Informationen stellen die Grundlage unseres Wissens dar. Die heutige Technik bietet viele Möglichkeiten, sich hilfreiche Informationen zu beschaffen. Medien wie Zeitungen, Hörfunk, Fernsehen, aber auch das Internet gelten nach wie vor als die wichtigsten Informationsquellen. Hinter den täglichen Berichten stehen Journalisten, die Themen selektieren, aufarbeiten und veröffentlichen. Journalisten arbeiten jedoch nicht nur in eigener Regie und recherchieren selbst, sondern bekommen oft Vorschläge oder sogar schon vorgefertigte Artikel geliefert – von Öffentlichkeitsarbeitern.
Journalisten und PR-Leute sund in ihren Arbeitsfeldern, durch Ausbildung, Interessenperspektiven, Handlungspraxis und Kontakte zur Öffentlichkeit oder zu den Kunden unterschiedlich sozialisiert und so auf jeweils typische Handlungsmuster der Informationsvermittlung hin ausgerichtet sind.
Zu untersuchen ist, wie angesichts dieser unterschiedlichen Vorbedingungen, die in den beiden Berufsfeldern Handelnden ihren beruflichen Alltag meistern, welche Hürden ihnen im Weg stehen, als auch ihre gegenseitige berufliche Einschätzung und welche sozialen Konsequenzen sich aus einer Überlagerung der beiden Berufe ergeben. Es geht darum, herauszufinden, in wie weit beide Berufe sich aufeinander einstellen, die Vorgaben des jeweils anderen Systems übernehmen und sich daran anpassen.
Trifft es zu, dass Journalismus und Öffentlichkeitsarbeit sich gegen-seitig bedingen wie Bentele et all. es im Intereffikationsmodell beschreiben und wie wirkt sich das auf die Gesellschaft aus?
Dazu werden in einer empirischen Erhebung gewisse Punkte des Intereffikationsmodells operationalisiert und in einem Fragebogen bei PR-Praktikern und Journalisten abgefragt. Die Ergebnisse geben dann Aufschluss über den tatsächlichen Zusammenhang der beiden Medienberufe.
Inhalt
1. Vorwort
2. Einleitung
3. Theoretischer Ansatz
3.1. Das Verhältnis von PR und Journalismus aus theoretischer Perspektive
3.1.1. Quasi wissenschaftliche Ansätze
3.1.2. Die Determinierungshypothese
3.1.3. Systemtheoretische Ansätze
3.1.4. Weitere theoretische Ansätze
3.2. Intereffikationsmodell
3.3. Induktions- und Adaptionsleistungen im Intereffikationsmodell
3.3.1. Definitionen: Induktionen und Adaptionen
3.3.2. Die drei Dimensionen: Sachlich, zeitlich und psychisch-sozial
3.3.3. Induktionen in den drei Dimensionen
3.3.4. Adaptionen in den drei Dimensionen
3.4. Forschungsstand zum Intereffikationsmodell
3.5. Diskussion über das Intereffikationsmodell
3.6. Was bedeutet eine Überlagerung der beiden Medienberufe für die Gesellschaft?
3.7. Erkenntnisinteresse
4. Empirische Untersuchung
4.1. Methodendiskussion
4.2. Grundgesamtheiten und Pretest
4.3. Operationalisierung
4.4. Fragebogen
4.4.1. Soziodemographische Daten
4.4.2. Zeitaufwand im Berufsalltag
4.4.3 Restriktionen
4.4.4. Bedeutung der PR bzw. Medien für die eigene Zielerreichung
4.4.5. Abhängigkeiten
4.4.6. Umgehung der Induktions- und Adaptionsleistungen
4.5. Ergebnisse der Befragungen
4.5.1. Soziodemographische Daten
4.5.2. Zeitaufwand im Berufsalltag
4.5.4. Bedeutung der PR bzw. Medien für die eigene Zielerreichung
4.5.6. Umgehung der Induktions- und Adaptionsleistungen
4.6. Auswertung der Ergebnisse
4.7. Prüfung der forschungsleitenden Fragen
5. Diskussion/Fazit
6. Literaturverzeichnis
1. Vorwort
Zum Einstieg in diese Forschungsarbeit danke ich einigen Menschen, die durch ihre Mitarbeit, Ideen und Unterstützung zur Fertigstellung meiner Magisterarbeit entscheidend beigetragen haben:
- Herr Dr. Udo Thiedeke (Johannes Gutenberg-Universität Mainz),
- Dr. Kajetan Hinner (Dr. Hinner EDV, München),
- Prof. Dr. Peter Preisendörfer (Johannes Gutenberg-Universität Mainz),
- Claudia Müller (Deutsche Public Relations Geselschaft e.V, Bonn),
- Edna Dengler (oeffentlichkeitsarbeit.de, Heidelberg) und
- meinen Pretestern und -testerinnen
Last but not least geht mein Dank an allen teilnehmenden Journalisten und Öffentlichkeitsarbeiter. Dafür, dass Sie meine Umfrage so gut angenommen haben und auch direkt bereit waren, mich zu unterstützen. Auch vielen Dank für die vielen aufmunternden und interessanten Mails, die ich von ihnen als Reaktion auf meine Befragung erhalten habe.
