Wie politisch war der junge Brecht? Seine Augsburger und Münchener Zeit im politischen Kontext.


Hausarbeit (Hauptseminar), 2001

37 Seiten, Note: 2 (gut)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

I. Einleitung

II. Politische und Gesellschaftliche Rahmenbedingungen
1. Das Weltmachtstreben des wilhelminischen Deutschlands
2. Der 1. Weltkrieg
2.1 Ursachen und Vorgeschichte
2.2 Auswirkungen des 1.Weltkrieges
2.3. Das Ende des 1.Weltkrieges und des Kaiserreiches
3. Der Übergang zur Weimarer Republik
3.1 Die Novemberrevolution
3.2 Die politische Linke

III. Wie politisch war Brecht? Eine Betrachtung seiner Augsburger und Münchener Zeit
1. Brechts Kindheit und Schulzeit
2. Brecht und der 1. Weltkrieg
3. Das Ende des 1. Weltkrieges und Revolution

IV. Die literarischen Anfänge
1. Lyrik – Der Brennende Baum
2. Drama – Trommeln in der Nacht

V. Schlussbemerkung

Anhang

Literaturverzeichnis und Quellen

Erklärung

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

I. Einleitung

„Das Klassische in Brecht zu sehen heißt nicht, ihn in ein Museum zu stellen, sondern ihn in seiner Entwicklung und in seiner Wirkung zu begreifen.“[1]

Bertolt Brecht gilt wohl als der bedeutenste deutsche Dichter und Dramatiker des 20. Jahrhunderts. Zugleich ist er aber auch das enfent terrible der deutschen Literatur. In seinem Buch Erinnerung an Brecht sagt Hans Mayer rückblickend auf die 20er Jahre über Brecht:

Er dachte, schrieb und sprach nicht wohlanständig, wie es sich für einen guten Schriftsteller geziemt, sondern ordinär, spöttisch und hochfahrend.“ [2]

Und die Handlung des Stücks Trommeln in der Nacht „ekelte“ ihn an:

„Mit diesem Brecht wollte ich nichts zu tun haben ...“ [3]

Um Brecht in seiner Entwicklung und in seiner Wirkung begreifen zu können, kommt man nicht umhin, den damaligen gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen, die den jungen Brecht beeinflussten, hinreichend Beachtung zu schenken.

„Es (bzw. mich) interessiert in erster Linie nicht das Leben des Autors selbst, wichtiger sind vielmehr die Bedingungen, unter denen er sein Werk geschaffen hat.“ [4]

In dieser Arbeit will ich der Frage nachgehen, wie sich Brecht politisch entwickelt hat, wie stark seine Motivation, sein Engagement diesbezüglich war, da es von Bedeutung für das Verständnis seiner späteren großen Werke den sogenannten Lehrstücken– ist, die klare politische Positionen vertreten bzw. zu ihnen hinführen wollen. Um diese Frage beantworten zu können, werden wichtige politisch-gesellschaftliche Ereignisse vom Kaiserreich bis hin zur Weimarer Republik dargestellt. Daraufhin wird näher auf die Person Brechts eingegangen: Wie nimmt der junge Brecht die Gesellschaft, in der er lebt, wahr? Wodurch wird Brecht in dieser doch sehr nervösen Epoche geprägt und wie reagiert er beispielsweise auf den 1. Weltkrieg? Betrachtet wird der junge Brecht; als Abgrenzungskriterium dient hier sein Lebensabschnitt in Augsburg und München bis zum Anfang der Weimarer Republik. Dies erscheint auch vom Definitorischen hinsichtlich der Kategorie „jung“ angemessen.

