Im Rahmen eines Projektes der Stiftung MERCATOR zur Förderung von Kindern mit Migrationshintergrund führte ich an der 121. Mittelschule Dresden von 2008 bis 2010 Förderunterricht im Fach Englisch für Schüler der achten und neunten Klasse durch. Das Ziel des Projektes, durch speziellen Förderunterricht einen Beitrag zur Integration von Jugendlichen nichtdeutscher Herkunftssprache in deutschen Schulen zu leisten, ist lobenswert und entspricht der aktuellen, vornehmlich seit der Durchführung der PISA-Studien in den Blick geratenen, Akzeptanz des Umstandes, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist und sich Gesellschaft, Politik und Schulen der Herausforderung kultureller und herkunftsspezifischer Heterogenität stellen müssen. Seit den PISA-Studien weiß man um die enormen Kompetenznachteile von Kindern nichtdeutscher Herkunft im Vergleich zu ihren deutschen Mitschülern, die in kaum einem anderen OECD-Land so hoch mit dem Migrationshintergrund in Zusammenhang stehen. Auf die Feststellung dieses Missstandes und das Eingeständnis dessen, dass Deutschlands Schulen mehrheitlich den verbrieften Auftrag „[…] für Bildungschancen unabhängig von Herkunft, Stand und sozialer Lage zu sorgen“ verfehlen, reagieren zahlreiche bildungspolitische und pädagogische sowie fachdidaktische Diskurse, Initiativen und Konzepte. Eigene praktische Erfahrungen zeigten mir allerdings, wie weit Theorie und Praxis auseinanderklaffen und ich möchte im Folgenden knapp einige Aspekte ausführen, die m.E. eine erfolgreiche Integration erschweren, sowie Aussagen dazu treffen, wie sich die Situation bereits verändert und verbessert hat.
Inhalt
1. Auswahl und Relevanz der Thematik
2. Zur Situation der Migranten in Deutschland
3. Befunde - PISA 2009 und der nationale Bildungsbericht von 2006
4. Weshalb die großen Disparitäten? – Ursachen
4.1. Einflussfaktoren auf den Bildungserfolg
4.2. Mangelnde Deutschkenntnisse als elementares Hindernis für gelingende Integration
4.2.1. Konzeptionen des Sächsischen Lehrplans Deutsch als Zweitsprache 200/2009
4.2.2. Verantwortlichkeit der Fachlehrer
5. Zusammenfassung und Ausblick
6. Literatur
1. Auswahl und Relevanz der Thematik
Im Rahmen eines Projektes der Stiftung MERCATOR zur Förderung von Kindern mit Migrationshintergrund führte ich an der 121. Mittelschule Dresden von 2008 bis 2010 Förderunterricht im Fach Englisch für Schüler der achten und neunten Klasse durch. Das Ziel des Projektes, durch speziellen Förderunterricht einen Beitrag zur Integration von Jugendlichen nichtdeutscher Herkunftssprache in deutschen Schulen zu leisten, ist lobenswert und entspricht der aktuellen, vornehmlich seit der Durchführung der PISA-Studien in den Blick geratenen, Akzeptanz des Umstandes, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist und sich Gesellschaft, Politik und Schulen der Herausforderung kultureller und herkunftsspezifischer Heterogenität stellen müssen.[1] Seit den PISA-Studien weiß man um die enormen Kompetenznachteile von Kindern nichtdeutscher Herkunft im Vergleich zu ihren deutschen Mitschülern, die in kaum einem anderen OECD-Land so hoch mit dem Migrationshintergrund in Zusammenhang stehen.[2] Auf die Feststellung dieses Missstandes und das Eingeständnis dessen, dass Deutschlands Schulen mehrheitlich den verbrieften Auftrag „[…] für Bildungschancen unabhängig von Herkunft, Stand und sozialer Lage zu sorgen“[3] verfehlen, reagieren zahlreiche bildungspolitische und pädagogische sowie fachdidaktische Diskurse, Initiativen und Konzepte. Eigene praktische Erfahrungen zeigten mir allerdings, wie weit Theorie und Praxis auseinanderklaffen und ich möchte im Folgenden knapp einige Aspekte ausführen, die m.E. eine erfolgreiche Integration erschweren, sowie Aussagen dazu treffen, wie sich die Situation bereits verändert und verbessert hat.
