Gegen Ende des 12. und zunehmend im 13. Jahrhundert beginnen sich gegenläufige Tendenzen zum Hohen Sang durchzusetzen. Der Tannhäuser, ein Vertreter des sogenannten späthöfischen Minnesangs, steht neben Dichtern wie Neidhart von Reuental „für eine erste Stufe einer literarischen und ideologischen Ablösung vom Minnesang und der ihn tragenden Kultur“.
Der III. Leich des Tannhäusers „Der winter ist zergangen“ zeigt das Besondere und Innovative der Minnedichtung dieser Zeit. Tannhäuser kontrastiert in ihm Elemente der höfischen Minnelyrik mit einem außerhöfischen Kontext. In der Form des Leichs werden Motive und Handlungszüge der traditionellen Pastourelle umgesetzt und variiert. Der Handlungsaufbau weist typische Strukturelemente der Pastourelle wie Natureingang, Minnegespräch und Liebesvereinigung im Freien auf. Auf der Grundlage der pastourellenähnlichen Struktur erschließt Tannhäuser die Möglichkeit, ein Minneverhältnis zu thematisieren, das auf Gegenseitigkeit beruht.
Der Leich endet mit einem Tanzteil, der ihn als Tanzleich auszeichnet, eine Sonderform des Minneleichs. Tanzleichs wurden wahrscheinlich als Gesangstück mit Instrumentalbegleitung aufgeführt und zum Vortrag beim Reigentanz verfasst. Das vom Tannhäuser dargestellte erotisch-beschwingte Treiben beim Maitanz drückt Lebensfreude und Sinnlichkeit aus, zentrale Themen dieses Leichs.
Im folgenden soll durch eine Analyse des Leichs verdeutlicht werden, wie Tannhäuser konstituierende Elemente des Hohen Sangs wie Minnewerbung, Minnedienst und Frauenpreis neu nuanciert und mit der Pastourellenhandlung zu einer neuen Form der Minnelyrik zusammengefügt.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Einleitung durch Natureingang (Strophe 1-4)
- Minnebegegnung in arkadischer Landschaft (Strophe 5-7)
- Schönheitslob und Frauenpreis (Strophe 8-12)
- Schilderung der Minnegemeinschaft und Minnereflexion (Strophe 13-20)
- Tanzgeschehen (Strophe 21-27)
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Der Text analysiert den Tannhäuser-Leich "Der winter ist zergangen" und untersucht, wie er Elemente der höfischen Minnelyrik mit einem außerhöfischen Kontext verbindet. Die Analyse konzentriert sich auf die Verwendung von Motiven und Handlungselementen der Pastourelle, um eine neue Form der Minnelyrik zu schaffen, die auf Gegenseitigkeit und Lebensfreude basiert.
- Zusammenspiel von höfischer und außerhöfischer Minnelyrik
- Einfluss der Pastourelle auf den Leich
- Verdeutlichung von Lebensfreude und Sinnlichkeit als zentrale Themen des Leichs
- Neuerung in der Darstellung von Minnewerbung, Minnedienst und Frauenpreis
- Analyse der Beschreibung der Landschaft und der Minnebegegnung
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Die Einleitung stellt den Leich "Der winter ist zergangen" im Kontext der spätmittelalterlichen Minnedichtung vor und erläutert den Einfluss der Pastourelle auf die Struktur des Leichs.
- Einleitung durch Natureingang (Strophe 1-4): Dieser Abschnitt analysiert den Natureingang als Einleitung der Minnebegegnung und zeigt, wie die Erweckung der Natur mit der Lebens- und Liebesfreude des Rollen-Ichs korrespondiert.
- Minnebegegnung in arkadischer Landschaft (Strophe 5-7): Hier wird die Minnebegegnung im Rahmen des locus amoenus beschrieben, der als idealisierte Naturlandschaft dient. Die Stimmung der Natur überträgt sich auf das Rollen-Ich, das Freude und Leichtigkeit empfindet.
- Schönheitslob und Frauenpreis (Strophe 8-12): Dieser Abschnitt analysiert die detaillierte Beschreibung der Frau, die im Vergleich zu anderen Minneliedern neuartig ist und die erotische Seite der Minne betont.
Schlüsselwörter
Spätmittelalter, Minnelyrik, Tannhäuser, Leich, Pastourelle, locus amoenus, Minnebegegnung, Schönheitsbeschreibung, Lebensfreude, Sinnlichkeit, Frauenpreis.
- Quote paper
- Ulrike Scheske (Author), 2010, Minnelyrik im späten 13. Jahrhundert: Tannhäusers Tanzleich "Der winter ist zergangen" , Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/199560