Ferner werden politische Einflüsse bzw. Parallelen zwischen Werk und Wirklichkeit, d.h. Beziehungsmuster zwischen dem politischen Geschehen und der Person Brecht, die Einfluss auf sein literarisches, dichterisches Schaffen genommen haben, herausgearbeitet. Um den Rahmen der Arbeit nicht zu sprengen, beschränke ich mich diesbezüglich auf zwei ausgewählte Stü />

II. Politische und gesellschaftliche Rahmenbedingungen

1. Das Weltmachtstreben des wilhelminischen Deutschlands

Am 17.03.1890 gab Bismarck seinen Entschluss zum Rücktritt bekannt. Somit konnte seit dem 22.03.1890 Wilhelm II. seinen auf das Gottesgnadentum gestützten Führungsanspruch weiter ausdehnen. Es war die Anfangsphase eines nach außen wirkenden glanzvollen wilhelminischen Zeitalters. In der Tat befand sich Deutschland in einer konjunkturellen Hochphase, die mit kurzen Unterbrechungen bis zum 1. Weltkrieg anhielt. Damit einhergehend wurde eine Politik des Weltmachtstrebens verfolgt. Schlagwörter waren beispielsweise „Weltpolitik“, „Weltmacht“ und auch der Begriff „Imperialismus“ wurde in dieser Zeit nachhaltig geprägt. Charakteristisch für das Deutsche Kaiserreich um die Jahrhundertwende ist der folgende Ausschnitt aus einer Rede des Staatssekretärs Bülow:

„Die Zeiten, wo der Deutsche dem einen seiner Nachbarn die Erde überließ, dem anderen das Meer und sich selbst den Himmel reservierte, wo die reine Doktrin thront – diese Zeiten sind vorüber ... Mit einem Worte: Wir wollen niemanden in den Schatten stellen, aber wir verlangen auch unseren Platz an der Sonne.“ [1]

Das Streben des Deutschen Kaiserreiches nach Weltmacht entsprach dem damaligen Zeitgeist. Es ging darum, sich die letzten, noch nicht unter kolonialer Herrschaft befindlichen Gebiete Asiens und Afrikas anzueignen. Überraschend ist hierbei, dass nicht ausschließlich die typischen militärischen oder bürokratischen Eliten der Motor dieser deutschen Weltmacht-Politik waren, sondern auch das Bildungsbürgertum.

Wilhelm II. zeigte seit den 90er Jahren großes Interesse an der Seekriegsfahrt und plante den Aufbau einer deutschen Schlachtflotte, um sowohl innen- als auch außenpolitisch Macht und Stärke zu symbolisieren. Am 27.07.1900 hielt er in Bremerhaven anlässlich der Verabschiedung des deutschen Expeditionskorps die berühmte Hunnenrede:

„Pardon wird nicht gegeben; Gefangene nicht gemacht. Wer euch in die Hand fällt, sei in Eurer Hand. Wie vor tausend Jahren die Hunnen unter ihrem König Etzel sich einen Namen gemacht, der sie noch jetzt in der Überlieferung gewaltig erscheinen lässt, so möge der Name Deutschland in China in einer solchen Weise bekannt werden, dass niemals wieder ein Chinese es wagt, einen Deutschen auch nur scheel anzusehen.“ [2]

2. Der 1. Weltkrieg

2.1 Ursachen und Vorgeschichte

Übersteigerter Nationalismus, Weltmachtstreben, Hegemonie um jeden Preis: Das waren die Hauptgründe, die zwangsläufig zum Krieg führen mussten. Vorangegangen waren schon Konflikte, wie die Marokkokrisen, die österreichische Annexion Herzegowinas sowie die Balkankriege, die als Vorläufer des 1. Weltkrieges gelten. Die Spannungen in Europa verschärften sich. Mit der Ermordung des österreichisch-ungarischen Thronfolgers Erzherzog Franz Ferdinand durch den serbischen Nationalisten Gavrilo Princip am 28.06.1914 begann die sogenannte Julikrise. Österreich-Ungarn wurde durch Wilhelm II. und Reichskanzler Bethmann Holweg nicht nur zu militärischen Aktionen gegen Serbien ermutigt, sondern auch Unterstützung zugesagt. Nach Ullrich beherrschen drei Interpretationen die aktuelle Forschung zur Julikrise[3] und den mit ihr einhergehenden Ausbruch des 1.Weltkrieges: Die erste basiere auf der Annahme, dass Deutschland davon ausging, England neutral halten zu können. Von dieser Annahme ausgehend, provozierte Deutschland den Konflikt mit Russland und Frankreich, um so Stärke zu demonstrieren und den Hegemonieanspruch in Europa durchsetzen zu können. Eine zweite Annahme geht davon aus, dass aufgrund zunehmender innenpolitischer Schwierigkeiten die Regierung eine Art Ventil benötigte, um so die Probleme nach außen verlagern zu können. Die dritte Theorie betrachtet den Krieg als das Ergebnis eines durch die deutsche Regierung politisch falsch kalkulierten Risikos, wobei die Regierung

