„Auf der Rückseite [unserer Fahne] aber ist um einen Eichbaum herum der Wahlspruch geschrieben, der unsere Losung bleiben soll: Ost und West – In Treue fest“
Das zitierte Credo des masurischen Gelsenkirchener Pfarrers Otto Mückeley kann als repräsentativ für die große Emphase zwischen West- und Ostdeutschen gelten, die in den Abstimmungskämpfen des Versailler Vertrages beschworen wurde. Rund zwei Jahrzehnte später sollte es diesbezüglich zum Härtetest kommen. Die Vertreibung von 15 Millionen Deutschen aus Mittel- und Osteuropa zum Ende des Zweiten Weltkrieges zwang zu einem gemeinsamen Neuanfang im Westen. Die Umstände der militärischen und moralischen Niederlage, der Zerstörung und Not auch in Westdeutschland waren dafür alles andere als optimal.
Diese Abschlussarbeit des Magisterstudiums der Neueren Geschichte soll für das Gebiet Nordrhein-Westfalen die politische Integration von West- und Ostdeutschen untersuchen. Am Beispiel des nordrhein-westfälischen Landesverbandes der unfreiwilligen Vertriebenenpartei „Block der Heimatvertriebenen und Entrechteten“ (BHE), später „Gesamtdeutscher Block“, sollen die Mechanismen und Schwierigkeiten der politischen Tätigkeit vertriebener Ostpreußen, Pommern oder Schlesier an Rhein und Ruhr analysiert und zu einem Bild zusammengefügt werden. Da das Untersuchungsgebiet kein souveräner Staat ist, muss eine zeitgeschichtliche Untersuchung den übergeordneten Referenzrahmen beachten. Daher werden auch Aspekte der Entwicklung in der Britischen Besatzungszone, der Bizone und der Bundesrepublik Deutschland in die Betrachtung einbezogen.
Auf der Basis von Vorüberlegungen soll die Arbeit folgende Fragen beantworten:
1. In welchem politischen Umfeld mussten Heimatvertriebene in Rheinland und Westfalen agieren?
2. Wie ist das Verbandswesen entstanden und welche Auswirkungen hat es auf den (partei-)politischen Erfolg der Vertriebenen gehabt?
3. Welche Rolle spielten die Parteien CDU/CSU, SPD und FDP im ersten Nachkriegsjahrzehnt für die Vertriebenen? Wie hat sich ihr zeitlicher Vorsprung gegenüber einer eigenen Vertriebenenpartei ausgewirkt?
4. Woran scheiterte der BHE in Nordrhein-Westfalen?
5. Wie hat der BHE-Landesverband die Geschichte der Gesamtpartei und die Geschichte der Vertriebenen des Landes Nordrhein-Westfalen beeinflusst?
INHALTSVERZEICHNIS
1. Einleitung
2. Das Ende an Oder und Pregel
3. Der Neuanfang an Rhein und Ruhr
3.1. Entstehung und Anfänge des Landes Nordrhein-Westfalens
3.2. Der ostdeutsche Bevölkerungsanteil im westdeutschen Land
3.3. Die Wieder- und Neugründung der Parteien und die Landtagswahl 1947
4. Entstehung der Verbände
4.1. Verlorene Jahre, verlorenes Vertrauen: Das Koalitionsverbot
4.2. Georg Goebel: Der große Vertriebenenpolitiker für Nordrhein-Westfalen?
4.3. „Fern, doch treu“ - Die Entstehung von Landsmannschaften und VOL
4.4. Der Landesbeirat - Aktive Integration oder entmündigende Abhängigkeit?
4.5. Die umkämpfte Gründung des Landesverbandes der Ostvertriebenen
5. Die Parteien und die Deutschen aus dem Osten
5.1. Weltanschauliche Nähe, menschliche Distanz? Die junge CDU und „ihre“ Vertriebenen
5.2. Sozialdemokratische Sandkastenspiele und liberale Verbandsferne - Die holprigen Anfänge der Vertriebenenpolitik von SPD und FDP
5.3. Die Vertriebenen und die Bundestagswahl 1949
5.4. Die NRW-Landtagswahl 1950 und Goebels Abgang
6. Der BHE und das Land im Westen
6.1. Soziales Gewissen (nur) der Einheimischen? Die Landesvertriebenenpolitik zwischen Umsiedlung und Lastenausgleich
6.2. Entstehung des Blockes und Erfolge in den Ländern
6.3. Die „Soziale Mitte“ auf dem Weg in die Bundesregierung
6.4. „Fußkranker der Bundespartei“? Der Landesverband NRW unter Ernst Turmann
7. Spaltungen in Bonn, Scheitern in Düsseldorf
7.1. „Diese ewigen Quertreibereien“ - Die Kämpfe zwischen den Verbänden
7.2. Die gesamtdeutsche Karte: Spaltung statt Aufbruch
7.3. Im Rennen die Pferde wechseln Rücktritte Turmanns und Krafts und der Parteiwechsel Kathers
7.4. Der Kampf um den Landtagseinzug
7.5. Von Scheitern in NRW zum Austritt der „K.O.-Gruppe“
8. Ergebnis und Ausblick
9. Quellen- und Literaturverzeichnis
1. Einleitung
„ Auf der Rückseite [unserer Fahne] aber ist um einen Eichbaum herum der Wahlspruch geschrieben, der unsere Losung bleiben soll: Ost und West - In Treue fest “1
Das zitierte Credo des masurischen Gelsenkirchener Pfarrers Otto Mückeley kann als repräsentativ für die große Emphase zwischen West- und Ostdeutschen gelten, die in den Abstimmungskämpfen des Versailler Vertrages beschworen wurde. Rund zwei Jahrzehnte später sollte es diesbezüglich zum Härtetest kommen. Die Vertreibung von 15 Millionen Deutschen aus Mittel- und Osteuropa zum Ende des Zweiten Weltkrieges zwang zu einem gemeinsamen Neuanfang im Westen. Die Umstände der militärischen und moralischen Niederlage, der Zerstörung und Not auch in Westdeutschland waren dafür alles andere als optimal.
Diese Abschlussarbeit des Magisterstudiums der Neueren Geschichte soll für das Gebiet Nordrhein-Westfalen die politische Integration von West- und Ostdeutschen untersuchen. Am Beispiel des nordrhein-westfälischen Landesverbandes der unfreiwilligen2 Vertriebenenpartei „Block der Heimatvertriebenen und Entrechteten“ (BHE), später „Gesamtdeutscher Block“, sollen die Mechanismen und Schwierigkeiten der politischen Tätigkeit vertriebener Ostpreußen, Pommern oder Schlesier an Rhein und Ruhr analysiert und zu einem Bild zusammengefügt werden. Da das Untersuchungsgebiet kein souveräner Staat ist, muss eine zeitgeschichtliche Untersuchung den übergeordneten Referenzrahmen beachten. Daher werden auch Aspekte der Entwicklung in der Britischen Besatzungszone, der Bizone und der Bundesrepublik Deutschland in die Betrachtung einbezogen. Der Betrachtungszeitraum 1945 bis 1955 ergibt sich aus dem Beginn der Vertreibung in den letzten Kriegsmonaten einerseits und Austritt der Bundesminister Waldemar Kraft und Theodor Oberländer aus dem BHE anderseits. Dieser kann rückblickend als endgültige Entscheidung gegen eine bedeutende Vertriebenenpartei im westdeutschen Parteienspektrum und insofern als diesbezüglicher geschichtlicher Wendepunkt gewertet werden.
Bei der Erstellung der Arbeit wird von zwei grundlegenden Überlegungen ausgegangen:
I. In den letzten Jahren und Jahrzehnten hat sich der Trend herausgebildet, die Vertriebenenthematik im Rahmen der Migrations- und Integrationsforschung anzusiedeln. Das scheint eher dem heutigen Zeitgeist zu entsprechen als der damaligen Ausgangssituation. Zwar waren die Ostdeutschen gewandert und es stellte sich bei ihnen auch die Frage nach sozialer und wirtschaftlicher Eingliederung. Jedoch handelte es sich nicht um einen Migrationsvorgang zwischen zwei Staaten, beim Schwerpunkt dieser Arbeit nicht einmal zwischen zwei Ländern. Für die Bundesregierung als Rechtsnachfolger des Deutschen Reiches sowie für Nordrhein- Westfalen als Teilrechtsnachfolger Preußens handelt es sich gerade bei Ostpreußen oder Pommern (im Unterschied zu anderen Vertriebenen) um Staatsvolk, das gleichberechtigt mit Rheinländern oder Westfalen im gemeinsamen verkleinerten Staat und Land lebte. Diese Definition vertrat auch die offizielle Bundesrepublik in ihrem Grundansatz, sich als der „freie Staat für alle Deutschen“ zu definieren, juristisch manifestiert durch das Grundgesetz. (Art. 116, Art. 146). Da die Vertreibung zudem mit dem Ende der bis dato gemeinsamen staatlichen Strukturen in Herkunfts- als auch Zielregion zeitlich und kausal zusammenhing, ist es verfehlt, die Frage der politischen Zusammenarbeit in der Folge im Rahmen einer Eingliederungsaufgabe zu beleuchten. Letztlich würde das eine unzulässige Analogie zur wirtschaftlichen und sozialen Eingliederung darstellen, somit zu einer Entpolitisierung führen und damit die Fragestellung ad absurdum führen. Die Perspektive der damals handelnden Akteure ist immer zu berücksichtigen, darf aber die historische Analyse nicht bestimmen. Eben weil zeitgenössisch in weiten Teilen der autochthonen Bevölkerung eine „Eingliederungshaltung“ auch in politischer Hinsicht vorherrschte, ist diese Arbeit spannend und nötig.
II. Die besonderen Umstände der ersten Jahre im Westen führen dazu, dass eine Untersuchung zum Einfluss des BHE und anderer vertriebener Politiker im öffentlichen Leben sich von anderen derartigen Analysen grundlegend unterscheidet. Neben der Besonderheit der Situation insgesamt ist hier vor allem das sog. „Koalitionsverbot“ zu beachten. Es muss nicht nur in seiner direkten Wirkung auf das politische Klima zwischen den Beteiligten sondern auch in seinen Auswirkungen auf die parteipolitische Entwicklung innerhalb des Milieus betrachtet werden. Insbesondere macht es eine Darstellung der Vertriebenenpolitik der anderen wichtigen Parteien nötig, die sich durch die Ausschaltung einer themenspezifischen Konkurrenz in der Situation sahen, ein Vakuum füllen zu können. Zudem ist bei diesem Klientel ein großes Augenmerk auf das politische Vorfeld zu richten. Das ebenso komplexe wie mitgliederstarke Verbandswesen der Vertriebenen, dessen Besonderheiten nur durch eine Darstellung seiner Entstehung nachvollziehbar sind, übersteigt die Bedeutung üblicher Pressure Groups auf politische Parteien. Manche Historiker vergleichen es in den frühen Jahrzehnten der Bundesrepublik sogar mit dem Einfluss der Gewerkschaften auf die SPD.3 Diese Aspekte führen insgesamt zu der Besonderheit, dass sich weite Teile der Arbeit nicht direkt mit dem BHE beschäftigen. Sie stellen aber gleichwohl Faktoren dar, die für den (Miss-)Erfolg der Vertriebenenpartei mitunter mehr Bedeutung haben als Details der parteiinternen Entwicklung.
Auf der Basis dieser Vorüberlegungen soll die Arbeit folgende Fragen beantworten:
1. In welchem politischen Umfeld mussten Heimatvertriebene in Rheinland und Westfalen agieren?
2. Wie ist das Verbandswesen entstanden und welche Auswirkungen hat es auf den (partei-)politischen Erfolg der Vertriebenen gehabt?
