Mit der Digitalisierung von Werken aller Art und deren Verfügbarkeit online
sowie auf CD, DVD und anderen Speichermedien haben auch private
Vervielfältigungen eine neue Dimension erreicht. Massenhaftes Kopieren am
PC ohne jeden Qualitätsverlust ist heute einfachst möglich und geschieht
täglich millionenfach.1 Die private Kopiertätigkeit nimmt damit für die
Rechteinhaber wie Urheber, Tonträgerhersteller, Sendeunternehmen und
andere immer bedrohlichere Ausmaße an. Allein in Deutschland haben sich die
Umsätze der Musikbranche im Jahr 2002 um 11,3% und damit zum zweiten
Mal im zweistelligen Bereich reduziert.2 Das am 13. September 2003 in Kraft
getretene „Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der
Informationsgesellschaft“3 reagiert auf die technischen Entwicklungen der
letzten Jahre und soll den Interessenskonflikt zwischen dem
Vervielfältigungsrecht des Urhebers und dem Vervielfältigungsinteresse
privater Nutzer im digitalen Zeitalter lösen.4
Mit dem neuen Urhebergesetz wurde gleichzeitig die Richtlinie 2001/29/EG
des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur
Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten
Schutzrechte in der Informationsgesellschaft5 in das deutsche Recht umgesetzt.
Weiterhin erfolgte damit die EG-weite gemeinsame Ratifizierung der WIPOVerträge6
vom 20.12.1996.
Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Thematik der Neuregelungen zur privaten
digitalen Kopie und den möglichen Auswirkungen der Urheber-rechtsreform
und den mit der Privatkopie verbundenen Themenfeldern. Ebenso wird
Gegenstand dieser Arbeit sein, wie der deutsche Gesetzgeber hierbei die IRL
umgesetzt hat und ob er dabei den Anforderungen der digitalen Wirklichkeit in
ihren zahlreichen Belangen gerecht geworden ist.
1 Vgl. Der Spiegel 36/2003 „ Alles nur geklaut “, S. 72ff.,
http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,263671,00.html (Stand: 24.9.2003).
2 IFPI Jahresbericht 2002, http://www.ifpi.de/jb/2003/15-23.pdf (Stand: 12.11.03).
3 Erhältlich unter http://bundesrecht.juris.de/bundesrecht/urhg/index.html.
4 BT-Drucksache 15/38, S. 14.
5 EG-Abl. Nr. L 167 vom 22. Juni 2001, S. 10; Die Richtlinie wurde vielfach als „Multimedia-
Richtlinie“, „Informations-Richtlinie“ (IRL - so hier im Folgenden), „Urheberrechts-
Richtlinie“ oder „ Copyright-Directive“ bezeichnet.
1. Teil: Einführung
Mit der Digitalisierung von Werken aller Art und deren Verfügbarkeit online sowie auf CD, DVD und anderen Speichermedien haben auch private Vervielfältigungen eine neue Dimension erreicht. Massenhaftes Kopieren am PC ohne jeden Qualitätsverlust ist heute einfachst möglich und geschieht täglich millionenfach.[1] Die private Kopiertätigkeit nimmt damit für die Rechteinhaber wie Urheber, Tonträgerhersteller, Sendeunternehmen und andere immer bedrohlichere Ausmaße an. Allein in Deutschland haben sich die Umsätze der Musikbranche im Jahr 2002 um 11,3% und damit zum zweiten Mal im zweistelligen Bereich reduziert.[2] Das am 13. September 2003 in Kraft getretene „Gesetz zur Regelung des Urheberrrechts in der Informationsgesellschaft“[3] reagiert auf die technischen Entwicklungen der letzten Jahre und soll den Interessenskonflikt zwischen dem Vervielfältigungsrecht des Urhebers und dem Vervielfältigungsinteresse privater Nutzer im digitalen Zeitalter lösen.[4]
Mit dem neuen Urhebergesetz wurde gleichzeitig die Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft[5] in das deutsche Recht umgesetzt. Weiterhin erfolgte damit die EG-weite gemeinsame Ratifizierung der WIPO-Verträge[6] vom 20.12.1996.
Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Thematik der Neuregelungen zur privaten digitalen Kopie und den möglichen Auswirkungen der Urheber-rechtsreform und den mit der Privatkopie verbundenen Themenfeldern. Ebenso wird Gegenstand dieser Arbeit sein, wie der deutsche Gesetzgeber hierbei die IRL umgesetzt hat und ob er dabei den Anforderungen der digitalen Wirklichkeit in ihren zahlreichen Belangen gerecht geworden ist.