„[...] zwar von vornherein das Risiko eines großen Krieges einkalkulierte, diesen aber nicht wirklich herbeiführen wollte.“ [4]

2.2 Auswirkungen des 1.Weltkrieges

Der 1. Weltkrieg hatte (wie jeder Krieg) Auswirkungen auf alle Bereiche des menschlichen Lebens. Arbeitsleben, Familie, Schule, Universität usw.; alle diese Bereiche spürten die Auswirkungen dieses Krieges, vor allem aber der Mensch selbst. Es war ein neuer Typus von Krieg, der bis dahin in ähnlicher Form noch nie da gewesen war: Die neuesten technischen Errungenschaften der Rüstungsindustrie wie beispielsweise Panzer, Flugzeuge, U-Boote, Giftgas, Maschinengewehre etc. wurden eingesetzt.

In der Anfangsphase des Krieges stieg zunächst die Produktion vor allem in der Metallverarbeitung und im Maschinenbau stark an; ebenso in der elektrischen und chemischen Industrie. In den anderen Bereichen ging sie dagegen zurück. Es kam schon bald zu Reallohnverlusten, die besonders deutlich in den Industrien zum Vorschein kam, die keine Kriegsleistungen erbrachten. Im Frühjahr 1917 normalisierte sich die wirtschaftliche Lage wieder: das Lohn-Preis-Niveau glich sich an; allerdings auf niedrigerem Niveau als zuvor. Die Arbeitsbedingungen verschlechterten sich rapide, Arbeitschutzmaßnahmen wurden ignoriert oder bewusst außer Kraft gesetzt.[5] Die Verlierer dieses Krieges waren in erster Linie die Arbeiter. Aber auch die Angestellten und sogar die Beamten hatten Einkommensverluste von bis zu 53,6 Prozent.[6]

Der Krieg veränderte auch den Alltag der Bildungseinrichtungen spürbar. Lehrer, Dozenten und Professoren stärkten die deutsche Kriegsnation geistig und bereiten so schon die Kinder auf den Krieg vor.

„An der geistigen Mobilmachung von 1914 haben sich die Intellektuellen in allen kriegführenden Nationen beteiligt. Nirgendwo aber taten sie das mit einer solchen Inbrunst wie in Deutschland. [...] Die meisten deutschen Hochschullehrer betrachteten es als Pflicht, die deutschen Kriegsanstrengungen mit den `Waffen des Geistes´ zu unterstützen, [...]“ [7]

Mit Beginn des Krieges werden sowohl die Lehrer als auch die wehrfähigen Schüler zum Kriegsdienst herangezogen. So wurden beispielsweise Anfang August 1914 durch die Mobilmachung 10 von 30 Lehrern sowie im Verlauf des Schuljahres 39 Schüler des Augsburger Realgymnasiums eingezogen.[8] In dieser Zeit erschienen auch die Zehn Gebote einer Kriegspädagogik von Theobald Ziegler, ein Handbuch, eine Art Leitfaden für Lehrer, aus dem hervorgeht, wie sie nationale Interessen und patriotische Stimmungen didaktisch mit dem Unterricht verflechten sollen. Das Ziel dieser „Pädagogik“ ist klar: Die Erziehung, oder besser: der Drill des jungen Menschen im „Deutschen Geiste“:

