Marx, Engels und die Teilung der Arbeit

Ein einführendes Lesebuch in Gesellschaftstheorie und Geschichte (Korrigierte 9. Ausgabe)


Fachbuch, 2012

790 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Zum Inhalt

Teil A
Zur 9. Ausgabe
Einleitung
Quellen, Einordnung
Marxismus als Lehre?
Frühes Umfeld
Öffentliche Wirkung
Zum Leben
Vorbildung
Stichworte
Zur Geschichte 19. JH
> Hinweis Geschichtstheorie
Der deutsche Vormärz
Zur Industrialisierung
> Engels zur Weltwirtschaft
Die ungewollte Revolution
Zur Gesellschaft
Zur Ökonomie
Mensch im Werden
Ursprung der Familie
> Soziale Evolution?
Primitive Urvölker?
Urahnin Lucy
> Zum Spracherwerb
Schimpansen?
Rationales Handelnund Denken?
Matriarchat?
Klassenkampf im Paradies?
Gilgamesch
Historisch-genetische Theorie
Wissenschaft statt Philosophie
Zum Basis-Überbau-Modell
> ...und in modern!
Wissenschaftlicher Sozialismus?
Eine dialektische Methode?
Absteigen - Aufsteigen
Empirie, Positivismus
Historisch - Logisch
Strukturtheorie?
Dialektik bei Hegel
Reale Dialektik?
Naturgesetze?
Widerspiegelung?
Traditionale Logik?
Engels als Vulgärmarxist?

Teil B

Besondere Fragen

Wie das „Kapital" entstand

Zur kritischen Diskussion
Fetischcharakter der Ware
...und Verdinglichung
Schöner Schein
Frau und Sozialismus
Natur/ Umwelt
Arbeit/ Entfremdung
Wissenschaft/ Praxis
> Erfahrung
Zukunftsstaat?
Die Diktatur des Proletariats
Zum Absterben des Staates
Pariser Kommune als Zukunft?
Eine unterkomplexe Zukunft?
Soziologisches Modell?
Modell - System - Typus
Modernisierungstheorie?
> Statische Gesellschaft?
Konstruktion der Wirklichkeit
> Mark und Gemeineigentum
...und Institutionalisierung
Gemeinschaft - Gesellschaft
Zur Soziologie
Handlungs- und Systemtheorie
Blutsauger und Menschen
Stand - Klasse - und dann?
> Zweite Moderne?
Marx als Soziologe
Neue Theorien
> Die Frankfurter Schule
Produktion oder Kommunikation?
> Hinweis zu Niklas Luhmann
Jürgen Habermas
Max Weber
Ferdinand Tönnies
Werner Sombart
Engels' Spätzeit
Engels und die SPD
Erfurter Programm/ Revisionismus

Teil С
Schriftenbis 1850
Die frühen Schriften
Marx - Abitur und Studium
Marx - erste Artikel
Friedrich Oswald/ Engels
Engels in England
Die Lage der arbeitenden Klasse
Die Frühschriften
Engels zur Ökonomie
Zur Judenfrage
Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie
Ökonomisch-Philosophische Manuskripte
Die Deutsche Ideologie - Feuerbach
Elend der Philosophie
Die Revolution
Das Kommunistische Manifest
„Neue Rheinische Zeitung"
- „Vereinbarungspolitik"
- Junirevolution in Paris
- Zum Verlauf der Revolution
- Außenpolitik der „NRhZ"
- Polenfrage/ „agrarische Demokratie"
- Die deutsche Revolution
- „Sozialdarwinismus" und Panslawismus
- Marx' Wahlaufruf
Die ersten Emigrantenjahre
Revue, Januar - Oktober 1850
Materialistische Geschichtsschreibung
Der deutsche Bauernkrieg
Die Revolution in Frankreich
Die großen Männer des Exils
Der Kommunistenprozeß
Geschichte des Bundes
Nachtrag: Herr Vogt(1860)
Bis zur Pariser Kommune
Aus dem Journalistenbüro
Der Krimkrieg
Indien und die Eisenbahn
In China - hinter der Mauer
Der amerikanische Bürgerkrieg
Engels' Militaria
Po und Rhein
Militärfrage und Klassenkampf
Die Bismarckschen Kriege
Kann Europa abrüsten?
Die Internationale
Zur Organisation
Ideologische Kämpfe
Krieg und Pariser Kommune
Zum Ende der Internationale
Bis zu Marx' Tod
„Das Kapital"
Buch 1
1. Abschnitt
2. Abschnitt
3. Abschnitt
4. Abschnitt
5., 6. Abschnitt
7. Abschnitt
Zu den Folgebüchern
> Buch II und der Imperialismus
Buch III - Mehrwert oder Profit
Engels' Spätwerke
Dialektik der Natur?
Anti-Dühring
Philosophie
Politische Ökonomie
Sozialismus
Schlußbetrachtung
ANHANG
Ungefähre Zeitverläufe > Europa
Die wichtigsten Arbeiten
Publikationsorgane/ Schriften bis '48
Lebensläufe
Exkurse
Exkurs: Darwin
Exkurs: Hegel
Exkurs: Stalin
Exkurs: Aralsee
Exkurs: Mega-City
Die Konstruktion des „Kapitals" Band I

Benutzte Literatur

Zum Inhalt

Diese 9. Ausgabe bricht damit, in meinen eigenen Aussagen noch von (realer) Dialektik zu sprechen, wie Marx und Engels das tun, obwohl sie damit nur noch einen Prozeß und nicht mehr die Hegelsche Form meinen (These > Antithese > Synthese). Dieser Versuch, beides zu verbinden - erkannte ich nun -, war unbewußter Restbestand meiner früheren, noch rudimentär sowjetideologischen Interpretation. Auch der Begriff: Soziale Evolution sollte heute nicht mehr benutzt werden.' (siehe Abschnitt „Zur 9. Ausgabe ")

Ein Thema - ein Buch, also ein Buch mit allem, was zum Verständnis von Marx und Engels nötig ist, sollte es werden, eines das ich Anfang der 70er Jahre gebraucht hätte. Entsprechend soll es als wissenschaftliches Buch für junge Leute verstehbar sein. So umfangreich ist es geworden, damit es lesbar ist, ohne Lexikon und Geschichtsbuch oder andere Fachbücher parat zu haben. Dabei werden die „Klassiker" der sozialistischen Literatur, die so lange als die steifen Götterfiguren der untergegangenen Sowjetideologie dienen mußten, aus einem besonderen Blickwinkel vorgestellt: aus dem ihrer gesellschaftlichen Theorie und nicht so sehr als Ökonomen und Politiker. Auch über Marxens „Ökonomie", über „Das Kapital", wird aber das Nötige mitgeteilt. Schon ab 1845 formulierten sie bis in unsere Tage gültige Grundlagen der modernen Soziologie, und das als Wissenschaft und nicht mehr als Philosophie.[1] Sie haben bereits 1845 zum ersten mal das Entstehen der Menschen und die Formen ihres Zusammenlebens als einen Prozeß der sozialen Evolution in einer Weise dargestellt, die heute noch weitgehend akzeptiert ist, obwohl er heute an Erklärungskraft verloren hat und aufgegeben werden sollte. Und diese Theorie stellten sie bereits in einem wissenschaftlichen Modell dar. Gegen die damalige Vorstellung des 19. Jahrhunderts, die Welt sei von einem Gott geschaffen, erklärten sie das Werden der menschlichen Gesellschaft als einen sozialen Prozeß. Und das einige Jahre, bevor Darwin 1859 das biologische Werden der Menschen aus den Primaten wissenschaftlich eigentlich schon mitbewiesen hatte, als er die Funktionsweise der biologischen Evolution aufzeigte. So wie Darwin ein wichtiger Begründer der modernen Biologie war, so gehören sie zu den Begründern der Wissenschaft von den Menschen, der Soziologie, und damit des heutigen europäisch-westlichen Weltbildes. Ihre Kritik der politischen Ökonomie hat den Anspruch, die Anatomie der bürgerlichen Gesellschaft zu beschreiben, nun aber als den empirisch gefaßten Aufbau und die Funktionsweise der kapitalistischen Gesellschaft des 19. Jahrhunderts und nicht mehr als idealistische Philosophie (Hegels). Bedeutende Soziologen haben die Thesen von Marx und Engels faktisch weiter geführt, wo jene nur Hypothesen hinterließen.

Ihr Denken, besonders das politische Denken, kreiste primär um die Zeit der bürgerlichen Revolution von 1848 bis hin zur Pariser Kommune 1871. Sie selbst betonten die Notwendigkeit, diejeweilige Zeit zu analysieren, es könnten und dürften nicht aus alten Zeiten Rezepte für die Politik gewonnen werden. Mit Utopien einer zukünftigen Gesellschaft hielten sie sich sehr zurück, aber die wenigen dennoch von ihnen genannten Vorstellungen würden wir heute als basisdemokratisch verstehen, eine Form der Demokratie von unten, von den relativ kleinen Kommunen her, die übers Land verstreut gedacht waren und die Trennung von Stadt und Land aufheben sollten. Marx und Engels traten für die Überwindung der Herrschaft von Menschen über Menschen ein, engagierten sich gegen den Adel und vor allem dann die Unterdrückung der einen sozialen Klasse der Arbeiterschaft, des Proletariats, durch die andere, die Bourgeoisie als die Besitzerin des industriellen Kapitals. Durch Überwindung der Teilung der Arbeit in einerseits Hand- und andererseits Kopfarbeit, worin sie zugleich die Ursache ungleichen Reichtums und Besitzes sahen, sollte eine herrschaftsfreie Gesellschaft entstehen. Und dieser Zustand - so war ihre Hoffnung - ließe sich durch die Kämpfe der internationalen Arbeiterbewegung auf einer höheren sozialen Stufe der Evolution als der bürgerlichen Gesellschaft herstellen, durch eine proletarische Revolution. Zuvor müßte die Niederringung des Adels erfolgen und unter der Bourgeoisie die moderne Industrie entwickelt werden. In diesem Prozeß sollten die sozialen Klassen zu existieren aufhören, weil dann die Produktionsmittel in Gemeinbesitz aller gleichermaßen gebildeten Menschen sein und allen gleichmäßig zugute kommen sollten.

Generell wird in diesem Buch durch den Entstehungsprozeß einerseits der Menschen und andererseits den der Gesellschaft bis hin zur Moderne geführt. Es beginnt also bei den Anfängen menschlicher Gesellschaft, mit der Vorstellung sozialer Evolution und dem Menschenbild beider. Sie sahen den Prozeß gesellschaftlicher Entwicklung aus den Primaten heraus als Selbsterzeugung, in der die Menschen sich mittels der Änderung ihrer Umwelt durch Arbeit zugleich selbst verändern; und das schien als „reale Dialektik" verstehbar, als Prozeß einer Einheit/ Identität von Subjekt/ Mensch und Objekt/ Umwelt. Es werden aber auch die wichtigsten historischen Ereignissejener Zeit dargestellt, von der Französischen Revolution von 1789 über die europäische 1848 bis hin zum Ende des 19. Jahrhunderts. Geschildert werden die großen Kriege des 19. Jahrhunderts und die Gründungszeit des Deutschen Reiches, wozu Marx und Engels als Journalisten geschrieben haben.

Manches erstes Eindenken in die menschliche Evolution und einer damals ganz neuen Vorstellung von der Welt ist in ihrem Werk nur thesenhaft enthalten. Beispielsweise gingen sie davon aus, Menschen würden durch ihre Umwelt geprägt; aber wie das psychologisch, individuell vor sich gehen könne, hinterfragten sie noch nicht. In dieser Weise wird manches, was sie nur angedacht haben, in der Gegenüberstellung mit späteren Theorien geklärt. Und daraus wird sich eine hochplausible soziologische Konstruktionjener Epoche um 1845 ergeben, als sie ihre Hauptthesen formulierten. Viel dünner konnte dieses Buch also nicht werden, denn es erläutert nicht nur einfach den Inhalt des Werkes und die wichtigsten Lebensereignisse der beiden. Sondern es sagt auch etwas über ihr methodisches Denken und dazu noch manches zu den Diskussionen um ihr Werk. Das geschieht in Stufen, die aufeinander aufbauen.

Die in der europäischen Aufklärung des 17. und 18. Jahrhunderts entstandenen Zweifel an der Schöpfungsgeschichte, Natur, Mensch und Gesellschaft kämen von Gott, wurden von Marx und Engels um 1845 auf der Grundlage ihrer neuen positiven und zugleich prozeßhaften Wissenschaft zu einem neuen Weltbild geformt, das nicht auf dem Glauben, sondern positiv auf der Naturerfahrung aufbaut und dabei das Prozeßhafte hervorhebt - beides! Und die alte Frage, was denn Gesellschaft zusammenhalte, beantworteten sie damit, das sei die Arbeit, die Auseinandersetzung der Menschen mit der Natur, die (gesamtgesellschaftliche) Produktion. Um diesen Prozeß weiter zu entschlüsseln, wandte sich Marx dem Studium der politischen Ökonomie zu, die aber viel mehr enthielt als heute etwaVolkswirtschaft. So entstanden Grundzüge einerneuen Gesellschaftswissenschaft, die Untersuchung der wirklichen Welt mit wissenschaftlichen und empirischen Methoden. Methoden, die sich zwar an den damals modernen Naturwissenschaften orientierten, ohne diese aber bloß zu kopieren. Wie entwickelte sich die Urgemeinschaft der Menschen, wie die Religion und gesellschaftliche Institutionen bis hin zu Staaten? Welche Prozesse waren es, die die Menschen im Mittelalter in Stände und später Klassen trennte und dabei die Perspektive aufscheinen ließen, aus den Klassenkämpfen der bürgerlichen, der kapitalistischen Gesellschaft könne auf der Basis moderner Industrie eine herrschaftsfreie Zukunft errungen werden, eine kommunistische Gesellschaft? In der sollte die freie Entwicklung der Einzelnen die Grundlage der Freiheit aller sein, wie es im „Kommunistischen Manifest" heißt - nicht umgekehrt!

Die gesellschaftliche Vorstellung von Marx und Engels wird als modernes wissenschaftliches (Struktur-) Modell der kapitalistischen Produktion dargestellt, ein Modell, in dem die wichtigsten Funktionen einer Gesellschaft in ihrem Zusammenwirken abstrakt erfaßt sind. Das ist das hier so genannten Basis-Überbau-Modell von 1845, wonach in letzter Instanz das gesellschaftliche Sein das Bewußtsein begründet, aber zwischen allen Teilen komplexe Wechselwirkungen bestehen, also ebenso das Bewußtsein wieder das Sein bestimmt, um nur eine (umstrittene) Wechselwirkung anzusprechen. Auch Marx' Hauptwerk „Das Kapital" - das wir im Teil С mit untersuchen werden - ist keine Geschichtsdarstellung über die Entstehung des Kapitals, sondern ein soziologisch-ökonomisches Modell und analysiert, erforscht die Funktionsweise des klassischen Kapitalismus' des 19. Jahrhunderts.

Im Mittelpunkt dieses Buches steht also die Frage, welche Bedeutung Marx und Engels für die Sozialwissenschaft haben und wie sie in die Wissenschaftsgeschichte einzuordnen sind. Obwohl in ihren Werken neben der Politik primär die Ökonomie des modernen Kapitalismus behandelt wurde, ist ihre mehr implizit formulierte Wissenschaftstheorie von genereller Bedeutung. Als erster hat das Max Weber gesehen, der heute als Begründer der deutschen Soziologie gilt, der „große Denker' Marx habe den modernen Kapitalismus als Idealtypus dargestellt, (1904: 250) beispielsweise eine Fabrik mit typischen Elementen, also mit soziologischen Begriffen. Godelier und dann weitergehend Pohlmann und andere haben diesen Gedanken in den letzten Jahren vertieft. Für die Arbeit der frühen Sozialwissenschaftler Tönnies, Weber, Sombart, oder später Berger/ Luckmann, Habermas und andere war Marx wichtige Anregung. Der berühmte Ausruf Lenins, es müsse Hegel gelesen werden, um Marx zu verstehen, war vielleicht genau die falsche Orientierung hin zur Rückkehr zu einer philosophischen Interpretation und mit ein Grund, in der UdSSR zu einer post-bourgeoisen Funktionärsherrschaft zu kommen. Marx und Engels formulierten die Möglichkeit einer freiheitlichen und basisdemokratischen Alternative zu aller bisherigen Herrschaft. Das Werk beider war in der Rezeption, in der Besprechung ihrer Werke, verständlicherweise von Anbeginn umstritten, nicht zuletzt, weil sie zugleich Revolutionäre waren, zu denen Abstand gehalten wurde. Auch deshalb, weil gerade Marx für die Kollegen der „bürgerlichen Wissenschaft" nur wenig Verständnis und oft spöttische Worte fand. Ihr Werk hatte auch den hohen Anspruch, das Weltbild komplett umzukrempeln und dazu eine neue Wissenschaft begründet zu haben.