3. Welche Rolle spielten die Parteien CDU/CSU, SPD und FDP im ersten Nachkriegsjahrzehnt für die Vertriebenen? Wie hat sich ihr zeitlicher Vorsprung gegenüber einer eigenen Vertriebenenpartei ausgewirkt?
4. Woran scheiterte der BHE in Nordrhein-Westfalen?
5. Wie hat der BHE-Landesverband die Geschichte der Gesamtpartei und die Geschichte der Vertriebenen des Landes Nordrhein-Westfalen beeinflusst?
Die Beantwortung dieser Fragen macht eine Untersuchung recht verschiedener und auf den ersten Blick inhaltlich autarker Teilbereiche nötig. Hierbei wird eine grundsätzliche chronologische Darstellung gewählt, von der wegen der zeitlichen Überschneidung von inhaltlichen Handlungssträngen teilweise abgewichen werden muss.
Forschungslage
Die Untersuchung erfolgt in weiten Teilen auf der Basis vorhandener Literatur. Die Forschungslage zu dem Detailthema ist zwar überschaubar, allerdings haben die vorhandenen Monographien Unterthemen der Arbeit bereits überzeugend und umfassend erforscht. Das gilt für die 1968 von Franz Neumann vorgelegte Parteigeschichte des „Gesamtdeutschen Blockes (BHE)“4 ebenso wie für die Habilitationsschrift Matthias Sticklers5 von 2004, mit der erstmals die gesamte Geschichte der Vertriebenenverbände bis 1972 dargestellt und analysiert wurde. Für Nordrhein-Westfalen und begrenzt auf den Zeitraum bis 1954 hat Klaus Dieter Steinert 1986 eine ähnliche Studie vorgelegt.6 Stickler und Steinert widmen jeweils ein eigenes Kapitel dem Einfluss von Verbänden und Verbandsführern auf die Parteien. Die Anfänge der Landsmannschaften wurde von Bernd Sonnewald erforscht7, Informationen zu sämtlichen Teilbereichen der Thematik bietet auch die dreibändige Studie von Lemberg und Edding, die bereits Ende der 1950er Jahre entstanden ist.8 Zudem liegen Einzelstudien zum parteipolitischen Einfluss der Vertriebenen vor.
Desiderate der Forschung sind hingegen die nordrhein-westfälische Vertriebenenpolitik und die Geschichte des nordrhein-westfälischen BHE. Hier stehen lediglich Eigen- veröffentlichungen des Landes zur Verfügung, die verständlicherweise zu einer idealisierten Darstellung der Integrationsleistung neigen.9 So wird die mangelnde Durchschlagskraft des BHE-Landesverbandes hier als logische Folge der vorbildlichen wirtschaftlichen Eingliederung verkürzt. In diesem Bereich hielt es der Verfasser daher für nötig, quellengestützt zu arbeiten. Neben dem Nachlass des ersten Landesvorsitzenden Ernst Turmann und anderer BHE-Politiker sowie der „Sammlung Hüttenberger“ im Landesarchiv Nordrhein-Westfalens (vormaliges Hauptstaatsarchiv) waren das die Kabinettsakten sowie Stenographische Berichte der Parlamentsdebatten des Landes. Als eine besonders wertvolle Quelle, aber auch als interpretatorische Herausforderung können die Erinnerungen des bekannten Vertriebenenpolitikers Linus Kather gelten.10 Kather bietet eine Fülle von Informationen und Dokumenten, da er allerdings Betroffener und zudem ein kontroverser und äußerst kritischer Geist war, ist jede seiner Aussagen auch vor dem Hintergrund persönlicher Erfahrungen und Enttäuschungen zu bewerten.
Terminologie
Die Wortwahl, auf die in dieser Arbeit zurückgegriffen wird, entspricht dem gültigen Bundesvertriebenengesetz. Demnach ist Heimatvertriebener, wer „ am 31. Dezember 1937 oder bereits einmal vorher seinen Wohnsitz in dem Gebiet hatte, aus dem er vertrieben worden ist (Vertreibungsgebiet); die Gesamtheit der Gebiete, die am 1. Januar 1914 zum Deutschen Reich oder zurösterreichisch-Ungarischen Monarchie oder zu einem späteren Zeitpunkt zu Polen, zu Estland, zu Lettland oder zu Litauen gehört haben, gilt als einheitliches Vertreibungsgebiet. “11 Mit dem Begriff „Heimatvertriebener“ oder dem Überbegriff „Vertriebener“ ist damit die zu untersuchende Gruppe umfassend und eindeutig definiert. Aus Variationsgründen wird zudem die geographische Einordung der Vertreibungsgebiete als „ostdeutsch“ verwendet. Hiermit sind ausdrücklich nicht die nach den Grenzen der Bundesrepublik Deutschland von 1990 als ostdeutsch anzusehenden Regionen Vorpommern, Brandenburg oder Sachsen zu verstehen. Die von dort stammenden DDR- Flüchtlinge sind ebenfalls nach dem Bundesvertriebenengesetz12 von den Heimatvertriebenen zu unterscheiden. Zeitgenössische Formulierungen wie „Ostvertriebener“, „Flüchtling“ oder „Ostflüchtling“ sollen daher wegen ihrer fehlenden Eindeutigkeit vermieden werden. Wo sie als Bestandteil von Zitaten dennoch vorkommen, sollte die damit gemeinte Gruppe aus dem Zusammenhang ersichtlich sein.
Die autochthone Bevölkerung Westdeutschlands wird häufiger zur Vereinfachung als „einheimisch“ bezeichnet, da die damit einhergehende Bezeichnung der Vertriebenen als „auswärtig“ wie oben beschrieben nicht durch eine fremde Staatszugehörigkeit gerechtfertigt ist, wird der Begriff stets in Anführungszeichen verwendet. Weitere Anführungszeichen werden bei heute unbekannten zeitgenössischen Begriffen bei deren ersten Nennung verwendet. Orts- und Provinzbezeichnungen in den ehemaligen deutschen Ostgebieten werden nur mit dem deutschen Namen bezeichnet. Ihre Nennung betrifft in der Regel die Herkunft der Akteure aus einer Zeit, in der die Regionen Bestandteil des deutschen Staatsverbandes waren. Die Schreibweise nach dem deutsch-polnischen Grenz- und Nachbarschaftsvertrag von 1991, nach der die Bezeichnung in der deutschen Sprache unter zusätzlicher Nennung des polnischen Namens erfolgen sollte, wird daher nicht angewendet.
2. Das Ende an Oder und Pregel
Die tieferen Ursachen der Vertreibung der Deutschen aus den Ostgebieten des Deutschen Reiches, der Tschechoslowakei und aus Polen, sowie aus weiteren mittel- und osteuropäischen Staaten sind die Idee ethnischer Grenzbegradigungen und der Expansionsdrang der europäischen Staaten des 20. Jahrhunderts. Ihre Wurzel haben diese beiden Entwicklungen im Nationalismus des „langen 19. Jahrhunderts“. Nach der Französischen Revolution und dem Ende alter Ordnungen in weiten Teilen Europas hatten zahlreiche Vordenker gerade in deutschen Landen den Boden einer neuen Zeit bereitet. Sie hießen Johann Gottfried Herder, Johann Gottlieb Fichte, Friedrich Ludwig Jahn oder Heinrich Luden und sahen nicht mehr die eher zufällige Territorialherrschaft von Dynastien und Adelshäusern als die von Gott gegebene Ordnung an. Stattdessen sollte jedes Volk künftig selbst über seine Geschicke bestimmen. Heinrich Luden ist hierbei der Erste, vom dem der Gedanke überliefert ist, dass zunächst „Grenzbereinigungen“ und Umsiedlungen nötig seien, um einheitliche Völker zu schaffen. Auch wenn Luden diese Methode als grausam verwarf13, blieb sie in den Hinterköpfen der Staatsmänner und deren Berater. Da diese den jeweils eigenen Staat nicht nur ethnisch homogen, sondern auch größtmöglich konzipierten, waren Konflikte vorprogrammiert. Nachdem das Revolutionsjahr 1848 die territorialen Interessengegensätze Mitteleuropas erstmals deutlich dokumentierte14, war die zweite Hälfte des Jahrhunderts von großräumigen Gebietsträumen geprägt.15
Der Erste Weltkrieg öffnete dann die Büchse der Pandora von Grenzkonflikten im östlichen Mitteleuropa. Die mit dem Wiedererstehen des polnischen Staates, der Niederlage des Deutschen Reichs und dem Zerfall der Großmächte Russland, Österreich-Ungarn und Osmanisches Reich aufbrechenden Volkstumskämpfe vermochte die Pariser Friedensordnung von 1919 nicht nachhaltig zu befrieden. Als besonders fatal erwies sich jedoch der 1921 in Lausanne vereinbarte Friedensvertrag der Westmächte mit der Türkei. Denn dieser war er mit einem griechisch-türkischen Abkommen zum Bevölkerungsaustausch verbunden. Im zeitgenössischen Glauben, durch „ Entmischung der Bevölkerung Kriege zu vermeiden “16, sanktionierte sogar der Völkerbund als Vorläuferorganisation der Vereinten Nationen den Bevölkerungsaustausch. Die Folge war nicht nur, dass 1,2 Millionen Griechen und 400.000 Türken ihre Heimat verloren, sondern auch, dass den Staatsmännern der konkurrierenden Nationen eine offizielle Legitimation der Sichtweise gegeben wurde, „ Minderheitenprobleme lie ß en sich wirkungsvoll durch Umsiedlung “17 lösen. Entsprechend verhielten sich verschiedene Staaten bereits in der Zwischenkriegszeit. So konnten auch weder die deutsch- polnischen Grenzkonflikte18 noch die Lage der „Sudetendeutschen“19 in der Tschechoslowakei einer friedlichen Lösung zugeführt werden.
Den Anlass zur blutigen Verwirklichung der gegenseitigen Vertreibungskonzepte bot dann der Zweite Weltkrieg, den das Deutsche Reich mit dem Angriff auf Polen 1939 auslöste. Die Besetzung des polnischen Staates durch Wehrmacht und Rote Armee ging mit radikalen bevölkerungspolitischen Maßnahmen einher. Im deutschen Machtbereich wurde neben der Vertreibung und Verfolgung polnischer und jüdischer Bevölkerung eine unfreiwillige Umsiedlung deutscher Volksgruppen aus dem Baltikum, der Ukraine und sogar aus Südtirol
Grundbedingungen für das Bestehen des polnischen Staates . “ Zit. n. Arnold, Georg: Gustav Stresemann und die Problematik der deutschen Ostgrenzen, Frankfurt a.M. 2000. in das (wieder)eroberte einstige Großherzogtum Posen durchgeführt, das den Propagandanamen „Wartheland“ erhielt. Nach dem Angriff auf die Sowjetunion im Juni 1941 sollte nach den Planungen des nationalsozialistischen Regimes ein weitaus großräumigeres Vertreibungs- und Umsiedlungskonzept unter dem Titel „Generalplan Ost“ folgen. Durch den Kriegsverlauf trat jedoch das Gegenteil ein: Statt den geplanten neuen deutschen Siedlungsgebieten in Osteuropa wurden die Deutschen aus dem östlichen Mitteleuropa gewaltsam entfernt. Denn das sowjetische Regime unter Josef Stalin wechselte nach dem Angriff des zuvor verbündeten Deutschen Reiches zwar das Bündnis und schloss sich mit den angelsächsischen Westmächten zusammen, behielt aber sein Kriegsziel der Expansion nach Westen bei. Mindestens die im polnisch-sowjetischen Krieg 1921 verlorenen Gebiete sollten bis zur sog. „Curzon-Linie“20 zurückgewonnen werden. Um den sowjetischen Machtbereich abzusichern, sollte Nachkriegspolen zum einen im Westen und Norden mit deutschem Gebiet entschädigt, zum anderen mit einer ebenfalls kommunistischen Regierung versehen werden. Diese, das „Lubliner Komitee“, vertrat im Unterschied zu der eher moderaten polnischen Exilregierung in London radikale Gebietsforderungen im Westen. Das sowjetisch-polnische Kompensationsprojekt stieß auf grundsätzliche Zustimmung der Westmächte, die Vertreibung der ansässigen Bevölkerung auch. Es war alliierter Konsens, dass Deutschland Gebiete östlich der Oder verlieren und die deutsche Bevölkerung diese Gebiete verlassen sollte. Im Unterschied zu den Vorstellungen Stalins und des Lubliner Komitees, nach denen in Schlesien die Görlitzer Neiße zum Grenzfluss werden, und damit auch diese Provinz (fast) komplett in den polnischen Machtbereich übergehen sollte, wollten die Westmächte auch hier die Oder zur Grenze machen, was Schlesien in etwa in der Mitte geteilt hätte.
