Einhergehend mit den großen Schulleistungsstudien PISA und IGLU wurde ein Diskurs bezüglich defizitärer Leistungen von Schülerinnen und Schülern (SuS) angestoßen, der bis heute anhält. Der gemessene Bildungsmisserfolg deutscher SuS in differenten Fächern zeichnete sich gerade im internationalen Vergleich als äußert prekär ab. So schnitt Deutschland in den ersten Erhebungen sowohl im Bereich der Naturwissenschaften als auch im Kompetenzbereich Lesen deutlich unterhalb der Erwartungen ab (vgl. Prenzel 2007, 14ff.). Zwar bewirkten strukturelle Entwicklungen und gezielte Aufarbeitungen des allgegenwärtigen "PISA-Schocks" erhebliche Verbesserungen, es kristallisierte sich jedoch eine neue Risikogruppe innerhalb unseres Bildungssystems heraus, die vornehmlich männlich besetzt ist. Der hier durch die Leistungsstudien offerierte Hinweis auf geschlechtsspezifische Unterschiede und Bildungsungleichheiten führte zu kontroversen Debatten innerhalb der Bildungsforschung, die recht bald die Jungen zu den neuen Bildungsverlierern erklärten (vgl. Kapitel 1.4., 1.5). Während die Mädchen eher vom Abbau geschlechtsspezifischer Ungleichheiten profitierten, schienen männliche Schüler vermehrt hinter ihren Altersgenossinnen zurückzufallen. Bereits in der Grundschule sind solche Tendenzen deutlich geworden. Erklärungsansätze fokussieren heute im Bereich der Lesekompetenz - als eine der grundlegendsten Fähigkeiten in unserer Gesellschaft - einen engen Zusammenhang von Motivation und Kompetenzsteigerung. Zugleich zeigen Jungen eine starke Affinität hinsichtlich der Nutzung neuer Medien, die für die Förderung von Lesemotivation gewinnbringend genutzt werden könnte. Die vorliegende Masterarbeit beschäftigt sich daher mit der Fragestellung, ob ein gendergerechter Medieneinsatz gewinnbringend zur Förderung der Lesemotivation von Jungen im Deutschunterricht der Primarstufe beitragen kann.
Inhaltsverzeichnis
0. Einleitung
1. Jungen und Lesemotivation
1.1 Gesellschaftliche Rahmenbedingungen
1.2 Lesesozialisation
1.3. Lesekompetenz und Lesemotivation
1.4 Geschlechterspezifische Unterschiede in der Leseforschung
1.4.1 PISA und IGLU
1.4.2 Lesepräferenzen und Schulrealität
1.5 Verdrehte Geschlechtererwartungen?
1.6 Schlussfolgerungen
2. Medien und Didaktik
2.1 Neue Medien und Hypertexte
2.2 Medienkompetenz
2.3 Mediennutzung von Kindern
2.4 Technische Ausstattung der Schulen
2.5 Der Einsatz neuer Medien im Deutschunterricht
2.5.1 Vorteile
2.5.2 Nachteile
2.6 Geschlechterspezifische Mediennutzung
2.6.1 Mediensozialisation
2.6.2 Stand der Forschung
2.6.3 Mädchenförderung am Beispiel von ‚Lizzynet‘
3. Administrative Vorgaben - Gender Mainstreaming und Lehrplan Nordrhein-Westfalen
4. Die Rolle der Lehrkraft
4.1 Einstellung des Lehrkörpers gegenüber den neuen Medien
4.2 Geschlecht als Einflussfaktor?
5. Beispielanalyse
5.1 Das Projekt: Schwimmen lernen im Netz
5.1.1 Moduldarstellung
5.1.2 Bewertung
5.2 Das Leseprogramm: PISAKIDS
5.2.1 Moduldarstellung
5.2.2 Bewertung
6. Gendergerechte Mediennutzung im Deutschunterricht
6.1 Perspektiven der Leseförderung
6.2 Ergebnissicherung und Schlussfolgerung
7. Literatur
8. Anhang
0. Einleitung
Einhergehend mit den großen Schulleistungsstudien PISA und IGLU wurde ein Diskurs bezüglich defizitärer Leistungen von Schülerinnen und Schülern (SuS) angestoßen, der bis heute anhält. Der gemessene Bildungsmisserfolg deutscher SuS in differenten Fächern zeichnete sich gerade im internationalen Vergleich als äußert prekär ab. So schnitt Deutschland in den ersten Erhebungen sowohl im Bereich der Naturwissenschaften als auch im Kompetenzbereich Lesen deutlich unterhalb der Erwartungen ab (vgl. Prenzel 2007, 14ff.). Zwar bewirkten strukturelle Entwicklungen und gezielte Aufarbeitungen des allgegenwärtigen "PISA-Schocks" erhebliche Verbesserungen, es kristallisierte sich jedoch eine neue Risikogruppe innerhalb unseres Bildungssystems heraus, die vornehmlich männlich besetzt ist. Der hier durch die Leistungsstudien offerierte Hinweis auf geschlechtsspezifische Unterschiede und Bildungsungleichheiten führte zu kontroversen Debatten innerhalb der Bildungsforschung, die recht bald die Jungen zu den neuen Bildungsverlierern erklärten (vgl. Kapitel 1.4., 1.5). Während die Mädchen eher vom Abbau geschlechtsspezifischer Ungleichheiten profitierten, schienen männliche Schüler vermehrt hinter ihren Altersgenossinnen zurückzufallen. Bereits in der Grundschule sind solche Tendenzen deutlich geworden. Erklärungsansätze fokussieren heute im Bereich der Lesekompetenz - als eine der grundlegendsten Fähigkeiten in unserer Gesellschaft - einen engen Zusammenhang von Motivation und Kompetenzsteigerung. Zugleich zeigen Jungen eine starke Affinität hinsichtlich der Nutzung neuer Medien, die für die Förderung von Lesemotivation gewinnbringend genutzt werden könnte. Die vorliegende Masterarbeit beschäftigt sich daher mit der Fragestellung, ob ein gendergerechter Medieneinsatz gewinnbringend zur Förderung der Lesemotivation von Jungen im Deutschunterricht der Primarstufe beitragen kann.
