Die vorliegende Arbeit thematisiert, die sexuelle Gewalt an Jungen und ihrere Herausforderungen an die Kinder- und Jugendhilfe.
Ziel soll sein auf sexuelle Gewalterfahrungen an Jungen einerseits aufmerksman zum machen und andererseits soll die Sensibilität im Umgang mit dieser Thematik bei den Lesern erhöht werden.
Die Arbeit gliedert sich in folgende Abschnitte:
1. Definitionen und Arten sexueller Gewalt
2. Umgang mit sexueller Gewalt in der Kinder- und Jugendhilfe
3. Täterstrategien
4. Auswirkungen sexueller Gewalterfahrungen (allgemein,geschlechtsspezifisch, Einblicke in die Gefühlswelt von Kindern mit sexuellen Gewalterfahrungen)
5. Konzeptioneller Vorschlag zum Umgang mit Verdachtsmomenten in der Kinder- und Jugendhilfe
Insgesamt ist diese Arbeit für Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe interessant, welche sich näher mit der Thematik auseinandersetzen möchten und ihre eigenen Denkstrukturen hinterfragen wollen. Zum anderen soll diese Arbeit alle Menschen ansprechen, sodass sich die Sensibilität für diese Thematik erhöht und auch Jungen als Opfer sexueller Gewalt, wahrgenommen werden können, sodass adäquate und schnelle Hilfeleistungen ermöglicht werden.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Definitionen und Arten sexueller Gewalt
2.1. Definitionskriterien sexueller Gewalt
2.2. Arten sexueller Gewalt
3. Problematiken im Umgang mit sexueller Gewalt 10 - 17 in der Kinder- und Jugendhilfe
3.1. Möglichkeiten und Grenzen §8 des KJHG
3.2. Problematiken der Fachkräfte im Umgang mit sexueller Gewalt
4. Täterstrategien
4.1. Kontaktaufnahme und Auswahl der Opfer
4.2. Desensibilisierung und Verwirrung der Opfer
4.3. Wahl des Tatorts
4.4. Täter verraten sich
5. Sexuelle Gewalt an Jungen und ihre Folgen
5.1. Gesellschaftliche Rollenerwartungen an den Jungen/Mann
5.2. Abwehrmechanismen
5.3 Sexuelle Gewalt - Ein Trauma
5.4. Emotionale Folgen sexueller Gewalt
5.5. Geschlechtsspezifische Folgen
5.6. Bewältigungsstrategien
6. Handlungskonzept zum Umgang mit sexueller Gewalt in der Kinder- und Jugendhilfe
7. Fazit
8. Literaturverzeichnis
9. Anhang
1. Einleitung
Das Wohl eines Kindes zu schützen ist eine der wichtigsten Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe. In Deutschland gibt es dennoch zahlreiche Kinder, die sexuelle Gewalt erleiden, nicht geschützt werden können und den Übergriffen teilweise jahrelang unbemerkt ausgesetzt sind. Sexuelle Gewalt ist kein Phänomen der Neuzeit, sondern existiert schon seit Anbeginn der Menschheit. Die Bewertung von sexueller Gewalt hat sich im Laufe der Historie gewandelt, sodass sexuelle Gewalt gegen Kinder als strafbares und schädliches Verhalten definiert wird.[1]
Durch mein Praktikum im Frauenhaus wurde ich zum ersten Mal mit dieser Thematik konfrontiert und wollte mehr über die Ursachen sowie die Dynamiken sexueller Gewalt erfahren. Ausschlaggebend für meine thematische Wahl waren zum einen die Erfahrungen im Frauenhaus, zum anderen löste auch die die SternTV Reportage mit dem Titel „Wenn seelische Wunden nicht heilen“ Interesse aus[2]. Mir wurde bewusst, dass ich mich bisher hauptsächlich auf sexuelle Gewalterfahrungen von Frauen konzentriert und Männer als Opfer sexueller Gewalt vollständig vernachlässigt hatte. Die Leidensgeschichte von Andreas Marquardt brachte mich dazu, mich mit Jungen als Opfer sexueller Gewalt auseinanderzusetzen. Meine Literaturrecherche ergab, dass es nur sehr wenige Erkenntnisse zu dieser Thematik gibt bzw. das Jungen als Opfer in der wissenschaftlichen Literatur auf zwei oder drei Seiten abgehandelt werden, wohingegen die sexuelle Gewalt gegen Frauen den Großteil der Literatur einnimmt. Zu diesem Zeitpunkt stand für mich fest, dass ich diese Arbeit dazu nutzen möchte, um auf die sexuellen Gewalterfahrungen von Jungen, aber auch von Männern aufmerksam zu machen. Aufgrund mangelnder Informationen sowie weniger wissenschaftlich fundierter Erkenntnisse gestaltete sich dieses Vorhaben besonders schwierig. Ich entschied mich deshalb dafür, die Jungen als Opfer sexueller Gewalt zwar als Schwerpunkt dieser Arbeit zu wählen, gleichzeitigjedoch auf die Anforderungen der Fachkräfte in der Kinder- und Jugendhilfe aufmerksam zu machen. Mein Eindruck bei der Recherche war, dass die Forschungslandschaft, aber auch das Gesetz sich nur darauf beschränken Forderungen zu stellen, die in irgendeiner Art und Weise umgesetzt werden müssen. An kaum einer Stelle werden jedoch die hohen Herausforderungen an die Fachkräfte angesprochen, wenn es darum geht, mit Opfern sexueller Gewalterfahrungen zu arbeiten.
