Die gegenwärtige Gesellschaft zeichnet sich durch Komplexität und ständigen Wandel aus. Veränderungen des Sozialgefüges durch demographische Prozesse und die auseinanderklaffende Schere zwischen arm und reich sind nur zwei Beispiele für den aktuellen Strukturwandel, der uns in vielfältiger Weise beeinflusst. Der Landschaftsarchitekt wird zum Generalisten für die Bewältigung zahlreicher Problemstellungen, da Grünflächen als Sozialräume enorm an Bedeutung gewinnen.
Die Wiederentdeckung des sozialen Aspekts von Freiräumen birgt die Möglichkeit einzelne Gegenwartsaufgaben unserer pluralistischen Gesellschaft in eben diesen zu bewältigen. Als Ort der Entfaltung, der Mehrgenerationenbegegnung und der Integration können wertvolle Stadträume entstehen. Für die Bewältigung dieser anspruchsvollen Planungsaufgaben muss kein neuer Parktypus entworfen werden, wie aktuelle Ausschreibungen fordern. Es kann mit bewährten Methoden reagiert werden.
Die genauere Betrachtung gut funktionierender, bereits bestehender Grünräume ermöglicht einen Erkenntnisgewinn, der Lösungsansätze für aktuelle Entwicklungen beherbert. „Aus Geschichte lernen“ als legitime Praktik kann auch in der Landschaftsarchitektur angewandt werden.
In diesem Fall wird das Leben und Wirken des Kasseler Landschaftsarchitekten Günther Grzimek am Beispiel seiner Planung des Münchner Olympiaparks genauer untersucht. Günther Grzimek als Architekt des Demokratischen Grüns war, trotz seiner geringen Prominenz, nicht nur einer der fortschrittlichsten Landschaftsarchitekten seiner Zeit, sondern auch Sozialarbeiter für Mensch und Landschaft.
Das Gestaltungsrepertoire wird am Beispiel des Münchner Olympiaparks auf seine zeitlose Gültigkeit und Einsetzbarkeit hin überprüft. Die Entschichtung des Münchner Grünraums erlaubt ein Herausarbeiten der Grzimekschen Gestaltungsprinzipien. Diese werden in den zeitlichen Kontext gesetzt, auf ihre Ursprünge untersucht und bewertet. Was lässt sich anhand der singulären und dialektischen Betrachtung der spezifischen Aspekte des Olympiaparks eruieren? Sind die Grundprinzipien Grzimeks auch heute noch anwendbar?
Trotz zahlreicher Veröffentlichungen und Vorträge genoss Grzimek nicht den selben Bekanntheitsgrad wie andere Zeitgenossen seiner Profession.
Dennoch ist er einer der wichtigsten Vertreter der Landschaftsarchitektur der Nachkriegszeit und setzte als Reformer neue Maßstäbe in Praxis und Theorie seines Fachs.
Inhalt
1 Einleitung
2 Zielsetzung und Methodik der Arbeit
3 Landschaftsarchitektur und Geschichtsbewusstsein
4 Das Leben und Wirken des Günther Grzimek
5 Entschichtung des Olympiaparks
5.1 Das Olympiagelände
5.2 Lage und Gliederung
5.3 Geschichte
5.4 Olympische Spiele 1972
5.5 Der Olympiapark
5.6 Rahmenbedingungen
5.7 Arbeitsmittel
5.7.1 Infrastruktur
5.7.2 Denkmalschutz
5.7.3 Vegetationsverwendung
5.7.4 Topographie
5.7.5 Wasser
5.7.6 Sichtbeziehungen
5.7.7 Bezug zur Architektur
5.7.8 Formensprache
5.7.9 Nutzungen und Funktionen
6 Günther Grzimek als Vordenker
6.1 Theoretische Ansätze
6.2. Formal-ästhetische Ansätze
7 Kritische Reflektion
7.1 Günther Grzimek - einer der fortschrittlichsten Landschaftsarchi tekten seiner Zeit
7.2 Günther Grzimeks Gestaltungsrepertoire ist von einer Qualität, die zeitlos gültig ist. Seine Ansätze sind heute noch anwendbar.
7.3 Günther Grzimek - Sozialarbeiter der Landschaft
8 Quellen
8.1 Literatur
8.2 Internetquellen
8.3 Filme und Hörbücher
9 Abbildungsverzeichnis
10 Danksagung
11 Anhang
Abstrakt
Die gegenwärtige Gesellschaft zeichnet sich durch Komplexität und ständigen Wandel aus. Veränderungen des Sozialgefüges durch demographische Prozesse und die auseinanderklaffende Schere zwischen arm und reich sind nur zwei Beispiele für den aktuellen Strukturwandel, der uns in vielfältiger Weise beeinflusst. Der Landschaftsarchitekt wird zum Generalisten für die Bewältigung zahlreicher Problemstellungen, da Grünflächen als Sozialräume enorm an Bedeutung gewinnen
Die Wiederentdeckung des sozialen Aspekts von Freiräumen birgt die Möglichkeit einzelne Gegenwartsaufgaben unserer pluralistischen Gesellschaft in eben diesen zu bewältigen. Als Ort der Entfaltung, der Mehrgenerationenbegegnung und der Integration können wertvolle Stadträume entstehen. Für die Bewältigung dieser anspruchsvollen Planungsaufgaben muss kein neuer Parktypus entworfen werden, wie aktuelle Ausschreibungen fordern. Es kann mit bewährten Methoden reagiert werden. Die genauere Betrachtung gut funktionierender, bereits bestehender Grünräume ermöglicht einen Erkenntnisgewinn, der Lösungsansätze für aktuelle Entwicklungen beherbert. „Aus Geschichte lernen“ als legitime Praktik kann auch in der Landschaftsarchitektur angewandt werden
In diesem Fall wird das Leben und Wirken des Kasseler Landschaftsarchitekten Günther Grzimek am Beispiel seiner Planung des Münchner Olympiaparks genauer untersucht. Günther Grzimek als Architekt des Demokratischen Grüns war, trotz seiner geringen Prominenz, nicht nur einer der fortschrittlichsten Landschaftsarchitekten seiner Zeit, sondern auch Sozialarbeiter für Mensch und Landschaft
Das Gestaltungsrepertoire wird am Beispiel des Münchner Olympiaparks auf seine zeitlose Gültigkeit und Einsetzbarkeit hin überprüft. Die Entschichtung des Münchner Grünraums erlaubt ein Herausarbeiten der Grzimekschen Gestaltungsprinzipien. Diese werden in den zeitlichen Kontext gesetzt, auf ihre Ursprünge untersucht und bewertet. Was lässt sich anhand der singulären und dialektischen Betrachtung der spezifischen Aspekte des Olympiaparks eruieren? Sind die Grundprinzipien Grzimeks auch heute noch anwendbar?
Trotz zahlreicher Veröffentlichungen und Vorträge genoss Grzimek nicht den selben Bekanntheitsgrad wie andere Zeitgenossen seiner Profession. Dennoch ist er einer der wichtigsten Vertreter der Landschaftsarchitektur der Nachkriegszeit und setzte als Reformer neue Maßstäbe in Praxis und Theorie seines Fachs. Als Vertreter des sozial-pragmatisch orientierten Lagers bereitete er den Weg für eine nutzerorientierte, funktionale und objektivierte Planung. Durch ein verändertes Gesellschaftsbild, neues Stadt-Land-Verständnis und die anwaltschaftliche Vertretung der Bürger bei Neugestaltungen, entwickelte er den nutzerbezogenen Funktionalismus, der zur Grundlage aller Grzimekschen Planungen wurde. Der Kasseler Landschaftsarchitekt setzte sich für „die Besitzergreifung des Rasens“ mithilfe der Leitbilder des „Leistungsgrüns“ und der „Gebrauchslandschaft“ ein. Genannte Modellentwürfe beherbergen Antworten auf gegenwärtige Herausforderungen der Stadtentwicklung. Diese Lösungsansätze werden herausgestellt, Hintergründe aufgezeigt und dem Leser in strukturierter Form präsentiert
1 Einleitung
„Der Olympiapark war immer als ein humaner Gebrauchsgegenstand für eine demokratische Gesellschaft gedacht. Im Grünen dieses Parks sollen die Stadtbewohner und die Gäste der Stadt spielen und sich wohlfühlen.“1
Günther Grzimeks demokratisches Grün - wer ist dieser Kasseler Landschaftsarchitekt und welchen Einfluss übt er auf die aktuelle Landschaftsarchitektur aus? Was kann man von ihm lernen? Diese Fragen sind Gegenstand der vorliegenden Arbeit.
Der Beruf des Landschaftsarchitekten unterliegt einem ständigen Wandel. Unsere gebaute und unbebaute Umwelt verändert sich rasend schnell. Gleich einer Evolution entwickelt sich der Aufgaben- und Einsatzbereich analog zu unserer anthropogen überformten Umwelt. Anpassung, Reaktionsfähigkeit und innovative Herangehensweisen sind heute bezeichnend. Einem Planer stellt unsere heutige Zeit zahlreiche Herausforderungen. In unserer heutigen, vielschichtigen Gesellschaft steht ein Gestalter vor vielseitigen Ansprüchen und Bedürfnissen, die es bei einer Planung zu berücksichtigen gilt. Die Zusammensetzung der Sozietät änderte sich laufend und infolge unterschiedlichster Einflussfaktoren. Die demographische Entwicklung, sowie der eben beschriebene Strukturwandel werden die Gesellschaft und deren Zusammensetzung spürbar verändern.
Deutschlands demographischer Wandel beschreibt eine Tendenz der Strukturveränderung, für die man gestalterisch und planerisch eine Lösung finden muss. Diese Tatsache stellt eine aktuelle und zukünftige Problemstellung dar. Das Statistische Bundesamt berechnete den Schrumpfungsprozess der BRD, welcher besagt, dass sich bis 2050 die Bevölkerung um sieben Millionen auf fünfundsiebzig Millionen Menschen reduziert. Die Folgen einer derartigen Dezimierung sind erkennbar, in der stadtstrukturellen Planung muss darauf reagiert werden.
Der irreversible Alterungsprozess unserer Bevölkerung als Kern dieses Wandlungsprozesses wird zu gravierenden Veränderungen in der Gesellschaft und somit auch in Politik, Wirtschaft und Planung führen. Intelligente Anpassungskonzepte, abgestimmt auf den demo-sozialen Prozess, der sich in
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb 01: Alterspyramide Deutschlands
Die demographische Alterung ist eine Verschiebung der Zahlenverhältnisse in der Altersverteilung der Bevölkerung zugunsten der alten Jahrgänge. Die beschriebene Überalterung bedingt Veränderungen in den Familien- und Haushaltsstrukturen, und somit in der Stadtstruktur. Eine besondere Berücksichtigung bei der Gestaltung von Freiräumen und umsetzbare Lösungsmodelle für diese Gegebenheit sind zu erforschen und einzusetzen.