Zu Beginn meiner Arbeit gilt es vorab zu prüfen, inwieweit Jungen bereits durch gesellschaftlich konstruierte Geschlechtserwartungen und Fähigkeitszuschreibungen in ihrem eigenen Rollenbild geprägt werden – eng daran knüpft auch die Lesesozialisation an, die immer noch durch eine tradierte Rollenverteilung der Geschlechter gekennzeichnet ist und sich maßgeblich auf die ersten Erfahrungen von Jungen mit Literatur auswirkt. Im weiteren Verlauf des ersten Kapitels werden zunächst der Kompetenz- und Motivationsbegriff eingehend definiert, um im Anschluss deren Verbindung hinsichtlich der Zielperspektive dieser Arbeit kurz zu skizzieren. Grundlegend können dann die Ergebnisse der Leseforschung – vor allem der zwei großen Schulleistungsstudien PISA und IGLU – und Erkenntnisse bezüglich der Lesepräferenzen von Jungen (und Mädchen) aufgezeigt und kritisch bewertet werden. Das Kapitel schließt mit der Gegenüberstellung kontroverser Meinungsbilder zum Thema ‚Jungen als die neuen Bildungsverlierer‘ ab und zieht bezüglich einer möglichen mediendidaktischen Lesemotivationsförderung ein erstes konkretes Zwischenfazit.
Das zweite Kapitel beschäftigt sich dann mit dem Einsatz neuer Medien im Deutschunterricht der Grundschule. Dazu werden zunächst bedeutende Begrifflichkeiten voneinander abgegrenzt sowie die Vorbedingungen hinsichtlich der tatsächlichen Mediennutzung der Kinder und der technischen Grundausstattung der Schulen dargelegt. Nachfolgend sollen dann zwei Schwerpunktsetzungen des Kapitels behandelt werden: Zum Einen wird der didaktische Einsatz neuer Medien im Deutschunterricht, zum Anderen die geschlechtsspezifische Mediennutzung und die damit verbundenen verschiedenen Grundhaltungen zum Medium Computer diskutiert. Anschließend sollen in Kapitel 3 die administrativen Grundlagen – vor allem der Lehrplan Nordrhein-Westfalen – und folglich die Bedeutung der Lehrkraft (Kapitel 4) hinsichtlich einer gleichberechtigten Geschlechterdemokratie behandelt werden.
Die im Kapitel 5 durchgeführte Beispielanalyse zweier Computerprogramme dient zur praktischen Konkretisierung inhaltlicher Möglichkeiten, neue Medien im Deutschunterricht zur gezielten Motivationssteigerung einzusetzen. Dazu sollen die Computerprojekte eingehend beschrieben und abschließend bewertet werden. Zuletzt möchte ich dann die Perspektiven für die Förderung der Lesemotivation von Jungen durch den Einsatz neuer Medien ausführlich darstellen und diskutieren sowie anschauliche Ergebnisse festhalten.
1. Jungen und Lesemotivation
1.1 Gesellschaftliche Rahmenbedingungen
Männlichkeits- und Weiblichkeitsstereotypen beeinflussen die Geschlechter so stark, dass nicht das tatsächliche Verhalten des Individuums, sondern vielmehr die Geschlechtszugehörigkeit unsere Eigenschafts- und Verhaltenscharakteristika bestimmen (vgl. Focks 2003, 12). Kinder lernen sehr früh geschlechtsspezifische Erwartungshaltungen der Gesellschaft zu erfüllen - ihnen ist bewusst, dass ihr Handeln je nach Geschlecht unterschiedlich bewertet wird. Eine geschlechtsspezifische Identität wird vor allem dadurch gefördert, dass wünschenswertes Verhalten verstärkt und unerwünschte Handlungen abgeschwächt werden. Der soziale Nahraum der Kinder trägt also einen bedeutenden Teil dazu bei, dass Mädchen und Jungen verschiedene Interessen und Fähigkeiten entwickeln. Eine Konstruktion von Weiblich- und Männlichkeit entsteht also immer vor einem fremdbestimmten und kulturell geprägten Hintergrund, indem geschlechtliche Normalitäten bestimmt und bewertet werden. Die soziale Anerkennung der Gruppe bestärkt die geschlechterspezifischen Orientierungen und formt so einen geschlechtlichen und kulturellen Habitus (vgl. Jantz/ Brandes 2006, 37f.).
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- Arbeit zitieren
- Julia Bleffert (Autor:in), 2011, Neue Medien im Deutschunterricht: Förderung der Lesemotivation von Jungen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/200109
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