2. Teil: Neuregelungen zur privaten digitalen Kopie
A. Charakter des Rechts auf Privatkopien
Schutzgegenstand des Urheberrechts sind gemäß § 1 UrhG Werke der Literatur, Wissenschaft und Kunst. Nach § 11 S.1 UrhG schützt das Urheberrecht den Urheber in seinen geistigen und persönlichen Beziehungen zum Werk und in der Nutzung des Werkes. Die Urheberrechte werden deshalb in Urheberpersönlichkeitsrechte und Verwertungsrechte gegliedert.[7] Das Vervielfältigungsrecht aus § 16 UrhG ist gemäß § 15 I Nr.1 UrhG Teil dieser Verwertungsrechte, so dass allein dem Urheber das Recht zusteht, über die Vervielfältigung und Verwertung seiner Werke zu entscheiden. Die Verwertungsrechte des Urhebers als vermögenswertes Recht erfahren durch die Eigentumsgarantie des Art. 14 I 1 GG ihren verfassungsrechtlichen Schutz.[8] Da Eigentum gemäß Art. 14 I 2 GG der Sozialbindung unterliegt, kann das Urheberrechtsgesetz Beschränkungen des Urheberrechts vorsehen, um damit den allgemeinen Interessen gerecht zu werden.[9] Die Schranken sind dabei in der Regel eng auszulegen.[10]
Privatkopien greifen somit in das ausschließliche Vervielfältigungsrecht des Urhebers aus § 16 UrhG ein. Damit diese legal möglich sind, statuiert § 53 UrhG als Schranke des Urheberrechts das Recht auf Kopien zum privaten Gebrauch. Die Schranke des § 53 UrhG wird damit begründet, dass die Durchsetzung des Vervielfältigungsrechts gegen Kopien, die natürliche Personen für den eigenen Bedarf anfertigen, die Integrität der Wohnung und den Schutz personenbezogener Daten durch Übergriffe von Rechteinhabern, Verwertungsgesellschaften und Werkmittlen gefährden würde.[11]
Es stehen sich nun die Interessen der Nutzungsberechtigten denen der Urheber und Rechteinhaber gegenüber. Um die Rechteinhaber vor unzumutbaren Auswirkungen auf Grund des Verlust der Kontrolle über ihr Vervielfältigungsrecht zu bewahren, wird der Geltungsbereich des § 53 UrhG durch § 53 IV-VII UrhG beschränkt.[12] Als Ausgleich für die erlaubnisfreie Nutzung gemäß § 53 UrhG soll das System von Pauschalab- gaben gemäß §§ 54, 54 a UrhG den Urheber für die Eingriffe in seine Rechte entschädigen.[13]
B. Anpassung an die Schrankenregelungen:
I. Vervielfältigungen zum privaten Gebrauch (§ 53 I UrhG)
Die Neufassung von § 53 I UrhG sieht vor, dass einzelne Vervielfältigungen durch eine natürliche Person zum privaten Gebrauch auf beliebigen Trägern zulässig sind, sofern sie keinen Erwerbszwecken dienen und soweit nicht zur Vervielfältigung eine offensichtlich rechtswidrig hergestellte Vorlage verwendet wird. Digitale Privatkopien gehören zum Regelungsbereich des § 53 I UrhG.[14]
1. Privater Gebrauch
Die neu hinzugekommenen Schrankenmerkmale der natürlichen Person und der Voraussetzung, dass die Vervielfältigung weder dem unmittelbaren noch mittelbaren Erwerbszweck dient, entsprechen dem Verständnis des bisherigen Rechts und sind deshalb von dem bereits bestehenden Merkmals des privaten Gebrauchs notwendig mit umfasst.[15] Hierbei handelt es sich lediglich um eine klarstellende Kodifizierung des bisher geltenden Rechts basierend auf Art. 5 II b) IRL.[16] Somit sind zur privaten Vervielfältigung ausschließlich natürliche Personen befugt.[17] Der private Charakter des Nutzungswerks ist dann gegeben, wenn die Vervielfältigung ausschließlich zum Gebrauch in der Privatsphäre zur Befriedigung rein persönlicher Bedürfnisse ausserberuflicher sowie ausserwirtschaftlicher Art dienen soll.[18] In den Kreis der Privatsphäre sind persönlich verbundene Personen, wie Familienmitglieder, Freunde und Partner mit einbezogen.[19]
Desweiteren setzt die Vervielfältigung zum privaten Gebrauch nicht voraus, dass ein eigenes Werstück zur Vervielfältigung benutzt wird. Auch fremde Werkstücke können benutzt werden.[20] Dies ergibt sich aus einem Umkehrschluss zu § 53 II 1 Nr.2 UrhG, welcher Explizit ein eigenes Werkstück verlangt.
