In Henrik Ibsens Familiendrama „Die Gespenster“ ist die Verteilung der Rollen eine ganz besondere. So ist die eigentliche Hauptfigur bereits tot und spielt gar nicht mehr mit. Von ihr geht jedoch trotzdem die Handlung aus, die Frau Alving in Zugzwang bringt. Neben dieser wiederum ist aber Pastor Manders der wichtigste und auch der interessanteste, weil undurchschaubarste Charakter, da durch die Gespräche der beiden eine Kontroverse entsteht, die zum Aufdecken des bisher Geschehenen führt. Der Pastor stellt einen Gegenspieler zu Frau Alving, Engstrand und auch Oswald dar und sorgt damit für Reibung, die den Zuschauer Probleme erkennen lässt und die Handlung in Form von Dialogen vorantreibt. Daher soll seine Person in dieser Arbeit genauer untersucht werden.
Es wird darauf eingegangen, was Ibsen dazu veranlasst hat, eine Figur wie ihn in das Drama einfließen zu lassen und ob es zwingende Gründe dafür gibt. Außerdem interessiert neben den entscheidenden Charakterzügen auch noch, in welcher Beziehung er zu den anderen Personen steht und was dadurch bewirkt wird.
Zunächst ist wichtig zu erfahren, was Ibsen dazu bewegt hat, diese Person in einer solchen Art zu kreieren, weshalb das nächste Kapitel den Autor und seine Biographie während dem Erarbeiten der „Gespenster“ beleuchtet. Danach wird eine Charakterisierung des Pastors erstellt und die Interaktionen von ihm mit Frau Alving und Engstrand analysiert, bevor im Fazit eine abschließende Interpretationsmöglichkeit dieser Rolle behandelt werden kann.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Henrik Ibsen und „Die Gespenster“
3. Pastor Manders
3.1 Pastor Manders und Helene Alving
3.2 Pastor Manders und Tischler Engstrand
4. Fazit
5. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
„Unglücksbringend ruht die Gesellschaft, persönliche Entfaltung und Wahrhaftigkeit unterdrückend, auf dem fragwürdigen Fundament von Schein und Lüge.“1
In Henrik Ibsens Familiendrama „Die Gespenster“ ist die Verteilung der Rollen eine ganz besondere. So ist die eigentliche Hauptfigur bereits tot und spielt gar nicht mehr mit. Von ihr geht jedoch trotzdem die Handlung aus, die Frau Alving in Zugzwang bringt. Neben dieser wiederum ist aber Pastor Manders der wichtigste und auch der interessanteste, weil undurchschaubarste Charakter, da durch die Gespräche der beiden eine Kontroverse entsteht, die zum Aufdecken des bisher Geschehenen führt. Der Pastor stellt einen Gegenspieler zu Frau Alving, Engstrand und auch Oswald dar und sorgt damit für Reibung, die den Zuschauer Probleme erkennen lässt und die Handlung in Form von Dialogen vorantreibt. Daher soll seine Person in dieser Arbeit genauer untersucht werden.
Es wird darauf eingegangen, was Ibsen dazu veranlasst hat, eine Figur wie ihn in das Drama einfließen zu lassen und ob es zwingende Gründe dafür gibt. Außerdem interessiert neben den entscheidenden Charakterzügen auch noch, in welcher Beziehung er zu den anderen Personen steht und was dadurch bewirkt wird.
Zunächst ist wichtig zu erfahren, was Ibsen dazu bewegt hat, diese Person in einer solchen Art zu kreieren, weshalb das nächste Kapitel den Autor und seine Biographie während dem Erarbeiten der „Gespenster“ beleuchtet. Danach wird eine Charakterisierung des Pastors erstellt und die Interaktionen von ihm mit Frau Alving und Engstrand analysiert, bevor im Fazit eine abschließende Interpretationsmöglichkeit dieser Rolle behandelt werden kann. Henrik Ibsen und „Die Gespenster“ 4
2. Henrik Ibsen und „Die Gespenster“
„Mit den „Stützen der Gesellschaft“, die nach einer Ruhepause von vier Jahren auf Henrik Ibsens letztes Historiendrama „Kaiser und Galiläer“ folgen, beginnt in Ibsens Schaffen eine ganz neue Epoche, die etwa die Jahre 1877 bis 1882 umfasst und mit dem „Volksfeind“ abschließt. Man bezeichnet die Werke dieser Zeit als „Gesellschaftsdramen“, weil sie der Gesellschaft in ihrer damaligen Form „einen Spiegel vorsetzten“ und ihr den Krieg erklärten.“2
Zur Zeit seines Schaffens an „Die Gespenster“ befindet sich Ibsen in einer Phase, in der er die Missstände, unter denen sein Heimatland in seinen Augen zu leiden hat, aufdecken und sie zumindest ansprechen, wenn nicht sogar austreiben möchte. Er ist kein Pessimist, findet aber seine norwegische Welt schlecht. Allerdings glaubt er daran, dass sie gut werden könne und müsse3.