Diese Arbeit und die Originaltexte sollten nicht im Sinne einer engen Auslegungjeden Wortes gelesen, sondern die großen Zusammenhänge und deren Plausibilität erfaßt werden. Und es ist zu prüfen, welche der Materialen dieses Buches zu lesen nötig ist.

„Wir sagen den Arbeitern: Ihr habt 15, 20, 50 Jahre Bürgerkriege und Völkerkämpfe durchzumachen, nicht nur um die Verhältnisse zu ändern, sondern um euch selbst zu ändern und zur politischen Herrschaft zu befähigen".

Karl Marx, 1852

Aber zu welcher Herrschaft?

Danksagung

Ich nutze die Gelegenheit,jenen Leuten zu danken, die um 1970 meine politischen „MentorInnen" wurden und mir mein damaliges (zweites) neues Leben doch sehr erleichterten, Julia Harders und Gottfried Heuer auf der einen, der schwarzen, der anarchistischen, und Ernst-Dieter Roßmann und Klaus-Joachim Lorenzen-Schmidt auf der roten, der neomarxistischen Seite; dazu unvergessen: „Älln" Ahlmann. Eine gute Mischung. Und dann gehören noch zwei weitere dazu, in einem anderen Leben, Jutta Hansen - die schon vor Jahren davon sprach, es wäre interessant, Marx und Engels hinsichtlich der Begriffe heutiger Soziologie noch einmal aufzuarbeiten -, aber auch Sonja Hansen, die beide mein Leben und Denken angeregt haben. Danke!

Teil A

Einleitung

Geschichte des 19. JH

Mensch im Werden

Soziologisches Modell

Zur 9. Ausgabe

Mit der 9. Ausgabe beginne ich, dem „Eigenleben" dieses Textes, das er im Zuge der Weiterbearbeitung bekam, seinen Platz zu verschaffen. Am markantesten ist der Verzicht darauf, in meinen eigenen Aussagen noch von Dialektik/ dialektisch zu sprechen, sondern dafür nur noch Prozeß/ prozeßhaft zu schreiben, wie ich es bisher bereits für Marx und Engels betonte: ihre, beziehungsweise Marxens Dialektik sei nur noch als Prozeß zu verstehen. Das hängt mit der Einsicht zusammen, meine beispielhaften Darstellungen seien selbst noch - ohne mir über das Problem bewußt zu sein - im Sinne einer „realen Dialektik" verfaßt gewesen, in der Mensch und Natur (Subjekt und Objekt) als dialektische Einheit/ Identität verstehbar waren. In der klassischen Dialektik verlief die gesellschaftlichen Entwicklung in Umschwüngen von These > Antithese > Synthese.[2] Heute verstehen wir soziale Prozesse im Sinne empirischer Entwicklungen und als ergebnisoffen, als sich selbst verändernde Prozesse/ Systeme. Ein dialektisch verstandener Prozeß reduziert die Analyse zu sehr und sieht allenfalls beim Blick nur auf die großen Entwicklungen der Geschichte plausibel aus. Das Werk Marx' und Engels' wird ohne Bezug auf Dialektik verständlicher - sie selbst sprachen aber weiter von ihrer eigenen, Hegel überwunden habenden Dialektik, wenn sie einen Prozeß meinten.[3] Auch die Evolution ist bei ihnen der älteren Vorstellung verpflichtet, sie sei stets nach Entwicklungsgesetzen zu höheren Stufen fortgeschritten, ein Prozeß, der zwar nicht teleologisch von Gott oder Hegels Weltgeist auf ein Ziel geführt werde, aber doch eine Richtung zum Komplexeren aufweise. Bewegungskraft seien die nicht im Einzelnen konkret vorhersagbaren (Klassen-) Kämpfe sozialer Gruppen, weshalb der Geschichtsverlaufbei ihnen nicht als zufällig verstanden wurde, wie es heute gesehen wird. Deshalb verwende ich den Begriff der sozialen (!) Evolution für die Gegenwart nicht mehr.

Mir scheint angesichts dieser Änderungen allerdings nicht, ich hätte etwas des bisher von mir über Marx und Engels Gesagten zurückzunehmen, sehe aber doch die Notwendigkeit, bestimmte Fragen präzisier zu fassen, was mit dieser Ausgabe begonnen wird. Dabei darf aber nicht der Eindruck entstehen, immer wenn ich nun von Prozeß/prozeßhaft spreche, stünde in den Originalen Dialektik/ dialektisch; davon sprechen Marx und Engels nur selten - diese Stellen werden vorgestellt.

Es irritiert, daß Marx erst spät, zur zweiten Ausgabe des „Kapitals" 1872, öffentlich ausdrücklich von seiner „dialektischen Methode" spricht, obgleich in einem intern gebliebenen Papier mit dem Titel „Die Methode der politischen Ökonomie" sein Vorgehen in einer Weise faßt, die schwerlich als dialektisch verstanden werden kann. Auch Engels hat dann in seinem von Marx gelobten Spätwerk, dem ihre Vorstellung zusammenfassenden „Herrn Eugen Dührings Umwälzung der Wissenschaft" („Anti-Dühring"), intensiv von Dialektik gesprochen; allerdings mit deutlicher Definition: „Die Dialektik ist aber weiter nichts als die Wissenschaft von den allgemeinen Bewegungs- und Entwicklungsgesetzen der Natur, der Menschengesellschaft und des Denkens". (#20: 131f)

Bei allem ist allerdings zu bedenken, wie nach der Zeit Marx' und Engels'ihre Vorstellungen von verschiedenen Seiten - der sowjetideologischen auf der einen, oder zum Beispiel der Kritischen Theorie in ganz anderer Weise auf der anderen Seite - interpretiert wurden. Wobei einzuräumen ist, bei beiden Autoren sprachliche Vorgaben dafür zu finden, nach der geistigen dialektischen Bewegung bei Hegel - die von Marx auf den Kopf gestellt worden sei - nun eine reale Dialektik in Gesellschaft und Umwelt zu sehen. Es stellt sich die Frage, ob in den späteren „Marxismen" ihr nicht die Logik der Hegelschen Form zugrundegelegt blieb. Das konnte dann etwa zur Vorstellung führen, bestimmte gesellschaftliche Stufen folgten notwendig aufeinander, und der Kommunismus käme sowieso. Ich habe früher in diesem Buch auch hin und wieder eigene Formulierungen solcher Art verwendet, obwohl ich zugleich intensiv gegen diese Annahme bei Marx und Engels argumentiert habe, wie mein Text hinreichend ausweist.

Meine Studie ist eine der Wissenschaftsgeschichte, und die Texte werden wesentlich im Sinne der Sozialgeschichte besprochen. Beispielsweise sehen wir später, wie Engels einen Marxschen Text unter den Begriffen Historisch - Logisch bespricht. Eine historische Darstellung könne - sagt er - entweder den historischen Erscheinungen im Zickzack des zeitlichen und örtlichen Verlaufs folgen, sie ließe sich aber auch logisch darstellen, indem der Prozeß abgelöst von den konkreten historischen Einzelheiten in seinem wesentlichen Verlauf geschildert werde. Dazu heißt es manchmal, Engels habe hier - anders als Marx - wieder nahe der Hegelschen Logik argumentiert. Das sehe ich nicht so, und meine eigene frühere Forschungsarbeit zum 18. Jahrhundert über Dörfer, Städte, Sozialstrukturen kann das illustrieren: (1995) Dort habe ich - nach Volkszählungsdaten von 1769 - viele einzelne Haushalte, Dörfer und Städte empirisch aus Quellen aufgenommen, um aber im zweiten Schritt daraus modellhaft Typen von Haushalten, Ortschaften und weiteres zu abstrahieren. Dem entspricht diese logische Darstellung Engels', die mit theoretisch oder abstrakt besser benannt worden wäre, nämlich von konkreten Haushalten (Meier, Müller...) und Orten (Krempe, Flensburg...) abzusehen und „den" Haushalt beziehungsweise „die" Haushaltsstruktur und für die Orte und Region „die" Sozialstrukturjener Zeit darzustellen.

Daß Marx und Engels sich schon 1845 vollständig von Hegel lösten, wie sie selbst sagen, zeigt sich - trotz der bleibenden Hinweise auf die Marxsche Dialektik - deutlich. Meine Interpretation sah von Anfang an bei ihnen ein Konzept der Sozialen Evolution. Marx verwendet diesen Begriff1847 mal als Obergriff des sozialen Wandels, nur in besonderen Situationen werde aus permanenten evolutiven Prozessen eine revolutionäre Entwicklung. Da es in ihrem Werk keine eindeutig formulierte Definition ihrer wissenschaftlichen Methode gibt, gehe ich bei ihnen von einer rudimentären Strukturtheorie aus.[4] Es gibt eine ganze Reihe von Hinweisen in die Richtung, die nun intensiver als zuvor besprochen werden, wozu ein Kapitel zur Methode neu zusammengestellt, korrigiert und erweitert wurde.

Einleitung

Dieser „größte lebende Denker' habe das Entwicklungsgesetz der menschlichen Geschichte entdeckt, wie Darwinjenes der organischen Natur, sagt 1883 Friedrich Engels am Grabe von Karl Marx. Der habe auch - sagt er erst dann - das Bewegungsgesetz der kapitalistischen Produktionsweise gefunden, vor allem sei er aber Revolutionär gewesen, und wegen seiner Rolle in der Revolution 1848 und der Prägung der ersten Internatioalen Arbeiterorganisation der „bestgehaßte und bestverleumdete" Mann seiner Zeit. (#19: 336)[5] Die Vorstellung der Evolution verdrängte Mitte des 19. Jahrhunderts in der europäisch geprägten Kultur die Gewißheit einer ewigwährenden Schöpfung der Welt durch den einen Gott. Nun wurde der Mensch zum Schöpfer seiner selbst, zum Gestalter seines Lebens. Tatsächlich sprach Marx bereits 1844 davon, „die Erdschöpfung" (in der Bibel) habe durch die Geognosie „einen gewaltigen Stoß erhalten", der das Werden der Erde „als einen Prozeß, als Selbsterzeugung" darstelle und eine „einzige praktische Widerlegung der Schöpfungstheorie" sei.[6] Und 1857 schreibt er bei den Vorarbeiten zum „Kapital" zur Abstammung der Menschen: die „Anatomie des Menschen ist ein Schlüssel zur Anatomie des Affen".[7] (Hv. h.) Auch Engels bearbeitete diese Frage und erkannte beim Studium der Physiologie, der Wissenschaft der Lebensvorgänge des biologischen Organismus, er sei beim Menschen aufjedem Schritt „auf die völligste Übereinstimmung der Struktur mit den übrigen Säugetieren gestoßen". (14.7.58; #29: 338) Beide hatten schon vor Darwins für die Biologie beweiskräftiger Publikation über „Die Entstehung der Arten..." von 1859 aus ihrer Kenntnis biologischer und geologischer Wissenschaften eine Vorstellung von der biologischen Evolution der Menschen direkt aus dem Tierreich gewonnen. Auch in der Diskussion über die sozialen/ menschlichen Lebensbedingungen, wie zum Beispiel während der europäischen Aufklärung und dann durch die Frühsozialisten, war diese neue Sicht einer sozialen Evolution langsam entstanden; nur eine kurze Zeit noch im Rahmen spekulativer Philosophie (Kant, Fichte, Hegel). Daraus entwickelte sie ihre Wissenschaft und dabei ihre politische Vision des Lebens in der Assoziation emanzipierter Menschen ohne Herrschaft.[8]

Im „Manifest der Kommunistischen Partei" von 1848 heißt es: „An die Stelle der alten bürgerlichen Gesellschaft mit ihren Klassen und Klassengegensätzen tritt eine Assoziation, worin die freie Entwicklung eines jeden die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist". (#4: 482)[9] Es wird also nicht gesagt, die freie Entwicklung aller sei Voraussetzung für die Freiheit der einzelnen Menschen; nichts von Unterordnung unter „die" Gesellschaft oder gar „die Partei" (der Kommunisten). Über einen „Zukunftsstaat" wollten sie sich aber nicht im Einzelnen äußern, sondern dies den kommenden Generationen überlassen.

Ihren Zeitgenossen und vielen auch heute sind Marx und Engels zuerst Revolutionäre, zumal beide keine Anstrengungen unternommen hatten, den Aspekt der gesellschaftlichen Evolution in späteren Texten besonders herauszustellen; Engels erwähnt es 1878 einmal in einem Artikel über Marx. (#19: 102) Diese Leistung war ihnen aber immer bewußt, wie die Bemerkung beim Erscheinen der Arbeit Darwins zeigt, der habe nun ihre gesellschaftlichen Auffassungen auch für die Natur bestätigt. Im „Kommunistischen Manifest", das primär eine politische Botschaft enthält, wird der Gedanke der Evolution allerdings nicht in den Vordergrund gestellt, sondern Privateigentum und Klassenkampf. Beide - Wissenschaft und Politik - gehören bei ihnen zusammen, das eine bedingt das andere, und doch hat die Wissenschaft Priorität. So hat Engels mit seiner Grabrede wohl den Kern der Sache getroffen, der Marx - wie Engels - als bedeutende Persönlichkeit des 19. Jahrhunderts „unsterblich" macht. Als Wissenschaftler und politische Schriftsteller werden sie überdauern, und die Wirkung als Ikonen des realen Sozialismus des 20. Jahrhunderts wird dahinter verblassen.

Im vorliegenden Text wird die deutliche Differenz der sozialen Evolution gegenüber der biologischen betont, obwohl Marx und Engels eine solche Unterscheidung nicht generell machten; das Wort Evolution kommt im Schrifttum sehr selten vor. Diese Differenz ergibt sich aus dem Inhalt ihres Werks. Wir werden sehen, wie wichtig diese Differenz für das Verständnis gerade aus heutiger Sicht ist, wenn über die Entstehung der modernen Menschen und deren Denken zu sprechen ist. Alle heutigen Menschen gehören zur Art Homo sapiens, haben deshalb das gleiche Fundament für ihre geistig-soziale Entwicklung.[10] Ich definiere den modernen Menschen so, daß dessen biologische Evolution vorerst als abgeschlossen betrachtet werden kann und er sich - vor allem über reflektierende Sprache und Denkweise - qualitativ von früheren Hominiden unterscheidet, auch vom Neandertaler. Das Soziale dieser/ unserer Lebensform verdrängt beim Aufwachsenjeden Kindes weitestgehend tierische Instinkte, überdeckt sie nicht nur, oder läßt sie womöglich gar nicht erst entstehen. (Dux) Ich betone das bereits an dieser Stelle, um den sozialen Menschen gegenüber Vorstellungen abzugrenzen, die - unter anderem mit Darwins „Kampf ums Dasein" - das Soziale von der Biologie her bestimmen wollen.[11]