Als die Großoffensive der Roten Armee ab Januar 1945 den völligen Zusammenbruch der deutschen Ostfront herbeiführte, setzte eine massenhafte Flucht aus den Ostprovinzen des Reiches ein. Diejenigen, die blieben oder deren Flüchtlingstrecks von der Roten Armee eingeholt wurden, fielen deren Terror anheim.21 Im Schlepptau der Roten Armee waren kommunistische und nationalistische polnische Milizen. Es begannen die Wilden Vertreibungen, also das unorganisierte und willkürliche Verjagen deutscher Hausbewohner. Im März 1945 übergab Stalin der „Provisorischen Polnischen Regierung“ die preußischen Ostprovinzen mit Ausnahme des nördlichen Ostpreußens, das die Sowjetunion selbst annektierte. Neben der fortgeführten Austreibung der Deutschen begann die unfreiwillige Umsiedlung von östlich der Curzon-Linie lebenden Polen in die deutschen Ostgebiete. Als die Hauptalliierten nach der deutschen Kapitulation im Sommer 1945 in Potsdam über die Nachkriegsordnung verhandelten, hatten die Sowjetunion und Polen Fakten geschaffen. Die umstrittenen Gebiete zwischen Neiße und Oder sowie grenznahe Regionen östlich der Oder in Hinterpommern, und Ostbrandenburg, die die USA unter Umständen bei Deutschland belassen wollten, waren völlig entvölkert. Daher und weil mittlerweile der kommunistische Charakter Nachkriegspolens deutlich geworden war, versuchten die Westmächte jetzt den Vorgang zu bremsen. Die Oder-Nei ß e-Gebiete zwischen den genannten Flüssen und der deutschen Ostgrenze von 1939 wurden bis zu einer endgültigen friedensvertraglichen Regelung „ unter die Verwaltung des polnischen Staates “22 gestellt, die Staatshoheit ging also nicht auf Polen über. Dieser Friedensvertragsvorbehalt sollte in der späteren Geschichte der Bundesrepublik und der Vertriebenenverbände als „Rechtsposition“ eine wichtige Bedeutung haben. Die kommunistische Regierung Polens sah hingegen die bereits erfolgten Vertreibungen als legalisiert und sich zu weiteren berechtigt an.
Das Ergebnis war die Zwangsumsiedlung aller als deutsch und verzichtbar23 angesehenen Menschen in Nachkriegspolen, die im Wesentlichen bis 1949 durchgeführt wurde. Ab Mitte der 1950er Jahre kam es zu Aussiedlungen weiterer Deutscher, die zuvor im polnischen Machtbereich festgehalten worden waren. Ein ähnliches Schicksal widerfuhr den Sudetendeutschen. Die durch deutsche Kriegsdrohung erreichte Abtretung des Sudetenlandes durch das Münchener Abkommen von 1938 wurde revidiert und die Deutschen sowohl aus diesem grenznahen Bereich als auch aus Böhmen und Mähren insgesamt vertrieben. Zudem kam es zu Vertreibungen in diversen deutschen Streusiedlungen im östlichen Europa. Insgesamt mussten 15 Millionen Deutsche in diesem Zusammenhang ihre Heimat verlassen24, drei Millionen kamen dabei zu Tode. Die größte Volksgruppe unter den bis 1950 Vertriebenen waren die Schlesier mit 3,2 Millionen, es folgten drei Millionen Sudetendeutsche und knapp zwei Millionen Ostpreußen. Die vierte große Vertreibungsgruppe waren die Pommern mit 1,5 Millionen. 700.000 Deutsche wurden aus dem Polen der Vorkriegsgrenzen, 300.000 aus der bis 1939 unter der Verwaltung des Völkerbunds stehenden Freien Stadt Danzig, ebenfalls 300.000 aus Jugoslawien, 250.000 aus Rumänien und 200.000 aus Ungarn vertrieben. In einem so kurzen Zeitraum hat es weder zuvor noch danach eine derartige Massenwanderung gegeben. Über Jahrhunderte sich evolutionär entwickelnde Regionen waren einem totalen Kontinuitätsbruch ausgesetzt, häufig blieben nur Landschaft und Bausubstanz, während die komplette Bevölkerung und Kultur ausgetauscht wurde. Doch nicht für die Vertreibungsgebiete brachte der „ in dieser Gr öß enordnung historisch präzedenzlose Transfer “25 drastische Folgen. Auch die Aufnahmeregionen sahen sich starker Transformation ausgesetzt. Die Integration der Vertriebenen im verbliebenen deutschen Territorium wurde als größte Herausforderung („ Deutschlands Frage Nr. 1 “26 ) des Landes angesehen. Neben der wirtschaftlichen und sozialen war das auch eine kulturelle Aufgabe. Die konfessionelle Struktur Deutschlands hatte sich „ in einem Ma ß [verändert], wie das seit dem Ende des Drei ß igjährigen Krieges 1648 nicht mehr der Fall gewesen war. “27 Trotz der gleichen nationalen Zugehörigkeit war das vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte28 eine immense Hypothek.
Ungeachtet der Millionen Toten und mindestens ebenso vieler biographischer Brüche stellte sich bald die Frage nach der Wiederaufnahme gesellschaftlichen Lebens. Es begann ein (Wieder-)Aufbau politischer Strukturen in Anlehnung an die Weimarer Zeit, aber auch den Widerstand und das Exil, der in den Westzonen verstetigt wurde, während die Sowjetische Besatzungszone einen anderen Weg einschlagen sollte. In der 1949 aus den zuvor geschaffenen Ländern der drei westlichen Besatzungszonen gegründeten Bundesrepublik fanden rund neun Millionen Vertriebene aus dem Osten Aufnahme. Das entsprach einem Fünftel der Gesamtbevölkerung, die meisten davon kamen letztendlich in das 1946 aus dem Nordteil der Rheinprovinz sowie Westfalen und Lippe entstandene Nordrhein-Westfalen. Somit war es insbesondere das Rheinland, in dem sich nun die Frage nach dem künftigen gesellschaftlichen Miteinander stellte. Denn von hier wurde das größte und bedeutsamste Bundesland ebenso regiert wie die gesamte Bundesrepublik.
3. Der Neuanfang an Rhein und Ruhr
3.1 Entstehung und Anfänge des Landes Nordrhein-Westfalen
Mit der Niederlage des Deutschen Reiches waren auch die überkommenen Staatsstrukturen am Rhein und in Westfalen obsolet geworden. Die Reichsregierung hatte durch die Kapitulation der Deutschen Wehrmacht am 8. Mai 1945 jegliche reelle Herrschaftsfunktion verloren, die zentrale Gewalt ging an die Hauptalliierten über, die das Deutsche Reich besetzt hatten und in vier Besatzungszonen aufteilten. Auch das Land Preußen als Glied des Reiches war de facto nicht mehr existent: Nach der Absetzung seiner legitimen Regierung durch den Staatsstreich von 1932 und die nationalsozialistische Gleichschaltung der Länder29 war die Basis für eine preußische Zukunft als Verwaltungseinheit durch den gewaltsamen Bevölkerungsaustausch und die faktische polnische und sowjetrussische Annexion der Ostprovinzen sowie durch die Teilung des restlichen „Rumpfpreußens“ in hauptsächlich britische und sowjetische Besatzungszone 1945 endgültig untergraben. Die Südgrenze der britischen Besatzungszone durchtrennte dabei die preußische Rheinprovinz30, während die Provinz Westfalen in Gänze zur britischen Zone zählte. Für das Rheinland ergab die Perspektive des Sommers 1945 somit, dass auf Provinzial-, Länder- und Reichsebene neue Verwaltungseinheiten entstehen müssten.31
In der akuten Not der unmittelbaren Nachkriegszeit waren jedoch zunächst konkrete Maßnahmen vor Ort, etwa zur Ernährung und Wohnraumversorgung, wichtiger. Zudem wartete die britische Regierung vor Entscheidungen auf höheren Territorialebenen zunächst die Entwicklung des Verhältnisses zu den anderen Besatzungsmächten ab, zumal nur alle gemeinsam eine zentrale Regierung Gesamtdeutschlands hätten schaffen können. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass sich die Reorganisation staatlicher Strukturen von unten nach oben vollzog, „ zunächst [in den, AB] lokalen Verwaltungen der Städte, Gemeinden und Landkreise “32. Hiermit begannen an Rhein und Ruhr die Amerikaner, die zunächst ganz Westdeutschland besetzt hatten und dabei unter anderem am 4. Mai 1945 den Kölner Oberbürgermeister Konrad Adenauer wieder einsetzten. Nach der Übergabe der nördlichen Rheinprovinz und der Provinz Westfalen an die Briten im Frühsommer begannen diese mit der Reorganisation überregionaler Ebenen, wobei sie auf die preußische Verwaltungsstruktur der Regierungsbezirke und Provinzen ebenso zurückgriffen wie auf einheimisches Personal, das sich vor 1933 in ähnlichen Funktionen bewährt hatte. So wurde der ehemalige Oberpräsident der Rheinprovinz Hans Fuchs (früher: Zentrum) zum Oberpräsident für die verbliebene Nordrhein-Provinz der Regierungsbezirke Köln, Aachen und Düsseldorf bestimmt, im Oktober folgte ihm der einstige Düsseldorfer Oberbürgermeister, Robert Lehr (früher DNVP, nun CDU). Lehr konnte dieser Tätigkeit in Düsseldorf nachgehen, das die Briten nach dem Ausscheiden Koblenz’ aus der Provinz zum Sitz des Oberpräsidiums bestimmten. In der Provinz Westfalen wurde das Oberpräsidium in Münster weitergeführt, hier setzte die britische Besatzungsmacht am 5. Juli 1945 den einstigen Regierungspräsident des Bezirkes, den Zentrumspolitiker33 Rudolf Amelunxen, ein. Die Oberpräsidien waren zunächst die höchste einheimische Autorität.34 Ihnen wurden Provinzialparlamente mit ausschließlich beratender Funktion aus ernannten Funktionären der gerade erst (wieder-)entstandenen Parteien hinzugefügt.35 Während Lehr, Adenauer und die anderen führenden rheinischen (CDU-)Politiker den - kurzfristig nicht revidierbaren - Verlust der ländlichen Regierungsbezirke Koblenz und Trier durch den ländlichen Teil Westfalens kompensieren wollten und somit für den Zusammenschluss der Provinzen Nordrhein und Westfalen eintraten, lehnten die westfälischen Protagonisten36 das ebenso ab wie die zonale SPD unter Kurt Schumacher.
