Seit Ausbruch der Revolutionsbewegung in Tunesien verbreiteten sich die Reform- und Protestbewegungen der sogenannten „Arabellion 2011“ wie ein Lauffeuer in der arabischen Welt. Spätestens seit dem auffällig harten und äußerst repressiven Vorgehen des Assad-Regimes gegen die Protestbewegungen im eigenen Land steht auch Syrien im regionalen und internationalen Aufmerksamkeitsfokus. Doch in der Vergangenheit haben sich streng autoritäre Regime insbesondere in Krisenzeiten als äußerst stabil und widerstandsfähig erwiesen. Bietet das Übergreifen der Arabischen Revolution auf Syrien nun die vielleicht einmalige und längst überfällige Chance eines grundlegenden Elitenwandels in Syrien? Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit ein elementarer Wandel der syrischen Elitenherrschaft überhaupt stattfinden kann und wie sind die Erfolgsaussichten eines solchen Wandels angesichts der aktuellen Ereignisse in Syrien einzuschätzen? Mit der Masterarbeit wird das Ziel verfolgt, anhand einer theoriengeleiteten, akteurszentrierten Analyse Antworten auf diese Fragen zu finden.
Zunächst wird eine Einordnung der Thematik in einen theoretischen Rahmen vorgenommen.
Basierend auf der empirischen Erkenntnis von Volker Perthes, dass politisch relevante Eliten (PRE) in der arabischen Welt die entscheidende Rolle bei der Ausrichtung und Ausgestaltung des politischen Systems spielen, wird von der Annahme ausgegangen, dass politischer Wandel in erster Linie von einem Wandel der Eliten abhängig ist. Die im ersten Schritt vorgenommene deskriptiv-kritische Analyse der Entwicklung der syrischen Elitenherrschaft unter Bashar al-Assad vor Ausbruch der Protestbewegungen soll diese Annahme für den konkreten Fall Syrien bekräftigen. Darüber hinaus werden die Ursachen und Triebkräfte des Elitenwandels analysiert und vor allem die Bedeutung der sich herauskristallisierenden Akteurskonstellation für einen politischen Wandel begründet.
Im zweiten Schritt wird anhand der zu beobachtenden Entwicklungen seit Ausbruch der Unruhen in Syrien überprüft, ob und in welchem Maße die Voraussetzungen für einen grundlegenden Elitenwandel in Syrien erfüllt sind.
Im letzten Teil werden die Ergebnisse der gesamten Analyse zusammengetragen und bewertet. Eine Einbettung in den gesamtarabischen Kontext soll abschließend die Reichweite der gewonnenen Erkenntnisse skizzieren.
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung
- 1.1 Thema, Fragestellung und Vorgehensweise
- 1.2 Fallauswahl
- 1.3 Forschungsstand
- 1.4.1 Politischer Wandel in der arabischen Welt
- 1.4.2 Transformation ohne Transition
- 1.4.3 Elitenwandel im arabischen Raum
- 2 Theoretische und konzeptionelle Vorüberlegungen
- 2.1 Grundprämisse
- 2.2 Definitionen
- 2.2.1 Eliten und das Konzept der „Politisch Relevanten Eliten“
- 2.2.2 Elitenwandel
- 2.3 Hypothesen und Aufbau der empirischen Untersuchung
- 2.3.1 Erster Analyseteil
- 2.3.2 Zweiter Analyseteil
- 2.3.3 Schlussbetrachtung
- 2.4 Zeitlicher Rahmen der empirischen Analyse
- 2.5 Literatur und Quellenanalyse
- 3 Empirische Analyse Teil I
- 3.1 Daten und Fakten zu Syrien
- 3.2 Politik und Gesellschaft in Syrien
- 3.2.1 Das politische System Syriens
- 3.2.2 Die syrische Gesellschaft
- 3.2.3 Das neopatrimoniale System in Syrien
- 3.3 Identifikation und Wandel der politisch relevanten Eliten
- 3.3.1 Die Familie al-Assad
- 3.3.1.1 Das Triumvirat der Macht
- 3.3.1.2 Weitere Mitglieder des familiären Machtzirkels
- 3.3.2 Die Regierung
- 3.3.3 Die Baath-Partei
- 3.3.4 Der Sicherheitsapparat
- 3.3.4.1 Das Militär
- 3.3.4.2 Die Sicherheits- und Geheimdienste
- 3.3.5 Die Alawiten
- 3.3.6 Die „Syrian Computer Society“
- 3.3.7 Die Wirtschaft
- 3.4 Bewertung der Kriterien eines Elitenwandels in Syrien
- 3.4.1 Personeller Wandel
- 3.4.2 Institutioneller Wandel
- 3.4.3 Wandel im Zugang