Es wird versucht, Karl Marx und Friedrich Engels ohnejene Verfremdungen darzustellen, die durch den realen Sozialismus beziehungsweise Kommunismus entstanden sind - und das primär im Sinne sozialhistorischer Textanalyse, als Überblick auf das Anliegen beider, und dabei deren gesellschaftliche Vorstellungen betonend. Die spezielle Arbeit als Ökonomen und aktive Politiker steht dahinter zurück. Marx' zentrales Thema hieß „Zur Kritik der politischen Ökonomie", wie der Untertitel seines Hauptwerks „Das Kapital" lautet (schon Adam Smith spricht 1776 von „politischer Ökonomie"). Er knüpfte damit an einen frühen Aufsatz Engels' an: „Umrisse zu einer Kritik der Nationalökonomie". Diese „Ökonomie" war damals aber zugleich die Grundlage einer Gesellschaftstheorie, die „Anatomie der bürgerlichen Gesellschaft', (#13: 8) wie Marx das im Anschluß an Hegel nannte, jenem Philosophen, dessen Bedeutung für Marx und Engels in Art und Umfang noch immer umstritten ist. In meiner Arbeit soll also geschieden werden, was heute unter „Marxismus" und ähnlichen Benennungen, wie „Marxismus-Leninismus" oder dem sozialdemokratischen bürgerlichen „Demokratischen Sozialismus" verstanden wird, und was originäre Aussagen sind, soweit das möglich ist. Denn auch mein Blick auf dieses Werk - sollte bedacht werden, das gehört zum soziologischen Verständnis dazu - ist selbstverständlich nicht ohne Voraussetzung. So etwas wie eine „objektive" Interpretation ist nicht möglich. Sondern meine Analyse ist vom Ereignis des realen Sozialismus' des 20. Jahrhunderts und dem Stand der modernen Wissenschaft beeinflußt. Wir wissenja nicht immer, was Marx und Engels genau mit ihren Aussagen meinten. Sich selbst zu reflektieren ist für eine wissenschaftliche Betrachtung zwingend, dennjede inhaltliche Aussage ist abhängig vom Vorverständnis der Schreibenden. Ich erwähne das so ausdrücklich, weil darauf noch zurückzukommen ist, wenn über den wissenschaftlichen Standpunkt zu reden ist, denjede Wissenschaft hat. In der Entwicklung der Soziologie ist das mit dem sogenannten Methodenstreit um 1900 und dann noch einmal dem Positivismusstreit von 1962 verbunden. Was hat es auf sich mit dem „wissenschaftlichen Sozialismus", der „Diktatur des Proletariats" oder der Dialektik, und welcher Dialektik - die von Hegel, die von Marx oder die angeblich von Engels entwickelte Naturdialektik? Marx und Engels haben „ihre" Dialektik als ein prozeßhaftes Denken und Darstellen begriffen, nicht etwa als eine bewegende (Natur-) Kraft. Wir werden sehen, daß sich ihre Vorstellungen von Prozeßhaftigkeit als evolutive planlose Entwicklungen zum Komplexeren verstehen lassen. Gibt es - sind weitere Problemstellungen - eine Kontinuität von Marx und Engels hin zur Ideologie einer bloßen Widerspiegelung des Bewußtseins aus der Umwelt oder aus „der Produktion" und zum „Historischen und Dialektischen Materialismus", dem „Histomat" und „Diamat" der Sowjetideologie Lenins und dann Stalins, oder gar zu den Verbrechen des Kommunismus, wie im „Schwarzbuch des Kommunismus" (1999) unterstellt wird?[12]

Zu fragen ist, wie stimmig die wissenschaftliche Konstruktion der Selbsterzeugung der Menschen als Theorie war, ob sie oder Teile davon noch eine Zukunft haben - nach 150 Jahren. Gilt das für die Vorstellung, durch Aufhebung der gesellschaftlichen Trennung von körperlicher und geistiger Arbeit in Hand- und GeistesarbeiterInnen könne eine Gesellschaft hochqualifizierter Individuen als Assoziation gleichberechtigter Menschen real werden - als basisdemokratische Weltgesellschaft mit ökologischem Bewußtsein? Es geht dabei um die hierarchisierende Funktion der Arbeitsteilung, die die Menschen nach dem Oben und Unten sozial klassifiziert, und nicht generell gegen eine horizontale Arbeitsteilung, daß Menschen unterschiedliche Dinge tun. Arbeitsteilung trennt aber nicht nur in materielle und geistige Arbeit, sondern dieser Ausdruck steht zugleich für das durch sie entstehende Privateigentum an Produktionsmitteln (vor allem: Fabriken), welches zur Herrschaft von Menschen über Menschen führt, und das die einen haben, die anderen nicht; darunter ist also nicht persönliches Eigentum verstanden. Für die Zukunft stellten Marx und Engels sich gleichermaßen gut ausgebildete Menschen vor, die es bei Bedarf leicht lernen würden, alles zu tun, was an notwendiger Arbeit anfällt. Denn etwas Arbeit bleibt immer übrig, der Übergang vom Reich der Notwendigkeit ins Reich der Freiheit könne nie ganz vollzogen werden, weil immer produziert werden muß, um zu leben (alles andere wäre auch Blödsinn). Marx: „Es bleibt dies immer ein Reich der Notwendigkeit. Jenseits desselben beginnt die menschliche Kraftentwicklung, die sich als Selbstzweck gilt, das wahre Reich der Freiheit, das aber nur auf jenem Reich der Notwendigkeit als seiner Basis aufblühn kann. Die Verkürzung des Arbeitstages ist die Grundbedingung". (#25: 828)

Die Frauen finden allerdings im Konzept der beiden nur wenig Unterstützung. Hinweise auf politisch aktive Frauen, von denen einige schon in der Revolution 1848 eine gewisse Bekanntheit hatten, (Gehrhard, 1983) oder solche auf das Frauenwahlrecht fehlen fast ganz. Eher beiläufig ist aus einem Flugblatt von 1848, den „Forderungen der Kommunistischen Partei in Deutschland!", herauszulesen, auch Frauen sollten wahlberechtigt sein („Jeder Deutsche, der 21 Jahre alt, ist Wähler und wählbar"; die weibliche Sprachform war damals ganz ungewöhnlich). Das Frauenwahlrecht wurde bereits in den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts in Australien und Amerika (Wyoming) eingeführt! Doch die SPD hat es 1895 zum ersten mal im Reichstag gefordert! Und auch die Frühsozialisten - deren Werke Marx und Engels sehr genau kannten - haben sich viel mit der Geschlechterfrage beschäftigt. (Ingrisch, 1985) Die Vorstellung einer emanzipierten Frau in der Gesellschaft hatten Marx und Engels nicht, auch wenn sie zum Beispiel die Ungerechtigkeit beschrieben, die darin läge, daß die Frauen als Arbeiterinnen die Männer aus der Fabrik verdrängten - und daß deshalb die umgekehrte, die normale Situation der Frauen im Haushalt auch nicht besser sein könne. Generell gingen sie von der Familie als Grundeinheit der Gesellschaft aus, nicht vom Individuum, weil das nur in der Gemeinschaft sinnvoll leben könne, obwohl die Freiheit des Individuums für sie zentral ist. Das hat zwei Gründe, zum einen waren sie schlicht Männer ihrer Zeit, zum anderen sahen sie aber auch zukünftig in einer modernen Gesellschaft in einer Familie den Ort, an dem sich die Menschen erst vergesellschaften und deshalb frei entfalten könnten, demgegenüber die bürgerliche Gesellschaft des 19. Jahrhunderts die der Vereinzelung und des Egoismus' sei. Den Gedanken einer Wohngemeinschaft als selbstgemachter Gemeinschaft anstelle der Familie gab es damals noch nicht, aber als gesellschaftliche Perspektive kommt der Begriff Gemeinschaft vor. (#3: 74) Der Frühsozialist Fourier[13] wird zitiert, der Reifegrad einer Gesellschaft messe sich an der Stellung der Frau. Die Arbeitsteilung der Geschlechter ist nicht ihr Thema, aber auch nicht der später oft unterstellte Hinweis, dabei handele es sich um einen Nebenwiderspruch im Kapitalismus. Sie haben sich mit diesem Thema so gut wie nicht beschäftigt. Von 1877 ist beispielsweise ein Brief Engels' - an Ida Pauli - zum Problem des Wahlrechts erhalten geblieben, in dem er davon spricht, wenn „wir ans Ruder kommen, [!] sollen die Frauen nicht nur wählen, sondern auch gewählt werden und [!] Reden halten".[14] (14.2.77; #34: 253) Das erste Zeichen [!] verweist darauf, daß es doch auch mal Andeutungen Engels' gibt, sie - die als Politiker eigentlich immer eine Zeitung machen wollen, um die Stimme der Revolution zu sein und so Einfluß auszuüben - könnten in eine Regierungsposition kommen; im eben zitierten Fall von 1877 meint er damit aber die deutsche Sozialdemokratie, mit der sie vor allem zusammenarbeiteten, obwohl sie seit ihrer Flucht nach der verlorenen Revolution 1848 - 49 in England lebten.

Die Erwähnung des „Frauenthemas" an dieser frühen Stelle mag verwundern. Drei Dinge hier dazu: Zum ersten ist es sinnvoll, sich intensiv in die Bedingungen des 19. Jahrhunderts einzudenken, um Marx und Engels zu verstehen. Und das ist eine gegenüber heute ganz andere Zeit, in der Frauen den Männern gesellschaftlich nur als Menschen 2. Klasse galten. Es gilt zum zweiten, sich zu erinnern, daß in den Revolutionskämpfenjener Zeit es auf den Barrikaden Mensch gegen Mensch ging, auch Frauen/ Proletarierinnen kämpften mit gegen die Männer der bürgerlichen Klasse, die aber oft Soldaten an ihrer Seite hatten. Hieb- und Stichwaffen hatten eine mindestens so große Bedeutung wie Schußwaffen. Das waren teilweise entsetzliche Metzeleien gegenüber dem schlecht bewaffneten Proletariat. Zum dritten steht das Frauenthema nicht nur aus heutiger Sicht für die Frage, ob die Ökonomie nicht hätte anders entwickelt werden müssen, wenn die „Hausarbeit" ausreichend in die Analyse einbezogen worden wäre. Auch, wenn es Marx um eine Analyse der Kapitalverwertung und des Mehrwerts ging.[15] Die Kapitalverwertung istjener Prozeß, den Marx im „Kapital" beschreibt, mit dem - scheinbar automatisch - aus dem industriell eingesetzten Kapital typischerweise stetig mehr Kapital wird, weil die Beschäftigten in der Fabrik nicht den vollen Wert als Lohn erhalten, den sie erarbeiten, weil sie also einige Zeit täglich umsonst arbeiteten. Die Differenz von Input und Output, die in den Bilanzen der Betriebe regelhaft, durchschnittlich sichtbar wird, ist der vom Proletariat erarbeitete Mehrwert, den sich die Bourgeoisie privat aneignet.

Was bedeutet das nun alles für eine wissenschaftliche Analyse mit Anklang auch zu einem Gesellschaftsentwurf? Die Reihenfolge, mit der Engels auf Marx' Begräbnis dessen Bedeutung beschrieb, überrascht erst einmal, ist aber nachvollziehbar. Zuerst bedarf es einer Vorstellung über die - von den Menschen geschaffene - Welt, bevor in der Ökonomie das entscheidende Bewegungselement zum sozialen Wandel gesehen werden kann, der sich mit einem prozeßhaften Denkansatz gut darstellen läßt. Der Prozeß ist bei Marx und Engels einer, der sich durch sein Prozessieren selbst verändert und dabei oft, jedoch nicht generell zu einer höheren Komplexität führt; aber er wird nicht aus einer Identität/ Einheit logisch entwickelt, sondern empirische Daten werden im Rahmen ihrer „positiven Wissenschaft" prozeßhaft interpretiert, wie wir noch sehen werden. In solchem Prozeß wurden aus Primaten bei immer stärker selbst veränderten Umweltbedingungen die modernen Menschen, wenn damals auch noch nicht die Frage beantwortet wurde, wie dabei das Denken selbst entstand. Oder verband Engels auf Marxens Beerdigung mit dieser Reihenfolge eine Bewertung?

Es ist verständlich, wenn in diesen beiden Punkten, der geschichtlichen Evolution und der ökonomischen Entwicklung, der Art und Weise, wie die Menschen ihre Lebensmittel produzieren, heute eher nicht die Schlüsselfragen geistiger Entwicklung unserer Zeit gesehen werden. Von gewissen religiösen Extremen (besonders in den USA) abgesehen, wird die Evolution im westlichen Kulturkreis und in den Wissenschaften als Erklärung der Weltentwicklung akzeptiert; ob sie heute noch sinnvoll ist steht dahin. Darwin ist für deren Beschreibung hinsichtlich der Natur hochgeachtet, während Marx und Engels für die Arbeit zur Evolution der Gesellschaft eher unerwähnt bleiben, auch in der Soziologie.[16] Und generell ist heute über Kapitalismus und Ausbeutung angesichts der genauen Kenntnisse über die Welt im Ganzen doch kaum noch ein Zweifel vorhanden. Ob die Situation geändert werden kann/ soll und - wennja - über die Wege dahin, das ist heute nur einer der politischen Diskurse von vielen - jedenfalls aus der Sicht der sogenannten Ersten Welt.[17] Es gibt also nachvollziehbare Gründe, in Marx und Engels nicht die aktuell interessantesten Autoren zur Lösung solcher Fragen zu sehen. Der Zweifel, ob nicht doch vieles im Sozialismus/ Kommunismus des 20. Jahrhunderts mehr oder weniger direkt auf ihren Vorstellungen beruhte, muß erst einmal akzeptiert werden. Ebenso die Frage, ob wir denn heute in einer freien Welt leben. Sind Werbung und Kulturindustrie vielleicht auch Herrschaftsinstrumente, nur andere Formen kapitalistischer Zwänge als die des 19. Jahrhunderts?

Und doch bleibt das Anliegen der beiden aktuell, vieles ihrer Arbeit ist in unser Alltagsverständnis eingegangen, sie haben die menschliche Evolution erstmals zusammenhängend (!)im Sinne moderner Soziologie formuliert und die Perspektive einer friedlichen Welt auf der Basis wissenschaftlicher Kriterien beschrieben, als reale Möglichkeit, nicht nur als Wunschbild, Traum oder Utopie. Von heute aus gesehen ist es ein einfacher Grundgedanke: Wenn Menschen gleichberechtigt und gemeinsam die Art und Weise organisieren, in der sie ihr gesellschaftliches Leben produzieren, dann können sie die selbstgemachten systemischen Zwänge durchschauen und beseitigen, um herrschaftsfrei und gleichberechtigt miteinander zu leben. Wenn sie also eine klare Übersicht über das Funktionieren ihrer Welt haben, es durch gute (Aus-) Bildung aller Menschen keine Teilung der Arbeit in geistige und körperliche Tätigkeit mehr gibt, wenn nicht gut ausgebildete über die von der Bildung ausgeschlossenen Menschen herrschen, und das Eigentum an den Werkzeugen zur Produktion des Lebens sich nicht auf wenige Menschen oder Kapitalgesellschaften konzentriert, denen die anderen als LohnarbeiterInnen zuarbeiten müssen. Die Erfahrung der Handarbeit soll in dieser Vorstellung auch die nur geistig arbeitenden Leute kompletter ausbilden und die, die nur Handarbeit machen, sollen geistig auf diese Stufe gehoben werden. Aber durchgesetzt werden müsse das in den Klassenkämpfen des Proletariats gegen die Bourgeoisie, die Besitzer von Industriekapital, nachdem zusammen mit der Bourgeoisie der Adel niedergerungen sei. Eine solche herrschaftsfreie Situation gab es ihrer Meinung nach in der Urgeschichte der ganz frühen Menschen. Doch in der weiteren Entwicklung hätten die Menschen ungewollt hinter ihrem Rücken Verhältnisse geschaffen, die ihnen dann wieder als versteckte Macht und Herrschaft entgegentreten, als System, das sie nicht mehr durchschauen und dessen systemischen Zwängen sie deshalb ausgeliefert sind, obwohl sie sie selbst durch ihr Handeln gemacht haben. Und mit der Überwindung der bürgerlichen, der kapitalistischen Welt sei es möglich, Verhältnisse einer herrschaftsfreien Gesellschaft auf höherem Niveau neu zu schaffen, und zwar durch das Handeln der unterdrückten Menschen selbst, vor allem der (Industrie-) Arbeiterschaft, durch die Emanzipation der neu entstehenden sozialen Klasse des Proletariats im Prozeß der gesellschaftlichen Aneignung und auch ihrer Selbstveränderung!