Entscheidend war nach der deutschen Kriegsniederlage aber der Wille der Siegermächte.
Diese waren (nicht nur) im Hinblick auf den Rhein-Ruhr-Raum unterschiedlicher Auffassung.37 Schließlich entschlossen sich die Briten im Sommer 1946 zu eigenmächtigem Vorgehen und schufen ein Land aus Nordrhein und Westfalen unter Einschluss des umstrittenen Ruhrgebietes.38 Womöglich sollte die Opposition Amelunxens bzw. die allgemeine Skepsis Westfalens zerstreut werden, indem man diesen zum ersten Ministerpräsident machte. Nach einer kleineren territorialen Erweiterung um den Raum Lippe39 im Januar 1947 war der territoriale Rahmen, in dem sich die Integration der westlichsten und östlichsten Deutschen vollziehen musste, gezogen. Doch wie viele Ostdeutschen galt es nun zu integrieren?
3.2 Der ostdeutsche Bevölkerungsanteil im westdeutschen Land
Das nördliche Rheinland und die Provinz Westfalen hatten bereits vor der Vertreibung einen ungewöhnlich hohen Anteil aus dem Osten stammender Einwohner. Das Ruhrgebiet als wirtschaftliches und kulturelles Bindeglied von Rheinland und Westfalen war im 19. Jahrhundert aus einer schmalen autochthonen Bevölkerung, massiver Nahwanderung aus den preußischen Westprovinzen und Fernwanderung aus den preußischen Ostprovinzen entstanden.40 Insbesondere „ Ost- und Westpreu ß en [hatten] einen beträchtlichen Anteil [ … ] am Aufbau des Ruhrvolkes “41. Die Vorkriegsbevölkerung auf dem Territorium des späteren Nordrhein-Westfalens betrug 1939 knapp 12 Millionen Menschen, davon stammten 570.000 aus den Ostprovinzen des Deutschen Reiches.42
Die Vertreibung als „ historisch präzedenzloser Transfer “43 sollte diese Zahlen dann bei weitem übertreffen. Allerdings waren Rheinland und Westfalen davon zunächst unterdurchschnittlich betroffen. Im August 1945 erklärte die britische Besatzungsmacht die urbanen Regionen an Rhein und Ruhr zu „restricted areas“44, womit de facto auch der Niederrhein und die Aachener Region, die zu erreichen für die Vertriebenen nur über die gesperrten Gebiete möglich gewesen wäre, nicht erreichbar waren. Somit war die Aufnahme von Vertriebenen in diesem Bundesland zunächst einerseits durch ein starkes Übergewicht Ostwestfalens und Lippes bestimmt. Anderseits wurde der Vertriebenenanteil durch diese künstliche Verkleinerung des Aufnahmegebietes insgesamt stark abgeschwächt, während die geographisch ohnehin näher liegenden Ankunftsregionen in Schleswig-Holstein und Niedersachsen (Flucht über Ostsee sowie über die Sowjetische Besatzungszone) sowie in Bayern (ebenfalls über SBZ sowie direkt aus dem Sudetenland) diese drei zu den Hauptaufnahmeländern machte. Beides belegen die offiziellen Zahlen der ersten Nachkriegsjahre. Anfang 1946 lebten 76,8 Prozent der Vertriebenen im späteren Nordrhein- Westfalen auf einer Fläche, die nur 53,3 Prozent der Gesamtbevölkerung beherbergte45, was sich auch nach erfolgter Landesgründung im Folgejahr nicht wesentlich geändert hatte.46 Nach Gründung der Bundesrepublik brachte die Volkszählung47 von 1950 Vergleichszahlen für alle Bundesländer. Nordrhein-Westfalen war inzwischen über 13 Millionen Menschen reich, was neben einer demographischen Konsolidierung und verbesserter Ernährungslage vor allem in Zuzug begründet war. Neben Kriegsheimkehrern waren durch Weiterwanderung innerhalb der westlichen Besatzungszonen und fortdauernde Ausweisungen Deutscher aus den Nachkriegsstaaten Mitteleuropas auch viele Vertriebene ins Land gekommen. Die Summe aller Ost- und östlichen Auslandsdeutschen im Bundesland betrug 1,3 Millionen, bei 13 Millionen Einwohnern waren das etwa zehn Prozent der Bevölkerung. Dies waren im Vergleich zu Bayern (1,9 Millionen/ 21,2 Prozent) Niedersachen (1,8 Millionen/ 27,3 Prozent) absolut und relativ kleinere Zahlen. Schleswig-Holstein hatte zwar mit 856.000 weniger Vertriebene in absoluten Zahlen, die Vertriebenenquote im vergleichsweise kleinen nördlichsten Bundesland lag dadurch aber bei 33,2 Prozent und war die mit Abstand höchste im Bundesgebiet. Unter den 1,3 Millionen Ostdeutschen aus an Rhein und Ruhr befanden sich 526.000 Schlesier, 326.000 Ostpreußen und 161.000 Pommern. Diese drei größten Herkunftsregionen stellten damit zusammen mit eine Million und drei Viertel (76,6 Prozent) aller Vertriebenen in Nordrhein-Westfalen.48 Bis zur nächsten Volkszählung dieser Art 20 Jahre später sollte sich das drastisch verändert haben, wobei anzunehmen ist, dass diese Veränderung sich hauptsächlich in unserem Untersuchungszeitraum abspielte. In diese Jahre fallen nämlich das Wirtschaftswunder mit seinen am Arbeitsmarkt orientierten Bevölkerungsumschichtungen sowie die staatliche gelenkte Umsiedlung innerhalb des Bundesgebietes. Desweiteren strömten bis zum Bau der Berliner Mauer 1961 jährlich DDR- Flüchtlinge in den Westen. Die zunächst in die SBZ gekommenen Vertriebenen stellten hierbei den größten Anteil, schließlich waren sie ohnehin entwurzelt und hatten im Unterschied zu Sachsen oder Thüringern keinen größeren emotionalen Bezug zu Mitteldeutschland als zu Westdeutschland. Ab Mitte der 1950er Jahre kamen zudem weitere Deutsche aus Nachkriegspolen hinzu, die dort nach dem Krieg aus verschiedenen Gründen verblieben waren, viele unfreiwillig. Die ihrem gesamtdeutschen Anspruch verpflichtete Bundesrepublik nahm diese Menschen, die ebenfalls laut Bundesvertriebenengesetz als „Aussiedler“ zur Gruppe der Vertriebenen zählten, auf das „freie“ westdeutsche Territorium auf und wies sie nach festen Quoten den Bundesländern zu, wobei Nordrhein-Westfalen eine Quote von 30 Prozent zu erfüllen hatte. In den 1950er Jahren betraf das hauptsächlich Pommern und Schlesier.
Durch diese Entwicklungen wuchs der Vertriebenenanteil in Nordrhein-Westfalen auf 2,4 Millionen. Bei einer Gesamtbevölkerung von jetzt 16 Millionen war damit der prozentuale Anteil von zehn auf 15 Prozent gewachsen. Nordrhein-Westfalen hat damit letztendlich die meisten Vertriebenen aller Bundesländer aufgenommen, der relative Anteil blieb jedoch auch nach der Umsiedlung hinter den meisten anderen Flächenländern zurück.49 Alleine die Schlesier stellten jetzt eine Million der Einwohner an Rhein und Ruhr, hinzu kamen 567.000 Ostpreußen und 290.000 Pommern, zusammen waren das weiterhin drei Viertel aller Deutschen aus dem Osten. Neben der Wanderung zwischen den Ländern und von außen in das Bundesgebiet kam es auch innerhalb Nordrhein-Westfalens zu Vertriebenenwanderung. Einerseits fehlten im schwerindustriellen Rhein-Ruhr-Gebiet durch die Kriegsverluste Arbeitskräfte, was den in der Regel ihres gesamten materiellen Besitzes und sozialen Status’ beraubten Vertriebenen eine Chance zu einem wirtschaftlichen Neuanfang gab. Anderseits versuchte die regierungsamtliche Politik durch eine bessere Verteilung der „Flüchtlinge“ im Land soziale Spannungen zwischen mit der ausgebombten und ebenfalls notleidenden Bevölkerung zu deeskalieren. Dadurch war im wichtigen Wahljahr50 1954 eine veränderte regionale Verteilung zu verzeichnen: In absoluten Zahlen51 hatte jetzt der Regierungsbezirk Düsseldorf (Niederrhein und westliches Ruhrgebiet) mit 800.000 vor dem östlichen Ruhrgebiet (Regierungsbezirk Arnsberg) mit rund 600.000 die meisten Vertriebenen aufgenommen. In der Region Ostwestfalen-Lippe (Regierungsbezirk Detmold) waren zwar nur noch 350.000 Vertriebene, was wegen der insgesamt viel geringeren Bevölkerungsdichte ein größerer und in den ländlichen Strukturen im Vergleich zu den Ruhrstädten wahrnehmbarer Anteil war. Hier entstand auch mit dem Ort Espelkamp52 die einzige Vertriebenenstadt im Bundesland, dessen Siedlungspolitik wie in Westdeutschlands insgesamt auf eine möglichst breite Verteilung ausgerichtet war, um „ eine Sondergemeinschaft der Flüchtlinge und Vertriebenen zu verhindern. “53
Zusammenfassend ist also festzustellen, dass zwar in einigen Länder noch größere Teile der Bevölkerung unfreiwillig in Folge des Zweiten Weltkrieges gekommen waren, aber auch einen gravierender Bevölkerungsanteil Nordrhein-Westfalens, insbesondere Ostwestfalens und Lippes, aber auch im Rhein-Ruhr-Gebiet diese Wurzeln hat. Diese Tatsache, dass der Vertriebenenanteil im Land im Betrachtungszeitraum dieser Arbeit kontinuierlich anstieg, ist zudem für das Bewusstsein der handelnden Akteure ein nicht zu vernachlässigender Faktor, zumal diese das Ende derartigen Bevölkerungszuwachses im Unterschied zum heutigen Historiker nicht überblicken konnten.