Ibsen ist in Kristania zur Universität gegangen und hatte bei zwei Theologiekandidaten Griechisch und Latein zu lernen4, kam also schon früh intensiv in Berührung mit religiösen Institutionen. Auch später, nämlich im August 1880, kommt der Schriftsteller nicht um den Kontakt herum. Er stellt zu dieser Zeit einen Antrag an den norwegischen König mit der Bitte, dass sein Sohn Sigurd sein Jurastudium, welches er an einer römischen Universität angefangen hat, nun in Norwegen zu Ende bringen darf. Auf eine Absage reagiert er wütend und schreibt:
„Der schwarzen Theologenbande, die zur Zeit im norwegischen Ministerium das Regime führt, werde ich bei Gelegenheit ein passendes literarisches Denkmal setzen.“5
Daraufhin zieht Ibsen mit seiner Familie für fünf Jahre nach Rom6. Ende Juni 1881 ziehen sie weiter nach Sorrent7 und er beginnt mit „Die Gespenster“. Schon in der Entstehungsphase nennt er es ein „Familiendrama“8. Bis zum 23.09. ist das Konzept abgeschlossen und Ibsen beginnt mit der Reinschrift9.
Er kämpft gegen von Bischöfen regierte Staaten des jungen Skandinaviens10 und trägt diese Provokation auch nach außen. Durch seinen Briefwechsel erfährt man viel über seine Einstellung zum damaligen politischen System Skandinaviens. Er schreibt an Lorentz Dietrichson vor dem Beginn der Arbeit an „Die Gespenster“11:
„Was bei uns zuerst und vor allem nötig ist, das ist, alles Unbarmherzige niederzuschmettern, all das dunkle mittelalterliche Mönchstum gründlich auszurotten das die Betrachtung einengt und die Sinne verdummt.“12 Am 13.12.1881 erscheint „Die Gespenster“ in einer Auflage von 10.000 Exemplaren13. Nach der Veröffentlichung des Dramas schreibt er am 24.1.1882 an Olaf Skravian: „Norwegen ist ein freies Land, bevölkert von unfreien Menschen“ und kurz zuvor an die Freunde Brandes und Hegel: „Ich konnte keine Rücksicht darauf nehmen. Das wäre Feigheit gewesen.“14 Doch trotz seines Mutes, das Stück verlegen zu lassen, scheint die Zeit dafür noch nicht reif zu sein. Es erfährt von allen Seiten Kritik, es sei „unchristlich“15 und es kommt zu einer allgemeinen Entrüstung beim Erscheinen. Das Buch wird nicht gekauft und das Stück nicht gespielt, denn die Thematik gilt als unanständig und die geäußerten Gedanken zur Ehe verwerfen die gesamte Gesellschaftsordnung16.
Bis auf eine Minderheit radikalliberaler Intellektueller, die das Stück verteidigen, steht Ibsen allein auf weiter Flur17. Er fällt bei den Linken, den Rechten und den Liberalen durch18, was ihn wohl besonders geärgert hat. Die Behörden reagieren mit einem langjährigen Aufführungsverbot19, was sich schon abgezeichnet hat, als er vor der Fertigstellung versucht die Rechte an seinem noch nicht veröffentlichten Stück zu verkaufen, was nicht gelingt. Er wird dann erstmals am 17.07.1883 um eine Aufführungserlaubnis von einer Gruppe arbeitsloser Schauspieler gebeten20.