Im Folgenden setze ich mich zuerst mit den Begrifflichkeiten sexueller Gewalt auseinander, um die Problematiken bezüglich der Definitionskriterien darzustellen und um eine allgemein begriffliche Annäherung zu erreichen. Durch die Spezifizierung der Arten sexueller Gewalt solljeder Leser und jede Leserin eine genaue Vorstellung davon bekommen, was als sexuelle Gewalthandlung definiert werden kann.
Danach folgt eine Darstellung des Umgangs mit sexueller Gewalt in der Kinder- und Jugendhilfe. Die Risiken und Chancen des §8 im KJHG werden dargestellt, um zu verdeutlichen, dass eine gesetzliche Fixierung nicht gleichzeitig die Praxisarbeit verändert. Vielmehr muss sichjede Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe individuell mit dem Gesetzesauftrag auseinandersetzen, um allgemein gültige Standards festlegen zu können, sodassjede Fachkraft über konkrete Handlungskonzepte verfügt. Des Weiteren werden die psychologischen Herausforderungen an die Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen thematisiert, um darzustellen, wie hoch die Leistungserwartung ist und welche Probleme sich bei der Umsetzung des Gesetzesauftrages ergeben können. Ziel dieser Ausführungen ist, die Defizite und Chancen im Umgang mit sexueller Gewalt in den Institutionen aufzuzeigen.
Um als Fachkraft adäquat auf die Opfer eingehen zu können, muss sich zuerst ein Grundverständnis bezüglich der Dynamiken sexueller Gewalt entwickeln. Dazu konzentriere ich mich auf die Strategien der Täter/innen. Denn erst wenn man diese nachvollzogen hat, kann man meiner Meinung nach sexuelle Gewalt erkennen und adäquater auf die Opfer eingehen. Ich verwende bewusst den Begriff Täter/innen, um Männer und Frauen gleichermaßen als mögliche Täter/innen einzuschließen. Meist wird davon ausgegangen, dass ausschließlich Männer als Täter in Frage kommen, sodass Frauen als Täterinnen vernachlässigt werden. Ziel ist, dass verdeutlicht wird, dass beide Geschlechter zu sexuellen Gewalthandlungen fähig sind, sodass auch eine Begrifflichkeit, die beide Geschlechter einschließt, meines Erachtens angemessen ist.
Nach den Strategien der Täter/innen wird die sexuelle Gewalt an Jungen mit ihren Folgen ausführlich dargestellt. Dabei geht es darum, aufzuzeigen, wieso Jungen als mögliche Opfer häufig nicht wahrgenommen werden. Danach wird auf die Abwehrmechanismen von Kindern allgemein näher eingegangen. Jedes Kind wehrt sich gegen die sexuellen Übergriffe auf seine individuelle Art und Weise. Diese Abwehrmechanismen sind meiner Meinung nach für die Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe eine Möglichkeit, sexuelle Gewalterfahrungen wahrzunehmen. Des Weiteren wird sexuelle Gewalt als traumatisches Erlebnis dargestellt, um eine Vorstellung von möglichen
Auswirkungen sexueller Gewalterfahrungen zu verdeutlichen. Bei den darauf folgenden emotionalen Folgen geht es hauptsächlich darum, einen Einblick in die Gefühlswelt von Opfern sexueller Gewalt zu bieten, sodass die Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe bestimmte Verhaltensweisen oder Äußerungen besser nachvollziehen können und dadurch in der Lage sind, auf das Kind adäquater eingehen zu können. Das Kapitel über die geschlechtsspezifischen Folgen, stellt die Auswirkungen sexueller Gewalt auf Jungen näher dar, um auf Jungen als mögliche Opfer aufmerksam zu machen sowie die Fachkräfte bezüglich ihrer Wahrnehmung zu sensibilisieren. Darüber hinaus wird angestrebt, die Verhaltensweisen und die Emotionalität von Jungen zu begründen und dadurch ein spezifischeres Verständnis für Jungen als Opfer sexueller Gewalt zu erreichen.
Beim letzten Punkt stelle ich meinen konzeptionellen Vorschlag zum Umgang mit Verdachtsmomenten in der Kinder- und Jugendhilfe dar. Mir geht es darum, durch Standards eine allgemein gültige Vorgehensweise mit Verdachtsmomenten zu gewährleisten, sodassjede Fachkraft der Kinder- und Jugendhilfe über ein klares Handlungskonzept verfügt, falls sie den Verdacht hat, dass bei einem Kind sexuelle Gewalterfahrungen vorliegen könnten.
Insgesamt erhoffe ich mir, dass durch diese Arbeit ein allgemeines Verständnis über die Dynamiken und Folgen sexueller Gewalt erreicht wird. Jungen als Opfer sollen nicht mehr übersehen werden, sondern als mögliche Opfer sexueller Gewalt wahrgenommen werden. Des Weiteren werden die Ansprüche an die Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe, im Umgang mit sexueller Gewalt verdeutlicht. Durch meinen konzeptionellen Vorschlag sollen allgemeingültige Standards geschaffen werden, die fürjede Fachkraft der Kinder- und Jugendhilfe gelten kann, sodass dem Gesetzesauftrag im§8 des KJHG besser nachgekommen werden kann.
