Die Gesellschaft wurde, vor allem geprägt durch die Schriften von Hegel und Marx, in der
sogenannten kritischen Theorie in das Beobachtungsfeld der kritischen Perspektive gerückt. Mit der
soziologischen Analyse von Gesellschaft, Ökonomie, Kultur und anderen Bereichen des sozialen
Lebens war nicht nur das Ziel verbunden eine möglichst adäquate Beschreibung und Erklärung
sozialer Phänomene zu liefern, sondern auch soziale Defizite aufzuzeigen, die der aktiven
Verbesserung bedürften. Die namentlichen Vertreter der Frankfurter Schule, Theodor W. Adorno,
Max Horkheimer und Jürgen Habermas, verknüpften analytische Soziologie infolge mit einer
aufklärerischen Ideologie. Die Möglichkeit und theoretische Tragbarkeit der Kritikführung als
soziologischer Gesellschaftsbeobachter provozierte jedoch auch Gegenpositionen, die nicht
unwesentlich damit verknüpft waren, dass diese, geprägt durch eine wissenschaftsinterne Reflexion
von Theorie, die Untragbarkeit von kritischer Positionierung durch den Forscher betonten.
Im folgenden sollen zwei ausgewählte Strömungen nachgezeichnet werden, welche die Prämissen
der kritischen Theorie in den Sozialwissenschaften stark in Frage gestellt haben. Zum einen die
Epoche der Postmoderne, die als wissenschaftliche und gesellschaftliche Richtung, die Stabilität,
Geltung und Aussagekraft moderner Prinzipien, Methoden und Institutionen in Frage stellt und zu
überwinden versucht. Zum anderen die Strömung des (Sozial)Konstruktivismus, die Wissenschaft
und damit im speziellen Fall die Soziologie, als konstruktivistische und aussagenkontingente
Wissenschaft fasst, da diese nur auf Basis von selektiv gewählten und kulturell geprägten
Konstrukten und Begriffen arbeite. Beide Strömungen werden hier als wissenschaftsreflexiv
verstanden. Soziologische Theorie wird demnach im internen Wissenschaftsbetrieb stetig in Frage
gestellt und modifiziert, womit ihr die Persistenz eines analytischen und gesellschaftsformenden
Potentials abgesprochen wird. Dies führt die soziologische Theorie, und speziell die kritische
Theorie, in eine Legitimisierungskrise ihres moralischen Impetus.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die Eigenheit soziologischer Erklärungen
- Der Gegenstand des Sozialen und die Schwierigkeit der Erklärung sozialer Phänomene
- Objektivität und Distanz als Ideal des Forschers
- Emile Durkheim - Soziales als Dinge
- Georg Simmel – Die Figur des Fremden
- Die kritische Soziologie und das Ethos des aktiven Eingreifens in die Welt
- Max Horkheimer als Gründungsvater der Frankfurter Schule
- Theodor W. Adorno- Kritik durch Dialektik
- Jürgen Habermas - Theorie des kommunikativen Handelns
- Kritik in der Krise – Konstruktivismus und Postmoderne
- Der Positivismusstreit und die Frage nach Objektivität und Wertfreiheit
- Bedingtheit, Reflexivität und Konstruktivismus. Implikationen für die kritische Theorie
- Systemtheorie und die Beobachtung zweiter Ordnung
- Möglichkeiten der Kritik. Gegenpositionen
- Pierre Bourdieu - Kritik als Aufdecken symbolischer Herrschaft
- Axel Honneth - Kritik im Begriff der Anerkennung
- Bruno Latour - Kritik durch Konstruktivismus
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Hausarbeit befasst sich mit der Frage, ob eine kritische soziologische Theorie in der heutigen Zeit noch möglich ist, insbesondere angesichts der Herausforderungen durch Postmoderne und Konstruktivismus. Die Arbeit analysiert, wie diese Strömungen die Prämissen der kritischen Theorie in Frage stellen und welche Auswirkungen sie auf die Fähigkeit des Forschers haben, kritische Positionen einzunehmen.
- Die Herausforderungen des Konstruktivismus und der Postmoderne für die kritische Theorie
- Die Rolle von Objektivität und Wertfreiheit in der soziologischen Forschung
- Die Möglichkeiten und Grenzen von Kritik im Kontext von Reflexivität und Bedingtheit
- Die Bedeutung der Beobachtung zweiter Ordnung in der systemtheoretischen Perspektive
- Gegenpositionen und alternative Konzepte der Kritik
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Diskussion der Eigenheit soziologischer Erklärungen, indem sie auf die Herausforderungen hinweist, die sich aus dem reflexiven Charakter des sozialen Feldes ergeben. Die Arbeit analysiert das Idealbild des soziologischen Forschers, wie es von Emile Durkheim und Georg Simmel beschrieben wurde, und untersucht die Frage, ob Objektivität und Distanz in der heutigen Zeit noch möglich sind.
Im zweiten Kapitel werden die wichtigsten Vertreter der kritischen Theorie, Max Horkheimer, Theodor W. Adorno und Jürgen Habermas, vorgestellt. Hier wird betont, wie diese Theoretiker die kritische Analyse mit einem Ethos des aktiven Eingreifens in die Welt verbanden. Die Arbeit untersucht die Rolle von Kritik in der Frankfurter Schule und ihre Verbindung zu einer aufklärerischen Ideologie.
Das dritte Kapitel befasst sich mit den Herausforderungen, die die Postmoderne und der Konstruktivismus für die kritische Theorie darstellen. Die Arbeit diskutiert den Positivismusstreit und die Frage nach Objektivität und Wertfreiheit in den Sozialwissenschaften. Sie analysiert die Auswirkungen von Reflexivität und Bedingtheit auf die Möglichkeit kritischer Positionierung.
Schließlich stellt die Arbeit im vierten Kapitel Gegenpositionen vor, die die Möglichkeit von Kritik unter postmodernen Bedingungen betonen. Sie analysiert die Konzepte von Pierre Bourdieu, Axel Honneth und Bruno Latour und untersucht, wie diese Autoren die Kritik neu denken.
Schlüsselwörter
Die Arbeit fokussiert auf die Themen kritische Theorie, Postmoderne, Konstruktivismus, Objektivität, Wertfreiheit, Reflexivität, Bedingtheit, Beobachtung zweiter Ordnung, symbolische Herrschaft, Anerkennung, Kritik, Soziologie, Theoriebildung.
- Quote paper
- Daniel Kusch (Author), 2012, Kritik in der Krise, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/198636