2. Einleitung
Informationen stellen die Grundlage unseres Wissens dar. Die heutige Technik bietet viele Möglichkeiten, sich hilfreiche Informationen zu beschaffen. Medien wie Zeitungen, Hörfunk, Fernsehen, aber auch das Internet gelten nach wie vor als die wichtigsten Informationsquellen. Hinter den täglichen Berichten stehen Journalisten, die Themen selektieren, aufarbeiten und veröffentlichen. Journalisten arbeiten jedoch nicht nur in eigener Regie und recherchieren selbst, sondern bekommen oft Vorschläge oder sogar schon vorgefertigte Artikel geliefert – von Öffentlichkeitsarbeitern.
Immer häufiger wird auch in der Presse laut, dass Journalisten nicht mehr unabhängig berichten sondern, dass ihnen Themen und Timing von den PR-Leuten oktroyiert werden. In einer im Jahr 2005 durchgeführten Studie der Universität Leipzig zeigte sich, dass der Anteil der PR-Texte in Regionalzeitungen seit 2000 stark gestiegen ist - 9% aller Artikel ließen sich dabei zweifelsfrei als PR-Texte identifizieren, wobei einige Ressorts wie beispielsweise Reisen stärker betroffen sind als z.B. der Wirtschaftsteil (vgl. Haller 2005: 14ff.). Circa 50.000 bis 55.000 PR-Praktiker stehen in Deutschland 80.000 Journalisten gegenüber, in den USA ist das Verhältnis längst auf die Seite der PR-Leute verschoben (vgl. http://www.pr-journal.de/redaktion-aktuell/themen-der-zeit/1406-der-pr-markt-in-deutschland-zahlen-daten-fakten.html).
In die gleiche Kerbe schlägt das Netzwerk Recherche e.V., einem eingetragenen Verein, der für einen in Deutschland vernachlässigten recherchierenden Journalismus eintritt. In seinem 2006 erschienen Medienkodex propagiert der Verein: „Journalisten machen keine PR!“ (http://www.netzwerkrecherche.de/nr-Positionen--Positionen-des-netzwerk-recherche/Medienkodex-des-netzwerk-recherche) Unzählige Diskussionen über dieses Thema kamen auf. Im Internet, in Redaktionen, in Agenturen und Unternehmen, aber auch in wissenschaftlichen Einrichtungen wie Universitäten und Fachhochschulen sorgte dieser Ausspruch - oder auch Anspruch - für angeregte und auch gegenläufige Diskurse. Belege dafür finden sich ganz leicht, wenn man den Ausspruch einfach nur bei google eingibt.
Bis heute ist dieses Thema nicht final diskutiert und immer wieder stößt man, gerade bei Recherchen im Internet, auf Fälle in denen die Grenzen von Journalismus und Öffentlichkeitsarbeit mehr und mehr ineinander verschwimmen, um nur ein Beispiel anzuführen: Stellenausschreibung als PR-Redakteur. An der Business and Information Technology School (BiTS) in Iserlohn, der Bonn-Rhein–Sieg-Hochschule, Sankt Augustin und Uni Graz kann man mittlerweile einen Bachelor- und/oder Master-Studiengang in Journalismus und Public Relations belegen. Die Studenten müssen sich also gar nicht mehr entscheiden, welchen Weg sie nach ihrem Abschluss einschlagen wollen, sie können mit dieser Ausbildung in beiden Bereichen tätig werden. Und das passende Stellenangebot findet sich auch immer häufiger in Zeitungen, einschlägigen Zeitschriften und dem Internet: „Gesucht wird ein vielseitig talentierter PR-Journalist “. Aber wie soll funktionieren?
Nach ihren eigenen Kodizes stehen sich die beiden Berufsgruppen scheinbar diametral gegenüber. Sie sehen den jeweils anderen Part angeblich als „Belastung“ für die eigene Arbeit. Allerdings liegt nahe, dass diese „Hass-Position“ auf den unterschiedlichen Aktionsweisen und Intentionen der Akteure beruht. Die Journalisten haben sich, zumindest ihrem Selbstbildnis nach, der unabhängigen Informationsvermittlung im Gemeinwohlinteresse verschrieben, damit auch der eigenen Recherche von Fakten und selbstständigem Handeln. Die PR-Leute wollen Darstellungen und Selbstdarstellungen von Unternehmen, Personen oder Behörden zur Veröffentlichung bringen und handeln so im Partikularinteresse.
Von daher kann es einen PR-Journalisten gar nicht geben. Dieser müsste nämlich salopp formuliert „auf zwei total unterschiedlichen Hochzeiten gleichzeitig tanzen“ und das ist unmöglich.
Für die beschriebene Handlungssituation von Journalismus und Public Relations und deren Kritik sind gesellschaftliche Bedingungen und Folgen zu vermuten. Zeitungen, Zeitschriften, Fernsehen, Radio und das Internet verlieren infolge der offensichtlichen Vermischung von Journalismus und PR immer mehr an Glaubwürdigkeit.
