1861 wurde durch Angliederung mehrerer italienischer Staaten an das Königreich Sardinien-Piemont der italienische Nationalstaat geschaffen. Die Tatsache, dass der Kirchenstaat mit Rom als Hauptstadt in diesen neuen Staat nicht eingegliedert wurde, war für viele italienische Nationalisten ein Dorn im Auge. Immerhin war Rom die „natürliche“ Hauptstadt Italiens. Als der französische Kaiser Napoleón III. aufgrund des Deutsch-Französischen Krieges 1870/71 seine Schutztruppen aus dem Kirchenstaat abzog, sahen die italienischen Nationalisten ihre Chance gekommen und eroberten mit dem Vatikanstaat das letzte Stück weltlicher Macht der katholischen Kirche. Durch die liberalen und laizistischen Bestimmungen des italienischen Königreiches wurde die katholische Kirche in der Folgezeit stark in ihren früheren Privilegien beschnitten. Papst Pius IX. (1846 bis 1878) sah sich selbst als ein „Gefangener im Vatikan“.
Als sich nach dem Ende des Ersten Weltkriegs der Faschismus in Italien ausbreitete, sahen der Vatikan und die katholische Kirche ihre Chance, in Italien wieder zu alter Größe zu gelangen. Denn der italienische Faschismus unter seinem Duce Benito Mussolini hatte es sich zur Aufgabe gemacht, – ganz im Sinne von Papst und katholischer Kirche – die Ideen von Liberalismus, Laizismus und Kommunismus aus Italien zu verbannen. Mussolini suchte schon in der Anfangsphase der faschistischen Herrschaft über Italien die Unterstützung der katholischen Kirche und zeigte seine Verständigungsbereitschaft durch zahlreiche Zugeständnisse an sie. Es entstand ein immer stärkeres Bündnis zwischen katholischer Kirche und Faschismus, dessen Höhepunkt zweifelsohne die Unterzeichnung der Lateran-Verträge darstellte. Doch auch in der Folgezeit kooperierten beide Seiten eng miteinander.
Warum arbeitete die katholische Kirche aber gerade mit dem italienischen Faschismus so eng zusammen? Der Vatikan hätte sich doch genauso gut Unterstützung in den anderen konservativen Lagern (Militär, Monarchie, Industrie und Gutsbesitzer) suchen können, um die laizistischen Verordnungen Italiens zu revidieren. Wie sah diese Zusammenarbeit konkret aus und kann sie als „Allianz zwischen Faschismus und Kirche“ bezeichnet werden? Diese Fragen sollen in der vorliegenden Arbeit beantwortet werden.
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung
- II. Das Königreich Italien und der Katholizismus (1870 bis 1922)
- II.1 Das Verhältnis zwischen italienischem Staat und katholischer Kirche
- II.2 Papst Pius XI.
- III. Die Beziehung zwischen italienischem Faschismus und katholischer Kirche
- III.1 Die Kooperation
- III.2 Die Lateran-Verträge
- III.2.1 Die Vertragsverhandlungen
- III.2.2 Die Inhalte
- III.2.3 Die Nachwirkungen
- III.3 Die Konflikte
- IV. Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Zusammenarbeit zwischen dem italienischen Faschismus und der katholischen Kirche in der Zwischenkriegszeit. Sie beleuchtet die historischen Hintergründe dieser Kooperation, analysiert die konkreten Maßnahmen und Abkommen, und untersucht sowohl die positiven als auch die negativen Aspekte dieser Beziehung.
- Das Verhältnis zwischen italienischem Staat und katholischer Kirche vor dem Faschismus.
- Die Rolle des Papstes Pius XI. in der Annäherung an den Faschismus.
- Die konkreten Formen der Kooperation zwischen Faschismus und Kirche.
- Die Bedeutung der Lateranverträge.
- Konflikte zwischen Staat und Kirche trotz der Kooperation.
Zusammenfassung der Kapitel
I. Einleitung: Die Einleitung beschreibt den Säkularisierungsprozess in Europa und die daraus resultierende Schwächung der katholischen Kirche, insbesondere in Italien nach der Einigung 1870. Sie thematisiert den Konflikt zwischen dem italienischen Nationalstaat und dem Vatikan aufgrund der Annexion Roms und den daraus resultierenden Beschränkungen der kirchlichen Macht. Die Arbeit stellt die Frage nach der engen Zusammenarbeit zwischen der katholischen Kirche und dem italienischen Faschismus und kündigt die Struktur der Untersuchung an, die die Situation der Kirche vor Mussolini, die Rolle von Papst Pius XI., die konkrete Kooperation, die Lateranverträge und bestehende Konflikte beleuchten wird.