2. Definitionen und Arten sexueller Gewalt
Die Begriffe sexueller Gewalt werden in den verschiedensten Kontexten verwendet und scheinbar herrscht eine Einigkeit bezüglich der Bedeutung. Neben sexueller Gewalt wird in den Medien, der Politik sowie im Alltag auch von sexueller Ausbeutung, sexuellem Missbrauch und sexueller Misshandlung gesprochen. Unterschiede bezüglich der Verwendung und Bedeutung sind nicht erkennbar. In dieser Arbeit verwende ich bewusst die Begrifflichkeit sexuelle Gewalt, um darauf hinzuweisen, dass es sich um eine Gewalttat handelt. Der Aspekt der Gewalt wird bei den Begriffen sexueller Missbrauch und sexuelle Ausbeutung nicht deutlich, sodass ich diese Begriffe nicht angemessen finde.
Obwohl scheinbar eine gesellschaftliche Einigkeit bezüglich des Begriffs sexuelle Gewalt herrscht, gibt es in der Wissenschaft große Uneinigkeit bezüglich der Definitionskriterien, sodass eigentlich gar keine universale Definition von sexueller Gewalt existiert.
Jede Definition ist in den gesellschaftlichen Kontext eingebettet und verfolgt ein spezielles Ziel. Hinzu kommt, dass die Bewertungskriterienjedes Wissenschaftlers individuell sind, was sich bei der Formulierung der vielfältigen Definitionen zeigt.[3]
2.1. Definitionskriterien sexueller Gewalt
Im Folgenden orientiere ich mich an Henri Julius und Ulfer Boehme, die die unterschiedlichen Definitionen sexueller Gewalt in drei verschiedene Dimensionen gliedern:
1. Normativ / rechtliche Dimension
2. Klinische Dimension
3. Forschungsdimension[4]
1. Normativ / rechtliche Dimension
„In normativen Definitionen werden soziale, kulturelle und politische Werte widergespiegelt. So erhalten diese Normen ihre explizite Ausformulierung in den Gesetzestexten.“[5]
Bei dieser Dimension handelt es sich nicht nur um die Definition eines Begriffs, sondern gleichzeitig auch um eine Vorschrift, die das Handeln der Menschen bestimmt. Die normative Dimension impliziert, dass eine Abweichung von dieser Norm sowohl rechtliche, als auch gesellschaftliche Konsequenzen mit sich bringt.
Was vor dem Gesetz als sexuelle Gewalt an Kindern definiert wird, thematisiert der §176 des Strafgesetzbuches. Sexuelle Gewalt liegt demnach vor, wenn an einem Kind unter 14 Jahren sexuelle Handlungen praktiziert werden. Des Weiteren macht sich derjenige strafbar, der ein Kind zwingt, an sich selbst oder Dritten sexuelle Handlungen vorzunehmen oder durch das Zeigen von pornographischen Material auf das Kind einwirkt.
Zu sexueller Gewalt gehören laut § 176 a), Handlungen „(...) die mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind“[6] Des Weiteren ist eine sexuelle Handlung strafbar, wenn sich dadurch für das Kind gesundheitliche Folgen ergeben.[7]
2. Klinische Dimension
Die klinische Dimension konzentriert sich vor allem auf die Folgen sexueller Gewalt.
Sexuelle Gewalt wird als traumatisches Erlebnis definiert, aus dem psychische Sofort- Früh- oder Spätfolgen resultieren können.[8]
Hier zeigt sich, dass es bei dieser Definition nicht darum geht, die Handlungen, die für sexuelle Gewalt sprechen zu spezifizieren, sondern, dass einzig und allein die Folgen näher ausgeführt werden. Was genau unter sexueller Gewalt zu verstehen ist, bleibt bei der klinischen Dimension unklar. Klinische Definitionen charakterisieren sich dadurch, dass sie sehr vage und vielfältig formuliert sind.[9]
3. Forschungsdimension
Die Forschungsdefinitionen bieten die Grundlage für empirische Untersuchungen. Meist orientieren sich die Wissenschaftler an den normativ / rechtlichen Definitionen, weil diese wesentlich spezifischer und konkreter formuliert sind, als die klinischen Definitionen.
Bei den Forschungsdefinitionen unterscheidet man zwischen engen und weiten Definitionen sexueller Gewalt. Die engen Definitionen erfassen nur die Arten sexueller Gewalt, bei dem ein Körperkontakt zwischen den Täter/innen und dem Opfer stattgefunden hat, während bei weiten Definitionen auch die sexuelle Gewalt ohne Körperkontakt berücksichtigt wird.[10] Insgesamt verdeutlichen die unterschiedlichen Definitionsdimensionen die Komplexität, den Begriff sexuelle Gewalt einheitlich zu definieren.
Julius und Boehme stellen die Problematik der Definitionskriterien sehr anschaulich dar, auf die ich mich nun im Folgenden beziehe:
1. Altersbegrenzung
Durch die Altersbegrenzung versuchen viele Wissenschaftler die Begriffe sexuelle Gewalt zu definieren. Der §176 a) legt z. B. eine Altersbegrenzung von 14 Jahren fest. Doch die psychologische Entwicklung von Kindern ist individuell und kann nur schwer durch eine feste Altersbegrenzung festgelegt werden.
2. Art der sexuellen Handlung
Bei der Spezifizierung, welche Handlungen als sexuelle Gewalt definiert werden können, herrscht ebenfalls in der Forschungslandschaft Uneinigkeit. Der Hauptunterschied besteht zwischen sexuellen Handlungen mit Körperkontakt und sexuellen Handlungen ohne Körperkontakt, wie z.B. Exhibitionismus. Aufgrund dieser Divergenz, ist es momentan nicht möglich, sich auf eine universale Definition zu einigen.