Gespräche mit Journalisten haben gezeigt, dass diese unter einem erheblichen Zeit- und auch Budgetdruck, was eine ausgewogene Berichterstattung über alle tagesaktuellen Themen fast unmöglich macht. Öffentlichkeitsarbeiter können diese „Schwäche“ nutzen, um leichter ihre Vorstellungen einer Veröffentlichung durchzusetzen. Gesellschaftlich problematisch erscheint dabei die schwindende Unterscheidbarkeit journalistischer Leistungen, wie objektive Berichterstattung und Hintergrundrecherche, von PR-Maßnahmen. Woraus sich meiner Meinung nach ein soziologisches Problem ableitet, nämlich, dass die sogenannte vierte Gewalt im Staat an Einfluss und Vertrauen einbüßt und so mehr und mehr ihre Transparenz und Kontrollfunktion verliert.
Auch entstehen innerhalb der beiden Berufsgruppen Probleme, da sie sich gegenüber der Öffentlichkeit nicht mehr klar gegeneinander abgrenzen können. So werden Öffentlichkeitsarbeiter gerne auch mal als Werber bezeichnet oder sogar gleich als Journalist und umgekehrt Journalisten als Marketingleute oder „PRler“. Darunter können sowohl die Selbstidentifikation der Berufsgruppen, als auch ihr Ansehen in der Öffentlichkeit leiden.
Dazu ist zu beachten, dass sich die Hintergründe der Handlungsorientierung von Journalisten und Öffentlichkeitsarbeitern soziologisch bislang deutlich unterscheiden.
Das bedeutet, dass Journalisten und PR-Leute in ihren Arbeitsfeldern, durch Ausbildung, Interessenperspektiven, Handlungspraxis und Kontakte zur Öffentlichkeit oder zu den Kunden unterschiedlich sozialisiert und so auf jeweils typische Handlungsmuster der Informationsvermittlung hin ausgerichtet sind.
Zu untersuchen ist also, wie angesichts dieser unterschiedlichen Vorbedingungen, die in den beiden Berufsfeldern Handelnden ihren beruflichen Alltag meistern, welche Hürden ihnen im Weg stehen, als auch ihre gegenseitige berufliche Einschätzung und welche sozialen Konsequenzen sich aus einer Überlagerung der beiden Berufe ergeben. Es geht darum, herauszufinden, in wie weit beide Berufe sich aufeinander einstellen, die Vorgaben des jeweils anderen Systems übernehmen und sich daran anpassen.
Trifft es zu, dass Journalismus und Öffentlichkeitsarbeit sich gegenseitig bedingen wie Bentele et all. es im Intereffikationsmodell beschreiben und wie wirkt sich das auf die Gesellschaft aus?
Dazu werden in einer empirischen Erhebung gewisse Punkte des Intereffikationsmodells operationalisiert und in einem Fragebogen bei PR-Praktikern und Journalisten abgefragt. Die Ergebnisse geben dann Aufschluss über den tatsächlichen Zusammenhang der beiden Medienberufe.
3. Theoretischer Ansatz
3.1. Das Verhältnis von PR und Journalismus aus theoretischer Perspektive
Das Verhältnis von PR-Praktikern und Journalisten wurde schon von vielen Seiten beleuchtet. In diesem Kapitel stelle ich die einzelnen Modelle kurz vor und erkläre, warum meine Wahl für diese Forschungsarbeit auf das Intereffikationsmodell fiel.
3.1.1. Quasi wissenschaftliche Ansätze
Schaut man sich die Literatur zum Verhältnis von Journalismus und Public Relations an, so stellt man fest, dass oft versucht wird, es mit pseudowissenschaftlichen Erklärungen darzustellen. Um das Verhältnis metaphorisch zu verdeutlichen, wird häufig auf Begriffe aus der Biologie zurück gegriffen. Da nach Meinung von Ruß-Mohl die beiden Medienberufe sich im Normalfall gegenseitig unterstützen, spricht er von einer symbiotischen Beziehung (Ruß-Mohl 1994: 319). Der Begriff der Symbiose soll dabei verdeutlichen, dass PR und Journalismus zu ihrem gegenseitigen Nutzen zusammenarbeiten (ebenda: 324). Bentle vergleicht die Medienarbeiter in einem Aufsatz aus dem Jahr 1992 mit „siamesischen Zwillinge[n]…, [die] körperlich zusammengewachsen sind und nur unter Lebensgefahr getrennt werden können“ (Bentele 1992: 11). Auch Westerbarkey greift auf eine biologische Metapher zurück, wenn er davon spricht, dass PR versucht, durch „,parasitäre’ Nutzung medialer Betriebssysteme samt ihrer operativen Logik“ ihre Selbstdarstellungen in publizistische und damit objektiv wirkende Fremddarstellungen zu verwandeln (Westerbarkey 1995: 169). Mit diesem Bild wird auch oft der ehemalige Volkswagensprecher Klaus Kocks zitiert. Er bezeichnet „,PR als Parasiten’, der ‚allergrößtes Interesse an der Gesundheit seines Futtertieres [hat]’“ (Kocks zitiert nach Ruß-Mohl 1999: 170). Demzufolge ist Public Relations nur „überlebensfähig“, wenn auch der Journalismus funktioniert (vgl. ebenda). Allerdings erläutert Ruß-Mohl, dass die Metapher eines Parasiten auch umgekehrt einen Sinn ergibt: Redaktionen erhalten immer weniger Budgets für ihre tägliche Arbeit. Im Gegenzug steigen die PR-Budgets, um effektiver an die Redaktionen heran zu treten und ihnen „Unterstützung von außen“ zu liefern. Außerdem bekommen die Journalisten die PR-Informationen quasi „frei Haus“ geliefert und die Medien finanzieren sich zum Großteil über Werbung. Daraus abgeleitet könnte man nach Ansicht von Ruß-Mohl ebenfalls den Journalismus als Parasit bezeichnen, der von seinen „Wirten“ PR und Werbung lebt. Damit können beide Medienberufe sowohl Parasit als auch Futtertier sein (vgl. Ruß-Mohl 1999: 171; Ruß-Mohl 2004: 45). Klaus Kocks wird der Metapherfindung für das Verhältnis von Journalismus und Public Relations nicht müde. Anlässlich eines Workshops vergleicht er die Verbindung mit dem Drogenmarkt. Ohne Dealer ginge es dem Junkie schlecht und umgekehrt. Erst ein verständnisorientiertes Zusammenwirken bewirkt einen florierenden und funktionierenden Markt. Der Junkie ist aufgrund, dass es sich um eine suchterzeugende Droge handelt abhängig und damit determiniert. Auf der anderen Seite ist aber auch der Dealer vom Geld bzw. dem Kauf durch seinen Junkie abhängig. Kocks geht nicht darauf ein, wem im Verhältnis von Journalismus und PR die Rolle des Junkies bzw. des Dealers zufällt. Allerdings ist die Frage nach der Abhängigkeit bei der Annahme einer grundsätzlich symbiotischen Beziehung völlig irrelevant (vgl. Neuberger 2000: 126f.).