Zu diesem Umstand kommt die Vergrößerung der Kluft zwischen arm und reich hinzu. In den vergangenen zwei Jahrzehnten ist die Einkommensdivergenz in Deutschland stärker gewachsen als in anderen Industrienationen. Dieses Missverhältnis birgt auch soziale und gesellschaftliche Folgen, die den Freiraum betreffen.
Die gesamte Sozialstruktur aller Bevölkerungsschichten modifizierte sich überdies zu einer multikulturellen Gesellschaft. Die Nutzung eines Grünraums wird in verschiedenen Kulturen unterschiedlich zelebriert. Je nach Lebensweise ist die Nutzung des Grüns grundverschieden. Heutzutage stehen die Planer vor der Aufgabe für diese vielschichtige Gesellschaft einen demokratischen Freiraum, der für alle gleichermaßen nutzbar ist, zu entwerfen.
„Der öffentliche Raum ist die umfassendste kulturelle Einrichtung der Stadt.“2 Somit vermag er auch zahlreiche Aufgabenstellungen in seiner Komplexität beherbergen. Bei der gesamten sozialen Entwicklung, die bereits zu verzeichnen ist oder in Zukunft eintritt, gewinnen Freiflächen als Sozialräume an Bedeutung. Die Wiederentdeckung des sozialen Aspekts von Grünräumen, als „Bühne der Gesellschaft“, impliziert neue planerische Aufgaben. Öffentlicher Raum wird zum zentralen sozialen Ort der Stadtgesellschaft. Zugleich stellt sich die Frage, wie macht man Freiräume in sozialer Hinsicht leistungsfähiger? Wie passt man diese optimal unseren heutigen Gegebenheiten an?
Die Wettbewerbsausschreibung des Flughafengeländes Berlin Tempelhof zeigt die hohen Anforderungen an die Planer: es wird die Entwicklung eines neuen Parktyps gefordert. Integration soll gefördert, Kriminalität verhindert und die Verknüpfung unterschiedlicher sozialer Milieus bewerkstelligt werden. Insgesamt wird der öffentliche Raum eine vielschichtige Vermittlungsfunktion in räumlicher, sozialer und ästhetischer wie auch in ökologischer und wirtschaftlicher Sicht einnehmen. Zudem werden neue, prozessorientierte Herangehensweisen gefordert, die die Eigeninitiative der Bürger ermöglichen und begünstigen.3
Bei der Ausschreibung der Umgestaltung des Tempelhofs wird weiterhin erläutert: „Ein neuer Typus einer städtischen Parklandschaft soll entstehen, welcher dem Bedürfnis nach Natur in der Stadt, dem Anspruch nach Raum für Bewegung und Begegnung, aber auch neuen Ansprüchen an öffentlichen Raum gerecht werden. Die Parklandschaft ist Ort der Integration einer multikulturellen, sozial durchmischten und älter werdenden Stadtgesellschaft. Dabei können sich Teilgruppen Bereiche aneignen, dennoch muss der Park öffentlich und für alle benutzbar bleiben. Öffentliche Mittel für den Unterhalt werden immer weiter reduziert. Deshalb sind neue Konzepte der Bewirtschaftung erforderlich. Diese Ansprüche werden ganz neue Bilder einer urbanen Parklandschaft generieren.“4
- eine eierlegende Wollmilchsau, wie man in Bayern sagt, wird hier erwartet. Die historische Entwicklung des Berufsstandes und seiner Aufgaben- und Einsatzbereiche änderte sich während seiner dokumentierten Zeit unzählige Male. Die Landschaftsarchitektur muss auf jegliche soziale, technische, ökonomische und ökologische Dynamik durch veränderte Planungen und Konzeptionen postwendend reagieren. Heute so sehr wie noch nie, denn wir leben in bewegten Zeiten.
Heute ist der Planer nicht länger nur Gärtner, er ist Generalist. Bereits im Studium der Landschaftsarchitektur werden unterschiedliche Wissensansätze aus Bereichen der Kulturwissenschaften, Naturwissenschaften, Geisteswissenschaften und der Sozialwissenschaften vermittelt.
Als Universalisten dürfen wir also nicht nur auf die fachspezifischen Probleme eingehen, sondern müssen anpassungs- und lernfähig sein und durch unsere Planung komplexe Aufgabenstellungen lösen, beispielsweise soziale Prozesse positiv zu unterstützen.
Neue Herausforderungen bedürfen jedoch nicht immer neuer Wege. Aus bestehenden, gut funktionierenden Grün- und Freiräumen kann man lernen. Kann Günther Grzimek als Vorbild für unsere aktuellen Planungen herangezogen werden? Ist es möglich von seinen Gestaltungsprinzipien zu lernen, oder sind diese sogar unverändert weiterhin gültig und aktuell?
Trotz zahlreicher Veröffentlichungen und Vorträge genoss Grzimek nicht den selben Bekanntheitsgrad, wie andere Zeitgenossen seiner Profession. Die Dokumentation der Geschichte und bekannter Vertreter der Landschaftsarchitektur weist große Lücken auf. Veröffentlichte Literatur reicht bis in die zwanziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Ein Anstieg der schriftlichen Behandlung aktueller Problemstellungen ist auszumachen, das Dokumentationsloch ab circa 1920 bleibt jedoch vorerst bestehen. In der existierenden Literatur lassen sich über die Person Grzimek nur Fragmente seines Lebens und Wirkens finden. Dieser Landschaftsarchitekturreformer ist lediglich in der 1996 entstandenen Diplomarbeit von Andreas König Hauptperson des Interesses. Grzimek wurde, im Gegensatz zu seinem Zeitgenossen Hermann Mat- tern, zu keinem zentralen Gegenstand einer eingehenden, wissenschaftlichen Betrachtung.
Bei genauer Recherche stellt man fest, dass sich Verfasser unterschiedlichster Wissenschaftsbereiche mit Teilaspekten Grzimeks und seines Wir- Günther Grzimek - Architekt des Demokratischen Grüns kens, meist im Zusammenhang mit gesellschaftlich oder kulturhistorisch bedeutsamen Institutionen, beschäftigten. Als Beispiel ist die Untersuchung von Kulturhistorikern und Historikern mit der Ulmer Hochschule für Gestaltung zu nennen.5
Münchner Olympiapark als Hauptthema
Nun drängt sich unweigerlich die Frage auf, warum hier der Münchner Olympiapark behandelt wird und nicht ein anderer Entwurf Grzimeks. Die Olympische Parklandschaft ist nicht nur weltbekannt, vielmehr wird sie von den Bürgerinnen und Bürgern Münchens seit fast vierzig Jahren angenommen und intensiv als Naherholungsraum vor der Haustür genutzt.
Der Olympiapark entwickelte sich mit der Zeit zur meist frequentiertesten olympischen Anlage der Welt.6 Die Erholungs-, Sport- und Freizeitlandschaft erhält durch Veranstaltungen zusätzliche positive Impulse, die in die gesamte Stadt strahlen.7 Die affirmative Wahrnehmung und dauerhafte Aneignung des Olympiaparks ist auf die große Bandbreite seiner Nutzungsmöglichkeiten zurückzuführen.
Wie selbstverständlich können neue Nutzungen und Nutzungsgruppen in das bestehende Ensemble integriert werden und der Park funktioniert dennoch.
Da die Münchner Olympialandschaft als bekanntes Beispiel einer gelungenen Landschaftsarchitektur bislang noch nicht in einer derart intensiven Auseinandersetzung analysiert wurde, bietet sich diese Thematik als Arbeitsgrundlage an. Ziel dieser Betrachtung ist es, Gestaltungsgrundsätze eines gelungenen Beispiels der Freiraumplanung abzuleiten und herauszufinden, ob sich folgende Thesen bewahrheiten oder negieren lassen.
1 Günther Grzimek war einer der fortschrittlichsten Landschaftsarchitekten zu seiner Zeit.
2 Günther Grzimeks Gestaltungsrepertoire ist von einer Qualität, die zeitlos gültig ist. Seine Ansätze sind heute noch anwendbar.
3 Günther Grzimek, ein Sozialarbeiter der Landschaft.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb 02: Panoramablick vom Olympiaberg
2 Zielsetzung und Methodik der Arbeit
Der Olympiapark entstand unter der Federführung des Landschaftsarchitekten Günther Grzimek. In dieser Arbeit sollen seine landschaftsarchitektonischen Grundsätze, Methoden und Herangehensweisen, die in dem Münchner Park Verwendung fanden, sowie seine grundlegende Haltung zum Themenkomplex Landschaftsarchitektur, eingehend analysiert und dargestellt werden. Welche Grundgedanken liegen der Gestaltungsphilosophie des Kasseler Landschaftsarchitekten zugrunde? Sind diese heute noch sichtbar und in der aktuellen Landschaftsarchitektur einsetzbar oder teilweise veraltet?
Diese Masterthesis lässt sich in fünf Hauptbestandteile untergliedern.
1 Landschaftsarchitektur und Geschichtsbewusstsein (Kapitel 3)
2 Das Leben und Wirken des Günther Grzimek (Kapitel 4)
3 Entschichtung des Olympiaparks (Kapitel 5)
4 Günther Grzimek als Vordenker (Kapitel 6)
5 Kritische Reflektion (Kapitel 7)
Im ersten Überkapitel „Landschaftsarchitektur und Geschichtsbewusstsein“ erhält der Leser einen Einblick, welche Bedeutung die Vergangenheit für die Profession hat. In „Grzimeks Leben und Wirken“ wird sein biographischer und beruflicherWerdegang prägnant umrissen und dem Leser zur späteren Einordnung des Landschaftsarchitekten und seiner Werke nahe gebracht. Der Grundgedanke ist, die Person und ihre Planungen im geschichtlichen und biographischen Kontext zu betrachten und somit die erstaunliche berufliche Entwicklung Grzimeks und seine besondere Rolle in der Nachkriegszeit zu erschließen.
Eine Einordnung Grzimeks Wirken in allen Bereichen erfolgte bereits in der Diplomarbeit von Andreas König. Die vorliegende Arbeit verfolgt eine spezifizierte Betrachtung der Gestaltungsgrundsätze Grzimeks am Beispiel des Münchner Olympiaparks. Hierfür wird dieser als solches, seine Rahmenbedingung, Entstehung und Planer vorgestellt.
Anhand einer „Entschichtung des Olympiaparks“ in seine Einzelbestandteile sollen die zugrunde gelegten Prinzipien des Entwerfers im dritten Teil der Thesis dargelegt werden. Auf der Grundlage der Bestandsaufnahme werden die Arbeitsmittel Infrastruktur, Vegetationsverwendung, Topographie, Wasser, Sichtbeziehungen, Bezug zur Architektur, Nutzungen, Funktionen, Denkmalschutz und die Formensprache genauer betrachtet. In der anschließenden Untersuchung der verwendeten Konzepte sowie Arbeitsmittel erfolgt die Analyse der Parkelemente und deren Einordnung in einen fachlich vergleichenden Kontext.