II. Das Königreich Italien und der Katholizismus (1870 bis 1922): Dieses Kapitel analysiert das schwierige Verhältnis zwischen dem italienischen Staat und der katholischen Kirche von der Eroberung Roms 1870 bis zum Aufstieg Mussolinis. Es beschreibt die Reaktion des Papstes Pius IX. mit dem "non expedit", das die politische Partizipation katholischer Italiener verbot, und die daraus resultierende gesellschaftliche Spaltung. Das Kapitel beleuchtet die allmähliche Lockerung dieser Position nach dem Ersten Weltkrieg unter Papst Benedikt XV. und die Entstehung katholischer Parteien und Gewerkschaften als Ausdruck eines neuen, selbstbestimmten katholischen Engagements in der italienischen Politik, trotz des weiterhin bestehenden Misstrauens zwischen Kirche und Staat.
Schlüsselwörter
Italienischer Faschismus, Katholische Kirche, Lateranverträge, Papst Pius XI., Säkularisierung, Non expedit, Kooperation, Konflikte, Zwischenkriegszeit, Nationalstaat, Italienische Einigung.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu: Zusammenarbeit zwischen italienischem Faschismus und katholischer Kirche
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit untersucht die Zusammenarbeit zwischen dem italienischen Faschismus und der katholischen Kirche in der Zwischenkriegszeit. Sie beleuchtet die historischen Hintergründe dieser Kooperation, analysiert konkrete Maßnahmen und Abkommen und untersucht sowohl positive als auch negative Aspekte dieser Beziehung.
Welche Zeitspanne wird behandelt?
Der Fokus liegt auf der Zwischenkriegszeit, wobei die historische Entwicklung des Verhältnisses zwischen italienischem Staat und katholischer Kirche von 1870 (Einigung Italiens) bis 1922 (Aufstieg Mussolinis) und darüber hinaus betrachtet wird.
Welche Themen werden im Einzelnen behandelt?
Die Arbeit behandelt folgende Themen: Das Verhältnis zwischen italienischem Staat und katholischer Kirche vor dem Faschismus; die Rolle von Papst Pius XI. bei der Annäherung an den Faschismus; die konkreten Formen der Kooperation zwischen Faschismus und Kirche; die Bedeutung der Lateranverträge; Konflikte zwischen Staat und Kirche trotz der Kooperation.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit?
Die Arbeit gliedert sich in eine Einleitung, ein Kapitel über das Verhältnis zwischen Italien und der katholischen Kirche von 1870 bis 1922 (inklusive der Rolle von Papst Pius XI.), ein Kapitel über die Beziehung zwischen italienischem Faschismus und katholischer Kirche (inkl. Lateranverträgen und Konflikten) und ein Fazit.
Was sind die Lateranverträge und welche Bedeutung haben sie?
Die Lateranverträge sind ein wichtiger Bestandteil der Arbeit. Sie werden hinsichtlich ihrer Vertragsverhandlungen, ihrer Inhalte und ihrer Nachwirkungen analysiert und stellen einen zentralen Aspekt der Kooperation zwischen Faschismus und Kirche dar.
Welche Rolle spielte Papst Pius XI.?
Die Rolle von Papst Pius XI. bei der Annäherung an den Faschismus wird ausführlich untersucht. Seine Handlungen und Entscheidungen im Kontext der politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen Italiens sind ein zentraler Aspekt der Arbeit.
Wie wird das Verhältnis vor dem Faschismus dargestellt?
Das Kapitel über das Königreich Italien und den Katholizismus (1870-1922) beschreibt das schwierige Verhältnis zwischen Staat und Kirche nach der Einigung Italiens, den "non expedit" und die allmähliche Lockerung dieser Position nach dem Ersten Weltkrieg.
Welche Schlüsselwörter charakterisieren die Arbeit?
Schlüsselwörter sind: Italienischer Faschismus, Katholische Kirche, Lateranverträge, Papst Pius XI., Säkularisierung, Non expedit, Kooperation, Konflikte, Zwischenkriegszeit, Nationalstaat, Italienische Einigung.
Für wen ist diese Arbeit bestimmt?
Diese Arbeit ist für den akademischen Gebrauch bestimmt und dient der Analyse von Themen im Zusammenhang mit italienischem Faschismus und der katholischen Kirche.
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- Falk Hesse (Author), 2012, Mit Rutenbündel und Kruzifix, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/202206