Auch Weischenberg greift 2000 die Übertragung des Parasitentums noch einmal auf, wenn er vom Verhalten von Journalisten im Bezug auf PR-Informationsangebote spricht. Allerdings verweist er darauf, dass die Verwendung von Metaphern nicht zielführend ist, „wenn es um die Klärung der Verhältnisse geht“ (Weischenberg 2000: 121). Selbst bezeichnet er die PR-Praktiker als „Trittbrettfahrer[n], [die] ein Interesse daran haben müssen, dass der Zug des Journalismus in die richtige Richtung fährt“, denn sonst wird er für die PR-Interessen unbrauchbar (ebenda: 122).
Abschließend kann man sagen, dass, um sich wissenschaftlich, differenziert und vor allem auch empirisch überprüfbar mit dem Thema des Verhältnisses von Journalismus und PR auseinanderzusetzen, diese pseudo-wissenschaftlichen und wenig objektiven Beschreibungen kaum geeignet sind.
3.1.2. Die Determinierungshypothese
Die ersten Studien im deutschsprachigen Raum zum Verhältnis von Public Relations und Journalismus führte Barbara Baerns in den Jahren 1979 und 1985 durch. Sie untersuchte dabei den PR-Input und dessen Aufnahme durch die Medien zur Landespolitik in Nordrhein-Westfalen. Sie ermittelte eine Übernahmequote des PR-Materials in die Presseberichten von durchschnittlich 62 Prozent und wies damit einen starken Einfluss der PR auf den Journalismus nach. Sie kam zu dem Ergebnis, dass unter bestimmten Umständen das Aufgreifen von Presseinformationen die Eigenrecherche von Journalisten überlagert. Eigenrecherche konnte, wenn überhaupt, nur noch als Zusatz oder im Nachhinein nachgewiesen werden. Da sie einen vorherrschenden Zugriff auf PR-Materialien feststellen konnte, schlussfolgerte sie, dass die eigentliche journalistische Leistung nicht im Recherchieren und Thematisieren liege, sondern in „schneller Verarbeitung durch Schreiben oder Produzieren, durch Auswählen und Redigieren“ (Baerns 1985: 89). Ebenso fand Baerns Belege, dass die Öffentlichkeitsarbeit nicht nur die Themen, sondern auch das Timing von Berichterstattungen kontrollieren. Nach Pressemitteilungen und –konferenzen fand eine unmittelbare Veröffentlichung statt, egal, ob den Quellen ein hoher oder niedriger Nachrichtenwert zugeordnet werden konnte (ebenda: 98).
Abgeleitet aus ihren Ergebnissen hat Baerns die These, dass Public Relations die Themen und das Timing der journalistischen Berichterstattung kontrollieren (vgl. Baerns 1985: 197). Für sie stehen sich Journalismus und Öffentlichkeitsarbeit als „zwei syntaktisch gleichartige, semantisch nicht äquivalente Informationssysteme“ und somit nicht als Partner, sondern als Gegner gegenüber (ebenda: 16). Die beiden Systeme lassen sich aufgrund ihrer Zielsetzung unterscheiden: Öffentlichkeitsarbeit steht für Selbstdarstellung von Partikularinteressen, Journalismus für Fremddarstellung als „Funktion des Gemeininteresses und des allgemeinen Wissens“ (Baerns 1987: 149). Das Verhältnis von Öffentlichkeitsarbeit und Journalismus beschreibt Baerns anhand eines lückenlosen Zusammenhangs des Einflusses, der sich zwischen den beiden Polen „hoher journalistischer Einfluss“ und „hoher PR-Einfluss“ bewegt. Dabei bedeutet ein Wachstum des Einflusses auf der einen Seite eine Reduktion auf der anderen (vgl. Baerns 1985: 17).