Sind die Ansätze des Landschaftsarchitekten Günther Grzimek heute noch zeitgemäß und tragbeziehungsweise einsetzbar? Diese und bereits genannte Fragestellungen werden anhand einer Entschichtung des bekanntesten Werkes Grzimeks und eingehender Quervergleiche mit anderen namhaften Landschaftsarchitekten und deren Planungen erforscht.
Im Kapitel „Grzimek als Vordenker“ erhält der Leser einen tieferen Einblick in Grzimeks theoretische und formal-ästhetische Ansätze. Die „Kritische Reflektion“ diskutiert die formulierten Thesen und trägt die Resultate der Arbeit zusammen. Im abschließenden Fazit der Entschichtung sollen die bereits gewonnenen Erkenntnisse mit der Arbeitsweise und den Planungsgrundsätzen Grzimeks verglichen werden. Ziel dieser Arbeit ist es, die Arbeitsweise des Landschaftsarchitekten Günther Grzimek zu analysieren und hinsichtlich ihrer Aktualität und Anwendbarkeit zu überprüfen. Mit Hilfe von fachlich internen Quervergleichen soll herausgefunden werden, welche Grundsätze speziell Günther Grzimek zuzuordnen sind und welche aus dem Einfluss der damaligen Zeit oder durch seine Planungspartner entstanden. Das Spezifische der Grzimekschen Planung wird herausgearbeitet und eingängig offen gelegt.
3 Landschaftsarchitektur und Geschichtsbewusstsein
Wozu braucht ein Landschaftsarchitekt Geschichtsbewusstsein? Wie in anderen, meist kreativen Professionen, ist eine Rückbesinnung auf vergangene Größen und eine Orientierung an deren Werke als positiv zu werten. Die bereits genannten Herausforderungen erwarten einen praktizierenden Landschaftsarchitekten heute. In dieser Zeit, in der fortwährend nach neuen Innovationen verlangt wird, ist es nicht ungewöhnlich, sich die Wurzeln des Berufsstandes in Erinnerung zu rufen. Gab es nicht bereits sehr gut funktionierende öffentliche Flächen? Nach welchen Grundkonzeptionen, welchen Ansätzen sind diese gestaltet? Beinhalten ihre zugrunde liegenden Prinzipien die Antworten auf unsere heutigen Fragestellungen? Oder lassen sich die Erkenntnisse aus bestehenden Projekten für unseren heutigen Bedarf so modifizieren, dass sie unseren aktuellen Ansprüchen entsprechen?
Gefordert wird eine zeitlose, polyvalente Planung. Doch ist es in unserer heutigen, schnelllebigen Gesellschaft noch möglich, zeitlos und für jede Gesellschaftsschicht zu gestalten? Viele aktuelle Entwüfe unterliegen sogenannten „Trends“, was häufig ein kompromissloses Planen nach dieser Vorgabe und ohne Berücksichtigung der Beplanten mit sich bringt. Die Besinnung auf die geschichtliche Entwicklung und die daraus hervorgegangenen Vorbilder zählt als eine legitime Art zu lernen und neuen Problemstellungen sowie Herausforderungen entgegenzutreten. Bereits Konfuzius stellte fest: „Der Mensch hat dreierlei Wege, klug zu handeln: erstens durch Nachdenken, das ist der edelste; zweitens durch Nachahmen, das ist der leichteste; drittens durch Erfahrung, das ist der bitterste.“8
Die allgemein anerkannte und bewiesene These, dass der Mensch aus Geschichte lernt, wird vom deutschen Historiker Hans-Ulrich Wehler in seiner Veröffentlichung „Aus Geschichte lernen?“ eingehend beschrieben. Die Geschichte sei das Lernmaterial, aus dem die Menschen lernen können und tatsächlich auch ständig lernen. Tatsache sei, dass das zukünftige Handeln eines Menschen durch die historische Erfahrung oder kollektive Erinnerung bestimmt wird.9
Aus einer kritischen Auseinandersetzung mit der Historie eines Fachbereichs geht oft ein Teil der Theoriebildung hervor. So sieht Andreas König die fehlende Aufarbeitung äußerst bedenklich: „Da der Beruf nicht auf festen wissenschaftlichen Axiomen aufbaut, sondern eine Synthese von natur- und ingenieurwissenschaftlichen Fragmenten in Verbindung mit gesellschaftspolitischen und gestalterischen Aspekten darstellt, muß das Fehlen einer entsubjektivierten und überindividuellen Projektion und Interpretation von der Vergangenheit deshalb als fatal für eine gemeinsame Berufsauffassung und eine zielgerichtete, innovative Entwicklung der problemorientierten Inhalte gesehen werden.“10
Die Theoriebildung der Landschaftsarchitektur erfolgt meist mit Hilfe der lückenlos dokumentierten Architektur- und Städtebaugeschichte.
Die Aufarbeitung und genaue Betrachtung des bekanntesten Werks Grzimeks, sowie die damit verbundenen Hintergrundinformationen, ermöglichen letztendlich eine konsistentere Aufzeichnung der Grünplanungsgeschichte und leistet ihren Beitrag zur vereinfachteren Theoriebildung.
Erstaunlicherweise ist eine Analogie in der Aufarbeitung der Geschichte der Nachkriegszeit sowohl im historischen als auch im landschaftsarchitektonischen Bereich festzustellen. Eine selbstkritische Auseinandersetzung mit dieser Zeit fand oder findet nur in sehr geringem Maße statt.11 Die Besetzung der Siegermächte brachte viele Veränderungen mit sich, auf die man sich einstellen musste. Ebenso lebhaft stellt sich die Geschichte der Landschaftsarchitektur zur gleichen Zeit dar. Eine umfassende Reformbewegung ist im Entstehen und Wachsen. Die Rolle der Landschaftsarchitektur in der Nachkriegszeit und den Anfängen der Moderne ist eher selten Gegenstand einer Aufarbeitung und Dokumentation. Doch nur eine kritische Betrachtung und Aufzeichnung fängt die positiven wie negativen Erkenntnisse dieser Zeit ein und erhält sie für die Nachwelt.12
4 Das Leben und Wirken des Günther Grzimek
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb 03: Günther Grzimek
Günther Grzimek wurde 1915 als drittes von sechs Kindern von Emmy Jansen und Günther Grzimek sen. in Köln am Rhein geboren.13 Der Vater war ein bekannter Jurist und Politiker, seine Mutter die Tochter eines Kaufmanns. Günther Grzimek Juniors Kindheit verbringt die Familie Grzimek bis zu ihrem Umzug 1924 nach Berlin zunächst in Rastenburg, dann in Königsberg/Ostpreußen.
Im Jahr 1925 wird der junge Grzimek in der Volksschule Königsberg eingeschult. Danach folgt der Wechsel in das Mommsen-Gynmasium und im Anschluss der Besuch des Real-Falk-Gymnasiums in Berlin.14 Bereits als Schüler, im Jahr 1930, setzte er die ersten Arbeiten im elterlichen Wochenendgarten um.15 Nach dem vorzeitigen Verlassen des Gymnasiums in der Obersekunda entschied sich Günther Grzimek 1934 für eine Lehre als Gärtner unter der Leitung des Gartenbaudirektors Timm bei der Staatlichen Tiergartenverwaltung in Berlin, im Schloss Bellevue. Im September 1936 erhält er seinen Gesellenbrief. Währenddessen holte er an der Abendschule das Abitur nach und studierte anschließend im Zeitraum von 1937 bis 1942 als Schüler von Herinrich Wiepking-Jürgensmann Garten- und Landschaftsarchitektur an der Fried- rich-Wilhelms-Universität in Berlin. Dieses Studium war stark von der doktrinären Ideologie des Dritten Reichs geprägt.16 Die Ehe mit Ingeborg Dittmann (1942-1979) wurde 1953 und 1979 erneut geschieden. Aus ihr gingen vier Kinder hervor.
Nach dem Vorexamen wird Grzimek 1939 zum Militär eingezogen, wobei er in Holland, Italien und Polen eingesetzt wurde. In einem Studienurlaub 1942 legte er das Staatsexamen als Dipl. rer. hort ab. Seine anschließende Kriegsgefangenschaft von 1945 bis 1947 nutzt Grzimek für das Studium der Philosophie und Ethnologie, des weiteren war er der Hausgeber einer Lagerzeitung.
Nach der Rückkehr aus zweijährigem französischem Gewahrsam arbeitete Grzimek als selbstständiger Gartenarchitekt in Ravensburg und gründete das erste freie Büro als „Landschafter und Gartenarchitekt“. Sein beruflicherAnfang wies kaum moderne Ansätze auf, was überwiegend auf die ideologische Belastung Grzimeks durch seine Ausbildung während des Dritten Reichs zurückzuführen ist. Statt dessen orientierte sich der Landschaftsarchitekt an planerischen Traditionen. Mangelnde Berufspraxis, wenig Ansehen in der Fachwelt und fehlendes festes Klientel, bezeichnen die Schwierigkeiten, die der Planer zu Beginn seiner freiberuflichen Tätigkeit zu bewältigen hatte.
Der Schritt der Bürogründung steht für sein berufliches Engagement und seine große Entschlossenheit.
Die Ulmer Phase in Grzimeks Berufsleben gilt als die Zeit, in der er einen Zugang zur Modernen Landschaftsarchitektur entwickelte. 1947 übernahm er, vorgeschlagen von dem Stadtbaudirektor Max Guther, die Leitung des Ulmer Gartenamtes. Der Stadtbaudirektor verfolgte reformerische Ansätze für den Wiederaufbau der im zweiten Weltkrieg stark zerstörten Stadt Ulm und versprach sich in Grzimek einen interdisziplinär veranlagten, kooperativen und engagierten Planer. Gunther verfolgte ein modernes Konzept: die Vision der aufgelockerten und gegliederten Stadt. Die Denkweise Grzimeks befreite sich mit der Zeit von der im Studium vermittelten, anti-modernen Ausrichtung und entwickelte sich weg von der reinen Ästhetik, hin zur Bewältigung der essentiellen Bedürfnisse der Bewohner Ulms. Sein Engagement und die Befürwortung von Bürgerbeteiligungen zeigte er im Verein für Kinderspielplätze e.V. in Ulm. Bei der Elterninitiative „Aktion Sandfloh“ wirkte Grzimek beim Bau von Spielplätzen und der Entwicklung von Spielgeräten mit.17
Zum Gartenamt kam 1949 die Leitung des Friedhofamtes in Ulm hinzu. In dieser Zeit engagierte sich der Landschaftsarchitekt auch als Kursleiter und Referent der Volkshochschule Ulm (19491954), zeitgleich arbeitete der Landschaftsarchitekt einen Grünflächenplan für Ulm aus. Dieser sah den Ausbau öffentlicher Freiflächen wie Parks, Spiel- und Sportplätzen sowie Friedhöfen und Gärten vor.18 Das Ulmer Gartenamt wurde unter seiner Leitung von einer verwaltenden in eine planende und gestaltende Behörde reformiert. Zudem betrieb der Landschaftsarchitekt als Nebentätigkeit sein Ravensburger Gartenarchitekturbüro weiterhin.