- 3.4.4 Wandel in der politischen Ausrichtung
- 3.4.5 Motive des Wandels
- 3.5 Analyseergebnis Teil I
- 3.5.1 Zusammenfassung
- 3.5.2 Bewertung und Schlussfolgerungen
- 4 Empirische Analyse Teil II
- 4.1 Die Syrienkrise im Überblick
- 4.1.1 Entwicklung der syrischen Protestbewegung
- 4.1.2 Konfliktthemen
- 4.2 Das Regime
- 4.2.1 Reaktion des Regimes auf die Proteste
- 4.2.2 Präsident Bashar al-Assads Machtverlust
- 4.2.3 Schwächung des Sicherheitsapparates
- 4.2.4 Schwächung der übrigen Machtfaktoren des Regimes
- 4.2.4.1 Der konfessionelle Machtfaktor
- 4.2.4.2 Der wirtschaftliche Machtfaktor
- 4.2.4.3 Der erweiterte Elitenkreis
- 4.2.4.4 Der innerste Elitenzirkel
- 4.2.5 Zusammenfassung und Bewertung
- 4.3 Die Opposition
- 4.3.1 Die politische Landkarte der syrischen Opposition
- 4.3.2 Die traditionelle politische Opposition
- 4.3.2.1 Einflussreiche oppositionelle Persönlichkeiten
- 4.3.2.2 Die Muslimbrüder
- 4.3.2.3 Die Kurden
- 4.3.2.4 Die Christen
- 4.3.2.5 Die Syrische Nationale Demokratische Versammlung
- 4.3.2.6 Die Gruppe der Damaszener Erklärung
- 4.3.3 Neue Aktivisten und lokale Netzwerke
- 4.3.3.1 Lokale Führungsräte
- 4.3.3.2 Die „Syrian Revolution General Commission“
- 4.3.4 Organisierter bewaffneter Widerstand
- 4.3.4.1 Die Freie Syrische Armee
- 4.3.4.2 Die Brigade der freien syrischen Offiziere
- 4.3.5 Neue Organisationsstrukturen der politischen Opposition
- 4.3.5.1 Das Nationale Koordinationskomitee
- 4.3.5.2 Der Syrische Nationalrat
- 4.3.6 Koordinationsbemühungen der syrischen Opposition
- 4.3.7 Zusammenfassung und Bewertung
- 4.4 Die Rolle der Massen
- 4.4.1 Die allgemeine Bedeutung von Massen
- 4.4.2 Die Rolle der syrischen Bevölkerungsmasse
- 4.4.3 Zusammenfassung und Bewertung
- 4.5 Einflussmöglichkeiten externer Akteure
- 4.5.1 Relevante externe Akteure
- 4.5.2 Regionale Akteure
- 4.5.2.1 Türkei
- 4.5.2.2 Arabische Liga
- 4.5.2.3 Iran
- 4.5.2.4 Libanon
- 4.5.2.5 Nachbarstaaten
- 4.5.3 Internationale Akteure
- 4.5.3.1 Russland
- 4.5.3.2 USA und EU
- 4.5.4 Sanktionsmaßnahmen
- 4.5.5 Militärische Maßnahmen
- 4.5.6 Zusammenfassung und Bewertung
- 4.6 Aktuelle Entwicklungen
- 4.7 Analyseergebnis Teil II
- 4.7.1 Zusammenfassung
- 4.7.2 Bewertung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht den Elitenwandel in Syrien und analysiert die Voraussetzungen und gegenwärtigen Erfolgsaussichten eines grundlegenden Wandels der syrischen Elitenherrschaft. Die Analyse erfolgt akteurszentriert.
- Identifikation der relevanten Akteure im syrischen Machtapparat
- Analyse der Machtstrukturen und -verhältnisse in Syrien
- Bewertung der Kriterien eines Elitenwandels
- Beurteilung der Auswirkungen der Syrienkrise auf den Elitenwandel
- Einordnung der Rolle externer Akteure
Zusammenfassung der Kapitel
1 Einleitung: Die Einleitung führt in die Thematik des Elitenwandels in Syrien im Kontext des Arabischen Frühlings ein. Sie definiert die Forschungsfrage und skizziert die Vorgehensweise der Arbeit. Der Fokus liegt auf der Analyse der Voraussetzungen und Erfolgsaussichten eines tiefgreifenden Wandels der herrschenden Eliten, besonders unter den Bedingungen des aufkeimenden Aufstands. Der Forschungsstand zu politischem Wandel in der arabischen Welt, Transformationsprozessen und Elitenwandel im arabischen Raum wird kritisch beleuchtet und liefert den theoretischen Hintergrund für die Untersuchung.
2 Theoretische und konzeptionelle Vorüberlegungen: Dieses Kapitel legt die theoretischen Grundlagen der Arbeit dar. Es definiert zentrale Begriffe wie „Eliten“ und „Elitenwandel“ und entwickelt Hypothesen für die empirische Untersuchung. Der Aufbau der Analyse, der zeitliche Rahmen und die verwendeten Quellen werden erläutert. Die Grundprämisse der Arbeit und die methodischen Ansätze werden hier detailliert dargelegt und bilden den Rahmen für die folgende empirische Analyse.