3. Missachtung des kindlichen Willens
Manche Wissenschaftler versuchen, eine sexuelle Handlung dadurch zu definieren, dass sie gegen den Willen des Kindes erfolgt. Das Problem bei diesem Definitionskriterium ist, dass Kinder sexuelle Handlungen nicht als solche realisieren können, sodass sie nicht die Möglichkeit haben, dieser Handlung zuzustimmen bzw. sie abzulehnen. Einerseits hat das Kind diese Möglichkeit nicht aufgrund seines Entwicklungsstandes, andererseits verwendet der Täter bestimmte Strategien, auf die später noch spezifischer eingegangen wird, die eine bewusste Zustimmung zu sexuellen Handlungen unmöglich macht.
4. Sich sexuell missbraucht fühlen
Ein subjektives Gefühl als Definitionskriterium festzulegen ist meiner Meinung nach problematisch. Die Opfer sind häufig noch nicht in der Lage ihre Gefühle zu artikulieren. Das liegt einerseits am Entwicklungsstand des Kindes, andererseits auch daran, dass die Opfer ihre Erfahrungen aufgrund des Traumas gar nicht kommunizieren können. Solch ein Definitionskriterium entlastet meiner Meinung nach die Täter und verhindert die vollständige Aufklärung der Gewalt.
5. Zwang und Gewalt
In manchen Definitionen werden Handlungen dann als sexuelle Gewalt definiert, wenn von den Täter/innen Zwang und / oder Gewalt eingesetzt wird, um das Kind zu sexuellen Handlungen zu bringen. Das Kind istjedoch meist von den Täter/innen emotional abhängig, sodass die Täter/innen häufig gar keinen Zwang bzw. Gewalt anwenden müssen, um das Kind zu sexuellen Handlungen zu bringen. Daraus resultiert, dass dieses Definitionskriterium problematisch ist, weil Zwang und Gewalt meist nur von Täter/innen angewandt wird, die keine emotionale Beziehung zu ihrem Opfer haben und somit keine Vertrauensperson für das Kind darstellen. Das wiederum bedeutet, dass sexuelle Gewalt in der Familie durch dieses Definitionskriterium meist nicht erfasst werden kann.
6. Altersdifferenz zwischen Täter und Opfer
Um bestimmen zu können, ob sexuelle Handlungen freiwillig bzw. unfreiwillig praktiziert wurden, versuchen einige Wissenschaftler durch die Festlegung eines bestimmten Altersunterschiedes zwischen Täter und Opfer Klarheit zu erlangen.[11]
Beispielsweise „(...) wurde für Kinder bis zum 12. Lebensjahr ein Altersunterschied von 5 Jahren bestimmt (...)“.[12] Durch die Festlegung dieser Begrenzung können sexuelle Gewalthandlungen unter Gleichaltrigen nicht mehr erfasst werden.
Aus diesen Problematiken bezüglich der Festlegung von einheitlichen Definitionskriterien resultiert, dass es nie nur die eine Definition von sexueller Gewalt geben wird, die dann universal gültig ist. Um ein umfassendes Verständnis der Begrifflichkeiten zu erzielen, ist es wichtig, sich mit den unterschiedlichen Dimensionen und Definitionskriterien auseinanderzusetzen, um für sich selbst eine geeignete Vorstellung von den Begriffen zu entwickeln.
Sexuelle Gewalt istfür michjede Handlung, die einen sexuellen Charakter hat und nicht der Entwicklungsstufe eines Kindes entspricht. Da das Kind nicht in der Lage ist, wissentlich einer sexuellen Handlung zuzustimmen, ist sexuelle Gewalt zusätzlichjegliches Ausnutzen eines Autoritäts- und Machtverhältnisses, das darauf abzielt, das Kind zu sexuellem Körperkontakt zu zwingen, oder es in Situationen bringt, die einen sexuellen Charakter haben (Zeigen von pornographischen Material, Exhibitionismus etc.). Dabei spielt nicht der Altersunterschied zwischen Täter und Opfer eine Rolle, sondern es geht allgemein um die sexuelle Ausnutzung des Machtgefälles, egal ob das Kind vermeintlich der Handlung zustimmt und auch wenn keine psychologischen, kognitiven und emotionale Folgen daraus resultieren.
2.2. Arten sexueller Gewalt
Nachdem die Definitionsproblematik von sexueller Gewalt näher thematisiert wurde, soll nun versucht werden, die Thematik noch spezifischer zu erfassen.
Bisher wurde immer von sexueller Gewalt mit und ohne Körperkontakt gesprochen. Nun soll geklärt werden, was konkret damit gemeint wird.
1. Sexuelle Gewalt mit Körperkontakt
Damit sind alle sexuellen Handlungen gemeint, bei denen es zu einem körperlichen Kontakt zwischen den Täter/innen und dem Opfer kommt. Die Penetration, der orale und anale Geschlechtsverkehr sowie Berührungen der Genitalien zählen dazu. Bei sexueller Gewalt mit Körperkontakt müssenjedoch nicht immer die Täter/innen einen körperlichen Kontakt zu dem Kind aufbauen. Er/Sie kann das Kind auch zu sexuellen Kontakten mit anderen Personen, ebenso zu der Unzucht mit Tieren zwingen.[13]
2. Sexuelle Gewalt ohne Körperkontakt
Hier werden alle Handlungen eingeschlossen, bei denen es zu keinem direktem körperlichen Kontakt zwischen Täter/innen und Opfer kommt. Dazu gehören das Zeigen von pornographischem Material, Exhibitionismus sowie das Zuschauen bei sexuellen Handlungen.[14]
Insgesamt kannjede Art sexueller Gewalt für das Kind traumatisch sein und zu emotionalen, kognitiven und psychischen Folgen führen.