Gerade weil die verelendete Arbeiterschaft nichts habe und in der Gesellschaft nichts gelte, lebe sie bereits untereinander gleichberechtigt und formell auch frei zusammen, wenn auch nur mit der Freiheit, sich täglich verkaufen zu müssen, um essen zu können, und ohne Besitz und Bildung. Könne diese Klasse ihren eigenen Lebenszustand zum allgemeinen Zustand der Gesellschaft machen - frei und gleichberechtigt zu sein - und sich zusätzlich das Eigentum an den Produktionsmitteln als Gemeineigentum und eine hohe Bildung erkämpfen, dann könne für alle Menschen diese bessere Zukunft in hinreichendem Wohlstand beginnen. Mit dem Beginn einer solchen sozialistischen oder kommunistischen Gesellschaft würde die Vorgeschichte der Menschen beendet, heißt es im „Kommunistischen Manifest" 1848. Die Zeit von der Urgemeinschaft früher Menschen bis zur bürgerlichen und kapitalistischen Gesellschaft - sagten sie - sei eine, in der die Menschen sich erstens tendenziell von unmittelbaren Naturzwängen immer mehr befreiten und zweitens Macht und Herrschaft von Menschen über Menschen immer versteckter ausgeübt würden. So wie nur scheinbar die großen industriellen Maschinerien Arbeitstakt und die Teilung der Arbeit und damit des Eigentums vorgeben würden, die aber tatsächlich durch herrschaftliches Handeln der Eigentümer dieser Produktionsmittel, durch die Bourgeoisie, erzwungen seien. Aber drittens gäbe es auch den Gegenprozeß der Vergesellschaftung gegen diese Verdinglichung der entfremdeten Welt, die den Menschen immer stärker als Sachzwang gegenübertrete. Die kapitalistische Produktion käme durch den Prozeß der Produktion selbst an ihre Grenzen, und es gäbe eine - zuerst unbewußte - faktische Aneignung der gesellschaftlichen Kräfte durch das Proletariat, ohne daß sich die Herrschaftsverhältnisse aber bereits änderten. Die Bedeutung eines immer besser ausgebildeten Proletariats für die Industriearbeit steige, für die immer kompliziertere Maschinen und besser qualifizierte Leute gebraucht würden (und werden). Im Schoße der alten Gesellschaft wachse die Möglichkeit einer neuen, einer kommunistischen Zukunft heran. (#4: 181) Erkämpfe sich das Proletariat dann die politische Macht und eigne es sich die gesellschaftliche Produktion an, als Gemeineigentum, dann könne gelten: „Die Aneignung einer Totalität von Produktionsinstrumenten ist... die Entwicklung einer Totalität von Fähigkeiten in den Individuen selbst'. (#3 : 68)

Die Situation wird heute besser aus der Sicht der Dritten Welt auf unsere Welt verständlich; dort finden wir noch immer ein - nun internationales - Proletariat wie einst in Europa im Symbol gewordenen Manchester des 19. Jahrhunderts.[18] Und wir alle sind deren Bourgeoisie! Nicht nur nach außen, auch nach innen sind wir - die „westlichen" Nationen - bürgerliche Demokratien, formal wie traditionell Rechtsstaaten, die in ihrer Grundsubstanz einerseits das Privateigentum auch an Boden und Produktionsmitteln und andererseits die Freiheit zum „freien" Vereinbaren des Arbeitskontrakts garantieren; aber nicht das Recht auf Arbeit, nicht das auf menschenwürdiges Auskommen oder Wohnraum und Ausbildung. In unseren so reichen Ländern ist der aktuelle Wohlstand gegenüber anderen zwar unermeßlich hoch, aber auch unser Rechtsstaat garantiert nicht die Begrenzung oder gar Aufhebung der Differenz zwischen arm und reich, wenn auch unsere Armen noch ziemlich komfortabel leben, anders als beispielsweise in den USA, von Dritte-Welt-Ländern ganz abgesehen.

Nach wie vor werden andere Völker unterdrückt, die ein Recht auf ihre eigene Lebensgestaltung hätten - so argumentierenjedenfalls viele Menschen, und besonders tun dies Teile der „Linken" in unserer Gesellschaft.[19] Da wird es vielleicht überraschen, daß Marx und Engels keineswegs die Selbstbestimmungjeden Volkes akzeptierten - wie noch deutlich werden wird -, weil ihr Grundgedanke von einem anderen Ansatz herkommt. Sie bezogen sich auf die damals industriell entwickelten Länder, die allein eine Chance zur sozialistischen Entwicklung hätten. Undjene anderen - wie Mexiko oder Indien - müßten aus ihren seit Jahrhunderten statischen sozialen Strukturen durchaus durch die kapitalistischen Staaten und deren Industrie erweckt werden, damit auch dort revolutionäre Veränderungen überhaupt denkbar würden, die den Anschluß an eine sozialistische Welt erst möglich machen könnten.

Die nach-modernen Gesellschaften - wir - stehen heute in der Tradition dieses Denkens immer noch in einer Herrschaftsposition zu großen Teilen der Welt. Auch insofern sind sie/ wir bürgerlich, bourgeois. Das gilt auch in der kulturellen Sicht nach innen. In der Folge der verlorenen Revolution von 1848 - 49 (wie der von 1918) beziehen sich in der Traditionspflege viele Deutsche noch immer mehr auf die adligen Gegner der bürgerlichen Emanzipation, wie Friedrich den Großen oder Bismarck, als auf die FreiheitskämpferInnen der Zeit vor und in der bürgerlichen Revolution von 1848 und allenfalls partiell auf proletarische. Diese Sicht auf die Geschichte wird gerade auch über die Kunst vermittelt, daß die Fürsten diese wunderbaren Schlösser, Opern und Kunstgalerien geschaffen hätten, wie die Industrie-Barone (!) ökonomische Symbole durch Industriebauten und -produkte. Das geschieht ebenso über die Verklärungjener Zeit der „Aufklärung" des 17. und 18. Jahrhunderts, in der doch zumindest einige „aufgeklärte" Herrscher so unendlich fortschrittlich gewesen seien. Doch das geschah alles auf Kosten der Anderen, der Untertanen, und mit den Mitteln brutalster Gewalt. Und bis heute sehen die modernen Gesellschaften andere Völker nicht auf Augenhöhe, nicht innerhalb einer großen „Völkerfamilie" mit gleichen Rechten, sondern begreifen sie eher „folkloristisch" (und „touristisch"). Das war in den frühen bürgerlichen Gesellschaften auch so, das Proletariat nicht als Bestandteil der eigenen Gesellschaft anzuerkennen, das unbestimmt „Masse/ Menge" blieb, außen vor, fremd. Auf das Proletariat beziehen sich aber Marx und Engels. Und das nicht nur im politischen Sinn. Ihr wissenschaftlicher Standpunkt geht von der Existenz des Proletariats als Bestandteil der Gesellschaft aus, das von der „bürgerlichen" Wissenschaft quasi übersehen wurde. Dieser Standpunkt bedeutet nicht eine moralische Höherstellung der Arbeiterklasse, die - oder womöglich deren Partei - immer recht habe,
wenn Engels auch mal in diese Richtung zu argumentieren scheint, weil er dieser Klasse im historischen Prozeß Zukunftsfähigkeit zuordnet. Deren Lebensregeln des Alltags würden zu allgemeingültigen werden; auch Moral ist bei ihnen historisch bestimmt. (#20: 87f) Die bürgerliche Gesellschaft, das sind - immer noch - nur die Besitzenden.

Der Schlüssel zur Entmystifizierung von versteckter systemischer Macht und Herrschaft liegt nach der Marxschen Analyse des Kapitals - das ist eine besondere Form des Geldes, mit dem zum Beispiel in Fabriken investiert wird - in einem unscheinbaren Produkt menschlicher Zusammenarbeit, in der Ware. Die Untersuchung der Ware in ihrer realen Entstehung (nicht als bloße Setzung eines philosophischen Begriffs im Sinne einer Identität, aus der der weitere Kapitalisierungsprozeß abgeleitet wird) entschleiere die gesellschaftlichen Gewaltverhältnisse zwischen den sozialen Klassen, besonders denen von Bourgeoisie und Proletariat, sagt Marx. Denn in der Ware stecke nicht bloß Gebrauchs-, sondern auch Tauschwert. Ihre Analyse erkläre nicht nur die sichtbaren, sondern auch die unsichtbaren Strukturen der kapitalistischen Gesellschaft und der Herrschaftsmechanismen, ihre Ökonomie und ihr gesellschaftliches Bewußtsein. Während der Gebrauchswert einer Ware, wie beispielsweise eines Rocks, sichtbar, sinnlich erfahrbar sei, könne ihr Tauschwert nur mittels der Gedanken erkennbar gemacht werden, woraus sich der Anspruch an eine neue Wissenschaft ergäbe, die beides zu erfassen in der Lage sei, das Sichtbare ebenso wie das Unsichtbare, als wissenschaftliche Abstraktionen der Dinge.[20] Denn unsere Gesellschaften würden durch die unsichtbaren Tauschverhältnisse zu einer verdinglichten Warenwelt, in der die Menschen sich von ihrer Arbeit, ihrem Leben und sich selbst entfremdeten, in der sie selbst zur Ware geworden seien, in der sie sich als bloße Arbeitskraft verkaufen müßten. Diese Tauschverhältnisse bestimmen zugleich das gesellschaftliche Denken von einem bürgerlichen Standpunkt, vom bourgeoisen Interesse der Kapitalverwertung im Tauschakt aus. Mit ihrer neuen prozessual analysierenden positiven Wissenschaft setzten Marx und Engels sich vom damals gerade entstehenden Positivismus der noch nicht entfalteten Soziologie als Wissenschaft ab, ohne sich zur Differenz aber direkt zu äußern.[21]

Der Ansatz dieses Buches ist ein wissenschaftshistorischer und nicht der Versuch, eine aktuelle Politik in Form eines „Marxismus" zu stützen. Das sind einfach ganz andere Fragen. Auch mit pluralen „Marxismen" könnte wohl allenfalls nur ein historisches Fundament neuer politischer Strategien gewonnen werden.[22] Dabei die revolutionäre Gewalt zur Schlüsselfrage zumachen, wie im 19. Jahrhundert, erscheint spätestens angesichts des „Deutschen Herbstes", der hohen Zeit der mörderischen Rote-Armee-Fraktion (RAF), oder der irischen und baskischen Gewaltaktionen (IRA, ETA), endgültig anachronistisch. Marx und Engels - obwohl sie sich die Option einer gewaltsamen Revolution offen hielten - haben spätestens nach derNiederlage der „Pariser Kommune" 1871[23] diesbezüglich faktisch jede gewaltsame Aktion als kontraproduktiv verworfen und auf Wahlen gesetzt. Sie erwarteten später für England und zuletzt Engels auch für Deutschland, über legale Wege zum Sozialismus zu kommen. Nur in seltenen und ganz besonderen Situationen wird privat eine gewisse Akzeptanz politischer Gewalt deutlich. Und ganz wichtig ist: ihre Beharrung auf einen revolutionären Wandel bezog sich dabei immer auch auf die Selbstveränderung der Menschen im Klassenkampf, auf die individuelle Emanzipation. Zum Verständnis des Gewaltbegriffs muß über zwei Begriffe von Gewalt Klarheit bestehen. Sie ist einmal aktive Gewalt von Menschen gegen Menschen, wie in einer Revolution auf den Barrikaden. Der Begriff der Gewalt wird bei Marx und Engels aber meist in dem Sinne gebraucht, daß damit die Möglichkeit zur Gewalt besteht, wie zu einer gewaltlosen Revolution, oder daß zum Beispiel eine Institution, wie der Staat, die Gewalt innehat, als Gewaltmonopol. Oder auch, daß das Proletariat zwar durch seine große Menschenzahl die Gewalt innehat, sie aber nicht zu nutzen versteht. Nicht immer ist, wenn von Gewalt die Rede ist, gemeint, sie werde oder solle gar aktiv eingesetzt werden. Wenn von Gewalt in der Revolution gesprochen wird, soll möglichst eine Gegengewalt, die Reaktion, ausgeschlossen werden. Der Unterschied wird auch in der Differenz von Aufstand mit Waffengewalt - den beide scharf ablehnten - und einer (Volks-) Revolution deutlich, die gerade die Möglichkeit der Vermeidung direkter Gewalt enthält, weil die potentielle Gewalt der Revolution überzeugend ist. Gewaltexzesse fanden im19. Jahrhundert auch nicht primär beim Ausbruch der Revolution statt, sondern bei ihrer Niederschlagung!

Das Wort vom „Marxismus" entstand übrigens im Streit sozialistischer Parteien in Frankreich, zuerst als Schimpfwort der einen linken Partei gegen die an Marx orientierte andere (Wie sonst!). Andere Gegner sprachen damals meist von der „Partei Marx", denn organisierte Parteien gab es noch nicht. Marx und Engels waren gegenüber öffentlichem Ruhm eher skeptisch, lebten zurückgezogen, und wiesen einen Personenkult, wie er in der damaligen Zeit bei den Revolutionären oft vorkam, zurück, zu dem sie doch beste Gelegenheit hatten.- Auch beim Bund der Kommunisten hätten sie darauf gedrungen. (10.11.77; #34: 308) Nur in wissenschaftlicher Hinsicht hat Engels allerdings Marx als Genie bezeichnet.

Ein besonderes Problem, das in diesem Buch behandelt werden muß, besteht darin, daß Engels vorgeworfen wird, nach Marx' Tod dessen Arbeit als „Marxismus" und „Wissenschaftlichen Sozialismus" dogmatisiert und simplifiziert zu haben. Vor allem sein Manuskript „Dialektik der Natur", das über eine Materialsammlung allerdings gar nicht hinausgekommen ist, wird moniert, aber auch der sogenannte „Anti-Dühring". Andere beklagen gar Marx' Bekanntschaft mit ihm, da Engels ihn vom Pfad der philosophischen Tugend seiner ganz frühen Schriften hin zur Ökonomie gebracht habe. Beide Vorwürfe erscheinen im Licht der Marxschen Persönlichkeit und der Quellen - wie zu zeigen sein wird - generell nicht stichhaltig. Es geht um die Unterscheidung von Philosophie und von Wissenschaft im (damals) modernen Sinne, also um die Abgrenzung zur spekulativen

Philosophie Hegels! Zum einen waren beide gemeinsam Begründer des Gedankens einer neuen, positiven, aufNaturerfahrung und nicht dem Glauben basierenden prozessualen Wissenschaft. „Wir kennen nur eine einzige Wissenschaft, die Wissenschaft der Geschichte ... die Geschichte der Natur und die Geschichte der Menschen" formulierten sie für die gemeinsame Arbeit 1845 gegen die damalige Philosophie. (#3: 18) Darauf aufbauend entstand das politische Konzept. Zum anderen hat das Werk von Marx inhaltlich einen fundamentelleren und geschlosseneren Anteil, wie Engels es selbst mehrfach betont hat. Offenbar hat aber der ohne Abitur in die Kaufmannslehre gesteckte Engels, der dennoch als (autodidaktischer) Wissenschaftler ausgewiesen ist, mit seiner frühen, von Marx „geniale Skizze" (#13: 10) genannten ökonomischen Arbeit „Umrisse zu einer Kritik der Nationalökonomie" 1844 einen wichtigen Anstoß für das Marxsche Werk gegeben. Engels sei „auf anderem Wege ... mit mir zu demselben Resultat gelangt', schreibt Marx im Vorwort zur „Kritik der politischen Ökonomie" 1859, nachdem er darin als Leitfaden seiner Forschung die 1845 zusammen mit Engels skizzierte soziale Evolution faktisch als sozialwissenschaftliches Modell, als Basis-Überbau-Modell, vorgestellt hatte, wenn er das auch nicht so nennt. (#13: 8) Dieses Modell besagt, Produktivkräfte (Werkzeuge) und Produktionsverhältnisse (als Basis) bestimmen den geistigen Überbau von Gesellschaften, der auf die Basis zurückwirke. Auch Engels' Buch von 1845 „Die Lage der arbeitenden Klasse in England", dessen Daten er während einer kaufmännischen Ausbildung in Manchester „vor Ort" erhob, wird dort erwähnt und trug wohl dazu bei, Marx' damaliges noch philosophisches Dilemma zu lösen, von einem nur philosophischen Praxisbegriff zu dem der wirklichen Praxis zu kommen, die ihnen dann zum Maßstab für Wissenschaft (!) und politisches Handeln wird. Praxis ist dabei der Lebensprozeß der Menschen selbst, der ist die Praxis. Dies ist ein äußerst wichtiger Zusammenhang, den Marx in der ersten Feuerbach­These von 1845 skizziert. Bei der gemeinsamen Arbeit zur „Deutschen Ideologie" von 1845 wurde dieser Begriff dann zu einem der Fundamente des theoretischen Werks: Praxis, deren Voraussetzungen auf rein empirischem Wege konstatierbar/ feststellbar seien. (#3: 20) Und es käme darauf an, die Welt zu verändern! Und sie nicht nur immer wieder neu philosophisch zu interpretieren. Das ist also nicht nur vordergründig als politische (revolutionäre) Praxis zu begreifen, sondern zielt auf den ganzen Lebensprozeß. Auch die Sozialwissenschaft müsse sich auf die Praxis beziehen und diese als Ausgangspunkt und Prüfinstanz (!) akzeptieren, wie das ebenso in den Naturwissenschaften gelte, ohne daß von ihnen Gesellschafts- und Naturwissenschaft gleichgesetzt wurde (auch wenn sich das manchmal so anhört)! Theorie sei dann „wahr" - heißt das -, wenn sie sich in der Praxis bewährt. Die Natur/ Umwelt ist also nicht nur äußeres Objekt für die Menschen, sie „machen" handelnd ihre Gesellschaft und ihre Umwelt und verändern sich dadurch selbst. Das Denken und die Wissenschaft seien - heißt es in der „Deutschen Ideologie" - historisch entstanden, sie hätten deshalb ihr Fundament in derjeweiligen Lebenspraxis der Menschen. Diese Vorstellung war neu und mußte damals betont werden, wie manches andere auch, was uns heute selbstverständlich scheint (weil wir alle viel „marxistischer" denken als die meisten von uns wissen). Der Begriff der Praxis, den Marx in den Feuerbachthesen heraushebt, Engels betont diesen Gedanken später ebenfalls, darf aber nicht als alleiniges Instrument für das Erkennen von Wahrheit verstanden werden; etwas komplexer ist dieses Problem heute (!) schon zu sehen. Denkprozesse helfen dabei!