Seit dem Jahr 1950 verbindet Grzimek eine enge Freundschaft mit dem bekannten deutschen Designer Otl Aicher. Im Zeitraum von 1953 bis 1968 war er Mitglied im Geschwister-Scholl-Stiftungsrat als Träger der Ulmer Hochschule für Gestaltung.19 Ab 1952 war er zudem Honorarprofessor für Gartenarchitektur an der TH Aachen.
Die erste Veröffentlichung, gemeinsam mit Otl Aicher und Heinz Ellenberg erfolgte 1954. Sie befasst sich mit der Grünplanung in Ulm. (Siehe Literaturverzeichnis) 1958 wir der Stadt Ulm die höchste Auszeichnung beim Wettbewerb unter Gemeinden über Planung und Ausbau von Kinderspielplätzen verliehen.
Im Jahre 1960 legte er aufgrund von Angriffen gegen seine Person und seine Amtsführung die Leitung des Gartenamts nieder und gründete ein eigenes Ingenieurbüro für Grünplanung in Ulm und Neu-Ulm. Gemeinsam mit Otl Aicher erstellte er zwischen 1960-1963 ein Gutachten zum Ausbau eines übergeordneten Grünflächensystems in Darmstadt, woraus 1965 seine Publikation „Grünplanung Darmstadt“ entstand. (Siehe Literaturverzeichnis) Durch wiederholte Zusammenarbeit zwischen 1962 und 1970 mit dem Büro Behnisch knüpften Grzimek und Behnisch eine enge Verbindung.20 Die Jahre 1961 bis 1964 sind geprägt durch die Planung und Erweiterung der Stadtfriedhöfe in Biberach/Riss und Weingarten.
In den kommenden Jahren, bis 1967, nahm Grzimek seine städtebaulichen Arbeiten und die Fortführung der Grünflächenpläne für Ulm, Biberach, Darmstadt, Aschaffenburg, Ludwigsburg und Giessen wieder auf. Hierbei erfolgte eine mehrjährige Zusammenarbeit mit den Professoren G. Albers, M. Guther, K.H. Schächterle, E. May und den Stadtbaudirektoren Rabeler, Assmann, Hauschild und Schulz-Harder.
Seine vielseitigen Tätigkeiten beinhalteten auch die Nachfolge des Professors für Landschaftskultur Hermann Mattern an der Hochschule der Bildenden Künste in Kassel von 1965 bis 1972. Zudem war Günther Grzimek Mitglied im Rat der „dokumenta IV“, einer bedeutenden internationalen Kunstausstellung. Gleichzeitig erfolgte der Umzug seines Büros von Neu-Ulm nach Lohfelden bei Kassel und später nach Kassel.
Gemeinsam mit Kollegen und Studenten gründete er schließlich 1969 „das Büro EGL zur Entwicklung und Gestaltung von Landschaft als gesellschaftlich und fachlich innovative Arbeitsform.“21 Die Bürogemeinschaft besteht bis heute mit sieben regionalen Zweigstellen. Die Gestaltungen des Botanischen Gartens der Marburger Phillips-Universität (19651970) und des Allwetterzoos in Münster (1968-1970) in Zusammenarbeit mit Harald Deilmann bewältigte Grzimek zudem. Zum Zwecke des Studiums unternahm er von 1965-1967 Reisen nach Italien, Frankreich, England, Holland und Dänemark. Darüber hinaus reagierte Grzimek auf die Studentenunruhen 1968 und startete eine revolutionäre Ausbildungsreform: Die Gründung des Vereins „Entwicklungsgruppe für Landschaftskultur“ ermöglichte es den Studenten, gemeinsam mit den Dozenten praktische Erfahrungen bei der Bearbeitung realer Projekte zu sammeln.
In dieser turbulenten Zeit entwarf der Landschaftsarchitekt den Münchner Olympiapark , um „eine optimale Grünversorgung für alle Schichten der Bevölkerung“22 zu gewährleisten. Von 1968 bis 1972 arbeitete Grzimek gemeinsam mit dem Büro Behnisch und Partner an der Gestaltung des Oberwiesenfelds. Der Olympiapark stellte damals einen neuen Parktypus, eine Innovation dar. So beschrieb der Landschaftsarchitekt seine Grünplanung wie folgt: „Die Olympialandschaft unterscheidet sich von traditionellen Parks nicht nur in ihrem Programm und nicht nur in ihren einzelnen Grünele- menten. Sie beabsichtigt und verträgt die visuelle Einbeziehung der Stadt. Sie provoziert ein urbanes Lebensgefühl.“23
1970 erfolgte die Aufnahme Grzimeks in die Akademie für Städtebau und Landesplanung. Zur Eröffnung der Münchner Olympiade 1972 zog Grzimek nach München und trat die Nachfolge Ludwig Schreibers als Professor am Lehrstuhl für Landschaftsarchitektur an der Technischen Universität an. Grzimek setzte in der Lehre weitgreifende Neuerungen um. Zunächst änderte er den Namen des Lehrstuhls Garten- und Landschaftsgestaltung in die heute noch gültige Bezeichnung Lehrstuhl für Landschaftsarchitektur. Die Erfahrungen aus seinen bisherigen Lehrtätigkeiten an der Ulmer Hochschule für Gestaltung und der Hochschule der Bildenden Künste in Kassel setzte er an der TU Weihenstephan mithilfe von Reformen um. Ein von ihm entwickeltes „Demokratisierungsmodell der studentischen Mitverantwortung“ wurde hier angewendet. Eine praxisorientierte Ausbildung sollte durch sozialwissenschaftlich ausgerichtete Vorlesungen und den Einsatz von Projekten zur Einübung interdisziplinärer Arbeitsweisen erreicht werden. Dieses Prinzip wurde durch die eigens für die Studenten gegründeten Büros unterstützt. Eine Ausweitung der Zusammenarbeit mit anderen Fakultäten, beispielsweise Landwirtschaft und Gartenbau, blieb leider unerreicht.
„Grzimek gelang es, die Vertiefungsrichtung Landschaftsarchitektur strukturell und inhaltlich umfassend zu reformieren.“24
Dies gelang nicht zuletzt aufgrund seiner neuen Herangehensweise an die Thematik. Statt purem Entwerfen befürwortete und förderte Grzimek das analysierende Planen in interdisziplinärer Zusammenarbeit, um sich für den „Erhalt und die Erstellung von nutzbaren Freiflächen“ einzusetzen. Hierbei standen - erstmalig - die Bedürfnisse der Nutzer im Vordergrund.
Im Jahr 1973 gründete der Landschaftsarchitekt gemeinsam mit den Gesellschaftern Kellinghaus und Krauss das Büro Grünplan GmbH in Freising nach dem demokratischen Prinzip - die Angestellten werden Gesellschafter der GmbH. Zur gleichen Zeit befasste Grzimek sich mit der Konzeption der Ausstellung „Demokratisches Grün“.
Im Jahr 1980, kurz vor seiner Emeritierung 198125, richtete Grzimek einen zweiten Lehrstuhl für Landschaftsarchitektur in Weihenstephan ein, der das gewachsene Interesse und den damit verbundenen Bewerberansturm auf das Studienfach bewältigen sollte. Aufgrund fehlender finanzieller Ausstattung wurde dieser Lehrstuhl nur durch eine Assistenz- und eine Sekretariatsstelle besetzt, Inhaber wurde der Stuttgarter Landschaftsarchitekt Christoph Valentien. Aktuelle Besetzung dieses Lehrstuhls für Landschaftsarchitektur und öffentlichen Raum, und Nachfolgerin Valentiens im Jahr 2005, ist Regine Keller.26
Nach der Emeritierung übernahm Grzimek die kommissarische Lehrstuhlleitung des Zentralinstituts für Raumordnung und Umweltschutz.27 Den Friedrich-Ludwig-von-Sckell-Ehrenring, die höchste Auszeichnung im Bereich der Landschaftsplanung, erhielt Günther Grzimek 1972 von der Bayerischen Akademie der Schönen Künste für seine Verdienste rund um den Olympiapark. Gemeinsam mit dem Architekten Günther Behnisch wurde Grzimek 1977 mit dem Architekturpreis der Stadt München ausgezeichnet, was die außerordentliche, auch internationale Anerkennung unterstrich.
1979 gründete Grzimek die Niederlassung der Entwicklungsgesellschaft EGL in München und ehelichte im gleichen Jahr Juliana Menzel, eine langjährige Mitarbeiterin aus der EGL. Kurz darauf, 1980, erfolgte der Umzug nach Landshut. Ab 1983 hatte er eine federführende Funktion bei der Konzeption und Ausarbeitung der Ausstellung „Besitzergreifung des Rasens“ inne und verfasste zugleich das gleichnamige Buch zur Ausstellung. Seine darin verfassten Thesen regten die Fachwelt zu einer regen Diskussion an. 1987, sechs Jahre vor Beendigung seiner Bürotätigkeit in der Arbeitsgemeinschaft mit der EGL Landshut im Jahr 1993, erhielt Grzimek den Fritz-Schumacher-Preis. Am 8. Mai 1996 starb Günther Grzimek in Biberach an der Riß mit einundachtzig Jahren und wurde auf dem dortigen Friedhof, den er selbst entworfen hatte, beigesetzt.28
5 Entschichtung des Olympiaparks
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb 04: Lages des Olympiaparks im Stadtgebiet
Ziel dieser Entschichtung ist es herauszufinden, welche gestalterischen Grundsätze dem Park zu Grunde liegen und diese anschließend zu bewerten. Hierfür ist eine ausführliche Bestandsaufnahme und ein Vergleich mit der ursprünglichen Gestalt des Parks kurz nach seiner Umsetzung durchzuführen. Dadurch erhält man den Einfluss dervierten Dimension: der Zeit. Diese verfälscht oder verändert an vielen Stellen oft die ursprünglichen Gestaltungsideen, die hier offen gelegt werden sollen.
Im Laufe der letzten Jahrzehnte veränderten sich die Anforderungen und Nutzungsansprüche, die an die Parklandschaft gestellt werden. Neue Elemente etablierten sich von selbst oder wurden bewusst ergänzt. Diese Betrachtung schließt nicht nur die ursprüngliche Konzeption des Olympiaparks, son dern auch die Spuren der Zeit mit ein. Die Frage, ob der Freiraum heute noch den Grundgedanken Grzimeks entspricht, ist neben anderen zu beantworten.
Die Sezierung der Anlage wird anhand einer klassischen Herangehensweise durchgeführt und listet so alle geläufigen Gestaltungsmittel auf, die auch heute noch eingesetzt werden. Die Art der Verwendung mag sich jedoch zuweilen unterscheiden. Dies gilt es durch Quervergleiche mit aktuellen, aber auch zeitgenössischen Landschaftsarchitekturbeispielen im folgenden herauszufinden.