3. Problematiken im Umgang mit sexueller Gewalt in der Kinder- und Jugendhilfe
Die Kinder- und Jugendhilfe hat seit Oktober 2005 einen Kinderschutzauftrag zu erfüllen, der gesetzlich im§8 des KJHG fixiert wurde. In diesem Gesetz wird der Doppelcharakter der Kinder- und Jugendhilfe verdeutlicht. Denn einerseits hat sie die Aufgabe, Hilfen anzubieten und andererseits muss der Schutz des Kindeswohls gewährleistet werden. Im Folgenden wird der §8 des KJHG kritisch dargestellt, um sowohl die Möglichkeiten, als auch die Problematiken, die sich für die Kinder- und Jugendhilfe ergeben, näher zu erläutern.
Ein gesetzlicher Auftrag wirkt sich immer auf die Handlungen der Professionellen in den Institutionen aus, die versuchen, diesem Schutzauftrag nachzukommen. Aufgrund dessen folgt nach der kritischen Betrachtung des §8 des KJHG eine Darstellung der Problematiken der Professionellen im Umgang mit sexueller Gewalt, auf der Basis dieses Schutzauftrages.
3.1 Möglichkeiten und Grenzen §8 des KJHG
Das Jugendamt hat laut dem §8 des KJHG einen Schutzauftrag zu erfüllen, sobald Ansatzpunkte daraufhinweisen, dass eine Kindeswohlgefährdung vorliegen könnte. Die Einschätzung des Gefährdungsrisikos für das Kind / den Jugendlichen muss gemeinsam mit mehreren Fachkräften erfolgen. Des Weiteren sollte das Kind / der Jugendliche und die Erziehungsberechtigten in den Prozess der Festlegung des Gefährdungsrisikos mit einbezogen werden, soweit die Möglichkeit besteht. Darüber hinaus können Hilfen vom Jugendamt gewährt werden, wenn es diese für angemessen hält.
Sollte das Jugendamt der Ansicht sein, dass das Familiengericht hinzugezogen werden sollte, so setzt sich das Jugendamt umgehend mit dem Gericht in Verbindung, auch wenn die Erziehungsberechtigten nicht an der Festlegung des Gefährdungsrisikos mitwirken können. Liegt eine akute Kindeswohlgefährdung vor, hat das Jugendamt das Recht, das Kind / den Jugendlichen in Obhut zu nehmen, um so das Kindeswohl sichern zu können.
Sollten, um das Kindeswohl zu sichern, andere Institutionen hinzugezogen werden, kann das Jugendamt mit diesen nur in Kontakt treten, wenn die Erziehungsberechtigten dazu die Erlaubnis erteilen. Liegt eine akute Gefährdung des Kindeswohls vor, hat das Jugendamt auch hier das Recht, mit den zuständigen Institutionen ohne die Erlaubnis der Erziehungsberechtigten in Kontakt zu treten. Ebenso wie das Jugendamt haben die Fachkräfte der Träger und sozialen Dienste die Aufgabe, Anzeichen von Kindeswohlgefährdung zu erkennen und das Gefährdungsrisiko des Kindes, zusammen mit mehreren Fachkräften, einzuschätzen. Des Weiteren sollten die Erziehungsberechtigten sowie das Kind in den Prozess der Gefährdungseinschätzung involviert werden. Bei einer Kindeswohlgefährdung müssen die Träger und die sozialen Dienste umgehend das Jugendamt informieren, um Hilfen oder gar die Inobhutnahme des Kindes / des Jugendlichen abzusprechen.[15]
Dieser Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung eröffnet der Kinder- und Jugendhilfe eine große Chance für den Kinderschutz. Einerseits könnte durch die gesetzliche Fixierung des Schutzauftrages die Sensibilität für Kindeswohlgefährdungen in den Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe optimiert werden, sodass sich vermuten lässt, dass mehr Kindern geholfen werden kann. Andererseits sind durch den gesetzlichen Auftrag alle Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen verpflichtet, diesem Schutzauftrag nachzukommen, sodass angenommen werden kann, dass die Qualifikationen der Fachkräfte in Form von Supervision und Fortbildungen bezüglich des Kinderschutzes ansteigen werden und so zum einen eine Sensibilität der Fachkräfte geschaffen wird, zum anderen spezifische Leistungen zur Sicherung des Kindeswohls angeboten werden und die Qualität der Leistungen sich aufgrund der Qualifikation der Fachkräfte verbessern könnten. Durch die Sensibilität, könnten sich die Hilfsangebote in den Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe erweitern, sodass sich der Zugang zu Hilfen verbessert. Hinzu kommt, dass der Schutzauftrag, die enge Zusammenarbeit mit der Familie und dem Kind fördert.[16]
Der Kinderschutzauftrag ist, wie eben dargestellt, einerseits eine Chance der Kinder- und Jugendhilfe Einrichtungen, andererseits sind die Anforderungen an die Einrichtungen und an die Mitarbeiter gestiegen. Bei der Umsetzung des Gesetzes gibt es in der Praxis einige Probleme, sodass aus den Chancen gleichzeitig auch Problematiken entstehen können.