Die Bedeutung des dialektischen Denkens bei Marx und Engels ist umstritten. Einige Autorinnen vertreten, beide hätten unterschiedliche Vorstellungen dazu entwickelt, andere sagen, Marx hätte sich erst um 1858 von der Dialektik getrennt, Engels sei ihm dabei aber nicht gefolgt (hätte es nicht bemerkt, soll das heißen). Und ich werde hier vorschlagen, bei beiden zwar ein von ihnen selbst als dialektisch bezeichnetes Denken bis zum Lebensende zu sehen, in der Darstellung ihrer Arbeit aber schon 1845 diese Vorstellung der Dialektik in deutlicher Abgrenzung zu Hegels Dialektik zu verstehen. Dieses Denken wird um 1845 zur Marxschen Dialektik. Es ist aber schwer zu sagen, wie klar ihm selbst das gewesen ist, denn er sprach erst 1872 öffentlich von seiner Dialektik, von der er leider nur äußerst selten schreibt. Aus dem Werk wird deutlich, trotz anderer Selbstbekundung geht es ihnen um einen komplexen Prozeß. Um 1858 hat Marx bei den Vorarbeiten zum „Kapital" dann das soziologische Struktur-Modell noch weiter ausformuliert, das er zusammen mit Engels 1845 faktisch entwickelte. Hegel hatte die Widersprüchlichkeit der Dinge im Denken neu hervorgehoben, als spekulative Philosophie vom die Welt teleologisch entwickelnden Weltgeist (Gott), und damit der intellektuellen Entwicklung der Menschen seinerzeit eine wichtige Erweiterung ermöglicht, um komplexe Veränderungen erstmal überhaupt denken zu können; wir kommen darauf zurück. In der Vorstellung Marx' und Engels' entsteht demgegenüber ein Prozeß als reale soziale Evolution, eine moderne Gesellschaftstheorie. Wichtig ist für ein erstes Lesen ihrer Werke nicht primär die Frage, ob beziehungsweise wie genau die Änderungen der Methode bei Marx und Engels sich entwickelten, sondern es geht darum, zu verstehen, was sie aussagen wollten und welche Schritte zur modernen (!) soziologischen Theorie sie bereits machten. Um dieses soziologische Modell zu verdeutlichen, verweise ich auf die prozeßhafte Entwicklung von Gesellschaft, auf Selbstreferenzialität im Sozialen und Autopoiese in der Natur.[24] Bei der theoretischen Formulierung eines gesellschaftlichen Prozesses geht es darum, nicht nur statische gesellschaftliche Zustände zu betrachten (wie der „bürgerlichen" Wissenschaft unterstellt wird). Marx wie Engels sahen auch eine evolutive Entwicklung in der Natur, in der der Mensch keine Rolle spielte - beide! Das betrifft eine der strittigen Fragen, auf die zurückzukommen ist. Übrigens hatte meine Interpretation es leichter als frühere, weil wichtige Schriften der beiden erst Anfang des 20. Jahrhunderts publiziert worden sind. Hier konnte - und das klärt und betont den Denkprozeß, den beide durchmachten - schlicht chronologisch vorgegangen, von vorn bis hinten gelesen werden. Sie schildern ihre Vorgehensweise, besonders den Anspruch einer nicht-hegelschen Sozialwissenschaft, nämlich ziemlich eindeutig, wenn auch nicht immer sehr präzise.

Ich stelle nun (2011) auch die Bedeutung der Sozialwissenschaft noch besonders heraus. Was klarer zu sein scheint, wenn „bloß" von Geschichte gesprochen wird, daß wir Menschen alles, was wir historisch erkennen, nur als menschliche Geschichte erkennen können, selbst die reine vormenschliche Naturgeschichte, das gilt ebenso für die Sozialwissenschaft insgesamt und ergibt ein wichtiges Problem: Analysen im Sozialen müssen immer (erst mal) unterstellen, was untersucht werden soll, Gesellschaft. Sie kann nur von einem gesellschaftlich geprägten Blick her analysiert werden. Heute ist das viel selbstverständlicher als im 19. Jahrhundert. Aber immer noch wird oft - vor allem auch in der Naturwissenschaft und in den philosophischen Fächern - von einer primären Beziehung des biologischen Menschens zu seinem Lebensprozeß und zu seiner Erkenntnisfähigkeit gesprochen. Da Menschen biologisch alle gleich seien, soll das heißen, sei auch ihr Denken gleich - woraus sich ein direkter Zusammenhang zwischen Biologie und Sozialem zu ergeben scheint (Determinismus).[25] Wir werden noch sehen, daß nicht das Biologische, sondern das Soziale das Denken aller (biologisch gesunden) Menschen prägt. Deshalb gilt es für die hier besprochene Zeit der Entwicklung einer neuen Sozialwissenschaft - unter anderen durch Marx und Engels - von dieser stets auszugehen, nicht von Naturwissenschaft. Selbst die Naturwissenschaft gilt es als sozial konstituiert zu begreifen.

Quellen, Einordnung

Der vorliegende Text konzentriert sich aufjene Fragen, die für mich besonders klärungsbedürftig waren, als ich anläßlich einer Beschäftigung damit, welche Rolle Marx und Engels für die Soziologie spielten, diesen Text zu schreiben begann. Schon in den 70er Jahren hatte ich mit dem Lesen der Marx-Engels-Werke (MEW) begonnen; seinerzeit mehr in politischer Hinsicht. Trotz sehr kritischer, wenn auch rückblickend noch nicht hinreichender Distanz zu UdSSR und DDR, sowie zu anderen Spielarten der Sowjetideologie, blieben Zweifel an der Lesart. Heute erweisen sich diese Zweifel als berechtigt, manche erinnerte Definition war doch den Vorgaben der Sowjetideologie verhaftet, stammte weniger aus den MEW als aus dem „Wörterbuch der marxistisch­leninistischen Soziologie" und dem „Wörterbuch der Philosophie" aus dem geistigen Fundus der DDR. Andere waren - so zeigte ein erstes neues Anlesen - aber auch durchjene, nach der „westlichen" studentischen Rebellion von 1968 entwickelten Interpretationen allzusehr geprägt, die Hegel noch mehr als Marx überhöhten - idealisierten, wie wir das auch nennen. Ich kam relativ plötzlich (und Ende 2004 viel zu früh) auf dieses Projekt zurück, nachdem ich viele Jahre mit Soziologie allenfalls in oberflächlicher Weise in Berührung gekommen war. Die Hinwendung zu dieser Studie war - mit anderen Worten - ebenso Erinnerung wie auch Rekonstruktion wissenschaftlichen Arbeitens. Die „Klassiker" der sozialistischen Literatur in einen weiten Rahmen einzubinden, hilft zum Verständnis der Vorstellungen, die - was nicht immer hinreichend bedacht wird - schließlich aus der Mitte des 19. Jahrhunderts stammen. Immer wieder finden sich heutzutage zum Beispiel Stellungnahmen, die die kritische Distanz Marx' und Engels' zu Demokratie und Menschenrechten mit unserer heutigen Sicht und Erfahrung konfrontieren, ohne die damaligen Begründungen und Erfahrungen aus der Mitte des 19. Jahrhunderts im Verlaufe revolutionärer Zeiten zu bedenken.

Dabei gibt es zumindest fünf mögliche Sichtweisen aufihr Werk. Natürlich gäbe es die, wesentlich Wissenschaft und Politik bei ihnen als Politik (1) zu untersuchen, wie das etwa im Streit um die politische Richtung der zweiten Internationale der Arbeiterbewegung ab 1893 geschah. Das bleibt hier ebenso außen vor, wie die rein ökonomische Betrachtung (2). Meist wird primär Marx aus der methodischen Grundlage der Hegelschen Philosophie interpretiert; dann ergeben sich oft Kritiken an Engels, der habe Marx nicht folgen können. Das kann eine sinnvolle Herangehensweise sein, den Weg des Denkens bei Marx und Engels zu verfolgen (3). Schließlich ist die Logik selbst als Erkenntniskritik zu nennen (4). In diesem Text werden Marx und Engels aus der Sicht der modernen Soziologie (5) interpretiert, wenn auch nur „in groben Zügen". Worum es dabei nicht geht, ist eine systematische Überprüfung der Forschungsergebnisse aus dem 19. Jahrhundert mit heutigen Erkenntnissen. Das wird gelegentlich zur Sprache kommen, etwa, ob wir noch sinnvoll von „Urkommunismus" sprechen sollten (Nein), oder ob die Vorstellung einer statischen Lebensweise asiatischer Despotien noch zeitgemäß ist (Nein), auch Dialektik und soziale Evolution halte ich für überholte Begriffe. Doch soll hier der konzeptuelle Grundgedanke zusammengefaßt, die damalige Vorstellung von Marx und Engels nachempfunden werden. Was wollten die eigentlich, und wie verstanden sie ihre Welt? An der Frage nach dem Urkommunimus wird deutlich werden, wie ich zuerst versuche, ihre Position nur dazustellen; spätere Überlegungen zeigten dannjedoch, heutiges Wissen kann dazu nicht ignoriert werden.

Rückwärtsblickend schien es möglich, die moderne Soziologie zu Marx und Engels zurück zu führen, zu sagen, sie seien für die Begründung dieses Faches wichtiger gewesen, als auch in der Soziologie meist anerkannt, weil viele noch heute wichtige Aussagen von ihnen erstmals ausgesprochen wurden. Diese ersten Überlegungen, dieses Zurückgehen, werden in diesem Buch aber nicht erläutert. Sondern es beginnt mit dem zweiten Schritt und stellt die Entwicklung ihrer gemeinsamen Ansicht dar. Gerade aus der Sichtweise der Soziologie ergibt sich als hochplausibel, den eigenen Bekundungen von Marx und Engels zu folgen, sie hätten bereits um 1845 mit Hegel wie mit der Philosophie insgesamt und dann auch dem zweiten für sie besonders wichtigen Philosophen, Ludwig Feuerbach (1804 - 1872), gebrochen. Marx wollte sogar seine eigene dialektische Methode im „Kapital" verstecken, um das Buch zu popularisieren! (9.12.61; #30: 207) Überhaupt ist Dialektik in ihren Schriften nur ein Thema am Rande. Allerdings blieben sprachlich manche „Hegelianismen" in ihrer Arbeit zurück.[26] Doch bei einem ersten Lesen der Werke von Marx und Engels müssen die nicht intensiv berücksichtigt werden. Womit nicht gesagt wird, es sei sinnlos, sich damit zu beschäftigen, wie sie im einzelnen zu Hegel, Feuerbach und anderen standen, wo ihre eigenen geistigen Wurzeln sind - aber das ist ein anderes Thema. Deshalb wurden zuerst Bezüge auf Hegel nicht bei Hegel selbst gewonnen, sondern vor allem bei Marx und Engels. Mittlerweile habe ich dieses Thema ergänzt. Nach fast einem ganzen Jahrhundert realen Sozialismus' ist meine Ausgangs-Frage, wie ist das Werk der beiden nach so vielen Debatten und Erfahrungen in ihrem Sinn (!)zu interpretieren? Wie kann das einmal möglichst werktreu geschehen und dennoch modernen Vorstellungen entsprechend? Dazu müssen die historischen Rahmenbedingungen mit überprüft werden, von denen aus bestimmte wissenschaftliche (und politische) Aussagen her entwickelt wurden.

Die besprochenen Arbeiten dieser beiden berühmten Figuren der Geschichte sind primär jene, die in den Marx Engels Werken aus dem Dietz-Verlag (Berlin/ früher: DDR) nach der russischen Vorlage erschienen sind. Ergänzend wird weiteres wissenschaftliches Schrifttum einbezogen.[27] Zu klären ist, wann die beiden - die ab ihrer Flucht aus Deutschland von 1850 bis zu ihrem Tode in England lebten - als Wissenschaftler überhaupt wahrgenommen wurden, ab wann als Politiker? Die frühen deutschen Soziologen und Ökonomen setzten sich um die Wende zum 20. Jahrhundert mit Marx zuerst ganz normal auseinander - selbst der konservative Volkskundler Riehl (Hauptwerk: „Die Familie...") hat eine in Grenzen lobende Rezension zu Engels' „Lage der arbeitenden Klassen in England" geschrieben. Das mag dann auch mit den Erfolgen der deutschen Sozialdemokratie zu tun gehabt haben, die anfing, auch für „bürgerliche" Intellektuelle interessant zu werden, für manche auch einen Standort und eine Karrierechance zu bieten. Und mit den studentischen Rebellionen von 1968 gewannen die Arbeiten von Marx und Engels in neuer, in „neo-marxistischer" Lesart, einen erheblichen Einfluß auf die westlich orientierte Sozialwissenschaft, nachdem die Interpretation in der sowjetisch orientierten bereits zum Dogma verkommen war. Denn manche soziologische These der beiden, die sie selbst nicht ausdrücklich erläutert haben, wurde später von anderen WissenschaftlerInnen aufgegriffen und als richtig begründet. Und darauf stützt sich dieses Buch in besonderer Weise, zum Beispiel bei der individuellen Menschwerdung aufDux, bei der Institutionalisierung aufBerger/ Luckmann und weiteren mehr. Die soziologische Qualität der „Klassiker" wird also zum Teil mit Werken der modernen Soziologie untermauert. An dieser Stelle sei nur eine These erläutert, auf die immer wieder zurückzukommen sein wird, sie wird heute dem Soziologen Merton zugeschrieben: rationales menschliches Handeln führe stets zu unintendierten gesellschaftlichen Folgen. Doch schon 100 Jahre früher haben Marx und Engels das in ihrer Arbeit „Die deutsche Ideologie", im Teil „Feuerbach", formuliert: durch ihr Handeln in der Natur mittels der Arbeit produzierten die Menschen zugleich die Verhältnisse, die dann die Gesellschaft bilden, in der gleichen Weise, wie sie auch ein Stück Stoff produzierten. Zusammen entwarfen sie dazu etwas, was wir heute ein soziologisches Modell nennen, das Basis-Überbau-Modell, wie es in diesem Buch genannt wird, ein Modell, mit dem sozialer Wandel bis heute wissenschaftlich ziemlich gut beschreibbar ist - 1845!