3.3 Die Wieder- und Neugründung der Parteien und die Landtagswahl 1947
Neben Ministerpräsident Rudolf Amelunxen und seinem Kabinett wurde im August 1946 zudem ein erster Landtag ernannt, dessen Parteienzusammensetzung auf den Ergebnissen der Reichstagswahl 1932 basierte. Das war ein anfangs wohl alternativloser54, wenn auch anachronistischer Bezugspunkt. Zwar hatten die „ konfessionellen und wirtschaftlichen Strukturen des Landes [ … ] den Krieg weitgehendüberdauert, was auch für die Zukunft ein vergleichsweise gutes Abschneiden einer katholisch-christdemokratischen Partei sowie der Arbeiterparteien erwarten lie ß . “55 Doch im Parteienspektrum hatte es gravierende Veränderungen gegeben. Zu einer Reorganisation kam es lediglich im linken Spektrum, wo KPD und SPD wieder entstanden. Unklar war anfangs deren Verhältnis zueinander, eine Annäherung56 wurde jedoch insbesondere von dem aus Westpreußen stammenden Protagonisten der SPD in der britischen Zone, Kurt Schumacher, bekämpft. Für die Integration von Ostdeutschen in der West-SPD war die unter Schumacher durchgesetzte scharfe Abgrenzung zur KPD angesichts der unüberbrückbaren Distanz zwischen Kommunisten und Vertriebenen57 ein maßgeblicher Faktor. Da der Einfluss der KPD in unserem Untersuchungsgebiet aus verschiedenen Ursachen in wenigen Jahren nach 1945 völlig zusammenbrach, kann auf eine Betrachtung der Partei an dieser Stelle verzichtet werden. Auch die SPD musste im Laufe der Zeit eine Verschlechterung ihrer Stellung hinnehmen, galt sie doch nach dem Krieg zunächst als die kommende führende Regierungspartei Deutschlands, ein Anspruch, den insbesondere das „Büro Hannover“ unter Kurt Schumacher offensiv propagierte. Im nördlichen Rheinland und in Westfalen stellten sich die Dinge differenziert dar. Die Vorkriegsbevölkerung auf dem Land und auch in vielen rheinischen Industriestädten war eher dem politischen Katholizismus verbunden, die Sozialdemokraten hatten jedoch an der Ruhr eine wachsende Basis, die mit dem Niedergang der konkurrierenden KPD weiter ausgebaut werden konnte. Der Parteibezirk „Westfälisches Westfalen“ war der stärkste der gesamten britischen Besatzungszone und später auch der Bundesrepublik. Es war insofern kein Zufall, dass dieser Bezirk mit Fritz Henßler die kommende Führungsfigur der SPD im Land Nordrhein-Westfalen stellte.58
Wie KPD und SPD wurde auch nach dem Krieg auch die katholische Zentrumspartei wieder gegründet. Diese sollte sich in Westdeutschland jedoch ebenso wenig wie die KPD als konkurrenzfähig erweisen, wenn auch aus völlig anderen Gründen. Am langlebigsten innerhalb des Zentrums erwies sich allerdings der nordrhein-westfälische Landesverband, der bis 1958 und somit im gesamten Betrachtungszeitraum in Landtag und Landesregierung blieb. Zentrumshochburg innerhalb des Bundeslandes war das Münsterland59, wo der prominenteste Zentrumspolitiker der Nachkriegszeit und zeitweilige Ministerpräsident Amelunxen seine (politische) Heimat hatte. Eine gewisse Bedeutung muss zudem dem ersten Vorsitzenden der Nachkriegszeit, Wilhelm Hamacher vom Mittelrhein, sowie dem gebürtigen Niederrheiner Carl Spieker attestiert werden.60 Als der zwischenzeitlich zum nordrhein-westfälischen Landesminister ernannte Spieker als Vorsitzender der Deutschen Zentrumspartei die Fusion mit der CDU anstrebte, wurde er abgesetzt und musste die Partei verlassen. Spieker trat daraufhin folgerichtig selbst der CDU bei.
Jene „Christliche Einheitspartei“ war die grundlegendste Neuerung des Parteienspektrums.
Von der bereits in der Weimarer Spätphase begonnenen Analyse ausgehend, dass die soziale Basis des politischen Katholizismus nicht mehr ausreichend sei, verfolgten führende ehemalige Zentrumspolitiker das Konzept einer überkonfessionellen Partei. Neben dem Zentrum sollten hierfür die konfessionell orientierten Kreise der einstigen protestantischen Parteien DDP/ Deutsche Staatspartei, DVP und DNVP gewonnen werden.61 Bereits im Juni 1945 kam es zur Gründung einer Christlich Demokratischen Partei (CDP) in Köln. Waren es hier eher bürgerliche Kreise, fand sich in Düsseldorf unter der Ägide des christlichen Gewerkschafters Karl Arnold der spätere soziale Flügel der Partei zusammen, der freilich auch den einstigen deutschnationalen Oberbürgermeister der Stadt und jetzigen Oberpräsidenten der Nord-Rheinprovinz Robert Lehr einbezog. Wieder anders verlief die Parteigenese in Wuppertal, wo „ die Initiative zur Gründung einer Christlich-Demokratischen Partei von Protestanten ausging “62 oder im Ruhrgebiet unter der Ägide des ebenfalls evangelischen Bergwerkdirektors Gustav Heinemann. Am 2. September 1945 konstituierte sich in Köln die CDP Rheinland, parallel fand in Bochum die Gründung der CDP Westfalen statt. Während in Westfalen zunächst eine katholisch-evangelische Doppelspitze amtierte, wurde im Rheinland der ehemalige preußische Landtagsabgeordnete des Zentrums, Leo Schwering, zum alleinigen Vorsitzenden gewählt. Bald geriet Schwering im Vergleich zu Konrad Adenauer in den Hintergrund. Der ehemalige Kölner Oberbürgermeister konnte im weiteren Verlauf eine rheinische Prägung der Gesamtpartei (und der Bundesrepublik) durchsetzen, lediglich bei der Namensgebung setzte sich der Berliner Begriff der „Union“ durch, mit dem der Charakter einer überkonfessionellen Sammlung im Unterschied zu einer herkömmlichen Partei betont werden sollte.63
Eine Sammlung anderer Art sollte die ebenfalls eine Neugründung darstellende FDP in Nordrhein-Westfalen werden. Dabei war zunächst durchaus offen, ob zu CDP/ CDU, Zentrum, SPD und KPD noch eine weitere Parteilizenz der Besatzungsmacht an eine relevante politische Kraft vergeben würde. Doch nach der Etablierung der vier genannten Parteien stellte sich einerseits die Frage, was aus den kirchenfernen Teilen der protestantischen Parteien Deutsche Staatspartei/ DDP und DVP werden würde, anderseits stand die Frage nach der Integration nationalistischer Rudimente in den demokratischen Staat im Raum. Beide Gruppen wollte der Verleger Friedrich Middelhauve ansprechen, als er am 6. Oktober 1945 in seinem Heimatort Opladen die Deutsche Aufbaupartei gegründete. Triebfeder war dabei die Intention, „ in der liberalen und konservativen protestantischen Bevölkerung ein Reservoir zu vermuten, das durch die richtige Ansprache mobilisiert werden könnte. “64 Da es unter den Vertriebenen an konservativer und protestantischer Bevölkerung nicht mangelte, wird den Aktivitäten Middelhauves im Laufe dieser Arbeit weitere Aufmerksamkeit zu widmen sein. Denn diesem gelang es in der Folge, die verschiedenen Gruppen65, die in Rheinland und Westfalen das nichtkonfessionelle Erbe der bürgerlichen Parteien antraten, zum FDP-Landesverband zu vereinen.
Somit konkurrierten bei der ersten Landtagswahl 1947 letztlich fünf aussichtsreiche Lizenzparteien. Am 20. April 1947 entfielen 37,5 Prozent der Stimmen auf die CDU, 32 Prozent auf die SPD, 14 Prozent konnte die KPD erringen. Es folgte das Zentrum mit 9,8 Prozent und die noch in der Findungsphase befindliche FDP, die aber auch mit 5,9 Prozent in den ersten gewählten Landtag einziehen konnte.66 Daraufhin bildete sich unter Ministerpräsident Karl Arnold (CDU) eine Allparteienregierung67 mit Ausnahme der FDP, die sich für die Opposition entschied.
4. Entstehung der Verbände
4.1 Verlorene Jahre, verlorenes Vertrauen: Das Koalitionsverbot
Der Konstituierung von Vertriebenenorganisationen sowie deren parteipolitischer Aktivität waren in den ersten Nachkriegsjahren enge Grenzen gesetzt. Zum einen machte die große soziale Not denjenigen, die mit ihrer Heimat alles verloren hatten, besonders schwer zu schaffen. Hinzu kam die stark begrenzte Mobilität, die den „ allgemein herrschenden Mangel an Kommunikationsmöglichkeiten “68 verstärkte. Zum anderen ließ die Besatzungssituation eine freie Entstehung von Verbänden oder Parteien nicht zu. Im Untersuchungsgebiet, der britischen Besatzungszone, galt ein generelles Lizenzierungsverfahren für politische Parteien. Parallel zu der im September 1945 begonnenen Lizenzierung von Parteien, „ deren strenge Reglementierung nicht ohne Einfluss auf das Organisationsverhalten der Flüchtlinge und Vertriebenen blieb “69 , kam es zu ersten Organisationsversuchen der Vertriebenen. Insbesondere auf der regionalen Ebene führten „ die Bedürfnisse der Flüchtlinge [ … ] nach Kommunikation mit den Schicksalsgenossen “70 recht schnell zu Zusammenschlüssen. Als äußerst umtriebig erwies sich der ehemalige ostpreußische Zentrumspolitiker Linus Kather, der die bereits Anfang Juni 1945 in Hamburg gegründete „Notgemeinschaft der Ostdeutschen“ anführte. Dieser auf die gesamte britische Zone ausgerichtete Zusammenschluss integrierte nach Kathers Angaben in seinem Vorstand „ sieben Ostpreu ß en, zwei Schlesier, einen Pommer und einen Memelländer “71. Die Notgemeinschaft hatte aber keine Chance, zu einer schlagkräftigen Vertriebenenorganisation zu werden, da bereits in ihre Gründungsphase das „Koalitionsverbot“ fiel. Der zunächst von den Betroffenen72 geprägte Begriff suggeriert fälschlicherweise ein Gesetz bzw. eine generelle Verordnung der Besatzungsmacht. Tatsächlich wurden die gegen Vertriebenenorganisationen gerichteten Maßnahmen im Gegensatz etwa zur Zulassung von Parteien nicht derart grundsätzlich festgelegt.73 Zudem war die britische Entscheidung, zu einer Verbotspraxis überzugehen, keineswegs ein Alleingang der Besatzungsmacht. Wie Johannes-Dieter Steinert überzeugend nachgewiesen hat, ging die Initiative vielmehr von den deutschen Verwaltungsrudimenten der Nachkriegszeit aus. So war es der Oberpräsident der Provinz Hannover, Hinrich Kopf (SPD), der gegenüber einem Brigadier der Militärverwaltung im Dezember 1945 dagegen protestierte, dass „ dieörtlichen Mil. Gov. Det. der Bildung von Flüchtlingsvereinigungen zugestimmt haben. “ Derartige Zusammenschlüsse seien nicht wünschenswert.75 Am 25. Januar 1946 traten die deutschen Verwaltungschefs aller Provinzen innerhalb der britischen Besatzungszone (seinerzeit waren das Braunschweig, Bremen, Hamburg, Hannover, Lippe, Nord-Rheinprovinz, Oldenburg, Schleswig-Holstein und Westfalen), mit Ausnahme des sich enthaltenen Hamburger Bürgermeisters Petersen für ein Verbot „ von landsmannschaftlichen Verbänden für Flüchtlinge sowie von jeder anderen Vereinigung von Flüchtlingen [ … ] für die ganze britische Zone “76 ein. Unter der in Oldenburg versammelten „ guten parteipolitischen Mischung “77 befand sich neben Rudolf Amelunxen (Zentrum) als westfälischer Oberpräsident auch der Oberpräsident der Nordrheinprovinz, Robert Lehr (CDU). Damit hatten zwei führende nordrhein-westfälische Politiker der folgenden Jahre das Koalitionsverbot mit initiiert. Angesichts einer solchen Verlautbarung selbst der deutschen Behörden verwundert die nun einsetzende Verbotspraxis der Briten nicht, zumal sie durch den Antrag des deutschen Zonenbeirates zu einer Grundsatzentscheidung aufgefordert waren, die sie aus eigener Initiative vielleicht so nicht getroffen hätten. Am 29. Januar 1946, also wenige Tage nach dem Antrag der Oberpräsidenten, wurde bei einer Konferenz der regionalen Militärbefehlshaber vereinbart: „ [A]l attempts by refugees to form committees composed of persons from specified areas [ … ] must be stopped. “78. Den deutschen Verwaltungsstellen wurde mitgeteilt:
„ Es wird als wesentlich angesehen, dass79 den Flüchtlingen und den Vertriebenen nicht gestattet wird, eigene ‚ unabhängige Fremdlingsverbände ’ zu bilden und so für die Zukunft die Frage neuer Minoritäten heraufzubeschwören. “80
Wenig später kam es auf dieser Grundlage tatsächlich zu einzelnen Verboten zuvor tolerierter Organisationen.81 Insbesondere die Militärregierung in Hamburg, dem Zentrum der frühen Initiativen Linus Kathers, ging nun gegen Vertriebenenorganisationen vor. Am 12. Februar 1946 sprach sie ein Verbot aller landsmannschaftlichen Vereinigungen aus, ein Umstand, den zunächst Kather zu deren Integration in seine Organisation zu nutzen wusste. Die am 15. Februar 1946 aus der Notgemeinschaft entstandene „Arbeitsgemeinschaft deutscher Flüchtlinge“, nach Kathers Angaben „ stärkste und leistungsfähigste Organisation der Zone “82 mit 15.000 Mitgliedern und 14 hauptamtlichen Mitarbeitern83, ereilte nach nur drei Monaten ebenfalls die Auflösung. Der Beschluss zum Koalitionsverbot vom Januar 1946 blieb rund zwei Jahre offiziell in Kraft. Ab Herbst 1946 ist jedoch kein Verbot einer Vertriebenenorganisation mehr belegt, obwohl es, wie noch zu zeigen sein wird, durchaus weitere Gründungen gab. Im Juni 1948 wurde das Koalitionsverbot gelockert und Organisationen „ kultureller oder wohlfahrtsm äß iger Art “84 zugelassen. Diese waren jedoch individuell genehmigungspflichtig und durften kein politischer Zusammenschluss sein. Damit war eine Partei oder Wahlliste von Vertriebenen nach wie vor nicht möglich. Völlige Koalitionsfreiheit genossen die Vertriebenen erst ab 1950. Damit waren bei der Landtagswahl 1947 und der Bundestagswahl 1949 keine Vertriebenenlisten und Parteien an Rhein und Ruhr möglich und ein Antreten bei der Landtagswahl 1950 wegen des kleinen Zeitfensters erheblich erschwert.