2. Einzelne Vervielfältigungsstücke
Auffallend ist die Beibehaltung der Formulierung „einzelne Vervielfältigungen“. Dabei entspricht der Begriff der Vervielfältigung aus § 53 I UrhG dem aus § 16 I UrhG. Anhand des unbestimmten Rechtsbegriffs „einzelne“ hat die Rechtsprechung eine, gemessen an dem Zweck der Privatnutzung, statistische Obergrenze von maximal 7 Privatkopien entwickelt.[21] Allerdings erfolgte diese Erwägung in Zusammenhang mit der Vervielfältigung analoger Medien, für die Nutzung digitaler Medien scheint die Beibehaltung des Begriffs „einzelne“ eher zweifelhaft. Die private Nutzung digitaler Medien kann gerade wegen der oft fehlenden stofflichen Fixierung mehr Vervielfältigungen beanspruchen als die Nutzung analoger Medien.
So entstehen bei der digitalen Nutzung von Inhalten an einem Computer bei jedem Abruf der Daten von der Festplatte weitere Kopien im RAM und Festplatten-Cache, die die erlaubte Zahl der Kopien schnell überschreiten können.[22] Bisher wurden diese Zwischenspeicherungen als Privatkopien gemäß § 53 I UrhG a.F. verstanden und deshalb in die Festsetzung einer angemessenen Zahl erlaubter Vervielfältigungen miteinbezogen.
Dieses Problem wurde jedoch durch die Einführung des neuen § 44 a UrhG gelöst, der Regelungen über ephemere Vevielfältigungen enthält, die es so bisher nicht gab. § 44 a UrhG sieht nun vor, dass vorübergehende Vervielfältigungshandlungen, die flüchtig und begleitend sind, deren alleiniger Zweck eine rechtmäßige Nutzung ist und die keine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung haben, zulässig sind.[23] Durch die Neufassung des § 16 I UrhG im Rahmen der Urheberrechtsreform wurde klargestellt, dass auch vorübergehende Vervielfältigungen dem Vervielfältigungsrecht unterliegen.[24] Als solche pivilegierten vorübergehenden Vervielfältigungshandlungen gelten etwa Handlungen, die das „Browsing“ oder „Caching“ ermöglichen.[25] § 44 a UrhG setzt damit Art. 5 I IRL um und ist diesem so gut wie wörtlich nachgebildet.
Damit werden dem Ausschließlichkeitsrecht des Urhebers solche Vervielfältigungshandlungen entzogen, die für eine Übermittlung technischer Daten notwendig sind, die aber keine weitere Verwertung der Werke ermöglichen.[26] Der Grund dafür ist, dass viele digitale Kopiervorgänge ohne Zwischenspeicherung des zu vervielfältigenden Inhalts nicht denkbar sind.
Die heutigen digitalen Medien wie CD, MP3, Mini-Disk und PC eröffnen im privaten Bereich weit mehr Nutzungsmöglichkeiten als früher die analogen Medien. Dementsprechend kann die für die private Nutzung erforderliche Anzahl der Vervielfältigung nur im Einzelfall bestimmt werden.[27] Art. 5 II b) IRL spricht schlicht nur von Vervielfältigungen, hat also die Beibehaltung des einschränkenden Merkmals nicht geboten. Für die Bestimmung nach der erforderlichen Anzahl spricht ausserdem Art. 6 IV Unterabsatz 2 IRL, der von dem „erforderliche Maße“ ausgeht. Eine starre Orientierung an der Zahl Sieben ist im digitalen Zeitalter nicht mehr angemessen, da im einzelnen Fall die Herstellung eines oder zweier Vervielfältigungsstücke bereits ausreichen kann, während in anderen Fällen fünf oder auch zehn Vervielfältigungsstücke zulässig sein müssen.[28] Indem der Gesetzgeber den Begriff „einzelne“ beibehalten hat, hat er seinen Gestaltungsspielraum bei der Umsetzung der IRL nicht ausreichend ausgeschöpft.