Das Marxsche Hauptwerk „Das Kapital - Kritik der politischen Ökonomie" wurde beim Erscheinen 1867 in Fachkreisen zu Marx' großer Enttäuschung in der Wissenschaft wenig beachtet, von einer „Verschwörung des Schweigens" ging er schon beim Vorläuferband, der „Kritik der politischen Ökonomie" von 1859 aus. (28.12.62; #30: 640) Das Erscheinungsjahr des ersten Bandes des „Kapitals" war nun aber auch ein dafür nicht günstiges Jahr. Zwanzig Jahre lag die bürgerliche Revolution von 1848 - 49 zurück, in der Marx und Engels mit ihrer „Neuen Rheinischen Zeitung" eine wichtige Rolle gespielt und unmittelbar zuvor das „Kommunistische Manifest" geschrieben haben. Die deutsche Bourgeoisie, primär die Finanzbourgeoisie, hatte letztlich einen Sieg über den Feudalismus in dieser Revolution verweigert, weil sie das reale Bündnis mit der Arbeiterklasse in der spontanen Revolution im März 1848 in Berlin schnell mehr fürchtete als den Machterhalt des Adels, mit dem sie deshalb in den neuen Nationalversammlungen in Frankfurt für Deutschland und beispielsweise in Berlin für Preußen das Bündnis suchte. In Preußen war das die sogenannte Politik der Vereinbarung (!) einer konstitutionellen Verfassung zwischen Bürgertum und der Krone, nicht die Vollendung der Revolution. Zu deutlich war die Erinnerung an die große Französische Revolution von 1789 mit dem ihr folgenden Terror, zu groß die Angst vor einer weitergehenden proletarischen Revolution, für die immer erkennbarer Marx und Engels standen, nachdem die zuerst beim Bürgertum gut angesehen waren. Doch zwanzig Jahre später war das öffentliche Interesse ein anderes als bei der Konzeption des Textes. Die Arbeiterbewegung hatte sich zwar in Deutschland 1863 unter Ferdinand Lassalle erstmals organisiert,[28] der sich politisch nur beiläufig auf Marx bezog und mit Bismarck kooperieren wollte, wie Wehler bestätigt. (1995: 278) 1869 folgten die „Eisenacher" unter Wilhelm Liebknecht und August Bebel als weitere Arbeiterpartei, die bald bedeutender war und der Marx und Engels zuarbeiteten. Beide Gruppen vereinigten sich 1875 zur deutschen Sozialdemokratie. Die erste „Internationale Arbeiter-Assoziation" (Internationale) war 1864 unter dem deutlichen inhaltlichen Einfluß Marx' (und Engels') mit der Stoßrichtung entstanden, es könne erst nach einer bürgerlichen Revolution und einer gewissen Entwicklung der Industrie eine proletarische Revolution in einer ökonomischen Krise (!) erfolgreich eine freiheitliche und demokratische Zukunft einleiten. Der Arbeiterschaft wurde also eine komplexe Theorie zugemutet, nach der sie klug strategisch vorgehen müsse, um erfolgreich zu sein. Diese Position stand gegen die eher anarchischen Vorstellungen einerjederzeitigen vollständigen Autonomie der Individuen, die durch „Abschaffung" des Staates und nicht dessen prozeßhafter (innerer) Überwindung erreicht werden sollte. Auch frühsozialistische AutorInnen hatten sich bei ihren Wunschvorstellungen kaum um die Bedingungen gekümmert, unter denen ihre Pläne erfolgreich sein könnten. Doch die industrielle Entwicklung verlief dann weniger krisenhaft als gedacht und sogar relativ erfolgreich. Eine so große Verelendung, wie früher in England, dessen Entwicklung Marx und Engels intensiv studiert hatten, blieb in Deutschland aus. Die Industrie wuchs, der Imperialismus mit der beginnenden Unterjochung reicher Gebiete und der Völker der Welt stand vor der Tür (England herrschte schon seit 1757 über Indien, China wurde gerade mit englischen Kanonenbooten zur Öffnung seiner Häfen gezwungen, ebenso Japan durch die USA). Das Deutsche Reich befand sich seit dem erfolgreichen Krieg gegen Österreich von 1866, als nach dem Deutschen Bund der Norddeutsche Bund entstand, in der Gründung und wurde von seinen Nachbarn kritisch angesehen.[29] Wenig später, 1870, wurde Frankreich durch Bismarck zum Krieg provoziert (Emser Depesche), der 1871 mit Frankreichs Niederlage und dann mit der demonstrativen, den Gegner erniedrigenden deutschen Kaiserkrönung in Versaille endete.[30] Nach dem Waffenstillstand mit Deutschland war es im eingekesselten Paris zur Wahl eines kommunalen Parlaments gekommen, welches einige Zeit später die „Pariser Kommune" gegen die neue französische Bourgeois-Regierung als Republik ausrief. Während die deutschen Siegertruppen am Stadtrand warteten, ließ Bismarck die französischen Truppen den Krieg gegen die „Kommune" führen, deren Niederlage mit einer Gewaltorgie durch die französische Bourgeoisie besiegelt wurde.

1867 gab es also am „Kapital" - von dem dennoch die zweite Auflage 1872 erscheinen konnte - nur ein geringes fachwissenschaftliches Interesse, das von vornherein eher gegen dieses Buch, auf dessen Widerlegung eingestellt war, das auch mit dem Anspruch auftrat, die „bürgerliche" Wissenschaft der „Vulgärökonomie" zu überwinden. In der Arbeiterbewegung und ihrem engeren Umfeld fand es bald internationale Anerkennung. Oft wohl, ohne hinreichend verstanden worden zu sein. Der später führende Sozialdemokrat Wilhelm Liebknecht, der damals mit Marx und Engels bereits lange zusammenarbeitete, wird schon bei Erscheinen des Vorläuferbandes von 1859 „Zur Krititk der politischen Ökonomie" damit zitiert, nie zuvor habe ihn ein Buch so enttäuscht. (22.7.59; #29: 463) Wahrscheinlich hatte er eher an eine Fortsetzung des „Kommunistischen Manifests" gedacht. Denn das war Marx' Problem, er hielt es nicht für nötig, den Sinn seines Werks im Zusammenhang mit der Politik zu erklären, warum er ein relativ trockenes und rein wissenschaftliches Buch vorlegte. Mit dem „Kapital" kam 1867 keine Handlungsanweisung für die Revolution oder womöglich für das Parlament heraus, sondern ein Buch zur ökonomischen Wissenschaft, eines zur empirisch gefaßten Anatomie der bürgerlichen Gesellschaft - ein ökonomisches und ein implizit soziologisches Buch! Es ist aber auch kennzeichnend, daß Liebknecht als langjähriger Mitstreiter der Partei Marx nicht wußte, was es enthalten würde. Dieses Werk vertiefte zudem faktisch eine gefährliche Illusion - die des baldigen notwendigen (!) Untergangs des Kapitalismus aus sich selbst, aus seinem eigenen Funktionieren heraus, wie es schon 1848 im „Kommunistischen Manifest" skizziert worden war. So als ob die Arbeiterbewegung darauf warten könne, weil der Sozialismus sowieso käme. Wurde Marx falsch verstanden? Tatsächlich wird im „Kapital" ein Musterbeispiel des sich selbst verändernden Prozesses analysiert, wenn Rationalisierungen durch Konkurrenz der Fabriken untereinanderjene aus der Produktion verdrängen, die den Mehrwert erschaffen, die Arbeiterinnen! Im Vorwort von 1867 ist vom naturgeschichtlichen Prozeß und vom ökonomischen Bewegungsgesetz der modernen Gesellschaft die Rede, im Nachwort von 1872 sinngemäß vom notwendigen Untergang des Kapitalismus...

In der Politik war während ihrer revolutionären Arbeit von der „Partei Marx" die Rede, später in Teilen der deutschen Sozialdemokratie von Marx und Engels als den „beiden Alten in London", (Mehring, 1960: 526) deren Rat zwar gesucht wurde, deren Forderung nach einer revolutionären Programmatik bei der Vereinigung mit der Partei des bereits verstorbenen Lassalles aber beispielsweise wohlweislich dem Einigungsparteitag in Gotha verschwiegen wurde, um ihn erfolgreich durchführen zu können, um die Lasselleianer nicht zu verschrecken. Von dem Podest, auf das Lenin und Stalin sie dann stellten, als sie zu Säulenheiligen der Sowjetmacht erklärt wurden, müßten sie heruntergeholt werden können, um sie als bedeutende Persönlichkeiten des 19. Jahrhunderts wirklich würdigen, um sie - sozusagen - in die Wissenschaftsgeschichte zurückholen zu können.

Dabei soll und kann nicht der Anspruch erhoben werden, die unübersehbare Marx-Engels­Rezeption, also die Literatur darüber, komplett zu berücksichtigen, allzumaljene nicht, die die Heiligsprechung zur Voraussetzung hat. Die 42 Bände der MEW umfassen das schriftliche Werk und die überlieferten Briefe, die sie untereinander und an andere geschrieben haben, in sprachlich an modernes Deutsch angepaßte Schreibweise, während die weit umfangreichere - noch unvollendete - Marx Engels Gesamt Ausgabe (jetzt „MEGA[31] " = MEGA-zwo) Texte in Originalsprache und -schreibweise wiedergibt. Das ist besonders auch für die Forschung zu den - hier nicht im Mittelpunkt stehenden - Bänden II und III des „Kapitals" interessant, die von Engels zusammengestellt wurden (der Band IV, den zuerst Kautsky herausgab, wurde nicht in die MEW übernommen, sondern dafür neu redigiert). Ich gehe primär von den MEW aus; das bedeutet: der erste Band des „Kapitals", der darin in der vierten Auflage übernommen wurde, basiert schon auf dem Text der zweiten Auflage von 1872, die gegenüber der ersten Auflage wichtige Veränderungen durch Marx erfuhr. Mein Vorgehen bedeutet auch einen gewissen Abstand zur ganz aktuellen Forschung, denn es gibt eine Diskussion, die sich fast nur anhand der handschriftlichen Originalmanuskripte oder deren Wiedergabe in der Marx Engels Gesamt Ausgabe austauscht, in der auch eine viel größere Zahl als in den MEW abgedruckt ist, Notizen, Entwürfe, Manuskripte.[32] Es konnten aber nur in Ausnahmefällen die ganz aktuellen Thesen der Fachmenschen in diesem Forschungsfeld in meinen Text eingeführt werden.

Marx und Engels waren kein wissenschaftliches, sondern nur ein politisches Team.

Engels' Texte sind meist populär geschrieben, als wissenschaftlicher Journalismus, was in keinster Weise als Herabsetzung gemeint ist, es ist nur eine andere Arbeitsform. Daraus mögen sich bei ihm Vereinfachungen gegenüber Marx ergeben haben, dessen Texte er oft zu erklären hatte! Aber es ist nicht zu erkennen, Engels habe als Wegbereiter der Sowjetideologie oder nur des damaligen sozialdemokratischen Dogmatismus eines automatischen Untergangs des Kapitalismus gewirkt, ohne daß dies für Marx ähnlich gelten müßte, wie zu zeigen ist. Marx hat Positionen, die heute in diesem Sinne als umstritten gelten, zumindest - unwidersprochen - gekannt, wenn nicht selbst benutzt. Oder es geht heute um Differenzen, die nur intensiv in die Materie eingearbeiteten Leuten verständlich werden, wie beispielsweisejene Diskussion in den „MEGA-Studien", die Backhaus/ Reichelt angestoßen haben. Sie sehen bei Engels einen „latenten Dissens" zu Marx, der dafür aber mit verantwortlich sei. (1994; dazu Heinrich, 1995; Steinvorth, 1977: 49fP) Das Problem besteht nicht zuletzt deshalb, weil beide lange Jahre primär als „unfehlbar" galten, in östlicher wie in westlicher Diktion. Viele ihrer Texte führen im Titel das Wort „Kritik". Damit ist in der Wissenschaft eine produktive wissenschaftliche Arbeit gemeint. Kritik meint in diesem Sinn, die Widersprüche zu entfalten, die in der gesellschaftlichen Wirklichkeit oder in wissenschaftlichen Arbeiten bestehen, zum Beispiel in der Arbeit von Marx und Engels, deren Aussagen zum Staat ich beispielsweise für ganz unzulänglich, im besten Sinne für kurzsichtig halte, nämlich nur bis zur stets erwarteten Revolution sehend, die aber nicht kam. Erst dadurch konnte sich wohl die reformistische Staatsvorstellung Lassalles weitgehend durchsetzen.

Eine Frage bei der Beurteilung von Texten ist offensichtlich - wie manche Diskussion zeigt -, wie weit die Persönlichkeit von AutorInnen deren nachgelassene Werke mit bestimmen. Gut einhundert Jahre nach dem Tod Marx' (1818 - 1883) und Engels' (1820 - 1895), von denen die meisten weltweit von starken kommunistischen Kräften mit geprägt wurden, die die Werke der beiden nach eigenen Interessen interpretierten und dabei verfremdeten, gibt es nur noch das schriftliche Werk, gibt es nur noch das historische Wirken zweier Persönlichkeiten des 19. Jahrhunderts. So wie beispielsweise auch das Werk Darwins (1809 - 1882) über die Entstehung der Arten, in dem die Evolution der Natur (generell als bis heute gültig) aufgezeigt wird, und das selbst einen deutlichen Einfluß der damaligen Zeit aufweist, nicht primär nach dessen politischer Einstellung zu bewerten ist. Oder wie die Forschung Alexander von Humboldts (1769 - 1859) heute nicht danach zu beurteilen ist, ob er sich - wie Engels schreibt - dazu hergab, im Sinne des preußischen Throns in Paris 1845 Marx' Ausweisung zu betreiben. (#19: 291) So kann auch nicht für die Schriften Marx' und Engels' als Maßstab gelten, welchen Umgang sie zum Beispiel mit politischen Partnern/ Gegnern pflegten, aus deren Kreis sie mindestens ebenso hart angegriffen wurden. Bei der Beurteilung von Texten ist ein weiteres Problem, das auch in der heutigen „marxistischen" und sozialistischen Diskussion oft mißachtet wird und deshalb hier anzusprechen ist, daß sie primär nur in ihrem Sinn verstanden werden können, wenn sie in der Zeit ihrer Entstehung gesehen werden.[33] Zu oft wird einem alten Begriff ein heutiger Sinn unterlegt, etwa aus den Erfahrungen des realen Kommunismus des 20. Jahrhunderts über den Begriff der „Diktatur des Proletariats" des 19. Jahrhunderts geurteilt.[34] Die Lebensweise in den sowjetisch orientierten Diktaturen hatte damit wirklich überhaupt nichts zu tun, wie zu zeigen sein wird. Auch unsere Beurteilung ist wiederum auf unsere eigene Zeit verwiesen. Die Gültigkeit der Interpretation wissenschaftlicher Arbeiten kann nicht nur individuell beansprucht werden. Darüber hinaus bestimmt auch der Konsens der WissenschaftlerInnen der entsprechenden Scientific community, also die Akzeptanz einer wissenschaftlichen Aussage in der wissenschaftlichen Gemeinde,[35] was als „wissenschaftlich" anerkannt ist. Das ist kein so sehr neuer Gedanke: „Wer soll über die Grenzen der wissenschaftlichen Forschung entscheiden, wenn nicht die wissenschaftliche Forschung selbst?", fragt schon Marx - 1842. (#1: 90) Wenn wir heute Marx und Engels interpretieren, müssen wir also wissen, was sie mit bestimmten Ausdrücken gemeint haben. Das ist nicht immer einfach, zumal keine Einigkeit in den verschiedenen Schulen der Interpretation herstellbar ist. Einige der umstrittenen Begriffe zeigen sich schlicht als Metaphern, als bildhafte Übertragungen, die heute nicht mehr gebräuchlich sind, wenn etwa von Naturgesetzen im Sozialen die Rede ist, oder von Naturgeschichte im Sinne von Sozialwissenschaft die Rede ist, die sich nach Gesetzen entwickle. Solche Gesetze werden lediglich wie die der Naturwissenschaft verstanden, nur analog zu ihr. Weil es eine Reihe von Phänomenen gibt, die auch in einer Gesellschaft voraussagbar sind, zum Beispiel die Höhe der Kriminalität oder die Geburten- und Sterbefälle, konnte damals die Vorstellung aufkommen, es könne generell im Sozialen wie in der Natur eine Gesetzeswissenschaft entstehen, wie schon bei den Naturwissenschaften, speziell der Physik und der Chemie. Im Zusammenhang mit der Gesellschaft war zuerst sogar von „sozialer Physik" die Rede. (Quételet, Comte) Es galten damals generell unbeinflußbar scheinende Entwicklungen als naturgesetzliche Bewegungen, als Gesetze der Natur der Gesellschaft! Die Wissenschaft war seinerzeit primär von den Methoden der damals erfolgreichen Naturwissenschaft geprägt, die der Industrie diesen enormen Aufschwung ermöglichte. Marx und Engels gingen mit ihrer „positiven Wissenschaft" einen eigenen anderen Weg und sprachen zuerst von Geschichte, um beide - Gesellschafts- wie Naturwissenschaft - zu verbinden. Es gäbe nur eine Wissenschaft, die der Geschichte, heißt es mal, die Geschichte der Natur (!) und die der Gesellschaft (!), die dann aber weder Natur- noch Gesellschaftsgeschichte im damals aktuellen Sinn sein sollte, sondern eine neue Wissenschaft. Denn ihre Vorstellung von Geschichte war vor allem der Prozeß, das Werden und Vergehen. Mit dem Blick auf die historisch-genetische Theorie - den ich mit der 3. und vor allem 4. Ausgabe dieses Buches ergänzend entwickelte - läßt sich sagen, daß mit dieser neuen Position von Marx und Engels versucht (!) wird, eine neue Logik der Welterklärung auszubilden. Gegen den Idealismus der spekulativen Philosophie ist der Materialismus der beiden darauf gerichtet, vom Vorrang der Natur auszugehen, aus dem sich die Menschen und dann die Gesellschaften erst entwickelten, insofern Natur- und Gesellschaftsgeschichte. So entstand bei ihnen eine positive, also eine empirische Wissenschaft, deren Ergebnisse zugleich prozeßhaft interpretiert werden. In ihren eigenen Aussagen dazu geht es aber mehr darum, daß sie sich seinerzeit von der Philosophie lösten und von ihr sich inhaltlich abgrenzten, als darum, ausdrücklich eine soziologische positive Wissenschaft basierend auf einer neuen Logik zu begründen; das gilt es immer zu bedenken. Aussagen zu ihrer Wissenschaftsvorstellung sind knapp gehalten.