Baerns sieht die Veränderung weg von der journalistischen Recherche hin zur Informationsselektion, -interpretation und -verwaltung bedingt durch technische Neuerungen und Einsparungen in den Redaktionen nicht als Ursache, sondern als Folge der Dominanz der Öffentlichkeitsarbeit über den Journalismus (vgl. Baerns 1985: 99). Der Verzicht auf die Eigenrecherche lässt die Baerns Vermutung zu, dass Journalisten auf einen Autonomieverlust zusteuern: „Die Befunde demonstrieren die Macht der Öffentlichkeitsarbeit. Nicht-Suchen-Müssen gilt auch in anderen Konzepten als Faktor der Autonomiebeschränkung“ (Baerns 1987: 153).
Allerding relativiert Baerns ihre These, in dem sie dem einzelnen Journalisten immer noch die Wahlmöglichkeit offen lässt, die bei ihm angekommen PR-Materialen zu gewichten und in einer Rangfolge zu bringen (vgl. Baerns 1987: 157). Also wird die Öffentlichkeitsarbeit dort terminiert, wo sie über die inhaltliche sowie die zeitliche Thematisierungsfunktion hinaus gehen müsste.
Der Begriff der Determinierungshypothese, der später immer wieder mit ihrem Namen in Verbindung gebracht wird, stammt nicht von ihr selbst, sondern wurde aus dem Titel ihrer Untersuchung „Öffentlichkeitsarbeit als Determinante journalistischer Informationsleistung“ abgeleitet (vgl. Szyska 1997: 211). Nach Baerns haben viele Forscher mit Hilfe von Input-Output-Analysen den Einfluss von PR auf den Journalismus untersucht; mit unterschiedlichen Ergebnissen. Auch stand Baerns mit ihrer „Einbahnstraßen-Theorie“ häufig in der Kritik. So wurde ihr beispielsweise von Saffarina als auch von Barth und Donsbach der Vorwurf gemacht, dass bei ihren Studien keine intervenierenden Variablen berücksichtigt wurden. Die Basis einer journalismuszentrierten Perspektive ist jedoch bei allen Studien gleich. Erst im Jahr 2004 führt Hoffjann an, dass die Untersuchung zum einen normenfrei, zum anderen unter Einbeziehung der PR-Perspektive durchgeführt werden muss. Nur so erlange man sinnvolles Wissen über das wahre Verhältnis der beiden Medienberufe (Hoffjann 2004: 43).
3.1.3. Systemtheoretische Ansätze
Auch die Systemtheorie hat sich mit dem Verhältnis vom Journalismus und Öffentlichkeitsarbeit auseinander gesetzt. So argumentiert Grossenbacher beispielsweise, dass das PR-System den Massenmedien komplementär gegenübersteht und die von der PR benötigte Öffentlichkeit in komplexen Gesellschaften nur durch die Medien überhaupt geschaffen werden kann. Außerdem vermutet er eine „enge wechselseitige Beziehung“ zwischen den beiden Mediensystemen (Grossenbacher 1989: 22). Weitere Konzepte des Verhältnisses auf Grundlage der Systemtheorie nach Niclas Luhmann legen Scholl und Löffelholz mit der Theorie der strukturellen Kopplung vor. Scholl sieht die Medien dabei als selbstreferentielles System, Public Relations dagegen als relevante Umwelt bzw. als Grenzstelle zu anderen sozialen Systemen. Seiner Ansicht nach gibt es keine ausreichenden theoretischen Begründungen, die dazu führen, PR als eigenständiges Subsystem der Gesellschaft anzusehen (vgl. Scholl 2004: 41). Eine andauernde strukturelle Kopplung des Mediensystems an sein relevantes Umfeld – die PR – führt jedoch zu strukturellen Veränderungen innerhalb des Systems (vgl. Malik 2004: 46). Löffelholz schlussfolgert, dass die Systeme trotz ihrer strukturellen Kopplung normativ in ihren eigenen Grenzen bleiben. Westerbarkey geht einen Schritt weiter: Er entwickelt das Konzept der Interpenetration, welche eine Voraussetzung für die strukturelle Kopplung darstellt. Unter Interpenetration versteht man „die wechselseitige Durchdringung von Systemen mit fremden Leistungsanforderungen“ (Westerbarkey 1995: 154). Das wiederum heißt, dass die handelnden Systeme, um ihre eigene Effizienz zu erhöhen, Muster und Leistungen aus dem anderen System übernehmen. In den so genannten Interpenetrationszonen, „wo Operationen des ‚Muttersystems’ denen des Partners angepasst oder sogar partiell vom Partner kontrolliert und gesteuert werden“, kann man diese Leistungsübernahme beobachten. Ein Beispiel dafür ist die Übernahme von journalistischen Arbeitsweisen durch die PR (ebenda: 154f.). Hoffjann greift auf die Systemtheorie zurück und argumentiert, dass man das Verhältnis von Journalismus und PR auf verschiedenen Ebenen unterschiedlich sehen muss. Während der Journalismus auf der Makroebene sehr von Öffentlichkeitsarbeit abhängt, sind auf der Mikroebene die einzelnen Redaktionen bzw. das journalistische Individuum relativ unabhängig vom PR-System (Hoffjann 2004: 48ff.). Jarren und Röttgers entwickelten 1999 ebenfalls ein Modell zur Beziehung von Öffentlichkeitsarbeit und Journalismus, das seine Wurzeln ebenfalls in der Systemtheorie hat, auf der Akteursebene allerdings auch handlungstheoretisch argumentiert. Akteure sind bei ihnen auf der einen Seite die Politiker und politischen Öffentlichkeitsarbeiter als Vertreter für das politische System und auf der anderen Seite die Journalisten als Vertreter des Mediensystems. Es gibt eine Interaktion zwischen den Individuen der beiden Systeme, die jeweils nach ihren eigenen Interessen handeln, allerdings durch die Grenzen ihres jeweiligen Systems determiniert sind. Dabei wollen die politischen Akteure Machtgewinn bzw. –erhaltung erreichen, die Medienvertreter hingegen exklusive Berichterstattung, die sich von den Konkurrenzmedien abhebt und behauptet (vgl. Jarren 1999: 207). Zwar haben die Akteure unterschiedliche Ziele, wollen diese aber beide möglichst ressourcensparend, sowohl materiell als auch zeitlich, erreichen. Möglichst schnell und ohne große Kosten wollen die politischen Akteure eine Berichterstattung über ihre Themen erzielen, die Journalisten wollen ebenso effizient wie exklusiv Informationen veröffentlichen (ebenda: 199).