2. Zur Situation der Migranten in Deutschland
Deutschland ist keines der klassischen Einwanderungsländer, sondern zählt zu jenen europäischen Staaten, die nach massiver Anwerbung umfangreiche Zuwanderung von Arbeitskräften aus dem Ausland erfahren haben und so den Arbeitskräftemangel der 60er und 70er Jahre auszugleichen.[4] Nachwievor verbindet sich Migration häufig mit der Hoffnung auf eine Verbesserung des Lebensstandards, wobei die Zugewanderten in ihrem Herkunftsland nicht unbedingt zu den am stärksten Benachteiligten gehört haben müssen.[5] Dennoch zeigen sich Migranten verglichen mit der einheimischen Bevölkerung bezüglich des Ausbildungsniveaus, ihrer sozialen und wirtschaftlichen Stellung im Durchschnitt benachteiligt.[6] Der Schule kommt im Integrations- und Sozialisationsprozess eine Schlüsselfunktion als Ausgleichsinstanz zu, welche gesetzlich festgeschrieben ist. So konstatiert das Sächsische Schulgesetz von 1991 einen Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schulen, der für jeden jungen Menschen unabhängig von Herkunft oder wirtschaftlicher Lage die gleichen Chancen zur Wahrnehmung von Bildungsmöglichkeiten zu gewährleisten hat.[7] Die Ergebnisse von PISA 2009 führen jedoch vor, wie sehr das Verhältnis von Anspruch und Wirklichkeit in Zweifel gerät, indem sie zeigen, dass auch nach einem Jahrzehnt Observation und Evaluation die Disparitäten zwischen Schülern mit Migrationshintergrund und deutschen Schülern weiterhin groß sind.[8]
3. Befunde - PISA 2009 und der nationale Bildungsbericht von 2006
Den weiteren Ausführungen voraus sollen einige Befunde gehen, welche im Gesamtbericht PISA 2009 – Bilanz nach einem Jahrzehnt und dem nationalen Bildungsbericht von 2006 mit dem Fokus auf Bildung und Migration konstatiert werden. Demnach ist für die Lesekompetenz von 15-jährigen Schülern mit Migrationshintergrund 2009 zwar ein als signifikant einzuschätzender Anstieg der Lesekompetenz zu beobachten.[9] Allerdings ist diese auch 2009 immer noch deutlich geringer als die der deutschen Kinder. Diese Disparität zeigt sich selbst bei gleichem ökonomischem Status der Angehörigen beider Vergleichsgruppen.[10] Allerdings zeigt der PISA-Gesamtbericht für 2009, dass der Zusammenhang zwischen der Familiensprache und der Lesekompetenz abzunehmen scheint.[11] Idealerweise könnte dies auf die Anstrengungen und vermehrten Angebote im Bereich der Sprachförderung zurückgeführt werden. Damit zeigte sich, dass es durch bildungspolitische Entscheidungen, in diesem Falle den Beschluss der KMK von 2003, Maßnahmen zur Sprachförderung zu intensivieren, teilweise gelungen wäre, „[…] den Mangel an außerschulischen Lerngelegenheiten zum Erwerb der deutschen Sprache durch institutionelle Förderung zu kompensieren.“[12] Das wäre hocherfreulich und wiese darauf hin, dass Deutschland mit seinen bildungspolitischen Entscheidungen auf dem richtigen Weg wäre. Allerdings muss diesem möglichen Zusammenhang noch mit genaueren Analysen nachgegangen werden. Trotz solcher tendenziell positiven Befunde, ist es nachwievor so, „[…] dass Schüler mit Migrationshintergrund nicht nur mehr Schwierigkeiten haben, auf höhere Schularten zu gelangen, sondern auch größere Probleme, sich dort zu halten […] [und] Jugendliche mit Migrationshintergrund unter der Gesamtheit der Studienberechtigten stark unterrepräsentiert sind.“[13] Auch der Übergang in die Ausbildung und die Arbeitswelt gestaltet sich für Jugendliche mit Migrationshintergrund schwieriger als für ihre deutschen Altersgenossen.[14]
[...]
[1] Vgl. Stanat, Petra, Dominique Rauch und Michael Segeritz: Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund. Kapitel 7.1. des PISA-Gesamtberichts: Klieme Eckardt et al. (Hrsg.): PISA 2009 – Bilanz nach einem Jahrzehnt. Münster u.a. 2010. S. 200 – 230. Online-pdf-Version, S. 200. Im Folgenden kurz zit. als: PISA-Gesamtbericht 2010.
[2] Vgl. Klieme Eckardt et al. (Hrsg.): PISA 2009 – Bilanz nach einem Jahrzehnt. Zusammenfassung. Münster u. a. 2010. Online-pdf-Version, S. 11.
[3] Gogolin 2001, S. 21.
[4] Vgl. Stanat/ Christensen 2006, S. 21.
[5] Vgl. Stanat/ Christensen 2006, S. 69.
[6] Vgl. ebd.
[7] Vgl. Sächsischer Lehrplan DaZ 2000/ 2009, S. 4.
[8] Vgl. Klieme Eckardt et al. (Hrsg.): PISA 2009 – Bilanz nach einem Jahrzehnt. Zusammenfassung. Münster u. a. 2010. Online-pdf-Version, S. 12.
[9] Vgl. PISA-Gesamtbericht 2010, S. 211.
[10] Vgl. PISA-Gesamtbericht 2010, S. 201.
[11] Vgl. PISA-Gesamtbericht, S. 221.
[12] PISA-Gesamtbericht, S. 221.
[13] Konsortium Bildungsberichterstattung (Hrsg.): Bildung in Deutschland. Ein indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zu Bildung und Migration. Bielefeld 2006. Online-pdf-Version, S. 178. Im Folgenden kurz zit. als: Bildungsbricht 2006.
[14] Vgl. ebd.
- Arbeit zitieren
- Thérèse Remus (Autor:in), 2012, Integration von Kindern mit Migrationshintergrund an deutschen Schulen. Konzeption und Praxis des DaZ-Erwerbs im Bundesland Sachsen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/202042
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