Ein besonderes Problem bei diesen beiden Autoren ist auch: manches scheint von individuellen Befindlichkeiten mit geprägt, wie zum Beispiel die Arbeit an dem Buch „Die Heilige Familie" von 1845 zeigt, damit sind Bruno Bauer und andere Mitglieder der progressiv-liberalen Junghegelianer in den 40er Jahren gemeint, die in Preußen ein gewisses intellektuelles Aufsehen gegen den königlichen Machtanspruch erregten. Zu ihnen haben Marx wie Engels nacheinander selbst in Berlin gehört, bevor sie sich kennenlernten; Engels nennt Teile der „Deutschen Ideologie", in der diese Kritik fortgesetzt wird, später eine „grenzenlos freche Arbeit". (12.6.83; #36: 39) Das gilt ähnlich für Marx' Arbeit gegen Proudhon von 1847 „Das Elend der Philosophie", die er später selbst als „polemisch" beurteilt, wohl weil sie den kritisierten Proudhon auch persönlich angreift. (#13: 10)

Interessant ist es, wenn die jeweilige Zeit für die Entstehungsgeschichte einer Arbeit substantielle Bedeutung hat. Für Darwins sprachliche Darstellung vom „Kampf ums Dasein" ist beispielsweise ganz offenkundig die damalige Vorstellung des englischen Bürgertums von der eigenen Lebens-Welt das Vorbild, speziell wie sie von Malthus (1798)[1] formuliert wurde, von dem er diesen Begriff übernahm. So wurde die Theorie der Evolution der Natur in mancher Formulierung, wenn auch nicht im intendierten Sinn der Aussage, deutlich Produkt ihrer Zeit des Klassenkampfes der Bourgeoisie gegen das Proletariat, die im 19. Jahrhundert miteinander ums Dasein kämpften. Darwin - dessen Arbeit Marx' und Engels' als naturwissenschaftliche Bestätigung ihrer eigenen Wissenschaft sahen, und der deshalb für das hier behandelte Thema eine gewisse Bedeutung hat und eine Rolle spielt - wandte sich selbst in späteren Auflagen seiner erstmals 1859 publizierten Arbeit „Über die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl..." gegen eigene Formulierungen, die nur umgangsprachlich gemeint gewesen seien. Zu Recht, denn die Formulierungen „Kampfums Dasein" (Struggle for Life) oder das „Überleben der Fittesten", (Survivel of the Fittest) wie es bei Spencer (1864)[36] heißt, dessen Begriff Darwin später als „zutreffender und zuweilen gleich bequem" kennzeichnet, entsprechen wissenschaftlich auch gar nicht dem, was damit ausgesagt wird. Darwins spätere Arbeit „Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl" (1875) geht wissenschaftlich noch hinter manche unglückliche Formulierung der „Entstehung..." zurück und vermengt Natur und Soziales trotz Selbstkritik. Engels spottet sehr viel später in einem Brief an Lawrow einmal, bis zu Darwins Veröffentlichung „betonten grade die Leute, die jetzt nur überall Kampf ums Dasein sehn ([Karl] Vogt, [Ludwig ]Büchner., [Jacob] Moleschott u. a.) grade das Zusammenwirken der organischen Natur, wie das Pflanzenreich dem Tierreich Sauerstoff und Nahrung liefert, und umgekehrt das Tierreich den Pflanzen Kohlensäure und Dünger, wie dies namentlich von Liebig hervorgehoben worden war. Beide Auffassungen haben ihre gewisse Berechtigung innerhalb gewisser Grenzen, aber die eine ist so einseitig und borniert wie die andre". (12.11.75; #34: 169) Tatsächlich ist in der Evolutionstheorie heute nicht vom Durchsetzen, sondern von Überleben oder Anpassung bestimmter - nicht: besserer - Eigenschaften über die Generationenwechsel (!) die Rede. Einige Individuen gleicher Eltern, zum Beispiel die Samen eines Baumes, haben durch mutierte/ veränderte Gene leicht abweichende Eigenschaften und überleben, wo andere „Geschwister" das nicht können. Die Rede ist nicht etwa die von „guten starken" Individuen, sondern nur die von „anderen" Eigenschaften. Und es ist später noch darüber zu sprechen, welche Rolle die soziale Evolution in der Soziologie spielt und welche bedeutende Differenzen zwischen der Evolution in der Natur und in Gesellschaften bestehen, aber auch, ob eine beziehungsweise welche Regelhaftigkeit theoretisch für beide zu formulieren sind. Wie kommt beispielsweise ein moderner Soziologe, wie Habermas - der nun wahrlich mit rassistischem „Sozialdarwinismus" nichts am Hut hat - dazu, soziologisch von evolutionärer Selektion zu sprechen? Darwin hat mit der Auffassung, es seien die Stärksten, die Gesundesten, oder die reinere Rasse, die sich im Kampf durchsetzen, allerdings mehr zu tun, als ich zuerst dachte. Eingebunden in seine Zeit wird schon eine rassistische Überheblichkeit gegenüber anderen Völkern sichtbar und auch die „rassische Gesundheit" eines Volkes angesprochen. (vergleiche Exkurs: Darwin) Es geht ihm aber nicht primär um den direkten Kampfbei der Fortpflanzung in einigen zoologischen Arten, den röhrenden Hirschen etwa, wenn das auch mit der geschlechtlichen Zuchtwahl in der „Abstammung..." deutlicher betont wird. Das Prinzip der Auslese/ natürliche Zuchtwahl gilt ebenso für die diesbezüglich offenkundig passive Mistel, die er gern als Beispiel nimmt. Durch nichts ist auch beweisbar, daß die zukünftig erfolgreichen Exemplare der Erblinie den röhrendsten Helden nachfolgen (vielleicht sitzen die Affen deshalb noch auf den Bäumen, weil sich bei ihnen die körperlich starken Individuen bei der Zeugung durchsetzten, während bei Menschen die Damen andere Qualitäten in der Auswahl bevorzugten, die nicht so einseitig ist wie es manchmal heißt). Nicht Individuen, sondern durch Mutation (im allgemeinsten Sinn) veränderte Genstrukturen haben bessere Entwicklungschancen, wenn sie bezogen auf die Umwelt angepaßter sind als andere und ein Biotop besetzen können, auf denen andere Nachgeburten ihrer Art nicht siedeln können, und erzeugen so vielleicht eine neue Art. Und diese Gene tun nichts, sie passen einfach zur Umwelt, oder nicht, planlos, durch Zufall, wie manchmal gesagt wird.[37] Eine Pflanze tut nichts, um sich gegen Freßfeinde zu schützen, sondern weil sie nun mal bestimmte Eigenschaften aufweist, sie diese aber nicht zielgerichtet - teleologisch - gegen Freßfeinde „entwickelt hat", überlebt sie Freßfeinde und bestimmte Umwelten. Dabei können bestimmte Pflanzen offenbar durchaus auf Freßfeinde reagieren. Sie haben eine Strategie gegen sie, aber sie entwickeln sie nicht zielgerichtet. Doch es überleben eben nur die, die diese Abwehrmöglichkeit aufweisen. Solche Prozesse der Selektion finden in allen Populationen, seien es Pflanzen oder Tiere, also dadurch statt, daß von deren sehr sehr vielen Nachkommenjeweils nur wenige überleben, nämlich die an die jeweilige Situation angepaßtesten! Komplexere Organismen können dabei durchaus wieder degenerieren, weniger komplex werden: Die Umwelt ist nur wie sie ist, nicht gut, nicht schlecht, und eine - für uns - öde Umwelt verlangt vielleicht eine besonders komplexe Art, die dort leben kann, oder das genaue Gegenteil. Das ganze ist ein passiver Prozeß. Erst die heutigen Menschen kommen nun in die Lage, den natürlichen biologischen Selektionsprozeß beim Menschen durch Intensivmedizin fast auszuschalten, was eine besonders hohe Verantwortung erfordert. Darwin wie Spencer sehen die Durchsetzung einer Art gegenüber einer anderen deshalb als „indirekte " Aktion, nicht als eine Niederringung der anderen, was das Wort „Kampf" eher suggeriert. Und eine solche evolutionäre Entwicklung müssen wir uns auch bei der sozialen Evolution vorstellen, von der Marx und Engels ausgingen, wenn Menschen handeln, in Klassenkämpfen etwa. Doch das findet im Sozialen statt! Bei ihnen werden nicht Naturgesetze auf soziales Handeln angewandt (wenn es auch manchmal so klingt). Die eine Taktik im Kampf zeigt sich in einer Situation besser als eine andere. Hinzu kommt: wo die Menschen - planend oder nicht - in die Welt eingreifen, spielen gerade die „Verhältnisse", die ungewollt zugleich daraus entstehen, die schon erwähnten unintendierten Folgen des absichtsvollen Handelns, eine gewichtige Rolle. Und diese Verhältnisse, die die Menschen durch ihr Handeln unbewußt erzeugen, können wiederum zu systemischen Zwängen führen. Es ist wichtig, diese Form der sozialen Evolution von einem später in rassistischer Stoßrichtung formulierten biologistischen „Sozialdarwinismus" zu unterscheiden.

Obwohl Marx und Engels einen „Sozialdarwinismus" ausdrücklich ablehnten, spielt der aber dennoch in ihrem Konzept eine gewisse Rolle: bei ihnen wird an exponierter Stelle die menschliche Geschichte nicht nur durch „Arbeit" und „Evolution", sondern eben durch (Klassen-) Kampf bewegt (im „Kommunistischen Manifest"). Es gibt auch mal die Aussage, in der Natur finde ein grausamer Kampf statt. Wehler macht mit einem gewissen Recht noch darauf aufmerksam, daß beide in der Nationalitätenfrage faktisch von einem „sozialen Darwinismus" ausgegangen seien: große Staaten seien gut, kleine müßten überwunden werden. (1971: 21) Wie von Seiten der Naturwissenschaft nicht immer genug zwischen Natur und Sozialem getrennt wird, wofür Darwin ein Beispiel ist, so ist es auch andersherum und manches Naturgesetz findet sich in der Sozialwissenschaft wieder (und außerhalb der Wissenschaft dann prägend im Faschismus). Aber es ist auch zu bedenken, die hier besprochene Debatte fand lange vor dem Faschismus des 20. Jahrhunderts statt, als diese Begriffe vom Vorzug der Stärke der „Rasse" oder ähnlicher Blödsinn eine besondere - mörderische - Ausprägung bekamen. Unten wird noch deutlich werden, daß das keineswegs als Entschuldigung für unangemessene Positionen gegenüber anderen Völkern akzeptiert wird.

Noch ein Begriff war in diesem Zusammenhang injener Zeit von Bedeutung: Teleologie, die Vorstellung, die Entwicklung der Natur sei zielgerichtet, folge einem vorgegebenen Ziel (Gottes), entwickle etwas zu einem Zweck.[38] Darwin sprach sich in der genannten Arbeit von der Entstehung der Arten (im Gegensatz zu Spencer) deutlich gegenjede Teleologie aus, gegen einen Plan Gottes, und Marx und Engels haben das positiv hervorgehoben. Wenn es in ihrer Arbeit einen Richtungssinn in der Verselbständigung gesellschaftlicher Strukturen gibt, wie auch beim „notwendigen" Zusammenbruch des Kapitalismus, so ist das nicht Teleologie, weil nicht von „ganz oben" das Ziel schon vorgeben ist, sondern der sich aus sich selbst, aus systembedingten Funktionen entwickelt. Marx und Engels anerkannten Zufälle nicht, immer wieder sprechen sie von Bewegungsgesetzen, die durch Klassenkämpfe bewegt würden, insofern nicht zufällig seien und sich ohnehin durchsetzen, so lange nicht selbstbestimmt gehandelt werde, wie wir sehen werden. Es entstand auch die Frage, ob beziehungsweise wie weit deren Vorstellung deterministisch gewesen sei, daß also aus bestimmten Ereignissen zwingend, kausal, andere folgen, daß etwa aus einer bestimmten Form der gesellschaftlichen Produktion nur ein genau bestimmtes Bewußtsein erwachsen könne. So simpel ist es bei ihnen wirklich nicht.

Auch hinsichtlich Darwins Werk wird bis heute innerhalb der an Evolution orientierten Wissenschaften - wie die Arbeiten zum Beispiel von Mayr (1995) oder Junker/ Hoßfeld (2009) zeigen - darüber diskutiert, was nun eigentlich genau dessen Anteil an der Durchsetzung der Evolution als dem entscheidenden Entwicklungsprozeß bei der Entstehung der Welt in der Öffentlichkeit und in der Wissenschaft gewesen ist. Seine Arbeit - die auch durch neuere Genforschung grundsätzlich bestätigt wird[39] - war das Auflösen dieses gordischen Knotens, den andere Biologen und Geologen und dann er selbst schon entdeckt hatten. Entsprechendes gilt für die Arbeit Marx' und Engels', die aus einem ganz 1 Der Begriff Evolution stammt aus der Französischen Revolution und steht für langsame Eigenentwicklung, im 19. JH wurde sie als Stufentheorie verstanden, die nicht mehr vertreten wird.

Soziologie heißt. (1988) Beide Begriffe sind nur ausnahmsweise auf unmittelbare Gewalt begründet zu verstehen, häufiger beziehen sie sich auf indirekte soziale Verständigung, wie bei der Machtbalance in der Politik. Mit Macht ist schon eine alltägliche Durchsetzung eigener Interessen gemeint.

dem Zusammenbruch des „Ostblocks" international vernetzt weiter bearbeitet wird (leitend in Amsterdam die Internationale-Marx-Engels-Stiftung, IMES; in Deutschland die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften und das Karl-Marx-Haus in Trier).

1 Thomas Robert Malthus (1766 - 1834) betonte im genannten Titel, die Fortpflanzung des Menschen verliefe nach geometrischer Reihe (2, 4, 8, 16...), die Steigerung des Nahrungsanbaus könne aber nur in arithmetischer Reihe erfolgen (2, 4, 6, 8...), weshalb die Fortpflanzung der Armen zu beschränken und ein Armengesetz zu ihrer Unterstützung falsch sei. Marx sieht den Text weitgehend als Plagiat, ganze Seiten seien bloß von anderen abgeschrieben. Engels hat Malthus bereits 1844 kritisiert. (s. u.) Die 2. Auflage von 1803 ist neu verfaßt und viel umfangreicher. Siehe Exkurs: Darwin

[...]


[1] Erst heute entsteht mit der Theorie des realistischen Konstruktivismus (Dux) die Vorstellung, jeder Mensch müsse sich ab seiner Geburt die Welt als geistige Konstruktion erarbeiten, was für die Sozialwissenschaft Konsequenzen hat, wie wir sehen werden.

[2] In einer philosopischen Identität, die aus zwei Momenten als These besteht, entwickelt sich zwischen denen ein interner Widerspruch, die Antithese, die die These verneint, aus beiden ergibt sich dann die Synthese (= neue These). Diese grobe Beschreibung eines geistigen Prozesses ist für die detaillierte Sozialgeschichte unbrauchbar.

[3] Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770 - 1831) war der bedeutendste Philosoph des deutschen Idealismus in der Folge nach Kant und Fichte, der die Schöpfung Gottes durch die Entwicklung des Denkens faktisch in Frage stellte, real aber weiter von Gott ausging. Dazu nutzte er eine eigene komplexe Form der Dialektik, wie wir sehen werden.

[4] Der Begriff „Strukturtheorie" kommt im Lexikon zur Soziologie nicht vor, ist also eine ganz allgemeine Bezeichnung des Bezuges auf Strukturen. Hier sei nur eine Richtung angegeben, die Marx und Engels wahrscheinlich implizit gegangen sind. Theorien dieser Art gab es noch nicht. Was präzise von ihnen unter ihrer Dialektik noch verstanden wurde, ist nicht geklärt.