Eine Chance ist die Förderung der Sensibilität. Denn Sensibilität wird nicht durch eine gesetzliche Fixierung geschaffen, sondern kann durch Fortbildungen und Supervisionen gewährleistet werden. Informationen über die Thematik Kindeswohlgefährdung und Kindesschutz sind zwar hilfreich, doch solange nicht Maßnahmen zum konkreten Umgang besprochen werden, kann eine qualitative Hilfe nur schwer erreicht werden. Der §8 des KJHG fordert, dass das Jugendamt, bei sogenannten Anzeichen aktiv werden muss, um das Wohl des Kindes zu sichern. Doch um welche Anzeichen handelt es sich genau? Ab wann kann aus einem Verdacht ein Tatbestand werden? Genau diese Fragen müssen die Einrichtungen individuell beantworten sowie Lösungsstrategien entwickeln, um einen standardisierten Umgang bei einem Verdacht auf Kindeswohlgefahrdung, der für alle beteiligten Fachkräfte gilt, festlegen zu können.
Des Weiteren verdeutlicht dieser Gesetzestext auch das Spannungsverhältnis zwischen Familie und Jugendamt. Welche Anzeichen deuten konkret daraufhin, dass das Jugendamt das Recht hat, auch ohne die Erziehungsberechtigten, Hilfen oder gar Inobhutnahme zu veranlassen. Die enge Zusammenarbeit mit den Erziehungsberechtigten wird gefragt. Doch was genau kann eine Fachkraft tun, wenn z. B. sexuelle Gewalt innerhalb der Familie vorliegt?
Da der Familie eine fundamentale Aufgabe per Gesetz zugesprochen wird und weil man das Spannungsverhältnis zwischen Jugendamt und Familie zu umgehen versucht, kommt es häufig dazu, dass sich die Hilfen der Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen darauf konzentrieren, die Funktionalität der Familie wieder herzustellen, um dadurch das Kindeswohl sichern zu können. Doch gerade bei sexueller Gewalt in der Familie wird das Kindeswohl nicht gesichert und die sexuellen Gewalterfahrungen des Kindes verlängern sich.[17]
Daraus resultieren die Fragen: „Wann genau sollten die Erziehungsberechtigten in den Prozess der Festlegung des Gefährdungsrisikos mit einbezogen werden und wann nicht? Wann ist die Einbeziehung der Erziehungsberechtigten hinderlich, um das Kindeswohl zu sichern?“
Außerdem könnte sich durch die gesetzliche Fixierung die Chance ergeben, dass sich der Zugang zu Hilfen verbessert und ein spezifischeres Hilfsangebot für die Kinder und ihre Erziehungsberechtigten entwickelt wird. Der Kinderschutzauftrag wurde im Oktober 2005 gesetzlich festgelegt. Seitdem sind 7 Jahre vergangen und noch immer gibt es keine ausreichend spezifischen Hilfsangebote für die männlichen und sehr jungen Opfer sexueller Gewalt. Auch haben zahlreiche sozialen Dienste zwar die Thematik sexuelle Gewalt in ihrem Leistungsangebot mit aufgenommen, doch dabei beschränken sich viele Beratungsangebote auf allgemeine Informationen und das Beratungsgespräch mündet in der Weitervermittlung zu problemzentrierten Einrichtungen.[18]
Insgesamt kann man feststellen, dass durch die gesetzliche Fixierung des Kinderschutzauftrages sich für die Kinder- und Jugendhilfe zahlreiche Chancen ergeben können, aber gleichzeitig auch
Problematiken bei der konkreten Umsetzung dieses Gesetzes in die Praxis erkennbar sind. Daraus resultiert, dass ein Gesetz allein nicht ausreichend ist, um die Sensibilität, die Qualität und das Angebot der Leistungen bezüglich des Kinderschutzes zu erhöhen, sondern, dass sichjede Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe individuell mit dem Gesetzesauftrag auseinandersetzen muss, um allgemein gültige Standards festlegen zu können, sodassjeder Mitarbeiter über konkrete Handlungskonzepte bei einem Verdacht auf Kindeswohlgefährdung verfügt.
3.2. Problematiken der Fachkräfte im Umgang mit sexueller Gewalt
Die Umsetzung des Gesetzesauftrages erfolgt durch die Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen. Sie haben somit die Verantwortung und gleichzeitig auch den Handlungsdruck, die gesetzlichen Bestimmungen zu erfüllen sowie das Kindeswohl zu sichern.
Die Sicherung des Kindeswohls ist eine Herausforderung an die Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen. Im Folgenden werden die Problematiken der Fachkräfte im Umgang mit sexueller Gewalt näher in den Fokus gestellt, um sowohl die Grenzen, als auch die Möglichkeiten bezüglich der Kindeswohlsicherung verdeutlichen zu können.