5.1 Das Olympiagelände
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Abb 05: Panorama des Olympiaparks in München
München, eine der wenigen Großstädte Deutschlands, die sich mit der beträchtlichen Zuwanderung und dem dadurch bedingten Wachstum der Stadt auseinandersetzen muss. Aktuelle Stadt- und Grünentwicklungsstrategien setzen sich vor allem mit der Innenentwicklung und der Vernetzung vorhandener Grünflächen auseinander.
Um dem Motto „kompakt, urban, grün“ gerecht zu werden, wird seit einigen Jahren verstärkt die Innenentwicklung der Stadt vorangetrieben. Die mit viertausendeinhundert Einwohnern pro Quadratkilometer dichteste Stadt Deutschlands leidet zudem anhaltend unter akutem Wohnungsbedarf. So ist es verständlich, dass aus den durch die Stadt neu erworbenen Brachflächen hauptsächlich städtische Wohnquartiere für die obere Mittelschicht Münchens mit einigen München-Modell-Wohnungen hervorgebracht wurden. Aus der in letzter Zeit erworbenen Gesamtfläche von einhundertvierundsiebzig Hektar entstanden nach Angaben der Stadt München sechshunderttausend Quadratmeter Wohneinheiten, siebenhunderttausend Quadratmeter Misch-, Kern- und Gewerbegebiete und siebzig Hektar Grünflächen.29 Umso bedeutender wird der Erhalt und die Pflege der bestehenden Grünanlagen in München. Die Landeshauptstadt weist nicht nur eine gute Abdeckung des Grünbedarfs pro Bürger auf, sondern kann mit seinen hochwertigen, ausladenden und bedeutsamen Freiräumen auch qualitativ punkten.
Um eine Vorstellung zu erhalten, wieviel Grün- und Freiflächen im Stadtgebiet der dichten Bebauung entgegensteht und welchen Stellenwert der Olympiapark dabei einnimmt, wurde diese Fragestellung eingehend analysiert. Zunächst stellt sich jedoch die allgemeine Frage: Welche Arten der Freiflächen gibt es in München?
Der Erholungsflächenbedarf Münchens teilt sich in drei Ebenen ein, die Nachbarschaftsversorgung, die Wohngebietsversorgung, sowie die Stadtteilversorgung. Die Erstere wird von kleineren Plätzen oder Grünflächen abgedeckt, die in näherer Umgebung (bis zweihundertfünfzig Meter) zu finden sind und eine maximale Größe von einem Hektar aufweisen. Als Wohngebietsversorgung werden kleine Stadtparks mit einer Maximalgröße von zehn Hektar gesehen. Diese sollten in einem Umkreis von fünfhundert Metern erreichbar sein.
Die Stadtteilversorgung wird von größeren Parkanlagen mit bis zu vierzig Hektar Größe übernommen. Der Einzugsbereich des Olympiaparks erstreckt sich beispielsweise auf einen Radius von circa eintausend Metern des Stadtgebiets. Historisch bedeutende Parkanlagen wie der Nymphenburger Park und das Olympiagelände oder auch ökologisch und landschaftlich wertvolle Grünflächen wie die Isar, besitzen ein Zwei-Stufen-Einzugsgebiet. Das engere Einzugsgebiet bezieht sich auf die Anwohner in näherer Umgebung.
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Der gesamte Einzugsbereich dieser bekannten Grünflächen erstreckt sich jedoch erfahrungsgemäß auf das ganze Stadtgebiet. Nahezu jeder Münchner nutzt diese etablierten und lang bestehenden Freiflächen.
Nun zur Frage der Grünflächenversorgung und dem Stellenwert des Olympiaparks im Stadtgebiet. Seit der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts kam es aufgrund starker Zunahme der Einwohnerzahlen zu einem erhöhten Freiraumbedarf in München. Diesem wurde mit der Anlage des Westparks, Ostparks und des Olympiaparks entsprochen. Die Parklandschaft entstand also nicht nur aufgrund des internationalen Sportereignisses 1972, sondern auch infolge eingehender Bedarfsanalysen. Das hebt den immensen Wert des Parks damals, und in Anbetracht steigender Bevölkerungszahlen, auch heute hervor. Wie bereits erwähnt wurde das Wachstum Münchens in die Außenbereiche im Wesentlichen beendet und die Leitlinie der Innenentwicklung wird aktuell verfolgt. Auch die bestehenden Freiräume Anden hier Beachtung und werden in Flächennutzungsplänen mit integrierte Landschaftsplanung gesichtert und weiterentwickelt.30 Aufgrund der Bedeutungsebene und des hohen Nutzungswertes wird der Olympiapark hoch frequentiert und besitzt eine weitreichende Strahlkraft. Die Parkverwaltung, Münchner Olympiapark GmbH, bestätigt, dass seit seiner Entstehung 1972 über einhundertzweiundachtzig Millionen registrierte, das heißt zahlende, Besucher zu verzeichnen sind. Die Zahl der nicht zahlenden Nutzer, die die Frei-
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zeit- und Parklandschaft zum Spazierengehen, Radeln, Joggen oder Ähnlichem verwendet, liegt um ein vielfaches höher.31 Als eine der weltbekanntesten Grünflächen bringt der Olympiapark nicht nur dem Einzelnen Nutzen, sondern etablierte sich mit seiner Gesamtanlage als eines der Wahrzeichen Münchens.
„Ich will aus München eine Stadt machen, die Teutschland zur Ehre gereichen soll, dass keiner Teutschland kennt, wenn er nicht München gesehen hat.“32
Dieses Zitat von König Ludwig I. wurde zwischenzeitlich ergänzt: „Und keiner kennt München, wenn er nicht im Olympiapark gewesen ist.“33 Münchens bewegte Geschichte hinterließ im Stadtbild ablesbare Spuren. Als eines der größten Vermächtnisse entstand der Olympiapark im Rahmen der Olympischen Spiele 1972. Münchens Olympiapark gilt als weltweit gelun- gendstes Beispiel der Um- und Nachnutzung eines Olympiastandortes mit seinen Einrichtungen. Das olympische Dorf ist auch heute noch als Wohnort sehr gefragt. Der Olympiapark und seine Gebäude erfreuen sich außerordentlicher Beliebtheit und einer bezeichnenden Nutzerfrequenz. Durch eine vorteilhafte Imagekampagne und eine hohe Auslastung mit diversen Events bleibt derweitläufige Grünraum in den Köpfen und den Herzen der Münchner und seiner Besucher.
5.2 Lage und Gliederung
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Abb 08: Lageplan Olympiapark
Der Olympiapark entstand auf dem etwa vier Kilometer vom Stadtzentrum Münchens entfernten Gelände. Das knapp drei Quadratkilometer große Areal im Norden der Stadt wurde als „stadtgliedernde Freifläche“ von 1968 bis 1972 umgesetzt.34 Das Ensemble von geschichtlicher, künstlerischer und städtebaulicher Bedeutung wird im Osten durch die Lerchenauerstraße, im Norden durch die Moosacher Straße, im Westen durch die Lands- huter Allee und im Süden durch den Nymphen burger-/Biedersteiner-Kanal und die Ackermannstraße umschlossen. Die Zweiteilung in Nord- und Südteil erfolgt in Ost-Westrichtung durch den Georg-Brauchle-Ring. Im nördlichen Teil befinden sich die Unterkünfte mit dem Olympiaschen Dorf, im südlichen Bereich die eigentliche Parkanlage mitsamt den Sportstätten.Zudem lässt sich das Olympiaareal in vier Hauptbereiche untergliedern: Das Olympiagelände mit dem Areal der Sportstätten, dem Olympiastadion, der -halle und dem -turm bilden den ersten Bereich.
Der zweite besteht aus dem Olympischen Dorf, der dritte wird als Olympische Pressestadt bezeichnet und ist heute ein Wohngebiet mit dem Olympiaeinkaufszentrum im Stadtteil Moosach. Der letzte Bereich ist der Olympiapark, er befindet sich südlich des Olympiageländes und umfasst die Parklandschaft sowie den Olympiaberg.35
Der Olympiapark selbst wird durch das ost-westlich verlaufende Verkehrsband des Mittleren Rings räumlich scharf in zwei Großkomplexe unterteilt.
Im Süden bilden die Hauptsportstätten Stadion, Sporthalle und Schwimmhalle das architektonische HerzstückderAnlage. Im Norden befindet sich das als Wohnanlage nachgenutzte Olympische Dorf.
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Abb 09: Luftbild mit dem Blick in den Münchner Westen
5.3 Geschichte
Die Entstehung des Oberwiesenfelds liegt etwa zehntausend Jahre zurück. In der letzten Würmis- zeit entstand eine mit Geröllablagerungen überdeckte, klar abzugrenzende flache Schotterebene mit ihren kargen Böden.36 Das Oberwiesenfeld wurde während der vergangenen Jahrhunderte vielseitig instrumentalisiert.
Die erste Dokumentation über eine Kultivierung des Gebiets ist auf 1260 datiert.
1790 entsteht der als „Wiesenfeld“ bekannte Landsitz des kurfürstlichen Kammerrats Dominikus Schwaiger. Durch biwakierende französische Soldaten wurde der kultivierte Garten 1796 zerstört und im Anschluss am südlichsten Eck der zu den Gemeinden Neuhausen, Moosach, Milbertshofen und Schwabing gehörenden Heidelandschaft wie- deraufgebaut.37
Die Nutzung als Weidefläche für die Viehwirtschaft erfolgte bereits seit dem dreizehnten Jahrhundert. Nach der Säkularisation 1803 wurde das Gebiet unter dem Besitz des Klosters Schäftlarn, durch die umliegenden Dörfer Neuhausen und Feldmoching, kultiviert. Diese parzellierten Gebiete wurden bis zum Anfang des neunzehnten Jahrhunderts an die Münchner Bürger verpachtet.
Vom fünfzehnten bis zum achzehnten Jahrhundert war das Oberwiesenfeld Schauplatz der Jakobidult Pferderennen, ab 1682 nutzte Kurfürst Max Emanuel die Fläche gleichzeitig als Exerzierfläche. Der „Rennweg“ des „Scharlachrennens“ befand sich bereits seit dem achzehnten Jahrhundert auf dem Verlauf der heutigen Schleißheimer Strasse.38 Der Bau des von Osten nach Westen verlaufenden Nymphenburger-Biedersteiner-Kanals startete 1701 und trennte das vor den Toren Münchens gelegene Oberwiesenfeld.39
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Abb 10: München 1826
Geschichte
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Abb 11: Ausschnittreproduktion aus einer Flurkarte des frühen 19. Jahrhunderts. An der vom damaligen Ludwigsplatz, dem heutigen Stiglmaierplatz, wegführenden Landstraße nach Dachau ist auf der östlichen Seite der Schwaiger´sche Garten „Wiesenfeld“ eingezeichnet
Der Fluss gehört einem über geordeneten Achsensystem bestehend aus Alleen, Sichtachsen und Wasserläufen an, die zur barocken Machtdemonstration erbaut wurden und das Landschaftsbild zu dieser Zeit entscheidend prägen.