3. Beliebige Träger
Indem § 53 I 1 UrhG die Vervielfältigung auf „beliebige Träger“ zulässt, stellt der Gesetzgeber klar, dass hier eine vollständige Gleichbehandlung zwischen analoger und digitaler Privatkopie beabsichtigt ist.[29] Eine inhaltliche Änderung gegenüber dem bisherigen Recht ergibt sich daraus jedoch nicht.[30] Es handelt sich vielmehr um eine Angleichung an Art. 5 II b) IRL. Die Gleichstellung der analogen und digitalen Privatkopie war bis zum Schluss des Gesetzgebungsverfahrens heftig umstritten.[31] So setzte sich die Urheberrechtslobby vehement für eine Beschränkung der Vervielfältigung auf analoge Kopien ein, indem sie auf die Gefahren hinwies, die dem Urheberrecht durch die Digitalisierung drohen. Sie konnte damit jedoch den Gesetzgeber nicht überzeugen.
Da die Mitgliedstaaten gemäß Art. 5 II b) IRL fakultativ Schranken vorsehen konnten, scheint eine Privilegierung der digitalen Privatkopie zunächst im Einklang mit der IRL zu stehen. Jedoch fordert die IRL die nationalen Gesetzgeber auch auf, „den Unterschieden zwischen digitaler und analoger privater Vervielfältigung gebührend Rechnung zu tragen und hinsichtlich bestimmter Punkte zwischen ihnen zu unterscheiden“[32]. Dieser Notwendigkeit hat der deutsche Gesetzgeber mit der Formulierung der „beliebigen Träger“ nicht Rechnung getragen.
4. Privatkopie nur aus legaler Quelle (§ 53 I 1 2.Hs UrhG)
Da der Gesetzgeber jedoch das enorme Missbrauchspotenzial, welches sich bei einer einschränkungslosen Zulässigkeit der digitalen Kopie ergibt, erkannt hat, hat er nun in § 53 I 1 2.Hs UrhG das Erfordernis einer „legalen Quelle“ verankert.[33] Danach ist jede Vervielfältigung unzulässig, für die „eine offensichtlich rechtswidrig hergestellte Vorlage verwendet wird“. Die Formulierung trägt der IRL zumindest teilweise Rechnung, welche vorschreibt, die technologischen und wirtschaftlichen Entwicklungen, insbesondere in Bezug auf die digitale Privatkopie, gebührend zu berücksichtigen.[34]
a) Offensichtlich rechtswidrig hergestellte Vorlage
Bisher war umstritten, ob Privatkopien von rechtswidrig hergestellten Vorlagen zulässig sind. Der Wortlaut des § 53 UrhG a.F. gab keinen Anlass für die Annahme, dass „sich der illegale Charakter der als Ausgangsmaterial genutzten Kopie auf die Privilegierung der in § 53 benannten Vervielfältigungshandlungen erstreckt“[35]. Weder eine enge Auslegung des Wortlauts des § 53 UrhG a.F. noch die analoge Anwendung des § 96 UrhG konnten eine abschließende Rechtssicherheit schaffen, wenn auch überwiegend vertreten wurde, dass eine legal entstandene Kopie Vorraussetzung für eine zulässige Privatkopie sei.[36]
Mit der neuen Formulierung aus § 53 I 1 2.Hs UrhG soll nun insbesondere den Bedenken der Rechteinhaber Rechnung getragen werden, die sich zur Durchsetzung eines effektiven Schutzes vor Piraterie wiederholt dafür eingesetzt hatten, Privatkopien nur bei Verwendung rechtmäßiger Vorlagen zuzulassen. Die Befürchtung der Bundesregierung, das Erfordernis der legalen Quelle laufe de facto auf ein Verbot der Privatkopie hinaus, da der Nutzer die Rechtmäßigkeit der Kopiervorlage häufig nicht beurteilen könne, überzeugte nicht.[37] Denn durch die Möglichkeit von entsprechenden Hinweisen und Kampagnen haben es nun die Urheber und ihre Verwerter selbst in der Hand, auf die Rechtswidrigkeit bestimmter Quellen hinzuweisen. Damit wird zum einen das Risiko der Erkennbarkeit der Rechtmäßigkeit der Vorlage für den Verbraucher reduziert, zum anderen soll dadurch aber auch die etwaige Gutgläubigkeit der Verbraucher erschüttert werden.[38]
aa) Problem der Offensichtlichkeit
Unklar bleibt nach der Neufassung jedoch, wann eine Vorlage offensichtlich rechtswidrig hergestellt wurde, denn der Begriff der „Offensichtlichkeit“ aus § 53 I S.1 UrhG birgt durch seine Unbestimmtheit ein erhebliches Maß an Auslegungsspielraum und damit an Rechtsunsicherheit.[39]
(1) Raubkopien von CDs
Die neue Formulierung soll insbesondere die Vervielfältigung von Raubkopien zum privaten Gebrauch ausschließen.[40] Es bedarf angesichts des massenhaften geistigen Diebstahls nochmals der Klarstellung, dass Vervielfältigungen nur dann zulässig sind, wenn der Nutzer auf das Original oder eine zulässige Kopie berechtigten Zugriff hat. Damit sind Vervielfältigungen von Raubkopien ausgeschlossen. Nun ist es Sache der Urheber und ihrer Verwerter, durch Hinweise auf dem Booklet und auch der CD selbst, dem Verbraucher die Beschaffenheit der Kopiervorlage offensichtlich erkennbar zu machen.