Mit „ Fremdlingsverbänden “ und „ Minoritäten “ wurden im Beschluss der Militärregierung die zentralen Befürchtungen genannt, die zum Koalitionsverbot führten. In der schwierigen Wiederaufbausituation sollten soziale Spannungen unbedingt vermieden werden. Zudem wollte man, und hier trafen sich die Interessen von Einheimischen, Besatzungsmächten und Vertreiberstaaten, unter dem Eindruck der Minderheitenkonflikte der Zwischenkriegszeit eine erneute Irredenta85 verhindern. Zwar forderten auch die Westdeutschen einen Friedensvertrag und eine deutsche Ostgrenze jenseits der Oder-Neiße-Linie, zwar waren die Westmächte im beginnenden Kalten Krieg diesem Ansinnen gegenüber zunehmend aufgeschlossen; eine „ Radikalisierung der Vertriebenen “86, die „ revanchistische Tendenzen heraufbeschwören und den Nationalismus unter den Deutschen verstärken “87 könnte, sollte aber dennoch vermieden werden. Ob allerdings ausgerechnet die Einschränkung des Grundrechts auf Koalitions-freiheit eine richtige Maßnahme zur Demokratisierung der Deutschen war, darf bezweifelt werden. Das Koalitionsverbot löste entsprechend heftige Kritik (nicht nur) der Betroffenen aus. Linus Kather, selbst Jurist, hielt den Betreibern des Verbots genüsslich vor, „ dass diesen ‚ Musterdemokraten ’ offenbar nicht der Gedanke gekommen ist, dass ein solches Verbot auch eine Rechtsgrundlage haben müsste “88 und stellte den Zonenbeirat in eine, nur vorsichtig relativierte, Kontinuität zum Nationalsozialismus.89 Ein objektiver Blickwinkel ist hingegen dem Soziologen Manfred Max Wambach, der das Koalitionsverbot ähnlich kritisch bewertet, zu bescheinigen:
„ Ausgerechnet den Millionen Flüchtlingen und Vertriebenen, die durchaus als Opfer der Angriffskriege und der Gro ß machtraumpolitik des Dritten Reiches angesehen werden können, verweigerten die Besatzungsmächte und die [ … ] deutschen Behörden mehrere grundsätzliche Staatsbürgerrechte “90.
Dem Koalitionsverbot ist bei einer Untersuchung zum Wirken der späteren „Vertriebenenpartei“ höchste Bedeutung beizumessen. Neben der durch das Parteiverbot bewirkten Verzögerung der BHE-Gründung und des daraus resultierenden Zeitvorsprungs der Lizenzparteien beim Aufbau des Landes und bei der Entwicklung dessen parteipolitischer Milieus und Strukturen, hat auch das Verbot der Vertriebenen verbände eine wichtige Bedeutung für die Vertriebenen partei, und dies in doppelter Hinsicht:
1. Der äußere Eingriff hat, wie noch zu zeigen ist, die inneren Verhältnisse des entstehenden Vertriebenenmilieus erheblich verändert. „ Kather wäre 1946 zu dem91 unbestrittenen Führer der Vertriebenen geworden, wenn die Besatzungsmacht den Zusammenschluss zugelassen hätte. “92 Nun wurden die Karten neu gemischt, so dass auch erst später in den Westen kommende Vertriebene wieder Chancen hatten, für sich und damit auch für andere politische Konzepte und Strategien zu werben.
2. Ein Sonderweg jenseits des sich konsolidierenden Parteiensystems war den Vertriebenen anfangs nicht möglich. Kather, der selbst in Reaktion des Verbots seiner „Arbeitsgemeinschaft deutscher Flüchtlinge“ die Losung „ in die Parteien! “93 ausgab, schrieb im Rückblick:
„ Die Vertriebenenbewegung und die Vertriebenenpolitik wären in ganz anderen Bahnen verlaufen, wenn sie nicht gewaltsam gestoppt worden wären. [ … ] Diese Jahre von 1946 bis 1948 lie ß en sich nicht mehr nachholen. Der Elan des ersten Schocks wurde uns genommen und dafür [ … ] parteipolitische Zersplitterung beschert. Es blieb uns ja nichts anderesübrig als in die Parteien zu gehen, es gab keinen anderen Weg, wenn wir irgendwie an unsere Schicksalsgefährten herankommen wollten “94.
4.2 Georg Goebel: Der große Vertriebenenpolitiker für Nordrhein-Westfalen?
Bevor in dieser Arbeit die Frage, ob die Lizenzparteien das Vakuum des Koalitionsverbotes tatsächlich zu nutzen wussten, untersucht wird, muss mit Georg Goebel zunächst die für eine Darstellung zu den Heimatvertriebenen der Nachkriegszeit in Nordrhein-Westfalen unverzichtbare historische Persönlichkeit vorgestellt werden. Dies gilt umso mehr, als es Goebel als einzigem an Rhein und Ruhr gelang, das Koalitionsverbot dauerhaft und überregional zu missachten.
Georg Goebel stammte aus dem an der Grenze zu Böhmen liegenden Glatzer Land in der Provinz Schlesien, er war 1900 im dortigen Albendorf im Kreis Neurode geboren.95 Nach seiner theologischen Ausbildung war er bis 1940 in Czernowitz für den „Reichsverband für die katholischen Auslandsdeutschen“ tätig, bis die Nationalsozialisten ihn als Seelsorger für nach Schlesien zwangsumgesiedelte96 Rumäniendeutsche in die Heimat zurückholten, wo Goebel vorübergehend „ in Gestapohaft [geriet], weil unter den Rumäniendeutschen verbotene päpstliche Enzykliken zirkulierten. “97 Nach der Eroberung seiner Glatzer Heimat durch die Rote Armee im Frühjahr 1945 wurde er von den Sowjets zunächst als Bürgermeister von Rosenthal eingesetzt.
[...]
1 Mückeley, Otto: Die Ost- und Westpreußenbewegung im rheinisch-westfälischen Industriebezirk. Eine Festschrift zur Abstimmungsgedenkfeier. Gelsenkirchen, 1926.
2 Der BHE sah sich selbst nie als Vertriebenenpartei, sondern wollte immer verschiedene Gruppen integrieren. Ungeachtet dieser Intention bestanden die Parteibasis und auch der Funktionärskörper fast ausschließlich aus Vertriebenen.
3 Vgl. Stickler, Matthias: „Ostdeutsch heißt Gesamtdeutsch“. Organisation, Selbstverständnis und heimatpolitische Zielsetzungen der deutschen Vertriebenenverbände 1949-1972. Düsseldorf 2004, S. 287.
4 Neumann, Franz: Der Block der Heimatvertriebenen und Entrechteten 1950-1960. Ein Beitrag zur Geschichte und Struktur einer politischen Interessenpartei. Meisenheim am Glan, 1968.
5 Siehe Anm. 3.
6 Steinert, Johannes-Dieter: Vertriebenenverbände in Nordrhein-Westfalen 1945-1954. Düsseldorf 1986.
7 Sonnewald, Bernd: Entstehung und Entwicklung der ostdeutschen Landsmannschaften, Berlin, 1975.
8 Lemberg, Eugen/ Edding, Friedrich (Hrsg.): Die Vertriebenen in Westdeutschland. Ihre Eingliederung und ihr Einfluss auf Gesellschaft, Wirtschaft, Politik und Geistesleben, Drei Bände, Kiel 1959.
9 Vgl. etwa Landeszentrale für politische Bildung Nordrhein-Westfalen (Hrsg.): Flucht und Vertreibung,. Handreichung für den Unterricht. Düsseldorf 2010, S. 35. Im Folgenden abgekürzt: „Lehrerhandreichung“ oder Wlaschek, Rudolf M.: Vertriebenenbeiräte in der Verantwortung, Düsseldorf 1983.
10 Kather, Linus: Die Entmachtung der Vertriebenen. Erster Band: Die entscheidenden Jahre, München 1964 sowie Zweiter Band: Die Jahre des Verfalls, München 1965.
11 Bundesvertriebenengesetz nach Bundesgesetzblatt I, 1953, §2 zit. n. Lehrerhandreichung, S. 110.
12 Bundesvertriebenengesetz §3: „ Sowjetzonenflüchtling ist ein deutscher Staatsangehöriger oder deutscher Volkszugehöriger, der seinen Wohnsitz in der sowjetischen Besatzungszone oder im sowjetisch besetzten Sektor von Berlin hat oder gehabt hat, von dort flüchten musste, um sich einer von ihm nicht zu vertretenden und durch die politischen Verhältnisse bedingten Zwangslage zu entziehen [ … ] “ Zit. n. ebd.
13 „ Einmal könnte man die Bürger eines fremden Volkstumsüber die Naturmarken unseres Staates entfernen und auf diese Weise unseren Staat reinigen; zweitens könnte man versuchen [ … ] die Eigentümlichkeit der fremden Bürger in unserer Eigentümlichkeit aufzulösen. Das erste aber würde schrecklich sein und unmenschlich! Wohin sollte man dann die Unglücklichen vertreiben, wenn man auch genug Gewalt hätte, und von ihren Volksgenossen keine Rache befürchten dürfte? “ Luden, Heinrich: Das Vaterland oder Volk und Staat, zit. n. Schieder, Theodor: Die Ostvertreibung als wissenschaftliches Problem, in: Vierteljahresheft für Zeitgeschichte, Jg. 8, Heft 1, Stuttgart 1960.