Die Namensgebung Oberwiesenfeld erfolgte 1790 durch den zu dieser Zeit entstandenen Landsitz „Wiesenfeld“ des kurfürstlichen Kammerrats Dominikus Schwaiger. Aufgrund seiner topographischen Beschaffenheit wurde das Areal bereits im neunzehnten Jahrhundert als „Oberwiesenfeld“ bezeichnet. Zwischen 1890 und 1913 erfolgte eine stückweise Eingemeindung dieses Areals nach München.40
1794 wurde das Gelände durch die „Königliche Bairische Artillerie“ als Exerzierplatz und Artilleriegelände vereinnahmt. Die steigenden Anforderungen an das Militär und der damit einhergehende wachsende Platzbedarf verursachte mehrere Erweiterungen des Militärbereichs im Laufe der Jahre.
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Abb 12: München 1891
Es entstanden diverse militärische Infrastrukturen, beispielsweise Erdwälle für den Kugelfang bei Schießübungen.
Als 1861 die „Max- II-Kaserne“ errichtet wurde, belief sich die militärische Nutzung des Areals bereits auf die südliche Hälfte des Oberwiesenfelds bis zum Kanal. Der weitere Ausbau des Militärs bewirkte eine Ausdehnung auf das gesamte Areal seit den siebziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts.41 Im Zuge der Industrialisierung siedelten sich bereits in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts zahlreiche
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Abb 13: Plan der militärischen Anlagen auf dem Oberwiesenfeld, ca. 1912
Gewerbebetriebe um das Oberwiesenfeld an, unter anderem auch Militärproduktionsstätten wie die „Königlich Bayerischen Artilleriewerkstätten“. Während des Ersten Weltkrieges war um das Oberwiesenfeld ein Zentrum der Rüstungsindustrie herangewachsen, dessen Umstellung in der Friedenszeit auf die Produktion von motorisierten Vehikeln erfolgte und unter anderem das Werk der Knorr Bremse entstand. Durch den Einsatz von Frauen, KZ-Häftlingen und Zwangsarbeitern konnte während des Zweiten Weltkrieges die Auftragsflut in den auf reinen Rüstungsbetrieb umgestellten Werken bewältigt werden. In der Nachkriegszeit erfolgte eine Umnutzung durch die Autoindustrie, vor allem BMW expandierte seit 1948 zu einem Weltunternehmen.
Ende des neunzehnten Jahrhunderts war das Gebiet auf circa zwei Quadratkilometer angewachsen und offiziell in ‘Truppenübungsplatz Oberwiesenfeld’ umbenannt. Es war umgeben von der Eisenbahnkaserne, der Luftschifferkaserne und der Prinz-Leopold-Kaserne.42 Zwischen 1896 und 1968 kannte man das Oberwiesenfeld vor allem als „Mekka der Sportfliegerei“.43 1890 startete von
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Abb 14: Ausschnittreproduktion aus einem Stadtplan von 1932. Auf der nörlichen Hälte des Oberwiesenfeldes befindet sich das Flughafengelände
hier aus der erste Ballon zu Aufklärungszwecken, es wurden Erfahrungen mit Ballonaufstiegen und -landungen gemacht.44 Die Landung des Graf Zeppelin mit seinem Luftschiff „L1“ war Auslöser für den Ausbau des Oberwiesenfelds zum Flughafen ab dem Jahr 1909. Die Idee, das Flugzeug als Verkehrsmittel einzusetzen, war geboren.
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Abb 15: Ein Zeppelin landet auf dem Oberwiesenfeld
Das Bild des Oberwiesenfelds wurde vor dem ersten Weltkrieg maßgeblich durch die stark gewachsene Münchner Garnison geprägt. Die Niederlage in diesem Krieg brachte kurz darauf drastische Veränderungen des Militärwesens in Bayern mit sich. Der südlich des Kanals gelegene Teil des Oberwiesenfelds reichte nun aus, um alle in München stationierten Truppen unterzubringen.
Da nach dem Ersten Weltkrieg ausschließlich zivile Luftfahrt erlaubt war, wurde 1919 ein Kurierflugdienst (München-Fürth-Bam- berg-Würzburg) installiert. Bereits 1920 starteten und landeten auf dem vollwertigen Flughafen regelmäßig zivile Flugzeuge.
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Abb 16: München 1917
Die Expansion des Münchner Militärs wurde durch die 1935 gegründete Wehrmacht und die allgemeine Wehrpflicht bedingt. Auf dem Oberwiesenfeld entstanden zwei neue Kasernen, die nach der völligen Entmilitarisierung Deutschlands nach dem Krieg als Notunterkünfte genutzt wurden. Nach der Neugründung der Bundeswehr 1955 wurden einige erhaltene Kasernen reaktiviert, im Zuge der Standortaufgaben jedoch inzwischen bis auf zwei Kasernen im gesamten Stadtgebiet der Konversion unterzogen.45 Parallel zum Militärbetrieb diente das Oberwiesenfeld verstärkt als Flugfeld, was zu diversen Nutzungskonflikten führte.
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Abb 17: München 1928
Mit der Planierung der Start- und Landebahn, der Errichtung der Flugzeughalle und des Flughafengebäudes nach den Plänen des Architekten K.J. Moßner, entstand 1931 der erste Münchner Flughafen. Bis ins Jahr 1968 wurde diese Nutzung beibehalten, verlor jedoch durch den Neubau
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Abb 18: Das Oberwiesenfeld vor Baubeginn (1968)
des Riemer Flughafens 1939 seine Bedeutung als Flughafen, weil der Flugverkehr überwiegend nach Riem verlegt wurde.46 Während des Zweiten Weltkrieges wurde der Flugbetrieb am Oberwiesenfeld zu militärischen Zwecken wieder aufgenommen, bis ab 1955 die Sport- und Privatfliegerei erneut vorherrschte. Allmählich umschloss die Bebauung der Stadt das Flugareal und die Beschwerden der Anwohner häuften sich. Letztendlich wurde der Flugbetrieb im März 1968 endgültig eingestellt.
Kurz nach der Sprengung des ehemaligen Flughafengebäudes im August 1968 wurde mit dem Bau des zweihundertneunzig Meter hohen Fernsehturms begonnen.47
Die Beendigung der Flug- und Militärnutzung beendete auch die Unannehmlichkeiten, die damit verbunden waren, wie Lärmbelästigung, Flurschäden, Umweltbelastungen durch Emissionen und Wegebeschränkungen. Insgesamt mehr als zwei Millionen Kubikmeter Trümmerschutt der Luftangriffe wurde bis 1951 mit der „Bockerlbahn“48, einem eigens geschaffenen Kleinbahnsystem, aus München abtransportiert und im Oberwiesenfeld, im Luitpoldpark und in Neuhofen als Schuttberge gesammelt.
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Abb 19: Abladen des Bauschutts der Weltkriegsruinen auf dem Schuttberg Oberwiesendeld (1956)
Diese Gebiete wurden nach einiger Zeit als Rodeloder Aussichtsberge genutzt, das stellte eine völlig neue Nutzung innerhalb der ebenen Münchener Landschaft dar.49 Im November 1963 erfolgte schließlich die äußere Erschließung des Geländes.50 Die Sport- und Privatfliegerei, die 1955 startete, wurde 1968 aus Sicherheitsgründen endgültig eingestellt. Die Sprengung des Flughafengebäudes erfolgte bereits 1968. Zur gleichen Zeit verdichtete sich die Stadt München, überwiegend in Form von Industrie- und Wohngebäude, um das Oberwiesenfeld. Unter den damals neu entstandenen Bauwerken befinden sich städtebauliche Akzente, die heutzutage unter Denkmalschutz stehen. Als Beispiel ist hier die 1929, östlich der Dachauer Strasse entstandene Mustersiedlung Borstei des Architekten Bernhard Borst zu nennen.51
Auf diese bewegte Historie folgten weitere große Veränderungen: die Umwandlung des Oberwiesenfelds zum Olympiapark. Im Flächennutzungsplan von 1965 war dieser Teil des Oberwiesenfelds als Erholungszone ausgewiesen, zunächst entstanden jedoch nur einzelne, planlos verteilte Bauwerke.52 Bereits ab 1965 wurden die ersten noch heute bestehenden Bauten errichtet, zunächst der Fernsehturm (Architekt: Sebastian Rosenthal), der mit den XX. Olympischen Spielen zu deren Wahrzeichen wurde und in Olympiaturm umbenannt wurde. 1967 folgte die formal anspruchslose Eissporthalle von Rolf Schütze.
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Abb 20: Der Olympiapark in der Entstehungsphase (1968-1972) kurz vor den olympischen Sommerspielen
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Abb 21 : Ausschnittreproduktion aus einem Stadtplan der siebziger Jahre. Das Oberwiesenfeld ist in den Olympiapark umgewandelt.
Mit der Zusage für die Austragung der Olympischen Sommerspiele begannen 1966 die Planungen und der Start für einen gewaltigen Umbau.53 Die Maßnahme, eine vielseitige Freizeitstätte an dieser Örtlichkeit einzurichten wurde bereits 1919 in der Denkschrift einer „Freien Vereinigung zur Wahrung der Interessen des nordwestlichen Stadtbezirks von München“ festgeschrieben und mehrmals abgelehnt. Heutzutage gilt der Park als gelungenes Nachnutzungsprojekt und Europas größte Sport- und Erholungsanlage.
Für die Vergabe der Olympischen Spiele nach München waren vor allem die guten Eigenschaften des Geländes entscheidend. Positive Faktoren, wie eine offene Verfügbarkeit einer weitläufigen Fläche sowie die innenstadtnahe Lage beeinflussten die Wahl in großem Ausmaß. Im Gegenzug bedeutete die Gewinnung der Spiele für die Stadt München fehlende Infrastruktureinrichtungen zu ergänzen und einen allgemeinen Aufschwung zu erfahren.
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Abb 22: Olympiapark 2012
5.4 Olympische Spiele 1972
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Abb 23: Panorama 1972
„Fast könnte man sagen, die Stadt sei zu Olympischen Spielen gekommen wie die Jungfrau zum Kind. Noch im Frühherbst 1965 ahnte niemand etwas davon...“54
Bereits 1965 bewarb sich München für die Ausrichtung der Olympischen Spiele 1972. Die Idee, München als Austragungsort für die XX. Olympischen Spiele vorzuschlagen, wurde vom Präsidenten des Nationalen Olympischen Komitees, Willi Daume an den damaligen Oberbürgermeister, Hans-Jochen Vogel, herangetragen.
Deutschland wollte sich der Weltöffentlichkeit als tolerantes und freiheitliches Land - heiter, offen und demokratisch präsentieren. Um sich international um Vertrauen zu bemühen, startete im Frühjahr 1966 eine halbjährige Werbekampagne für die Münchner Bewerbung. Dabei waren drei Leitsätze der Ausschreibung besonders prägend und in idealer Weise im Olympiaensemble verkörpert:55 „Spiele der kurzen Wege“, „Spiele im Grünen“ und die „Spiele der Musen und des Sports“.56 Weitere Motive wie „Leichtigkeit, kühne Eleganz, Einheit von Landschaft und Natur und Möglichkeit der Nutzung der Anlagen auch nach dem olympischen Ereignis“57 ergänzten das Konzept Münchens.