[5] Angaben aus den Marx Engels Werken (MEW) sind mit # bezeichnet, gefolgt von Band und Seite (zum Beispiel #3: 29); #40, #41 = Ergänzungsbände 1 und 2. Die Titel von Büchern und Aufsätzen sind in Anführungszeichen gesetzt; so unterscheiden sich Kapital (als Geldform) und „Kapital" als Buchtitel. Quellenangaben, die durch ein Datum gekennzeichnet sind, (zum Beispiel 28.3.67) beziehen sich auf die „Briefe" von Marx und Engels in den MEW; dahinter steht die Fundstelle. Angaben zu Büchern sind durch die Jahreszahl ihres Erscheinens, zum Beispiel (Darwin, 1859), vermerkt und im Literaturverzeichnis aufgeführt; hinter der Jahreszahl erscheint gegebenenfalls die Band- und Seitenangabe (1979-2: 39). Jahreszahlen bezeichne ich gegebenenfalls mit vC/ nC für „vor/ nach Christi Geburt". Ein senkrechter Strich in Zitaten, „...| ..." verweist auf einen Absatz im Original; drei Punkte ... auf die Auslassung von mehreren Wörtern, ein Punkt zwischen Leerstellen. auf die eines Wortes. Hv. h. = Hervorhebung hennings. Zu Literaturangaben -wie51987b - siehe Verzeichnis.

[6] Heute wird oft von autopoietischen und selbstreferentiellen Prozessen gesprochen, wie ich es auch - zu undifferenziert - in den ersten Auflagen dieses Buches tat. Nun gehe ich generell vom sich selbst verändernden Prozeß aus, der ggf. sich selbsterzeugend aus anderen Prozessen bildete (siehe Ontogenese). Mir kommt es auf die Differenz zur Dialektik an, da bei Marx und Engels wahrscheinlich im Laufe der Jahre, vielleicht von ihnen unbemerkt, eine Strukturtheorie erscheint, ein Prozeß im heutigen Verständnis.

[7] Geognosie = Geologie; er sieht bereits aus der damaligen Literatur, der Mensch stamme vom Affen ab; mit heutigem Wissen ist das natürlich unsinnig, sondern wir stammen von Primaten ab, von denen auch die Affen abstammen. (#40: 545; #42: 39) Erst Darwin belegt 1859 diese These, erklärt die Abstammung.

[8] Herrschaft ist die legitime, von den Gruppenmitgliedern im normalen Alltag akzeptierte institutionalisierte Machtausübung von besonderen Mitgliedern über andere, die nach Ansehen/ Alter bestimmt oder sogar gewählt wurden; Macht ist die Möglichkeit, den eigenen Willen auch gegen den Widerstand der Anderen durchzusetzen, wie es ungefähr im Lexikon zur

[9] Eine (statistische) Klasse faßt Dinge mit gleichen Merkmalen zusammen, zum Beispiel eigentumslose ArbeiterInnen, oder katholische Nichtschwimmer mit nur einem linken Arm.

[10] Der Homo sapiens sapiens (Linné) ist der moderne Mensch, zu dem alle noch auf der Erde lebenden Menschen gehören. Es ist strittig, ob nur vom Homo sapiens zu reden sei, was Auswirkungen auf die Bezeichnung anderer hat, ob zum Beispiel vom Homo heidelbergensis wie vom Homo neandertalensis zu reden sei, oder von Homo sapiens neandertalensis... Ich nutze künftig die Kurzformen.

[11] Ich habe meine Auffassung über Darwins „Kampf ums Dasein" 2011 nach Lesen dessen weiterer Arbeit „Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl" etwas revidiert: siehe Exkurs: Darwin.

[12] Das „Schwarzbuch" ist wissenschaftlich allerdings unter anderem deshalb problematisch, weil es sich konsequentjeder Bezugnahme der Verbrechen auf die historische Situation enthält; die entschuldigt zwar wenig, hilft aber zum Verstehen der Vorgänge, die oft Bürgerkrieg waren. Unabhängig von diesem Werk reichen die Vorwürfe hinsichtlich der Gewalt und des Terrors kommunistischer Staaten, um die genannte Fragestellung zu untersuchen.

[13] Charles Fourier, 1772 - 1837, wendet sich gegen die „Zivilisation" und will „Glückserwartung", die „universale Harmonie", „Entwicklungen der Leidenschaften" als Ziel der Gesellschaft formulieren.

[14] Eckige Klammern [...] verweisen in Zitaten auf Hinweise von mir. Hirsch (1968) erwähnt, daß unmittelbar nach Engels' Tod, also 1895, im Rheinland noch eine Versammlung deshalb polizeilich aufgelöst wurde, weil 50 Frauen daran teilgenommen hatten. Es war also ein wichtiges Alltags-Problem.

[15] vergleiche „Feministische Soziologie - eine Einführung", Brück u. a., 1997, Frankfurt/ New York. Der Hinweis von Neusüß, Christel, 1984, Die Kopfgeburten der Arbeiterbewegung oder Die Genossin Luxemburg bringt alles durcheinander, Hamburg, Marx habe in seiner Analyse des Mehrwerts den Beitrag der Frauen vernachlässigt, ist logisch unsinnig. Mehrwert ergibt sich auf der Basis der Arbeitskraft, ob männlich, weiblich, kindlich ist dabei egal. Aber für die Gesamtökonomie ist dieser Vorwurf verständlich, „Hausarbeit" wird nicht thematisiert, außer als - männliche!

[16] Das ist auch durch die politischen Entwicklungen des realen Kommunismus begründet. In der Zeit vor dem zweiten Weltkrieg waren Marx und Engels oft und ganz normal zitierte Autoren.

[17] Es gibt heute das Bestreben, nur noch von „Einer Welt" zu sprechen; für die Differenzierung ist aber die Unterscheidung von erster bis dritter Welt oft sinnvoll. Die zweite Welt sind die Staaten, die sich der ersten doch schon relativ weit angenähert haben: zuerst Südkorea, Brasilien und weitere mehr,jetzt China und Indien.

[18] Der Kapitalismus, wie er in der englischen Stadt Manchester in der frühen Industrialisierung durch extreme Ausbeutung geprägt wurde, gilt als Synonym der sozial nicht abgefederten kapitalistischen Ausbeutung.

[19] Es gibt diese leidige Debatte, heute gäbe es doch „Linke" und „Rechte" in der Politik gar nicht mehr, höchstens noch „Vorn" usw. Für mich ist „links" nach wie vor die Position, für die Emanzipation der Individuen und der Gesellschaft sich einzusetzen.

[20] Abstraktion ist die Verallgemeinerung, begrifflich zusammengefaßte Darstellung; Begriff ist die Bezeichnung für eine Klasse von Objekten oder gedanklichen Vorstellungen. (Lexikon zur Soziologie, 1988) Es gibt reale Häuser und den Begriff„Haus", der abstrakt definiert werden muß.

[21] Schon Auguste Comte (1798 - 1857) sprach von „positiver" Wissenschaft, woraus der „Positivismus" entstand. Hier gilt es, die prozeßhafte positive Wissenschaft Marx' und Engels' von „Positivismus" zu scheiden. Elias (1970) betont, Comte werde meist mißverstanden, wenn er als Positivist in der zu Elias' Zeit gebräuchlichen Vorstellung gesehen werde; ich komme unten darauf zurück. Comte gab der „Soziologie" den Namen, sprach aber zuerst von „sozialer Physik"! Ein anderes Bild vom Comte zeichnet Fetscher. (1956)

[22] Damit beziehe ich mich hier beispielhaft aufHaug, 1985, gehe aber dahinter noch zurück, dessen Bemühen um einen freiheitlichen Marxismus intensiv im Diskurs mit den alten Genossen um Aktualität verstrickt ist. Haugs erster seiner neueren „Zehn Sätze über Marxismus heute" stellt eher einen sinnvollen Bezug her: „Marxistisches Denken, nicht Marxismus steht auf der Tagesordnung, die Voraussetzung dieses Denkens heute ist die Reflexion und die Historisierung des bisherigen Marxismus'. (2001: 60) Aber meine Arbeit untersucht nicht einen irgendwie gearteten (womöglich heutigen) Marxismus.

[23] Die „Pariser Kommune" war eine Erhebung der Stadt Paris gegen eine deutsche Besetzung nach der Niederlage Frankreichs gegen Deutschland im Krieg 1870 - 71, sowie gegen die neue französische Bourgeois-Regierung, die Kaiser Napoleon III. abgelöst hatte, und die dann mit Bismarcks Billigung die Kommune blutig niederschlug.

[24] Ich machte es mir in den ersten Auflagen etwas leicht damit und verwendete Autopoiesis mehr als Marker für beides denn als präzisen Begriff. Jetzt nutze ich Autopoiesis nur noch in der Biologie. Mit der nun von mir in den Vordergrund gestellten historisch-genetischen (System-) Theorie verändert sich der Blick etwas; (basale) Selbstreferenzialität meint, ein System beziehe sich mit eigenen Prozessen auf andere eigene Prozesse; Autopoiese meint die biologische Selbstorganisation eines Systems zur Produktion neuer eigener Elemente durch das Netzwerk bestehender eigener Elemente. Das operativ geschlossene Gehirn lernt zum Beispiel nur durch eine eigene Verarbeitung von „Störungen" zu Informationen, also durch seine bisherigen Möglichkeiten des Lernens, nicht durch Input von Wissen. „Störungen" werden nur durch strukturelle Kopplung von Systemen zu Informationen verwandelt, die verarbeitet werden können, s. u. Ich spreche in diesem Zusammenhang nun von einem sich selbst verändernden Prozeß. Das läßt sich auch für einen dialektisch verstandenen Prozeß im allgemeineren Sinn sagen.

[25] Grabner-Haider (2005: 631) dreht in „Die Welt der Mythen" diese Vorstellung gegenüber Levi-Strauss um. Der sähe bei allen Menschen ähnlich verlaufene biologische Prozesse und deshalb seien für ihn auch alle Mythen ähnlich. Er habe eine biologistische Mythostheorie vertreten, dessen Menschenbild sei positivistisch (aus christlicher Sicht ist das ein heftiger Vorwurf) und entwerte Mythen.

[26] Das hat auch damit zu tun, daß Hegel schon generell nach der Freiheit für alle fragte, die mit der Französischen Revolution „denkbar" (aber noch nicht umsetzbar) geworden war. Wir werden bei Marx und Engels Begriffe finden, die schon bei Hegel und zuvor in der Philosophie mitje eigenem Inhalt vorkommen. Bedenken Sie aber immer den völlig anderen, noch idealistischen Ausgangspunkt Hegels. (siehe Exkurs: Hegel im Anhang)

[27] Dazu gehört auch die immer noch/ wieder in Arbeit befindliche MEGA2, die Marx-Engels-Gesamtausgabe, die nach

[28] Ferdinand Lassalle hatte 1848 - 49 in der Revolution Marx kennen gelernt und gehörte lange Zeit zu dessen Freundeskreis. Er verfaßte einige Bücher, die Marx aber zum Teil als Plagiat seiner Arbeit ansah. Geboren 1825 starb Lassalle 1864 bei einem Duell wegen einer Frau (wie romantisch).

[29] Deutscher und Norddeutscher Bund unterscheiden sich wesentlich dadurch, daß das Kaiserreich Österreich, damals ein großer Vielvölkerstaat und der große Konkurrent Preußens, am zweiten nicht beteiligt ist, was als Groß- beziehungsweise Kleindeutsche Lösung besprochen wurde; letztere ging 1871 in das Deutsche Reich auf.

[30] Während im „Kapital" Marx sich primär auf die besonders weit entwickelte englische Industrie bezieht, wird ansonsten überwiegend auf Deutschland Bezug genommen.

[31] Steinvorth, der, wie andere, auf eine Differenz zwischen Marx und Engels hinweist, sieht selbst das Problem, Marx habe offensichtlich keine gravierende Differenz zu Engels festgestellt.

[32] Mir stand die Bibliothek der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften in Berlin zur Verfügung, wofür ich herzlichen Dank sage. Das besonders wichtige Kapitel „Feuerbach" der „Deutschen Ideologie" ist beispielsweise gerade im „Marx-Engels-Jahrbuch", das den „MEGA-Studien" ab 2002 folgt, von der Internationalen Marx-Engels­Stiftung in Amsterdam ganz neu herausgegeben worden. Ich verwende die MEW-Ausgabe.

[33] Ein interessantes Beispiel ist Poppers Arbeit von 1945, (2003) in der einmal Marx ausführlich bewundert, dann aber als „Feind der offenen Gesellschaft"- also der nach dem Zweiten Weltkrieg - kritisiert wird, als sei das Poppersche Werk zehn und nicht 100 Jahre nach Marx erschienen. Daß die geistige Grundhaltung von Marx (und Engels) eine unfreie Gesellschaft befördere, ist schlicht Blödsinn. Popper ist einer der bekanntesten Wissenschaftstheoretiker - und doch auch bloß Ideologe.

[34] Selbst die Autorinnen haben zur Interpretation ihrer Texte keine größeren Rechte als andere (wie Marx das etwa für sich im „Kapital" beansprucht; #23: 22 FN). Zusätzlich können sie nur sagen, was sie eigentlich haben sagen wollen, aber nicht bestimmen, was ihr Text bedeute.

[35] Kuhn, Th., Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen, 1962

[36] Herbert Spencer (1820 - 1903) war englischer Universal-Gelehrter, der ein umfassendes Werk zu vielen natur- wie gesellschaftswissenschaftlichen Gebieten seiner Zeit schrieb und eine Art Teleologie der Entwicklung von der Anpassung der Arten (wie Darwin) bis hin zum Gleichgewicht der Gefühle vertrat. Er gilt oft als Begründer des „Sozialdarwinismus", einer Vorstellung vom Sieg der besseren Rasse, und gilt als früher Systemtheoretiker. (Exkurs: Darwin)

[37] Planlos, Zufall? Wir müssen uns im klaren sein, das Zufällige, Planlose an einem Geschehen ist nicht beweisbar; immer könnte sich dahinter noch später eine Erklärung, eine Regel zeigen, die wir heute noch nicht kennen, so unwahrscheinlich das auch sein mag. Überhaupt habenjene, die bei Fragen dieser Art nur etwas glauben, es insofern einfacher als die Wissenschaft. Letztere kommt auch immer irgendwo am Ende des Wissenschaftssystems zu einer Glaubensfrage, oder - was hier besser zu sagen ist - zu einer Übereinkunft in der betreffenden Fachwelt darüber, was die Grundlagen sein sollen, von denen aus diese Wissenschaft verstanden werden soll. Was vor dem Urknall war ist wahrscheinlich nur anzunehmen, also zu glauben, wie begründet auch immer. Und manchmal ändern sich die Grundlagen, von denen ausgegangen wurde, wenn etwa die Sonne als Zentrum „unserer Welt" erkannt wird; das ist dann ein Paradigmenwechsel. (Kuhn)

[38] Die Frage der Teleologie, die zielgerichtete Entwicklung, ist deshalb von Bedeutung, weil letztlich nur eine Kraft wie „Gott" ihre Ursache sein kann. Was Marx und Engels oder Darwin für ihre Bereiche formulieren zu können glaubten, war gerade die Selbstentwicklung von Gesellschaft beziehungsweise Natur ohne vorgegebene Richtung, oder eine besondere Kraft (Gott). Auch eine Entwicklung vom Einfachen zum Komplexen, die in beiden Bereichen überwiegend zu beobachten ist, gilt als reversibel, als auch rückwärts möglich. Das Höhere, Komplexere ist nicht das Bessere, die Entwicklung erfolgt planlos/ zufällig, in der Biologie durch Gen-Mutationen, in der Gesellschaft vielleicht durch eine bestimmte Kräftekonstellation; 1845 verlor das Proletariat, obwohl es offenkundig auch hätte siegen können, wenn nicht die Vereinbarungspolitik das verhindert hätte.

[39] In vielen Punkten lag Darwin auch falsch, er ging zum Beispiel auch von Vererbung individuell erlernten Wissens aus, das aber nicht in die Keimbahn, also die Gene transferiert wird, es kann deshalb nicht vererbt werden.

Ende der Leseprobe aus 790 Seiten

Details

Titel
Marx, Engels und die Teilung der Arbeit
Untertitel
Ein einführendes Lesebuch in Gesellschaftstheorie und Geschichte (Korrigierte 9. Ausgabe)
Autor
Jahr
2012
Seiten
790
Katalognummer
V198291
ISBN (eBook)
9783656249290
ISBN (Buch)
9783656250081
Dateigröße
6288 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Korrigierte 9. Ausgabe
Schlagworte
marx, engels, teilung, arbeit, lesebuch, gesellschaftstheorie, geschichte, korrigierte, ausgabe
Arbeit zitieren
Dr. Lars Hennings (Autor:in), 2012, Marx, Engels und die Teilung der Arbeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/198291

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