3.1.4. Weitere theoretische Ansätze
1991 konzipierten Burkhart und Probst einen Ansatz, der sich an der Verständigung von Journalismus und Öffentlichkeitsarbeit orientiert. Angelehnt an die Theorie des kommunikativen Handelns von Habermas beschreiben sie die Beziehung der Public Relations und der betroffenen Öffentlichkeit bzw. dem Journalismus der vertretungsweise für diese handelt, als Dialog. Die Autoren selbst schränken die Geltung allerdings ein, indem sie darauf hinweisen, dass der dialogische Ansatz nicht für alle Formen der PR sinnvoll ist, sondern nur in Fällen, in denen die Öffentlichkeitsarbeit ihre Interessen „nur durch Miteinbeziehung der jeweils Betroffenen“ durchsetzen kann (Burkart, Probst 1991: 62).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Der Ansatz von Rolke steht im kompletten Gegensatz dazu. Er beschreibt das Verhältnis zwischen der Öffentlichkeitsarbeit und dem Journalismus als „latenten Antagonismus“ (Rolke, Wolff 1999: 235). Er argumentiert, dass PR die Planung von Informations- und Kommunikationsprozessen lenken möchte, also auf der Metaebene der öffentlichen Verständigung aktiv ist. Der Journalismus hingegen ist mehr an der inhaltlichen Ebene interessiert. Da jedoch beide Ebenen im Kommunikationsprozess gleich wichtig sind, gelingt Verständigung nur dann, wenn beide Ebenen ohne Störungen „laufen“. Rolke nennt diesen Prozess eine „informationelle Gewaltenteilung“, weil die Hegemonie auf unterschiedlichen Ebenen das Kräfteverhältnis zwischen PR und Journalismus ausgleicht (ebenda: 235). Gewisse Situationen rufen mal auf der einen Seite mal auf der anderen Seite eine Überlegenheit der Kräfte hervor, dennoch werden beide Seiten immerwährend dazu genötigt zusammenzuarbeiten. Rolke formuliert das so: „Journalisten und PR-Manager bilden eine antagonistische Kooperation, die bei win-win-Situationen am besten funktioniert, aber niemals gänzlich Verlierer ausschließen kann“ (ebenda: 235). In der Regel überwiegt die Kooperationssituation, dennoch haben beide Seiten die Möglichkeit, die jeweils andere Seite in ihre Schranken zu weisen. Beispielsweise ist es den Medien im Fall einer Krise möglich, „die antagonistischen Zähne [zu] zeigen, […] um kommunikative Willkür von Unternehmen und Organisationen in Grenzen zu halten.“
Ein letztes Modell möchte ich noch anführen: Das Marktmodell von Ruß-Mohl aus dem Jahr 2004. Dieses Modell beschreibt, dass es in der Beziehung von Journalismus und Öffentlichkeitsarbeit um echte Tauschakte geht und sie folglich den Gesetzen der Ökonomie folgt. Es stehen sich, wie in jeder Ökonomie, Anbieter und Nachfrager gegenüber, allerdings werden hier nicht Waren gegen Geld getauscht, sondern Information gegen Aufmerksamkeit. Hier greift das Wettbewerbsprinzip: PR-Leute buhlen untereinander um die Aufmerksamkeit der Medien, während diese versuchen, sich mit exklusiver Informationen und Berichterstattung gegen ihre Konkurrenz zu behaupten. Ruß-Mohl sieht den Vorteil seines Modells darin, dass es auch Situationen erklärt, „wo der Markt erkennbar nicht oder nur unzuverlässig funktioniert“ (Ruß-Mohl 2004: 55). Er argumentiert, dass die Beziehung von PR und Journalismus als „Business-to-business-relation zu begreifen ist, […] deren ‚Erfolg‘ […] letztlich von dritter Seite mitdeterminiert [wird] – vom Publikum, aber auch von Anzeigenkunden“ (ebenda: 58). Um die Handlungsmuster von beiden Seiten besser zu verstehen, geht Ruß-Mohl vom „begrenzt rationale[n] Verhalten des 'homo oeconomicus maturus‘“ aus (ebenda: 58).