3 Empirische Analyse Teil I: Dieser Abschnitt präsentiert eine detaillierte Analyse des syrischen politischen Systems, der Gesellschaft und der bestehenden Eliten vor dem Ausbruch der Proteste. Es werden die wichtigsten Akteure identifiziert und deren Rolle im Machtapparat beschrieben, mit einem Fokus auf die Familie al-Assad, die Regierung, die Baath-Partei, den Sicherheitsapparat und die Rolle der Alawiten. Die Analyse bewertet verschiedene Kriterien eines Elitenwandels und zieht vorläufige Schlussfolgerungen basierend auf den vorherrschenden Verhältnissen.
4 Empirische Analyse Teil II: Dieser Teil der Arbeit analysiert die Syrienkrise und deren Auswirkungen auf den Elitenwandel. Er beschreibt die Entwicklung der syrischen Protestbewegung, die Reaktionen des Regimes, die Schwächung der verschiedenen Machtfaktoren und die Entstehung und Entwicklung der Opposition. Die Rolle der Massen und der Einfluss externer Akteure (regionale und internationale) wird eingehend untersucht, unter Berücksichtigung von Sanktionen und militärischen Interventionen. Der Schwerpunkt liegt auf der Analyse der Dynamik des Konflikts und seiner Auswirkungen auf die Machtstrukturen.
Schlüsselwörter
Elitenwandel, Syrien, Arabischer Frühling, al-Assad, Baath-Partei, Sicherheitsapparat, Opposition, Protestbewegung, Machtstrukturen, Konflikt, externe Akteure, neopatrimoniales System.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu: Elitenwandel in Syrien
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit untersucht den Elitenwandel in Syrien vor und während der Syrienkrise im Kontext des Arabischen Frühlings. Der Fokus liegt auf der Analyse der Voraussetzungen und der gegenwärtigen Erfolgsaussichten eines grundlegenden Wandels der syrischen Elitenherrschaft. Die Analyse erfolgt akteurszentriert.
Welche Akteure werden in der Arbeit betrachtet?
Die Arbeit analysiert diverse Akteure im syrischen Machtapparat, darunter die Familie al-Assad, die Regierung, die Baath-Partei, den Sicherheitsapparat (Militär und Geheimdienste), die Alawiten, die „Syrian Computer Society“, die Wirtschaft, die syrische Opposition (traditionelle Opposition, neue Aktivisten, bewaffneter Widerstand), und externe Akteure (regionale und internationale).
Welche Themenschwerpunkte werden behandelt?
Die Arbeit behandelt die Identifizierung relevanter Akteure, die Analyse der Machtstrukturen und -verhältnisse, die Bewertung von Kriterien des Elitenwandels, die Auswirkungen der Syrienkrise auf den Elitenwandel und die Einordnung der Rolle externer Akteure.
Wie ist die Arbeit strukturiert?
Die Arbeit gliedert sich in vier Kapitel: Eine Einleitung, ein Kapitel mit theoretischen und konzeptionellen Vorüberlegungen, einen empirischen Analyseteil I (vor der Krise) und einen empirischen Analyseteil II (während der Krise). Der empirische Teil I beschreibt das syrische politische System und seine Eliten vor den Protesten. Der empirische Teil II analysiert die Syrienkrise, die Reaktionen des Regimes, die Entwicklung der Opposition und die Rolle externer Akteure.
Welche Methoden werden angewendet?
Die Arbeit verwendet eine akteurszentrierte Analyse, die die verschiedenen Akteure und ihre Interaktionen im syrischen Machtapparat und im Kontext der Syrienkrise untersucht. Die Methodik wird im Kapitel „Theoretische und konzeptionelle Vorüberlegungen“ detailliert erläutert.
Welche Schlüsselbegriffe sind relevant?
Schlüsselbegriffe sind Elitenwandel, Syrien, Arabischer Frühling, al-Assad, Baath-Partei, Sicherheitsapparat, Opposition, Protestbewegung, Machtstrukturen, Konflikt, externe Akteure und neopatrimoniales System.
Welche Schlussfolgerungen werden gezogen?
Die Schlussfolgerungen werden im letzten Kapitel der empirischen Analyse (Teil II) gezogen und fassen die Ergebnisse der Analyse des Elitenwandels in Syrien zusammen und bewerten die Erfolgsaussichten eines solchen Wandels unter den Bedingungen des Konflikts. Die konkreten Schlussfolgerungen sind im Text selbst nachzulesen.
Welche Quellen wurden verwendet?
Die verwendeten Quellen werden im Text selbst und im Literaturverzeichnis aufgeführt. Die Arbeit basiert auf einer Kombination aus Literaturrecherche und Quellenanalyse, deren Details in Kapitel 2 erläutert werden.
Für wen ist diese Arbeit bestimmt?
Diese Arbeit ist für die akademische Nutzung bestimmt, insbesondere für Wissenschaftler, die sich mit dem Thema Elitenwandel, dem Arabischen Frühling und dem syrischen Konflikt befassen. Die OCR-Daten dienen der Themenanalyse in strukturierter und professioneller Weise.
- Quote paper
- Stephanie Marsing (Author), 2012, Elitenwandel in Syrien: Wie Bashar al-Assad sein Image als Reformer verspielte, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/198248