1. Unkenntnis über die Dynamik und die Folgen sexueller Gewalt
Trotz zahlreicher Fortbildungen und Supervisionen in der Kinder- und Jugendhilfe zu der Thematik sexueller Gewalt, können in der Praxis große Unsicherheit und Unwissenheit bezüglich der Dynamik und den Folgen sexueller Gewalt festgestellt werden. Besonders auffällig ist dabei, dass die Verhaltensauffälligkeiten der potentiellen Opfer, wie z.B. sexualisiertes Verhalten, zwar als auffällig wahrgenommen werden, aber nur selten von den Fachkräften mit möglichen sexuellen Gewalterfahrungen in Verbindung gebracht werden. Dass die Ursachen für bestimmte Verhaltensauffälligkeiten, die auf sexuelle Gewalterfahrungen hindeuten, so häufig außer Acht gelassen werden, zeigt, dass viele Fachkräfte aufgrund mangelnder Berücksichtigung der Thematik innerhalb der Ausbildung und Weiterbildungsmaßnahmen die Hilfebedürftigkeit betroffener Mädchen und Jungen häufig nicht wahrnehmen. Ebenfalls lässt sich Unwissenheit bezüglich der geschlechtsspezifischen Verarbeitungsstrategien und Wahrnehmungsmuster erkennen. Mädchen mit sexuellen Gewalterfahrungen zeigen meist autoaggressive Tendenzen, erleiden häufiger psychosomatische Krankheiten und verhalten sich eher zurückhaltend, sodass sie schnell als Opfer sexueller Gewalt übersehen werden können, weil die Verhaltensauffälligkeiten schwer festzustellen sind. Die Jungen verhalten sich meist aggressiv und Verhaltensauffälligkeiten werden aufgrund von delinquenten Verhalten zwar wahrgenommen, doch wegen der geschlechtsspezifischen Wahrnehmung von Jungen meist nicht mit sexuellen Gewalterfahrungen in Verbindung gebracht.[19] „Das gesellschaftliche Bild von Männlichkeit, das sich durch Stärke, Unabhängigkeit und Macht auszeichnet, verhindertjedoch, dass Jungen auch als Opfer, die nicht Gewalt ausüben, sondern Gewalt erleiden, in den Blick kommen.“[20]
Sexuelle Gewalt wurde und wird häufig nicht wahrgenommen, aufgrund des vorherrschenden Verständnisses von Gewalt. Fachkräfte assoziieren Gewalt, hauptsächlich mit sichtbarer körperlicher Misshandlung. Bei sexueller Gewalt allerdings, lassen sich meist keine physischen Verletzungen feststellen, sodass die Glaubhaftigkeit der Opfer in Frage gestellt werden kann.[21]
Insgesamt zeigt sich, dass der Aufklärungsbedarf bezüglich der Dynamiken und Folgen sexueller Gewalt wichtig ist, damit die Opfer nicht länger übersehen werden, sondern ihnen Hilfen angeboten werden können, um den Gesetzesauftrag zu erfüllen und damit das Kindeswohl zu sichern. Mehr Aufklärung könnte somit die Fallzahlen der Opfer sexueller Gewalt reduzieren und gleichzeitig ein bedarfsgerechtes Hilfsangebot für die Opfer entwickeln. Eventuell werden durch die Aufklärung auch mehr Opfer motiviert, Hilfen in Anspruch zu nehmen und über ihre Gewalterfahrungen zu sprechen, sodass sich die Dunkelfeldzahlen verringern könnten.
2. Subjektive Wahrnehmung der Fachkräfte
Obwohljede pädagogische Fachkraft versucht, einen Fall objektiv zu beurteilen, spielen im Arbeitsalltag auch immer subjektive Wahrnehmungsmuster eine bedeutende Rolle. Damit sind gesellschaftliche Annahmen und Mythen gemeint, die die meisten Menschen für allgemeingültig halten und nicht hinterfragen, weil diese Annahmen internalisiert wurden.
Gerade bei der Arbeit mit Jungen, die Opfer sexueller Gewalt geworden sind, könnten diese subjektiven Wahrnehmungsmuster hinderlich sein, um einerseits den Jungen als Opfer sexueller Gewalt wahrnehmen zu können und andererseits, um ihm spezifische Hilfen zukommen zu lassen. Vor allem im Bereich der männlichen Sexualität sind die Mythen weit verbreitet, sodass die Fachkräfte einen Fall eventuell eher subjektiv, als objektiv beurteilen.
Jos van den Broek stellt die zentralen Mythen bezüglich der männlichen Sexualität vor und verdeutlicht, dass diese gesellschaftlichen Annahmen bei der Aufdeckung sexueller Gewalt an
Jungen hinderlich sind.
1. Männer haben immer und überall Lust und Geschlechtsverkehr endet immer mit dem Samenerguss.
2. Eine Erektion zu haben, bedeutet Lust zu empfinden
3. Männer ergreifen in der Liebe immer die Initiative und übernehmen die Führung.[22]
Aus diesem Bild der Männlichkeit ergibt sich, dass man sich bei einem Jungen oder einem Mann nicht vorstellen kann, dass er sexuelle Kontakte nicht auf freiwilliger Basis eingegangen ist. Daraus wiederum resultiert, dass ein Junge oder ein Mann nicht als Opfer wahrgenommen werden kann, denn dieses würde dem Bild von Männlichkeit widersprechen. Es zeigt sich, dass die traditionellen Rollenvorstellungen häufig noch die Wahrnehmungsmuster der Menschen und Fachkräfte bestimmen und somit eine objektive Fallwahrnehmung häufig nicht möglich ist.[23] Eine weitere gesellschaftliche Annahme, aufgrund der traditionellen Rollenmuster, ist, dass Frauen Kinder generell keine sexuelle Gewalt erleiden lassen. Frauen lieben Kinder, sind fürsorglich, warmherzig und immer liebevoll zu Kindern. Das auch Frauen Kindern Gewalt antun können, wird häufig nicht geglaubt.[24]
Insgesamt wird deutlich, dass sich die Fachkräfte häufig von traditionellen Rollenmustern und subjektiven, gesellschaftlich allgemeingültigen Mythen leiten lassen, die die Arbeit mit Opfern sexueller Gewalt und auch die Aufdeckung der Gewalt behindern könnte. Das bedeutet, dass nicht nur eine Aufklärung über die Dynamiken und Folgen sexueller Gewalt erfolgen muss, sondern dass man damit beginnen könnte, die eigenen Annahmen und Wahrnehmungsmuster zu reflektieren, um eine objektivere und professionelle Arbeit gewährleisten zu können.