Die Entscheidung für München und gegen die Mitbewerber Montreal, Detroit und Madrid fiel im April 1966 in Rom. Als Sieger aus dem 1967 ausgelobten Architekturwettbewerb für die Sportstätten ging das Büro Behnisch und Partner hervor. Die technische Machbarkeit des gewagten Zeltdachentwurfs war zwar nicht gesichert, dennoch wurde dieser radikal moderne Entwurf bevorzugt.
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Abb 24: Wettbewerbsentwurfsplan
Als Der Zuschlag an München erteilt wurde, startete sogleich die Planung. Von 1968 bis 1972 entwarfen die Planer ein Gesamtkunstwerk, eine olympische Landschaft.58 Die Idee der leichten, improvisierten, unpathetischen und flexiblen Münchner Spiele wurde in interdisziplinärer Zusammenarbeit umgesetzt.
Organisatoren
Die gesamte Vorbereitung und Durchführung der Spiele wurde auf zwei Organisationen aufgeteilt: das Organisationskomitee für die XX. Olympiade München 1972 und der Olympiabaugesellschaft.
Der symbolische Grundstein wurde am 14.7.1969 gelegt und bereits weniger als drei Jahre später, am 29.6.1972 wurden die fertiggestellten Anlagen an des Organisationskomitee übergeben.59
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Abb 25: Grundsteinlegung 1969 mit Willy Daume Willi Daume (rechts vom Bauarbeiter links), damals Präsident des deutschen Nationalen Olympischen Komitees, Franz-Josef Strauß und Münchens Oberbürgermeister Hans Jochen Vogel
Das ebene, kahle und unwirtliche Gelände wurde bis 1968 lediglich von der sechzig Meter hohen Landmarke Schuttberg gekennzeichnet. Diese überragte eine undifferenzierte, wenig abwechslungsreiche Ebene mit bewegter Geschichte und steht gleichsam als Zeitzeuge und Zeichen der Reminiszenz an den Zweiten Weltkrieg. Die Umgebung des Gebiets setzte sich aus Industrie-, Gewerbe- und Wohnbebauung zusammen, sodass ein uneinheitlicher, indifferenter Eindruck vermittelt wurde. Der Norden Münchens, der ohne Charakter, gerne als „terra incognita“60 bezeichnet wurde, sollte durch ein visuelles Gesamtkonzept für das kommende Großereignis an die Stadt angeknüpft werden und diese gleichzeitig in ihren Funktionen ergänzen. Bereits während der Neuplanung der bisher baumlosen Schotterebene erfolgte die Ausführung.61
Beteiligte
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Abb 26: Team um Prof. Behnisch. Von Links: Carlo Weber, Günther Behnisch, Fritz Auer, Erhard Tränkner, Winfried Büxel
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Abb 27: Team um Grzimek
Hierbei hatten die Architekten Behnisch und Partner die künstlerische Gesamtleitung inne. Dieses Team setzte sich aus Fritz Auer, Carlo Weber, Winfried Büxel, Jürgen Joedicke und Erhard Tränkner zusammen. Die Landschaftsarchitekten Wolfgang Miller und Hans Luz gestalteten die Außenanlagen des Hochschulsportgeländes und die im Olympischen Dorf. Des weiteren waren der Landschaftsarchitekt Günther Grzimek, der Ulmer Designer Otl Aicher sowie Karl-Heinz Weber, Bert Maecker und Peter Prinz beteiligt.62
Grzimek hatte das Büro Behnisch & Partner bereits während des Wettbewerbs beraten. Ausführungen und technische Gesamtleitung für die Außenanlagen wurde von der Stadtgartendirektion übernommen, was sich als besonders positiv herausstellte, da sie mit den Münchner Verhältnissen wie Bodenstruktur, Klima, Baustoffe, Firmen und anderen Eckdaten vertraut waren. Circa sechshundert Architekten und Ingenieure, vierhundert Baufirmen mit fünfundzwanzigtausend Handwerkern und Bauarbeitern arbeiteten gemeinsam mit dem Kurzzeitpersonal an der Ausführung des Olympiageländes.63
Nach den Zielvorstellungen der Planer sollte auf dem Oberwiesenfeld eine Parklandschaft entstehen, die die olympischen Bauten symbiotisch und harmonisch „mit der Landschaft verzahnt.“64 Ähnlich wie die beiden bestehenden großen Parkanlagen, der Nymphenburger Park und der Englische Garten, sollte der Olympiapark das Besondere Münchens widerspiegeln.65
Bei der Planung wurden Vorgefundene Elemente, wie beispielsweise die bewegte Topographie, der Kanal, der Fernsehturm, aufgegriffen und zum Charakteristikum des Olympiageländes erhoben.
Als Gebrauchslandschaft sollte das Olympiaensemble eine artifizielle, aber organische, natürliche Landschaft nach dem Vorbild des Alpenvorlandes darstellen und dennoch pflegeleicht sein. Maximaler Nutzwert durch die Besucher war bereits in der Planung integriert und beläuft sich auf die Bereiche Spiel, Sport, Freizeit und Erholung.66 „Wir haben alles aufgenommen, was von rechts und links kam und haben das, was von uns dazu kam, dazu geflochten. Man kann sich das Bild so vorstellen, dass es ein Teppich ist, der ein Loch hatte, in den nun ein besonders schönes Muster eingewoben wird.“67 Zahlreiche, für das Sportevent relevante, Veranstaltungsräumlichkeiten sollten geplant und realisiert werden. Südlich des Mittleren Rings befinden sich das Olympiastadion sowie seine Nebenanlagen, die Olympiahalle, die Olympiaschwimmhalle, das Eissportzentrum, das Olympiaradstadion und der Olympiaturm.
Olympiastadion
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Abb 30: Olympiastadion
Eingelassen in eine Bodenmulde im Westhang am zentralen Coubertinplatz befindet sich das sechsundfünfzigtausend Quadratmeter große Olympiastadion. Die nahezu kreisrunde Anlage liegt vier Meter unter dem Niveau des Olympiasees und wird im westlichen Teil vom spektakulärsten Teil des Zeltdachs überspannt. Die Arena des Stadions ist mit seinen achzehntausend Quadratmetern im Vergleich mit der Fläche des Marienplatzes etwa zweieinhalb mal so groß.67
Die Werner-von-Linde-Halle
Als Nebenanlage des Olympiastadions diente die Werner-von-Linde-Halle ursprünglich als Aufwärmhalle. 2006 wurde die Halle neu erbaut und beherbergt das leistungsorientierte LeichtathletikTrainingszentrum.
Der Aufwärmplatz
Südlich derWerner-von-Linde-Halle befndetsich der Aufwärmplatz des Olympiastadions, der der Größe des Spielfelds und der Laufbahnen im Stadion entspricht. Heutzutage wird der Platz für das leichtathletische Sommertraining sowie zahlreiche Fußballspiele von Firmen- und Behördenmannschaften genutzt.
Olympiahalle
Die Sport- und Mehrzweckhalle befindet sich am zentralen Platz des Olympiaparks. Zwischen Stadion und Schwimmhalle gelegen, wird hier durch das Zeltdach eine optische Gebäudeeinheit gebildet. In die Landschaft eingebettet, tritt das Gebäude nur zum Mittleren Ring als Hochbau in Erscheinung. Das Oval, die immense Raumhöhe und die Leichtigkeit der umlaufenden Glasfassade vermitteln dem Besucher ein Gefühl von Leichtigkeit und Freiheit und bietet mehr als elftausend Gästen Sitzplätze. Mittlerweile wird der Bau als Mehrzweckhalle und Veranstaltungsort für unterschiedlichste Events vermarktet.
Olympiaschwimmhalle
Ausgelegt auf eine nacholympische Nutzung und die Verwendung als olympische Austragungsstätte entstand der verglaste Schwimmbau, der zum südöstliche Teil der olympischen Anlage aufgrund der Glasfassade offen wirkt. Für die Wettkämpfe wurden eigens provisorische Tribünen installiert und nach Spielende wieder rückgebaut. Mit einer Wasserfläche von insgesamt zweitausendzweihundert Quadratmetern in fünf Becken ist die Olympiaschwimmhalle heute als öffentliches Bad in Betrieb. Die im Osten angrenzende dreizehntausendfünfhundert Quadratmeter große Liegewiese sowie eine Sauna, ein Fitnessstudio und ein Solarium runden das öffentliche Angebot ab.
Olympiaradstadion
Das Olympiaradstadion befindet sich im südwestlichen Teil des Olympiaparks und entstand nach den Plänen Herrmann Schürmanns. Ende der neunziger Jahre wurde es zur Erlebniswelt Olympic Spirit umgebaut, die jedoch kurz darauf wegen mangelnder Rentabilität schloss. Gegenwärtig wird der ovale Betonbau als Eventarena für Veranstaltungen aller Art vermarktet.
Eissportstadion
Der Stahlskelettbau des Eissportstadions entstand bereits im Jahr 1967, gemeinsam mit dem Fernsehturm. Das Eissportstadion stellt den ersten Sportbau auf dem Oberwiesenfeld dar.
Durch zahlreiche Umbauten und Erweiterungen, unter anderem das Eislaufzelt von Architekt Kurt Ackermann, entstand das heutige Eissportzentrum, das als eines der größten Eislaufzentren Europas gilt. Heutzutage wird es vom örtlichen Eishockeyverein EHC München zum Training und für die Austragung von DEL Spielen genutzt, sowie für den Publikumslauf. Das Eislaufzelt wurde als Hallenfußballanlage umgenutzt.68
Der knapp zweihundertneunzig Meter hohe Olympiaturm kennzeichnete bereits zu Planungsbeginn das Oberwiesenfeld, entworfen nach den Plänen von Sebastian Rosenthal und 1965 erbaut. Als höchstes Bauwerk Münchens ist er nahezu dreimal so hoch wie die Türme der Frauenkirche oder des benachbarten BMW Zylinders. Ursprünglich errichtete man den Fernsehturm zum Ausbau des Richtfunknetzes der Bundespost.