(2) Online-Vervielfältigung
Eine grössere Unsicherheit bezüglich der Offensichtlichkeit der Rechtmäßigkeit der Vorlage ergibt sich bei der Online-Vervielfältigung. In den letzten Jahren hat diese über Internet-Tauschbörsen wie Kazzaa oder Morpheus explosionsartig zugenommen.[41] Über derartige Tauschbörsen werden dem Nutzer Musikstücke und inzwischen auch Videos und Filme zum kostenlosen Download angeboten. Eine so genannten Peer-to-Peer-Software (P2P)[42] erlaubt dem Nutzer dann einen direkten Zugriff auf die Daten des Computers eines anderen Tauschbörsenteilnehmers, die er sodann schnell und kostenlos direkt auf seinen heimischen PC herunterladen kann. Es ist unbestritten, dass die Teilnahme an solchen Diensten als aktiver Teilnehmer[43] und damit das Angebot von urheberrechtlich geschütztem Material rechtswidrig ist. Für die Rechtslage bezüglich des bloßen Kopierens aus solchen Quellen stellt sich nun die Frage, ob sich Dateien über Online-Tauschbörsen für den Nutzer als zwingend offensichtlich rechtswidrig hergestellte Vorlagen im Sinne des § 53 I 1 UrhG darstellen.
(a) Gesetzesbegründung
Nach Ansicht des Gesetzgebers ist mit der neuen Formulierung der nach alter Rechtslage bestehende Streit überholt: Kopien von Dateien aus Online-Tauschbörsen sind nicht mehr rechtmäßig hergestellte Werke, da die Vorlage offensichtlich rechtswidrig ist.[44] Denn bei onlineangebotenen Dateien wie bei Filesharingsystemen kann man in der Regel davon ausgehen, dass es sich ohnehin nicht um eine Privatkopie handelt, da diese nicht im privaten Bereich weitergegeben, sondern einem unüberschaubaren Benutzerkreis zur Verfügung gestellt werden.[45] Derartige Privatkopien waren auch bisher nicht erlaubt, da sie den Rahmen des privaten Gebrauchs überschreiten.[46]
(b) Andere Ansicht
Jedoch ist diese Interpretation nicht zwingend, da sich beim Onlinezugriff die Rechtmäßigkeit der Kopiervorlage für den Nutzer nicht immer offensichtlich beurteilen lässt. So können über diese Tauschbörsen doch auch legale Dateien ausgetauscht werden. Daneben besteht die Möglichkeit, dass jemand zunächst eine legale Privatkopie erstellt und sich erst später entscheidet, diese zum Download freizugeben. Auch wäre die Beurteilung der Herstellung nach dem jeweiligen Heimatrecht des Download-Anbieters vorzunehmen.[47] Es sprechen daher einige gewichtige Gründe dafür, dass durch die Neuregelung - wenn auch vom Gesetzgeber ungewollt - weiterhin Downloads über Online-Tauschbörsen erlaubt sind.
Jedoch bewegt sich letztere Interpretation auf einem schmalen Grad. Die Gerichte können bei zivilgerichtlichen Entscheidungen durchaus im Wege der Auslegung zu einem entsprechenden gesetzgeberischen Ergebnis kommen. Ausserdem würde die Neuregelung auch sonst keinen Sinn machen, da sie gerade die neuen Medien wie Internet berücksichtigen wollte.
[...]
[1] Vgl. Der Spiegel 36/2003 „ Alles nur geklaut “, S. 72ff.,
http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,263671,00.html (Stand: 24.9.2003).
[2] IFPI Jahresbericht 2002, http://www.ifpi.de/jb/2003/15-23.pdf (Stand: 12.11.03).
