auch Gedanken, aber so lange, wie in der Familie vorher nichts passiert ist [...]“ (Frau M., 91)
Frau M. scheint zunächst die üblichen Bedenken zu äußern, die wahrscheinlich jede Schwangere in der Anfangszeit hat. Die Frauen fühlen sich fremd in ihrer Haut, somit kann es in der Anfangszeit zu Verunsicherungsphasen kommen. Die PND wird demnach genutzt, um diese Verunsicherungen zu beseitigen. So nutzte Frau M. z.B. die Feindiagnostik:
„Weil ich selber nicht wüsste, ob ich hätte damit umgehen können, wenn L.12 zum Beispiel behindert wäre. Da wüsste ich nicht, ob ich das zum Beispiel geschafft hätte.“ (Frau M., 91)
Schnittentbindung, „Kaiserschnitt“ Kind von Frau M.
[...]
[1] Quellenverzeichnis 51
[2] Abkürzungsverzeichnis. 54
- Quote paper
- Monique Wicklein (Author), Elisa Peter (Author), Marie-Therese Kubik (Author), 2011, Schwangerschaftserleben und Pränataldiagnostik, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/203297
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