Der Turm beherbergt zwei Funktionen: er ist beliebte Aussichtsplattform mit Drehrestaurant für Münchner und Touristen, sowie nationale und internationale Funkverbindungsstelle für Radio und Fernsehen. Ideale Witterungsverhältnisse ermöglichen von den beiden Besucherplattformen aus einen umfassenden Blick auf die Alpenkette vom Salzkammergut bis zu den Allgäuer Alpen. Im nördlichen Teil des Olympiageländes entstanden für die Olympischen Spiele 1972 das Olympische Männerund Frauendorf, die Volleyballhalle, der Funk- und Fernsehturm, diverse Trainingsplätze,
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Abb 38: Olympisches Dorf
der Gärtnerhof, die Pressestadt mit dem Pressezentrum sowie die Anschlüsse an das S- und U-Bahnnetz.69
Das Dach
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Abb 39: Zeltdachlandschaft
Das punktgestützte Hängedach bildet das Markenzeichen der Olympiabauten. Durch seine innovative Erscheinung und technische Einzigartigkeit stellt es einen hohen Wiedererkennungswert dar. Die Dachkonstruktion überspannt die Westtribüne des Olympiastadions, Olympiahalle, Olympiaschwimmhalle und die dazwischen liegenden Bereiche. Durch diese raumübergreifende Bewegung verschmelzen die Einzelbauten zu einer architektonischen Einheit. Mit knapp vierundziebzigtausendachthundert Quadratmetern ist das Dach nur um rund elftausend Quadratmeter kleiner als der gesamte Olympiasee. Durch seine Stahlkonstruktion bewältigte der Ingenieur Frei Otto Spannweiten von bis zu vierhundertfünfzig Metern mit Hilfe einer vorgespannten Seilnetzkonstruktion. Das aus einhundertneunund- zwanzigtausend Knoten am Boden geflochtene Seilnetz entstand aus vierhundertsechunddreißig Kilometern Drahtseil, das anschließend hochgezogen wurde. Einhundertneunundsechzig Fundamente verankern die Hauptlasten, die auf das Seilnetz mit der Maschenweite von fünundsiebzig mal fünfundsiebzig Zentimetern, wirken. Auf dem großen Randseil über dem Stadion und den zwölf
Hauptpylonen ist eine Zugkraft von viertausendfünfhundert Tonnen messbar. Zur Aufrechterhaltung der Statik wirken außerdem sechsunddreißig kleinere Masten sowie zehn mit Seilbündeln unterspannte Luftstützen mit. Ein vier Millimeter starkes, vorgespanntes Acrylglas erzielt die lichtdurchlässige Wirkung der Dachhaut. Diese drei mal drei Meter großen Elemente ermöglichen gute Lichtverhältnisse für Fernsehübertragungen.
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Abb 40: Arbeiter beim Seilknüpfen
Olympische Spiele 1972
Die „Inszenierung der Leichtigkeit“70 wurde durch zahlreiche Pressevertreter in die gesamte Welt hinausgetragen und als Botschaft verbreitet. So war beispielsweise in der Daily News (USA) zu lesen: „'Flower Power' verkündeten die Münchener Kinder - sie sind der Geist der Münchener Spiele, der Geist eines neuerstandenen Deutschlands.“71 Die Wirkung der XX. Olympischen Spiele lässt sich nicht nur auf den baulichen Rahmen reduzieren, denn „keine Architektur und kein Design können Menschen oder Gesellschaften verändern, wohl aber beeinflussen, Voraussetzungen schaffen, Wege ebnen, stimulieren“72. Dennoch prägte der Gesamteindruck der Feierlichkeiten das Image Deutschlands und insbesondere Münchens nachhaltig positiv. Aus den Leitgedanken „Olympiade, Fest der Musen und des Sports“, „Olympiade im Grünen“ und „Olympiade der kurzen Wege“, kristallisierten sich die wichtigsten Gesichtspunkte für die Gestaltung. Man verfolgte die Idee, den menschlichen Maßstab trotz der Dimension der Bauten, zu wahren. Außerdem schuf man durch den Entwurf einen Rahmen, der heitere Spiele und eine gelöste Atmosphäre ermöglichte.
Bereits in der Planung wurde die Nachnutzung berücksichtigt. Es sollte eine neue städtebauliche Komponente geschaffen werden, die eine hohe kulturelle und städtebauliche Bedeutung hat und der des Englischen Gartens und des Nymphenburger Parks entspricht. Der Olympiapark sollte eine Initialzündung für die umliegenden, städtebaulich indifferenten Stadtteile sein.73 Die Stadt München setzte von Anfang an einige Thesen fest, unter anderem, dass die Planung „ein in die Zukunft gerichteter Beitrag zur Infrastruktur und zur Urbanität der ganzen Stadt werden“74 soll. Schon in der Planungsphase fanden die Olympischen Spiele Münchens internationales Interesse. Das innovative Konzept, sowie die organisatorischen und baulichen Ausführungen, wurden von circa dreitausend Journalisten aus aller Welt bereits vor 1972 dokumentiert und verbreitet. Zweifel an der termingerechten Fertigstellung gingen um, Georg Vine entgegnete diesen 1970: „Aber selbstverständlich. Erstens ist 1972 ein Schaltjahr. Das gibt uns einen ganzen Tag mehr. Und zweitens werden die Spiele am 26. August erst nachmittags eröffnet.“75
Um es mit den Worten Werner Göhners 1978 zusammenzufassen: „Die Spiele des Jahres 1972 sind Vergangenheit. Aber sie haben im Gewebe der Stadt ein olympisches Element hinterlassen.“76 Unterhalt und Verwaltung der Olympiabauten gingen an die Stadt München, das Studentenwerk und den Freistaat Bayern,über. Die Wohnungen des Olympischen Männerdorfes wurden in Wohn- eigentum umgewandelt, das Dorf der Frauen in ein Studentenwohnheim umgenutzt. Das Berufsbildungszentrum fand Platz im ehemaligen Pressezentrum und die Wohnungen der Olympiapressestadt werden vermietet. Die 1970 als Tochtergesellschaft der Stadt München gegründete „Münchner Olympiapark GmbH“ übernahm die Verantwortung und die Organisation der nahezu kompletten Sportanlagen und des Parks.77
Im Oberwiesenfeld entstadt ein eigenständiges neues Stadtviertel mit guter Infrastruktur. Der Olympiapark gilt heute als viel genutzte Freizeitstätte, immer noch lebendig und pulsierend. Die Kombination aus nichtkommerziellem und kommerziellem Angebot stellte sich als erfolgreiches Nachnutzungskonzept heraus. Seit dem Großereignis 1972 verzeichnete der Olympiapark einhundertzweiund- achzig Millionen zahlende Besucher. Zahlreiche Veranstaltungen, wie Konzerte, Sportereignisse, das Sommertollwood, das Sommerfest oder das Theatron locken Jahr für Jahr bis zu fünf Millionen Menschen in den Olympiapark. Diese gigantische Zahl beinhaltet nicht die vielen nichtkommerziell orientierten Nutzer, wie beispielsweise die Spaziergänger, Jogger, BMXer, et cetera.78
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb 41: Freizeit im Olympiapark
[...]
1 Günther Grzimek in: Gollwitzer, Gerda (1972), S.11
2 Zentrales Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (2009)
3 Sammer, Christian (2012 i)
4 ebd. S.6
5 ebd. S. 7
6 Münchner Olympiapark GmbH (1982), S. 63
7 mahl gebhard konzepte (2011), S.7
8 O. Verf. (2012 e)
9 Wehler, Hand-Ulrich (1988), S. 11
10 König, Andreas (1996), S. 11
11 Zeit Online (2004)
12 König, Andreas (1996), S. 3
13 Brockhoff, Evamaria (2012), S.42
14 Eiband, Benjamin, et al. (2008), S. 52 ff.
15 Grzimek Günther; Grzimek Waldemar (1967), S.6 ff.
16 König, Andreas (1996), S. 24 ff.
17 Garten und Landschaft (2003 b), S.14
18 Grzimek Günther; Grzimek Waldemar (1967), S.7 ff.
19 Eiband, Benjamin, et al. (2008), S. 53 ff.
20 Mader,Günther (1999), S. 158
21 Brockhoff, Evamaria (2012), S. 43 ff.
22 Neumann-Adrian, Michael (2009), S. 243
23 Brockhoff, Evamaria (2012), S.43
24 Lehrstuhl für Landschaftsarchitektur und industrielle Landschaft (2011)
25 ebd.
26 ebd.
27 Eiband, Benjamin, et al. (2008), S. 52 ff.
28 Garten und Landschaft (2003 b), S.14
29 Muenchen.de (2011 a)
30 Muenchen.de (2011 b), S .9
31 Olympiapark GmbH (2012 h)
32 Ludwig I. König von Bayern in: O. Verf. (2011 h)
33 Münchner Olympiapark GmbH (1982), S. 66
34 Deutsche Akademie für Städtebau und Landesplanung Landesgruppe Bayern (1984), S.89
35 Pres, Werner (2007), S.8
36 Münchner Olympiapark GmbH (1982), S.23
37 Münchner Olympiapark GmbH (1982), S.23
38 Angermair, Elisabeth (1994), S. 5 ff.
39 Pres, Werner (2007), S.9
40 Lauterbach, Burkhart (2001), S.130 ff.
41 Angermair, Elisabeth (1994), S.10ff.
42 Neumann-Adrian, Michael (2009), S. 245
43 Münchner Olympiapark GmbH (1982), S.25
44 Pres, Werner (2007), S.9
45 Angermair, Elisabeth (1994), S. 11 ff.
46 Marschik, Matthiaset al. (2005), S. 157
47 Angermair, Elisabeth (1994), S. 11 ff.
48 Brockhoff, Evamaria (2012), 2010
49 Kachelmann, Jakob; Obermeier, Claus (2005), S.152 f.
50 Münchner Olympiapark GmbH (1982), S.158
51 Angermair, Elisabeth (1994), S.20 ff.
52 Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege (2012)
53 Lauterbach, Burkhart (2001), S.130 ff.
54 Walter Maria Skarba in: Münchner Olympiapark GmbH (1982), S.15
55 Mader, Günther (1999), S. 158
56 Brockhoff, Evamaria (2012), S.2 f.
57 Radtke, Armin et al. (2005), S.15
58 Brockhoff, Evamaria (2012), S.42 f.
59 Angermair, Elisabeth (1994), S. 25 ff.
60 Angermair, Elisabeth (1994), S. 3
61 Landeshauptstadt München (2005 a), S. 28
62 Grzimek, Günther (1970 a), S. 301
63 Gollwitzer, Gerda (1972), S. 36
64 Günther Grzimek in: Grzimek, Günther (1993), S.35
65 Marschik, Matthias et al. (2005), S.155
66 mahl gebhard konzepte (2011), S.10
67 Günther Behnisch in: Landeshauptstadt München (2005 a), S. 28
68 Münchner Olympiapark GmbH (1982), S. 127 ff.
69 ebd.
70 ebd. S.122 ff.
71 Schall, Ulrich (o. Jahr)
72 Bittner, Werner (2007)
73 Heinrich August Winkler in: Zeit Online Kultur (2011)
74 Harbeke, Carl Heinz (1972), S.32
75 Gerhard Meighörner in: Meighörner, Gerhard (1978), S.162
76 Georg Vine in: Münchner Olympiapark GmbH (1982), S.31
77 Werner Göhner in: Göhner, Werner (1978), S.158
78 Angermair, Elisabeth (1994), S. 28 f.
- Arbeit zitieren
- Sarah Pauli (Autor:in), 2012, Günther Grzimek - Architekt des Demokratischen Grüns, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/201990
-
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