3. Vernetzungsproblematik
Wenn sich ein Opfer mit sexuellen Gewalterfahrungen dazu entscheidet, Hilfen in Anspruch zu nehmen, ist es nicht selten, dass die Betroffenen von Institution zu Institution weitergereicht werden. Das liegt einerseits daran, dass viele Dienste der Kinder- und Jugendhilfe, zwar in ihrer Leistungsbeschreibung angeben, dass sie Hilfen für Opfer mit sexuellen Gewalterfahrungen anbieten, allerdings meist nur über allgemeines Informationsmaterial verfügen sowie die Betroffenen häufig an andere Institutionen weiterleiten.
[...]
[1] Gahlleitner; Silke-Brigitta (2000): Sexueller Missbrauch und seine geschlechtsspezifischen Auswirkungen. Marburg , Tectum Verlag S. 16-17.
[2] Anhang S. 1
[3] Julius, Henri ; Boehme Ulfert (1997): Sexuelle Gewalt gegen Jungen: Eine kritische Analyse des ForschungsstandesVerlag für Angewandte Psychologie; Auflage: 2. S. 16 - 17.
[4] Julius, Henri ; Boehme Ulfert (1997): Sexuelle Gewalt gegen Jungen: Eine kritische Analyse des Forschungsstandes.Verlag für Angewandte Psychologie; Auflage: 2. S. 18 - 23.
[5] Damrow, Miriam: Sexueller Kindesmissbrauch (2006): Eine Studie zu Präventionskonzepten, Resilienz und erfolgreicher Intervention . Juventa Verlag Weinheim und München. S. 47
[6] Strafgesetzbuch. 13. Abschnitt - Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung: §176a Schwerer sexueller Missbrauch von Kindern. In: http://deiure.org/gesetze/StGB/176.html am 27.08.2012 um 14:20 Uhr.
[7] Strafgesetzbuch. 13. Abschnitt - Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung: §176a Schwerer sexueller Missbrauch von Kindern. In: http://deiure.org/gesetze/StGB/176.html am 27.08.2012 um 14:20 Uhr.
[8] Julius, Henri ; Boehme Ulfert (1997): Sexuelle Gewalt gegen Jungen: Eine kritische Analyse des ForschungsstandesVerlag für Angewandte Psychologie; Auflage: 2. S. 20.
[9] Julius, Henri ; Boehme Ulfert (1997): Sexuelle Gewalt gegen Jungen: Eine kritische Analyse des ForschungsstandesVerlag für Angewandte Psychologie; Auflage: 2. S. 22.
[10] Kindler/Lillig/Blüml/Meyer/Werner (Hg) (2006): Handbuch Kindeswohlgefahrdung nach $1666 und Allgemeiner Sozialer Dienst (ASD) München: Verlag Deutsches Jungendinstitut. Unterstaller Adelheid: Was ist unter sexuellem Missbrauch zu verstehen.
[11] Deegener, Günther: Kindesmissbrauch: Erkennen - helfen - vorbeugen. Beltz Verlag, Weinheim und Basel 1998. S. 21
[12] Siehe Fußnote 8
[13] Elliot, Michele (1995): Frauen als Täterinnen sexuellen Missbrauchs an Mädchen und Jungen
[14] Siehe Fußnote 10
[15] Achtes Buch Sozialgesetzbuch - Kinder- und Jugendhilfegesetz: §8a Schutzauftrag bei Kindeswohlgefahrdung. http://dejure.org/gesetze/SGB_VIII/8a.html Stand: 23.07.2012 um 15:30 Uhr.
[16] Kinderschutz - Zentrum Berlin , Kohaupt Georg: „Expertise zum Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung aus Sicht eines Mitarbeiters der Kinderschutz- Zentren. Münster, Institut für soziale Arbeit e.V. 2006
[17] Weber, Monika; Rohleder, Christiane (1995): Sexueller Missbrauch Jugendhilfe zwischen Aufbruch und Rückschritt. Münster. Votum Verlag S. 44 - 45.
[18] Weber, Monika; Rohleder, Christiane (1995): Sexueller Missbrauch Jugendhilfe zwischen Aufbruch und Rückschritt. Münster. Votum Verlag, S.55.
[19] Weber, Monika; Rohleder, Christiane (1995): Sexueller Missbrauch Jugendhilfe zwischen Aufbruch und Rückschritt. Münster. Votum Verlag, S. 40
[20] Weber, Monika; Rohleder, Christiane (1995): Sexueller Missbrauch Jugendhilfe zwischen Aufbruch und Rückschritt. Münster. Votum Verlag, S. 40
[21] Weber, Monika; Rohleder, Christiane (1995): Sexueller Missbrauch Jugendhilfe zwischen Aufbruch und Rückschritt. Münster. Votum Verlag, S.41
[22] Jos van den Broek ( 1996): Verschwiegene Not: Sexueller Missbrauch an Jungen. Kreuz-Verlag. 3. Auflage S. 15.
[23] Jos van den Broek ( 1996): Verschwiegene Not: Sexueller Missbrauch an Jungen. Kreuz-Verlag. 3. Auflage S.15. ff.
[24] Enders, Ursula ( 2003): Zart war ich, bitter war's. Handbuch gegen sexuellen Missbrauch. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln . S 50
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- Laura Pätzold (Author), 2012, Sexuelle Gewalt an Jungen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/203243
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