14 Das anfängliche Bestreben des Revolutionsparlamentes in der Frankfurter Paulskirche, alle innerhalb des Deutschen Bundes liegenden Regionen Österreichs sowie auch die bis dahin außerhalb dessen befindlichen Provinzen Preußens in den geplanten Nationalstaat einzubeziehen, stieß auf den Widerstand bei den slawischen Bevölkerungsgruppen dieser Regionen. Daraufhin vereinten sich auf dem Prager Slawenkongress russische, polnische und tschechische Aktivisten und propagierten den Zusammenschluss aller Slawen in einem Staat. Trotz der letztlich zunächst gescheiterten Reichsgründung hatte das Revolutionsjahr somit gravierende Folgen. An das friedliche Zusammenleben mehrerer Völker auf einem Territorium glaubten danach nur wenige. Vgl. etwa Kohn, Hans: Die Slawen und der Westen. Die Geschichte des Panslawismus, Wien 1956 sowie Wollstein, Günter: Das „Großdeutschland“ der Paulskirche. Nationale Ziele in der bürgerlichen Revolution 1848/49, Düsseldorf 1977.
15 So bildete sich, auch in Reaktion auf die polenfeindliche Siedlungs- und Kulturpolitik in den Ostprovinzen des Deutschen Reiches, eine nationalpolnische Bewegung mit starkem Westdrang, die propagierte: „ Armselig wäre das künftige Polen [ … ] ohne Posen [ … ] ohne Schlesien, ohne Zugang zum Meer, und also ohne Danzig [gemeint: Westpreu ß en] und Königsberg [gemeint: Ostpreu ß en]. Diese Provinzen [ … ] sind die
16 Beer, Mathias: Flucht und Vertreibung der Deutschen. Voraussetzungen, Verlauf, Folgen. München 2011, S.36.
17 Ebd.
18 Im Versailler Friedensvertrag wurde Polen 1919 die nahezu komplette Provinz Posen zugestanden. Hinzu kamen im Zuge des intendierten polnischen Zugangs zur Ostsee ein großer Teil Westpreußens sowie kleinere Teile Ostpreußens und Hinterpommerns. Ostpreußen wurde durch diesen Korridor vom Rest des Reiches abgeschnitten, Danzig wurde als Freistaat unter Hoheit des Völkerbunds gestellt. Beides galt in Deutschland als inakzeptabel. Nach einer Volksabstimmung entschied zudem ein Genfer Schiedsspruch die Abtretung eines Teiles von Oberschlesien an die Republik Polen, wodurch diese die wichtigen dortigen Rohstoffvorkommen erhielt. Danach lebte in Polen eine deutsche Minderheit von etwa 1,5 Millionen, im Deutschen Reich verblieb eine ähnlich große polnische Minderheit. Beide wurden zu gegenseitigen Annexionsforderungen genutzt.
19 Auf den Gebieten der zuvor österreichischen Regionen Böhmen und Mähren war 1919 die Tschechoslowakei gegründet worden. Die 3,5 Millionen Deutsche, weit mehr als die namensgebenden Slowaken, lebten in einem äußeren Kreis rund um das slawische Sprachgebiet, dazu gab es einige deutsche Sprachinseln im Landesinneren. Die gesamte Volksgruppe gab sich nach dem Gebirge zwischen Schlesien und Mähren, den Sudeten, den Namen „Sudetendeutsche“.
20 Die 1919 vom britischen Außenminister Lord Curzon definierte und nach selbigem benannte Linie verlief in etwa an der Sprachgrenze zwischen Polen und Ruthen bzw. Ukrainern.
21 Vgl. sehr ausführlich „Sturm über Ostpreußen“ in: Thorwald, Jürgen: Die große Flucht. Niederlage, Flucht und Vertreibung. München 2005, S.119-192.
22 Zit. nach Urban, Thomas: Der Verlust. Die Vertreibung der Deutschen und Polen im 20. Jahrhundert. München 2004, S.110.
23 Fachkräfte, die man etwa in der schlesischen Industrie brauchte, Oberschlesier, Masuren im südlichen Ostpreußen und andere, die man als germanisierte Polen ansah, wurden „verifiziert“ und durften bleiben. Vgl. Urban, S.138 ff.
24 Vgl. Reichling, Gerhard: Die deutschen Vertriebenen in Zahlen, Teil I: Umsiedler, Verschleppte, Vertriebene, Aussiedler 1940-1995, Bonn 1995, S. 59 ff. Alle weiteren Zahlenangaben auf dieser Seite sind dort entnommen und auf 50.000 gerundet.
25 Henke, Klaus Dieter: Die Alliierten und die Vertreibung. In Benz, Wolfgang (Hrsg.): Die Vertreibung der Deutschen aus dem Osten. Ursachen, Ereignisse, Folgen. Frankfurt a.M. 1995, S.66. Auch Mathias Beer spricht von “Bevölkerungsverschiebung nie gekannten Ausma ß es “ Beer, Vertreibung, S.101.
26 Aus der Zeitung „Das Parlament“ von 1949, zit. n. Beer, Vertreibung, S. 114.
27 Beer, Vertreibung, S.107.
28 Die Frage nach dem Verhältnis der kulturell recht unterschiedlichen „deutschen Stämme“, wie man zeitgenössisch sagte, hatte das 19. Jahrhundert ebenso durchzogen wie der Konflikt zwischen dem politischen Katholizismus und dem protestantischen Lager. Vgl. etwa Lill Rudolf: Großdeutsch und kleindeutsch im Spannungsfeld der Konfessionen, in: Rauscher, Anton (Hrsg.): Probleme des Konfessionalismus in Deutschland seit 1800, Paderborn u.a.1984, S.32 ff.
29 In diesem Kontext weist Peter Hüttenberger zurecht darauf hin, dass die NS-Regierung durch die Aushöhlung der Verfassung und Errichtung von Sonderbehörden bzw. „Verstaatlichung“ der Parteihierarchie „ in der Verfassungswirklichkeit [ … ] eine Auflösung aller herkömmlichen Ordnungsschemata “ bewirkt hatte. Hüttenberger, Peter: Nordrhein-Westfalen und die Entstehung seiner parlamentarischen Demokratie, Siegburg 1973, S. 160.
30 Die Regierungsbezirke Köln, Aachen und Düsseldorf lagen in der britischen Zone, hingegen blieben die Regierungsbezirke Koblenz und Trier außerhalb.
31 Mit dem Ende des nationalsozialistischen Regimes waren zudem auch die in der Parteidiktatur staatliche Funktionen einnehmenden „Reichsgaue“ Essen, Düsseldorf, Köln-Aachen sowie Westfalen-Nord und Westfalen-Süd verschwunden.
32 Ribhegge, Wilhelm: Preußen im Westen. Kampf um den Parlamentarismus in Rheinland und Westfalen 1789- 1947, Münster 2008, S. 605.
33 Zu dieser Zeit war Amelunxen, zu Weimarer Zeiten Mitglied des Zentrums, parteilos. 1947 trat er der bereits 1945 reaktivierten Zentrumspartei wieder bei.
34 Sie unterstanden den Militärgouverneuren John Barraclough in Düsseldorf bzw. George A. Ledigham/ Cecil A.H. Chadwig (ab September 1945) in Münster. Vgl. Först, Walter: Kleine Geschichte Nordrhein-Westfalens, Düsseldorf 1986, S.18.
35 Zusammen stellten diese „ den Grundstock für den Landtag von Nordrhein-Westfalen “ (Hüttenberger, Nordrhein-Westfalen, S.180) So begann hier etwa die Mandatslaufbahn von Gustav Heinemann, Karl Arnold (beide CDU, Rheinland) sowie Fritz Henßler (SPD, Westfalen)
36 Das Oberpräsidium in Münster verwies auf die Größe der beiden einzelnen Provinzen, die groß genug seien, „ innerhalb eines deutschen Bundesstaates jedes für sich ein Land zu werden. “ (Hüttenberger, NordrheinWestfalen, S. 285); Amelunxen versuchte seine Behörde, die er als Provinzialregierung bezeichnete, „ wohl um anzuzeigen, dass sie kein Oberpräsidium herkömmlicher Art sei “ (Ebd., S.175) als künftige Landesregierung von Westfalen in Stellung zu bringen.
37 Der Prozess wurde von Rolf Steininger detailliert rekonstruiert, vgl. Steininger, Rolf: Die Ruhrfrage 1945/46 und die Entstehung des Landes Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf 1988.
38 Verordnung Nr. 46 der britischen Militärregierung vom 23. August 1946 bestimmte: „… [D]ie Provinzen des Landes Preu ß en oder Teile davon in der britischen Zone [werden hiermit, AB] als solche aufgelöst und erhalten vorläufig die staatsrechtliche Stellung von Ländern. Sie führen die Namen [ … ] Schleswig-Holstein, Hannover, Nordrhein-Westfalen, [letzteres bestehend, AB] aus den unter Nr. 3 und Nr. 4 Teil I aufgeführten Gebieten [das waren Westfalen und die Regierungsbezirke Aachen, Düsseldorf und Köln, AB] “ Zit. n. Hüttenberger, Nordrhein-Westfalen, S.217.
39 Vgl. Hüttenberger, Nordrhein-Westfalen, S. 310 ff.
40 Der Kernraum des späteren rheinisch-westfälischen Industriebezirkes (zeitgenössische Landkreise Duisburg, Essen, Bochum und Dortmund) hatte 1819 erst 120.000 Einwohner, um die Jahrhundertwende war die Einwohnerschaft auf über 2 Millionen gewachsen. In diesem Zeitraum wanderten 165.000 Ostpreußen, 85.000 Einwohner des Großherzogtums/ der Provinz Posens, 75.000 Schlesier und 56.000 Westpreußen nach Rheinland und Westfalen, das Gros davon in das spätere Ruhrgebiet. Vgl. hierzu: Tenfelde , Klaus: Stadt- und Sozialgeschichte im Vergleich: Oberschlesien und das Ruhrgebiet im 20. Jahrhundert. In: Arbeitskreis RuhrgebietOberschlesien des Landes Nordrhein-Westfalen und der Woiwodschaft Schlesien (Hrsg.): Ruhrgebiet - Oberschlesien, Zagł bie Ruhry - Górny l sk, Essen 2006, S. 18.
41 Boehm, Max Hildebert: Gruppenbildung und Organisationswesen, in: Lemberg, Eugen/ Edding, (Hrsg.): Die Vertriebenen in Westdeutschland. Ihre Eingliederung und ihr Einfluss auf Gesellschaft, Wirtschaft, Politik und Geistesleben, Band 1 von 3, Kiel 1959.
42 Zahlen nach Weifert, Mathias: Die Durchsetzungsdynamik von Heimatvertriebenen und Aussiedlern beim wirtschaftlichen und kulturellen Aufbau Deutschlands nach 1945, München 1997, S.228. In der Zwischenkriegszeit hatte es im Zusammenhang mit der Abtretung weiter Teile Westpreußens und Posens sowie Ostoberschlesiens weitere Westwanderung auch nach Rheinland und Westfalen gegeben. Gutes Zahlenmaterial und Hintergründe finden sich hierzu in Kees, Thomas: „Polnische Greuel“: Der Propagandafeldzug des Dritten Reiches gegen Polen, Saarbrücken 1994 sowie Krekeler, Norbert: Die deutsche Minderheit in Polen und die Revisionspolitik des Deutschen Reiches 1919-1933, in: Benz, Vertreibung, S.16-33.