3.2. Intereffikationsmodell
Das Intereffikationsmodell ging aus einer Studie in den Jahren 1996 und 1997 über die Resonanz von kommunaler Öffentlichkeitsarbeit in der lokalen Berichterstattung der Städte Halle und Leipzig hervor (vgl. Bentele, Liebert, Seeling 1997: 230). Für die Forscher war fundamental, dass es sich in ihrem Konzept nicht um ein einfaches Einflussmodell wie etwa die Determinierungshypothese handeln sollte, sondern um ein differenziertes und differenzierendes Modell, das den gegenseitigen Einfluss von Journalismus und Öffentlichkeitsarbeit beschreibt, dabei aber ohne voreilige Beurteilungen in den Ausgangsannahmen auskommt (vgl. ebenda: 237ff.)
Die Autoren beschreiben im Intereffikationsmodell die Beziehung von Öffentlichkeitsarbeit und Journalismus als „komplexes Verhältnis eines gegenseitig vorhandenen Einflusses, einer gegenseitigen Orientierung und einer Gegen-Abhängigkeit zwischen zwei relativ autonomen Systemen“ (ebenda: 240). „Die Kommunikationsleistungen jeder Seite […] [sind] nur möglich, weil die jeweils andere Seite existiert und mehr oder weniger bereitwillig ‚mitspielt‘“ (ebenda). Bentele et al. gehen davon aus, dass die eine Seite jeweils auf die andere angewiesen ist. Die Medien wollen ihrer Aufgabe, der Informationsvermittlung, gerecht werden; die PR will spezifische Kommunikationsziele erreichen. Also bietet jeder dem anderen die Möglichkeit, seine Zielverfolgung zu realisieren. Aus dieser Tatsache lässt sich auch der Name des Modells herbeiführen. Intereffikation leitet sich vom lateinischen Begriff „efficare“ ab, der „etwas ermöglichen“ ausdrückt; „inter“ bedeutet „zwischen, unter oder zusammen“. Das Intereffikationsmodell ist also das Modell der gegenseitigen Ermöglichung.
Die Autoren beschreiben die Beziehungen zwischen den beiden Medienberufen auf drei verschiedenen Ebenen. Zum einen ist dies das vielschichtige Verhältnis auf der Systemebene, zum zweiten die Ebene der Organisationen, also der PR-Abteilungen bzw. Agenturen und der Redaktionen und zuletzt auf der Individualebene die Beziehung zwischen den einzelnen Journalisten und PR-Leuten. In einem Interview bezeichnet Bentele die Beziehung des gegenseitigen Ermöglichens auch als kooperativ-antagonistisches Verhältnis (vgl. Wunder 2000: 120).
Das Modell der drei Wissenschaftler ist der Versuch, sich aus dem einseitigen Denken der bisherigen Forschungen über das Verhältnis von PR und Journalismus zu lösen, aber die bis dato erbrachten Leistungen und Ergebnisse zu verwerten und einzugliedern (vgl. Bentele 1999: 180). Dabei wird der, von ihnen als zu einfach und eindimensional angesehene Weg einer Determinierung des Journalismus durch die Öffentlichkeitsarbeit verlassen und durch ein gegenseitiges Abhängigkeitsverhältnis ersetzt. Das Modell wird von den Autoren als deskriptiv mit dem Ziel „eine theoretisch-systematische Grundlage für empirische Studien bereit zu stellen“ bezeichnet (Bentele, Liebert, Seeling 1997: 242). Es soll, wie bereits ausgeführt, ein Versuch sein, „die Beziehung zwischen Öffentlichkeitsarbeit und Journalismus wertneutral als Verhältnis gegenseitiger Ermöglichung […] zu beschreiben“ (Bentele, Nothhaft 2004: 70). In empirischen Studien, die auf dem Intereffikationsmodell basieren, ist also zu untersuchen, in welchem Ausmaß bzw. in welchen Ausprägungen und in welchen Situationen bzw. Bereichen die gegenseitige Abhängigkeit und Einflussnahme erfolgt (vgl. Bentele, Liebert, Seeling 1997: 239). Den Zweck des Intereffikationsmodells beschreiben die Autoren so: „Das Intereffikationsmodell soll letztendlich einen Beitrag leisten zum Verständnis des komplexen Prozesses der Themengenerierung und Themengestaltung auf Kommunikationsseite, also zu den Mechanismen, nach denen die in der öffentlichen ‚Arena‘ agierenden Akteure – bewusst oder unbewusst – arbeiten und damit zu ihrer Rolle für die öffentliche Meinungsbildung und die öffentliche Kommunikation insgesamt“ (ebenda: 247).