„Setze allen Unterricht in Beziehung zu den Ereignissen des Krieges [...], wo es schwer ist, da ziehe getrost an den Haaren herbei.“ [9]

Max Weber übte –obwohl er sich selber von der damaligen Stimmung anfangs mitreißen ließ– an den deutschen Intellektuellen, besonders an den Hochschullehrern, die die Kriegsstimmung mit ihrem Verhalten mitgefördert haben, Kritik und bemerkte 1917:

„Schon was akademische Lehrer an Mangel an politischem Augenmaß insbesondere im Kriege geleistet haben, übersteigt bekanntlich alles Dagewesene.“ [10]

2.3 Das Ende des 1.Weltkrieges und des Kaiserreiches

Am 18.07.1918 starteten die Alliierten in Frankreich eine große Gegenoffensive und durchbrachen am 08.08 die Front bei Amiens. Für die OHL war somit klar, dass der Krieg nicht mehr zu gewinnen war. Diese Erkenntnis wurde bestärkt, als Österreich-Ungarn, die Türkei und Bulgarien eine nicht abgesprochene Friedenserklärung an die Alliierten abgaben und Deutschland somit seine Verbündeten verlor.[11]

[...]


[1] Der Klassiker der Vernunft. Ein Essay von Siegfried Unseld. Siehe hierzu:

http://www.suhrkamp.de/autoren/brecht/brechtess.htm (21.10.2001, 20:54 Uhr)

[2] Ebenfalls auf einer Internetseite des Suhrkamp Verlages sind die von mir zitierten Auszüge Hans

Mayers (Erinnerung an Brecht) zu finden: http://www.suhrkamp.de/autoren/brecht/brechtmay.htm

(21.10.2001, 21:05 Uhr)

[3] Ebd.

[4] Knopf: Bertolt Brecht, S. 12

5 Penzler (Hrsg.): Fürst Bülows Reden nebst urkundlichen Beiträgen zu seiner Politik. Zit. n. Ullrich:

Die nervöse Großmacht 1871-1918, S. 193

[2] Zit. n. Hildebrand: Das vergangene Reich, S. 208

[3] Siehe hierzu Ullrich: Die nervöse Großmacht 1871-1918, S. 251 f.

[4] Ebd. S. 252

[5] Vgl. Ullrich: Die nervöse Großmacht 1871-1918, S. 465

[6] Vgl. Ebd. S. 467

[7] Ebd. S. 494

[8] Vgl. Hecht: Brecht-Chronik 1898-1956, S. 31

[9] Ziegler: Zehn Gebote einer Kriegspädagogik, Zit. n. Hecht (wie Anm. 12)

[10] Weber: Zur Politik im Weltkrieg. Schriften und Reden 1914-1918, S. 229 f.

[11] Diesem Abschnitt liegt insbesondere Grevelhörster: Kleine Geschichte der Weimarer Republik, S.

9 f. zugrunde.

Ende der Leseprobe aus 37 Seiten

Details

Titel
Wie politisch war der junge Brecht? Seine Augsburger und Münchener Zeit im politischen Kontext.
Hochschule
Universität Kassel  (FB Literaturwissenschaften)
Veranstaltung
Hauptseminar: Der junge Brecht
Note
2 (gut)
Autor
Jahr
2001
Seiten
37
Katalognummer
V2021
ISBN (eBook)
9783638112420
Dateigröße
2216 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Anmerkung des Professors: Eine meist angenehm zu lesende Arbeit. 1.896 KB
Schlagworte
Bert Brecht / Bertolt Brecht / Brecht /Literaturwissenschaft / Drama
Arbeit zitieren
Lars Wächter (Autor:in), 2001, Wie politisch war der junge Brecht? Seine Augsburger und Münchener Zeit im politischen Kontext., München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/2021

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