43 Wie Anm. 25.
44 Vgl. Landesregierung Nordrhein-Westfalen (Hrsg.): Ein starkes Bindeglied. Festschrift zum 60jährigen Bestehen des Landesbeirats für Vertriebenen-, Flüchtlings- und Spätaussiedlerfragen, Düsseldorf 2009, S.12. Im Folgenden abgekürzt: „Landesbeirat“
45 Ebd.
46 So befanden sich unter den knapp 10 Millionen Bewohnern in Nordrhein-Westfalen im Jahre 1947 gut eine Million Vertriebene, von denen die mit 234.000 meisten im Regierungsbezirk Arnsberg, hier jedoch mutmaßlich in den östlichen und ländlichen Teilen außerhalb des Ruhrgebietes, ansässig waren. Der zeitgenössisch zweitkleinste, nach heutigen Strukturen kleinste Regierungsbezirk Detmold beherbergte jedoch die zweit meisten „Flüchtlinge“. Die 206.000 zu diesem Zeitpunkt in Ostwestfalen-Lippe lebenden Vertriebenen stellten fast 15 Prozent der Gesamtbevölkerung, was weit über dem damaligen Landesdurchschnitt von gut 10 Prozent lag. In allen anderen Regionen einschließlich Arnsberg lag der Vertriebenanteil noch deutlich unter im einstelligen Bereich. Der urbane Regierungsbezirk Düsseldorf mit fast 4 Millionen Einwohnern hatte schon in absoluten Zahlen weniger „Flüchtlinge“ aufgenommen als Detmold (205.509), der prozentuale Anteil lag bei gerade einmal fünf Prozent. Zahlen nach Wlaschek, Beiräte, S.105.
47 Zu allen Zahlen der bundesamtlichen Volkszählungen vgl. Weifert, Durchsetzungsdynamik, S. 228.
48 Das war keineswegs generell so, wie diesbezügliche Zahlen für Hessen, Bayern und Baden-Württemberg, wo jeweils die Sudetendeutschen die größte landsmannschaftliche Gruppe waren, zeigen. In Bayern wurden sogar mehr Sudetendeutsche als insgesamt Reichsdeutsche aufgenommen.
49 Zum Vergleich die Vertriebenenquoten nach der Volkszählung 1970: Schleswig-Holstein 23,5 %, Niedersachsen 22,7 %, Hessen 18,1 %, Bayern 18% und Baden-Württemberg 17,3 % .
50 Vgl. unten Kap. 7.
51 Alle Zahlen aus: Landesbeirat, S. 39.
52 Vgl. hierzu: Ein Stück Osten in Westfalen, in: Landesbeirat, S. 34-37.
53 Beer, Vertreibung, S.104.
54 Diese angesichts der turbulenten Entwicklung seither anachronistischen Vergleichszahlen wurden nach den Kommunalwahlen im Oktober 1946 fallen gelassen und im November zugunsten der CDU geändert.
55 Buchna, Kristian: Nationale Sammlung an Rhein und Ruhr. Friedrich Middelhauve und die nordrheinwestfälische FDP 1945-1953, München 2010, S.35.
56 Diese Tendenz gab es durchaus auch in den westlichen Besatzungszonen. So kam es „ an Rhein und Ruhr [ … ] Bestrebungen mittlerer [ … ] Parteikader, eine sozialdemokratisch-kommunistische Einheitspartei zu gründen “ (Schmidt, Ute/ Stöss, Richard: Kleinere Parteien in Nordrhein-Westfalen, in: Alemann, Ulrich von [Hrsg.]: Parteien und Wahlen in Nordrhein-Westfalen, Köln 1985, S.171) Derartige Initiativen gab es in „ Leverkusen, Hagen, Moers und Kamp-Lintfort [ … ] Wuppertal und Düsseldorf “ (Hüttenberger, Nordrhein-Westfalen, S.108).
57 Vgl. unten Kap. 5.1.
58 Der ehemalige Reichstagsabgeordnete Henßler, von den Briten zunächst als Dortmunder Oberbürgermeister eingesetzt, konnte sich innerparteilich gegen die Konkurrenz aus dem Bezirk Östliches Westfalen, den populären Weimarer Politiker Carl Severing durchsetzen und übernahm den Vorsitz der SPD-Fraktion im Düsseldorfer Landtag. Perspektiv wichtiger als Severing war dessen Schwiegersohn Walter Menzel, der im November 1945 aus Berlin nach Münster kam, da ihn die Briten zum „Generalreferenten für Inneres der Provinz Westfalen “ ernannt hatten. Eine große Bedeutung für die Landes- und spätere Bundesgeschichte spielte zudem der Gewerkschafter Hans Böckler, der von der Nord-Rheinprovinz aus die Einigung der vormaligen Richtungsgewerkschaften zum Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB), deren erster Vorsitzender er werden sollte, betrieb.
59 Sichtbar ist das z.B. in den Kommunalwahlergebnissen von 1946: Im Landesdurchschnitt erreichte das Zentrum hier 6,1 Prozent der Stimmen, im Kreis Coefeld hingegen 33,7 Prozent, im Kreis Münster 30,5 Prozent und im Kreis Warendorf 27, 2 Prozent. Vgl. Ribhegge, Westen, S. 653.
60 Spieker war in der Zwischenkriegszeit in Breslau tätig und unterstütze im Grenzkampf um Oberschlesien die deutsche Option, was für ihn eine Rolle als Fürsprecher der Heimatvertriebenen und insbesondere der Schlesier hätte prädestinieren können. Durch seine Emigration war er nationalsozialistisch völlig unbelastet, auch das hätte für eine solche Rolle gesprochen.
61 Etwaige theologische Bedenken wurden dabei von Beginn an ausgeräumt, da der Klerus sich aufgrund der belastenden Erfahrungen der Endzeit der Weimarer Republik aufgeschlossen gegenüber konfessionsübergreifenden Strukturen zeigte. Vgl. Gurland, Arcadius R.L.: Die CDU/CSU. Ursprünge und Entwicklung bis 1953. Frankfurt/Main 1980, S.17.
62 Hüttenberger, Nordrhein-Westfalen, S.54, zu Hintergründen dazu vgl. ebd.
63 „ Union, also nicht eine sich eng abzirkelnde Partei, sondern eine umfassende und einende Kraft [ … ]; demokratisch, also eine nichtkommunistische, eine antitotalitäre Partei [ … ]; christlich, also nicht konfessionell eingeengt, sondern eine politische Gemeinschaft, die eine feste Orientierung im Sinne christlicher Grundwerte [ … ] geben würde; Deutschland, also auf das jetzt in Zonen zerrissene Land als Ganzes gerichtet. “ So die Ausführungen eines der Berliner Mitgründer, Johann B. Gradl, zit. n. Kleinmann, Hans Otto: Geschichte der CDU 1945 - 1982. Stuttgart 1993, S.25.
64 Buchna, Sammlung, S. 37.
65 Im Untersuchungsgebiet waren das u.a. die Mönchengladbacher Sozial-Liberale Partei ebenso wie Essener Liberal-Demokratische Partei, der sich der Direktor der Nationalbank Franz Blücher anschloss, oder die Hagener Gruppe um den Fabrikanten Gustav Altenhain. Aus dieser heterogenen Zusammensetzung entstand im Mai 1947 der Landesverband Nordrhein-Westfalen der Freien Demokratischen Partei (FDP), die zunächst den Westfalen Altenhain, bereits im August aber Middelhauve zum Vorsitzenden wählte.
66 Dieses und alle weiteren im Laufe der Arbeit ausgewerteten Wahlergebnisse sind aus: Statistisches Landesamt (Hrsg.): 50 Jahre Wahlen in Nordrhein-Westfalen 1919-1968, Düsseldorf 1969. Zur Wahl 1947 siehe S.97.
67 Im Zuge des sich verschärfenden Kalten Krieges und unter dem Druck des „bürgerlichen“ Flügels der CDU wurde die KPD 1948 aus der Koalition ausgeschlossen.
68 Steinert, Vertriebenenverbände, S.22, der „ Schwierigkeiten der Papierbeschaffung [ … ] fehlende Telefon verbindungen und eingeschränkte Fahrtmöglichkeiten “ anführt.
69 Steinert, Vertriebenenverbände, S.12.
70 Steinert, Vertriebenenverbände, S.22.
71 Kather, Entmachtung 1, S.22.
72 Vgl. Kather, Entmachtung 1, S.27-38, der hier allerdings nicht den Begriff „Koalitionsverbot“ benutzt, sondern positiv vom „ Kampf um das Koalitionsrecht “ spricht, dem er die Verbote entgegenstellt.
73 Hier irrt auch der SPIEGEL 11/1949, der von einem Kontrollrats-Verbot spricht. Tatsächlich agierten die Besatzungsmächte hier aber autark und ohne belegte Absprachen.
74 Aus dem niedersächsischen Hauptstaatsarchiv zit. n. Steinert, Vertriebenenverbände, S.16 f.
75 Ebd.
76 Bundesarchiv Koblenz (Hrsg.): Akten zur Vorgeschichte der Bundesrepublik Deutschland 1945-1949, Band I: September 1945 - Dezember 1946, München 1976, S. 244.
77 So der sarkastische Kommentar von Kather, Entmachtung 1, S.30. Mit SPD, CDU, FDP und Zentrum waren in der Tat alle Lizenzparteien der britischen Zone mit Ausnahme der ohnehin vertriebenenfeindlichen KPD an dem Beschluss zustimmend beteiligt. Vgl. ebd.
78 Zit. n. Steinert, Vertriebenenverbände, S.18.
79 Sämtliche Zitate in dieser Arbeit wurden zur Vereinfachung des Arbeitsablaufes insofern verändert, als sie in neuer Rechtschreibung gehalten sind.
80 Akten zur Vorgeschichte der Bundesrepublik, Band I, S. 244.
81 Eine Auflistung der einzelnen Verbote bietet Steinert, Vertriebenenverbände, S.16.
82 Kather, Entmachtung 1, S. 26.
83 Vgl. ebd.
84 Steinert, Vertriebenenverbände, S.56.
85 Vgl. oben S. 9.
86 Lehrerhandreichung (wie Einleitung, Anm.12), S. 35.
87 Landesbeirat, S.14.
88 Kather, Entmachtung 1, S.28.
89 „ Der Beschluss war ein Beweis dafür, dass das Gift des Nationalsozialismus auch bei denen gewirkt hatte, die mit dem System nicht oder sagen wir besser, kaum paktiert hatten. Vor 1933 wäre eine derartige Missachtung des Rechts in einem solchen Gremium undenkbar gewesen. “ Kather, Entmachtung I, S. 30/31.
90 Wambach, Manfred Max: Verbändestaat und Parteienoligopol. Macht und Ohnmacht der Vertriebenenverbände. Stuttgart 1971 , S.28.
91 Hervorhebung im Original.
92 So Sonnewald, Landsmannschaften, S.44, der anschließend explizit auf Goebel hinweist.
93 Kather, Entmachtung 1, S. 28.
94 Ebd.
95 Die biographischen Informationen über Goebel sind dem launischen Spiegelartikel „Geistlicher Rat teuer“ (Der SPIEGEL, Ausg. 11/1949, 12. März 1949, S.9-11) entnommen, sie finden sich ebenso bei der späteren Veröffentlichung „seiner“ Glatzer, die auch den Nachlass Goebels verwalten: Zentralstelle Grafschaft Glatz e.V. (Hrsg.): Geistlicher Rat G. Goebel und seine Grafschafter, Lüdenscheid 1966.
96 Vgl. oben Kap. 2.
97 SPIEGEL 11/1949, S.9-11. Hier sind auch sämtliche Zitate der Anm. 98-100 entnommen.
- Quote paper
- Arno Barth (Author), 2012, „Flüchtling zu sein, ist (k)eine Weltanschauung“?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/202231
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