„Die Gespenster“ schockieren die Allgemeinheit mit drei verschiedenen Themen. Zum einen geht es um den biologischen Aspekt, der sich mit einer Geschlechtskrankheit und der damals aktuellen Frage nach Vererbung beschäftigt. Bei „Die Gespenster“ macht sich Ibsen die Wissenschaft zunutze, die sich mit der Vererbungstheorie beschäftigt. Diese war damals eine der meistdiskutierten Themen und hat auch in Romanen Einzug gefunden21.
Daneben geht es um die Gesellschaftsordnung, die durch die Ehe und die Rolle der Frau bestimmt wird. Ibsen befasst sich in seinen Dramen vornehmlich mit der Ehe, wobei er häufig die Frau in den Vordergrund des Geschehens rückt. Allerdings macht ihn das nicht zu einem Frauenrechtler, sondern er ist seiner Zeit auch dabei voraus und stellt für sich fest, dass der Frau lediglich derselbe Anspruch auf Entfaltung ihrer Persönlichkeit zusteht wie dem Mann22. Neben der Frau als passivem Teil einer Ehe geht er noch einen Schritt weiter und spricht das Thema Prostitution an, welche in Norwegen zu dieser Zeit tatsächlich erlaubt ist. Aus seinen Aufzeichnungen erfährt man:
„Das Bordell - das einzige Projekt, dem in diesem Drama Zukunft beschieden ist - ist in seiner geregelten Unsittlichkeit der extreme Ausdruck einer Gesellschaftsordnung, die den Menschen prostituiert.“23
Zum dritten beschäftigt ihn, wie bereits teilweise erläutert, die Frage, inwieweit Religion in den Staatsapparat und auch private Haushalte einfließen sollte, was wohl das größte Ärgernis für die damalige Gesellschaft ist.
„Die Gespenster sind somit später […] als ein Angriff auf den Zwang religiöser Vorstellungen gedacht, die immer noch Geltung beanspruchen, obwohl sie längst überholt sind.“24
Um diese Aspekte zu beleuchten bedient sich Ibsen einer eigentümlichen Technik; das Aufblättern der Dramen von hinten nach vorne25. Auch in den Gespenstern verfährt Ibsen nach der bereits bewährten analytischen Methode. Erst nach und nach enthüllen sich die belastenden Umstände aus der Vergangenheit, welche die Gegenwartskatastrophe auslösen26. In dem Drama wird das Vergangene weniger zufällig und von außen in die Gegenwart hineingetragen27 wodurch ein Thema der Wiederkehr entsteht, was im Originaltitel schon enthalten ist. „Gengangere“ bedeutet Wiedergänger bzw. Wiederkehrer28. Frau Alving vermag nicht, das Determinierende des Milieus Kraft des Vergangenen auszuschalten. Ibsen baut so eine Metapher für psychologische und soziale Determinierung29.
Das Stück bildet einen Höhepunkt in der Entwicklung des neuen Dramas bei Ibsen, weil die Handlung konzentriert ist und immer tiefer in die Vergangenheit und die verheimlichten Schichten des gesellschaftlichen Lebens führt30.
„Ibsens Moralismus, der die Wissensfreiheit und die Bewältigbarkeit des Vergangenen voraussetzt, transformiert sich tendenzielle in einen Determinismus oder Fatalismus, der die Form des Tendenzstücks nicht unberührt lassen kann.“31
Der Bühnenautor bemüht sich, von den Personen auf die Probleme zu schließen und nicht umgekehrt. Er schafft eine organische Verbindung von wichtiger Problematik mit dem Leben der Handelnden32. Dazu benutzt er das System psychologischer Analyse des Dramas, welches er vom Einzelfall auf die Kritik der Gesellschaft überträgt und so ein neues Verständnis des Theaters schafft33.
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1 Boettcher, Marc (1989): Henrik Ibsen. Zur Bühnengeschichte seiner "Gespenster". Frankfurt am Main; New York: P. Lang, Seite 4.
2 Boettcher, Marc (1989): Henrik Ibsen. Zur Bühnengeschichte seiner "Gespenster". Frankfurt am Main; New York: P. Lang, Seite 3.
3 Vgl. Kreuzer, Helmut; Rosenstein, Doris (2006): Deutschsprachige Literaturkritik, 1870- 1914. Eine Dokumentation. Frankfurt am Main; New York; P. Lang, Seite 485.