[3] Erhältlich unter http://bundesrecht.juris.de/bundesrecht/urhg/index.html.
[4] BT-Drucksache 15/38, S. 14.
[5] EG-Abl. Nr. L 167 vom 22. Juni 2001, S. 10; Die Richtlinie wurde vielfach als „Multimedia-Richtlinie“, „Informations-Richtlinie“ (IRL - so hier im Folgenden), „Urheberrechts-Richtlinie“ oder „ Copyright-Directive“ bezeichnet.
[6] WIPO-Urheberrechtsvertrag (WIPO Copyright Treaty – WCT) und WIPO-Vertrag über Darbietungen und Tonträger (WIPO Performances and Phonograms Treaty – WPPT).
[7] Rehbinder, Rdnr. 76.
[8] Diemar, Die digitale Kopie, S. 48; Rehbinder, Rdnr. 108.
[9] Fromm / Nordemann-Nordemann, vor § 45 Rdnr. 1; Diemar, Die digitale Kopie, S. 48.
[10] Fromm / Nordemann-Nordemann, vor § 45 Rdnr. 3; Rehbinder, Rdnr. 253.
[11] Möhring / Nicolini-Decker, § 53 Rdnr. 1.
[12] Möhring / Nicolini-Decker, § 53 Rdnr. 40.
[13] Möhring / Nicolini-Gass, § 54 Rdnr. 1.
[14] Diemar, Die digitale Kopie, S. 47.
[15] Schricker-Loewenheim, § 53 Rdnr. 12; Schippan, ZUM 5/2003, 378 (383).
[16] BT-Drucksache 15/38, S. 20.
[17] Wandke / Bullinger-Lüft, § 53 Rdnr. 13.
[18] Wandke / Bullinger-Lüft, § 53 Rdnr. 14.
[19] Wandke / Bullinger-Lüft, § 53 Rdnr. 14.
[20] Möhring / Nicolini-Decker, § 53 Rdnr. 9; Schricker-Loewenheim, § 53 Rdnr. 11.
[21] BGH GRUR 1978, 474, 476.
[22] Möhring / Nicolini-Decker, § 53 Rdnr. 8; Schwarz-Gondek, TKMR 2003, 250 (254).
[23] BT-Drucksache 15/38, S. 18.
[24] BT-Drucksache 15/38, S. 17.
[25] Erwägungsgrund (33) IRL.
[26] Schippan, ZUM 5/2003, 378 (380).
[27] Schricker-Loewenheim, § 53 Rdnr. 14; Wandtke / Bullinger-Lüft, § 53 Rdnr. 7.
[28] Schricker-Loewenheim, § 53 Rdnr. 14.
[29] BT-Drucksache 15/38, S. 20; Schippan, ZUM 5/2003, 378 (383).
[30] Nach wohl herrschender Auffassung waren bereits gem. § 53 I UrhG a.F. sowohl analoge als auch digitale Verfielfältigungen privilegiert, vgl. Fromm / Nordemann-Nordemann, § 53 Rdnr. 5; Kreuzer, GRUR 2001, 193 (199); Schack, ZUM 2002, 497 (498).
[31] Mayer, CR 2003, 274 (277).
[32] Erwägungsgrund (38) IRL.
[33] Schippan, ZUM 8/9/2003, 678 (679).
[34] Erwägungsgrund (39) IRL.
[35] Möhring / Nicolini-Decker, § 53 Rdnr. 9.
[36] Möhring / Nicolini-Decker, § 53 Rdnr. 9; Wandtke / Bullinger-Lüft, § 53 Rdnr. 9.
[37] BT-Drucksache 15/38, S. 40.
[38] Schippan, ZUM 8/9/2003, 678 (679).
[39] Schippan, ZUM 8/9/2003, 678 (679).
[40] BT-Drucksache 15/1066, S. 2.
[41] Kreutzer, GRUR 2001, 193 (194).
[42] Schwarz-Gondek, TKMR 2003, 250 (250).
[43] Kreutzer, GRUR 2001, 193 (195).
[44] BT-Drucksache 15/1066, S. 2; Schwarz-Gondek, TKMR 2003, 250 (254).
[45] BT-Drucksache 15/1066, S. 2.
[46] Schack, ZUM 2002, 497 (501).
[47] RA Bahr, Das neue Urheberrecht, S. 3.
- Quote paper
- Volker Schwab (Author), 2003, Die Neuregelung zur privaten digitalen Kopie, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/19850
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