Die zentrale Gestalt des italienischen Faschismus – Benito Mussolini – wurde am 30. Oktober 1922 von König Vittorio Emanuele III. zum Ministerpräsident des italienischen Königreiches ernannt . In seiner ersten Regierungserklärung machte der charismatische Führer und spätere Diktator den Abgeordneten unmissverständlich klar, was er vom Parlament und im übertragenen Sinne von der Demokratie an sich hielt: „Ich hätte aus dieser grauen Aula ein Biwak [Feldlager ] für meine Milizen machen können, ich hätte das Parlament zumachen und eine Regierung ausschließlich von Faschisten bilden können […]“ . Wie konnte eine Person – die offensichtlich eine so große Abneigung gegen das parlamentarische Regierungssystem hegte – zum Amt eines Ministerpräsidenten gelangen? Diese Paradoxie wurde noch dadurch verstärkt, dass das Parlament Mussolini durch eine Abstimmung die verfassungsmäßige Vollmacht erteilte, ein Jahr lang mithilfe von Verordnungen am Parlament vorbei zu regieren. Die Machterlangung der Faschisten beendete nach der Einteilung Wolfgang Schieders und Robert Paxtons die Phase der Bewegung, die sich von der Gründung der Fasci Italiani di Combattimento am 23. März 1919 in Mailand bis hin zum Marsch auf Rom Ende Oktober 1922 und der damit verbundenen Machterlangung erstreckte . Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich zunächst mit der Frage, welche historischen, wirtschaftlichen und politischen sowie gesellschaftlichen Rahmenbedingungen diese Machterlangung der Faschisten erst ermöglichten. Das zweite Kapitel beschäftigt sich daher mit den Geburtsfehlern im Zusammenhang mit der italienischen Staatsgründung sowie deren außen- und innenpolitischen Folgen. Des Weiteren werden die Folgen des einschneidenden Ersten Weltkriegs beleuchtet. Anschließend werden separat die Strukturprobleme sowie die krisenverschärfenden Elemente in den Bereichen Wirtschaft, Politik und Gesellschaft analysiert. Der zweite Teil der vorliegenden Arbeit setzt sich mit der Frage auseinander, inwiefern das Vorgehen Mussolinis und das der Faschisten selbst zur Machterlangung beitrug. Dazu wird auf den Beginn der faschistischen Bewegung sowie deren Entwicklung eingegangen. Ein besonderes Augenmerk wird auf die anschließende Analyse der faschistischen Squadren gelegt sowie deren Verhältnis zu politischer Gewalt erläutert. Gegen Ende wird auf die Sympathisanten des Faschismus und auf den Marsch auf Rom 1922 eingegangen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Krisenverschärfende Rahmenbedingungen
- Grundprobleme des italienischen Nationalstaates 1861-1922
- Geburtsfehler und Probleme des jungen italienischen Nationalstaates
- Folgen des Ersten Weltkriegs
- Problematische wirtschaftliche Rahmenbedingungen und die Krise
- Strukturfehler und Fehlentwicklungen der italienischen Politik
- Das politische System und die Stellung des Königs
- Die bevölkerungsferne politische Kultur Italiens
- Die Praxis des Trasformismo
- Die Zerrissenheit und die Kompromisslosigkeit der politischen Lager und Parteien
- Die gespaltene Gesellschaft und das biennio rosso
- Grundprobleme des italienischen Nationalstaates 1861-1922
- Faschistisches und squadristisches Vorgehen bis zur Machterlangung
- Benito Mussolini und die Entwicklung der faschistischen Bewegung
- Die Ideologie der Gewalt und der Squadrismus
- Die fiacheggiatori und der Marsch auf Rom
- Zusammenfassung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit untersucht die historischen, wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, die zur Machterlangung der Faschisten in Italien im Jahr 1922 führten. Sie analysiert die Geburtsfehler des italienischen Nationalstaates sowie deren Auswirkungen auf die politische und soziale Entwicklung des Landes. Des Weiteren werden die Folgen des Ersten Weltkriegs und die Strukturprobleme der italienischen Politik beleuchtet.
- Die Krise des italienischen Nationalstaates
- Die Rolle des Ersten Weltkriegs
- Die problematischen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen
- Die Strukturprobleme der italienischen Politik
- Das faschistische und squadristische Vorgehen
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel der Arbeit befasst sich mit den Grundproblemen des italienischen Nationalstaates. Es werden die Geburtsfehler des jungen Staates und dessen innere Integrationsprobleme beleuchtet. Insbesondere wird der eklatante Nord-Süd-Gegensatz sowie die schwierige Integration der vatikantreuen Katholiken und der Unterschichten analysiert. Des Weiteren wird der Nationalismus und der Irredentismus als Ausdruck der „unfertigen Nation“ erörtert.
Das zweite Kapitel behandelt die krisenverschärfenden Rahmenbedingungen, die zum Aufstieg des Faschismus beitrugen. Hier werden die Folgen des Ersten Weltkriegs sowie die problematischen wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen näher betrachtet. Insbesondere werden die Strukturfehler und Fehlentwicklungen in der italienischen Politik, wie das politische System, die bevölkerungsferne Kultur und die Praxis des Trasformismo, analysiert.
Das dritte Kapitel befasst sich mit dem faschistischen und squadristischen Vorgehen bis zur Machterlangung. Es wird die Entwicklung der faschistischen Bewegung unter Benito Mussolini und die Ideologie der Gewalt und des Squadrismus erläutert. Besonderes Augenmerk wird auf das Verhältnis der faschistischen Squadren zur politischen Gewalt sowie auf die Sympathisanten des Faschismus gelegt. Abschließend wird der Marsch auf Rom im Jahr 1922 behandelt.
Schlüsselwörter
Italien, Faschismus, Benito Mussolini, Nationalstaat, Krise, Erster Weltkrieg, Wirtschaft, Politik, Gesellschaft, Squadrismus, Gewalt, Machterlangung, Irredentismus, Nord-Süd-Gegensatz, Katholiken, Unterschichten, Trasformismo, Marsch auf Rom.
- Quote paper
- Nils Marvin Schulz (Author), 2010, Die faschistische Machterlangung im Hinblick auf historische, wirtschaftliche, politische und gesellschaftliche Rahmenbedingungen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/201749