4 Vgl. Admoni, V. G. (1991): Henrik Ibsen. Die Paradoxie eines Dichterlebens. Originalausg. München: Beck, Seite 20.
5 Boettcher, Marc (1989): Henrik Ibsen. Zur Bühnengeschichte seiner "Gespenster". Frankfurt am Main; New York: P. Lang, Seite 6f.
6 Vgl. ebd., Seite 6f.
7 Sorrent liegt ca. 50 Km südlich von Neapel.
8 Vgl. Boettcher, Marc (1989): Henrik Ibsen. Zur Bühnengeschichte seiner "Gespenster". Frankfurt am Main; New York: P. Lang, Seite 7f.
9 Vgl. ebd., Seite 8.
10 Vgl. Kreuzer, Helmut; Rosenstein, Doris (2006): Deutschsprachige Literaturkritik, 1870- 1914. Eine Dokumentation. Frankfurt am Main; New York; P. Lang, Seite 482.
11 Vgl. Klothen, Winfried (19]86): Henrik Ibsen: Gespenster. Text und Materialien. 1. Aufl. Düsseldorf: Schwann-Bagel, Seite 125.
12 Ebd., Seite 125.
13 Vgl. Boettcher, Marc (1989): Henrik Ibsen. Zur Bühnengeschichte seiner "Gespenster". Frankfurt am Main; New York: P. Lang, Seite 41.
14 Gebhardt, Armin (2005): Henrik Ibsen. Der große Gesellschaftsdramatiker. Marburg: Tectum-Verlag, Seite 117.
15 Boettcher, Marc (1989): Henrik Ibsen. Zur Bühnengeschichte seiner "Gespenster". Frankfurt am Main; New York: P. Lang, Seite 42.
16 Vgl. Admoni, V. G. (1991): Henrik Ibsen. Die Paradoxie eines Dichterlebens. Originalausg. München: Beck, Seite 102.
17 Vgl. Englert, Uwe (2001): Magus und Rechenmeister. Henrik Ibsens Werk auf den Bühnen des Dritten Reiches. Tübingen: Francke, Seite 33.
18 Vgl. Admoni, V. G. (1991): Henrik Ibsen. Die Paradoxie eines Dichterlebens. Originalausg. München: Beck, Seite 102f.
19 Vgl. Englert, Uwe (2001): Magus und Rechenmeister. Henrik Ibsens Werk auf den Bühnen des Dritten Reiches. Tübingen: Francke, Seite 33.
20 Vgl. Boettcher, Marc (1989): Henrik Ibsen. Zur Bühnengeschichte seiner "Gespenster". Frankfurt am Main; New York: P. Lang, Seite 44.
21 Vgl. Admoni, V. G. (1991): Henrik Ibsen. Die Paradoxie eines Dichterlebens. Originalausg. München: Beck, Seite 96f.
22 Vgl. Boettcher, Marc (1989): Henrik Ibsen. Zur Bühnengeschichte seiner "Gespenster". Frankfurt am Main; New York: P. Lang, Seite 5.
23 Ebd., Seite 25.
24 Ebd., Seite 40f.
25 Vgl. Kreuzer, Helmut; Rosenstein, Doris (2006): Deutschsprachige Literaturkritik, 1870- 1914. Eine Dokumentation. Frankfurt am Main; New York; P. Lang., Seite 487.
26 Vgl. Gebhardt, Armin (2005): Henrik Ibsen. Der große Gesellschaftsdramatiker. Marburg: Tectum-Verlag, Seite 115.
27 Vgl. Hiebel, Hans (1990): Henrik Ibsens psycho-analytische Dramen. Die Wiederkehr der Vergangenheit. München: Fink, Seite 105.
28 Vgl. ebd., Seite 105.
29 Vgl. ebd., Seite 108.
30 Vgl. Admoni, V. G. (1991): Henrik Ibsen. Die Paradoxie eines Dichterlebens. Originalausg. München: Beck, Seite 99.
31 Hiebel, Hans (1990): Henrik Ibsens psycho-analytische Dramen. Die Wiederkehr der Vergangenheit. München: Fink, Seite 106.
32 Vgl. Admoni, V. G. (1991): Henrik Ibsen. Die Paradoxie eines Dichterlebens. Originalausg. München: Beck, Seite 95.
33 Vgl. Gregor, Josef (1933). Weltgeschichte des Theaters: Phaidon-Verlag, Seite 667.
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