Die theoretischen Ansätze, die in den vorangegangenen Kapiteln skizziert wurden, zeigen zwar eine Beschreibung des Verhältnisses von Journalismus und Öffentlichkeitsarbeit, jedoch bleibt ihre Eignung für empirische Studien unausgesprochen. Die Problematik liegt im wesentlichen darin, dass sich beispielsweise systemische Theorien überhaupt nicht oder nur schwer operationalisieren lassen. Das Intereffikationsmodell dagegen macht als handlungs- bzw. akteurstheoretischer Ansatz die Operationalisierung leichter und eignet sich daher für eine empirische Untersuchung im Zuge dieser Magisterarbeit. Gerade aufgrund der Formulierung der Autoren, dass das Modell als konzeptionelles Fundament verstanden werden soll, eignet es sich ausgezeichnet für wissenschaftliches Arbeiten. Das als Alternativmodell konzipierte Marktmodell von Ruß-Mohl ist, da es das PR-Journalismus-Verhältnis nur eindimensional als Tauschakte charakterisiert, für eine empirische Prüfung weit weniger geeignet. Zumal Ruß-Mohl selbst formuliert, dass es eben auch nicht auf alle Marktformen zutrifft. Bentele kritisiert am Marktmodell, dass die Beziehung der beiden publizistischen Systeme nicht wie der Kauf einer Ware funktioniere. Veranlasst durch die Tatsache, dass es sich um ein Kommunikationsverhältnis handele und nicht um einen schlichten Warenaustausch, kämen ganz andere Handlungs- und Entscheidungsmuster zum Tragen (vgl. Bentele 2000: 51). In diesem Zusammenhang möchte ich auch noch auf Ronneberger und Rühl hinweisen, die in Bezug auf die Funktionen von Public Relations auch beschreiben, dass es sich bei den Prozessen der Öffentlichkeitsarbeit nicht um solche handelt, die mit ökonomischen Modellen zu erklären sind, in denen ein Objekt gegen ein anderes getauscht wird, da hier nicht etwas „Dinghaftes abgegeben und auf der anderen Seite davon Besitz ergriffen wird“ (Ronneberger, Rühl 1992: 95).
In den folgenden Kapiteln werde ich als Grundlage meiner empirischen Untersuchung die Abläufe im Intereffikationsmodell genauer erläutern.
3.3. Induktions- und Adaptionsleistungen im Intereffikationsmodell
3.3.1. Definitionen: Induktionen und Adaptionen
Bentle, Liebert und Seeling führen in ihrem Modell die Begriffe der Induktion und Adaption als kommunikative Einfluss- und Anpassungsbeziehungen ein, die sich konkret und empirisch untersuchen lassen.
Die Autoren definieren Induktionen als „intendierte, gerichtete Kommunikationsanregungen oder –einflüsse […], die beobachtbare Wirkungen im jeweils anderen System haben“ (Bentele, Liebert, Seeling 1997: 241). Erkennen kann man die Induktionen beispielsweise in der Medienresonanzanalyse. Dabei werden zu bestimmten Themen oder Suchbegriffen alle Artikel aus den Massenmedien, sowohl Print, als auch Fernsehen, Hörfunk und Internet, sortiert und dokumentiert. Nach beispielsweise einer versendeten Pressemitteilung kann man durch die Analyse dieses so genannten Clippings erkennen, welche und wie viele Medien das Thema wie aufgegriffen haben.
Zusammen mit Nothhaft erweitert Bentele diese Definition noch um den Zusatz, dass die Bezeichnung als Kommunikationseinflüsse erst dann zu verwenden ist, wenn die Kommunikationsanregungen des einen im jeweils anderen System aufgegriffen wurden (Bentele, Nothhaft 2004: 73).
Bentele, Liebert und Seeling definieren Adaptionen entgegen den Induktionen als „kommunikatives und organisatorisches Anpassungshandeln […], das sich bewusst an verschiedenen sozialen (z.B. organisatorischen und zeitlichen Routinen) der jeweils anderen Seite orientiert, um den Kommunikationserfolg der eigenen Seite zu optimieren“ (Bentele, Liebert, Seeling 1997: 241). Dieses Anpassungsverhalten ist eine nötige Voraussetzung, um eine funktionierende Interaktion zu gewährleisten. In der beruflichen und alltäglichen Praxis bilden sich sowohl bei den Öffentlichkeitsarbeitern als auch bei den Journalisten Erwartungen und Erfahrungen heraus, die folglich die Basis für die Induktionen und die Adaptionen bilden.
Die folgende Grafik zeigt die Darstellung des Intereffikationsmodells. Die eingefügten Pfeile sind allerdings niemals gleich stark ausgeprägt. Das Kräfteverhältnis verschiebt sich mal zur einen, mal zur anderen Seite. Das erläutern auch die drei Autoren, wenn sie ausdrücklich betonen, dass es sich bei ihrem Modell keinesfalls um ein Symmetriemodell handelt, in dem ein Gleichgewicht impliziert ist (vgl. ebenda: 241f.).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Bentele, Liebert, Seeling (1997): Von der Determination zur Intereffikation.
Aber welche Induktions- und Adaptionsleistungen haben das PR- bzw. das journalistische System eigentlich?
Als Einfluss der Öffentlichkeitsarbeit auf den Journalismus kann zum einen der Themensetzung und Themengenerierung, sowie das Timing, also die Bestimmung des Zeitpunktes einer Information, gesehen werden. Diese Themen werden auch bereits in der Determinierungshypothese berücksichtigt. Bentele et al. zählen aber auch die Bewertung von Sachverhalten, Ereignissen, Personen, etc. als Induktionsleistungen des PR-Systems. Die Öffentlichkeitsarbeit adaptiert im Gegenzug dazu die zeitlichen, sachlichen und sozialen Regeln und Routinen des journalistischen Systems (vgl. ebenda: 242f.).
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- Catrin Knußmann (Author), 2011, Das spannungsvolle Verhältnis von Journalismus und PR, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/199378
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