Glauben und Wissenschaft waren für Friedrich von Hardenberg (1772-1801), besser
bekannt unter seinem Pseudonym „Novalis“, durchaus keine Gegensätze. Sie bildeten
vielmehr die zwei komplementären Komponenten seines ganzheitlichen, romantischen
Weltbildes. Dies spiegelt sich auch in einem seiner bekanntesten und umstrittensten
Texte: „Die Christenheit oder Europa“. Entstanden ist der Text, den Novalis als Rede
konzipiert hat, im November 1799, unmittelbar vor dem Jenaer Romantikertreffen, auf
dem ihn der Dichter dann auch das erste und einzige Mal vor Publikum vortrug.
Gedruckt wurde die Rede erstmalig vollständig 1826 in der vierten Auflage der von
Ludwig Tieck und Friedrich Schlegel herausgegebenen Schriften des Novalis - 25 Jahre
nach dem Tod des Dichters.
Welches Europakonzept entwirft aber nun Novalis‘ Rede „Die Christenheit oder
Europa“? Lassen sich im Rahmen dieses Konzeptes auch nationalistische oder
konservative Tendenzen erkennen? Und schließlich: Wie untermauert der Dichter sein
Europakonzept geschichtsphilosophisch? Diese Fragen stehen im Fokus der
vorliegenden Hausarbeit. Um sie zu beantworten, ist nicht nur die gründliche
Einbeziehung des (geistes-) geschichtlichen Kontextes unabdingbar, sondern es
empfiehlt sich auch - da es recht viele Aspekte zu beachten gibt - besonders
„kleinschrittig“ vorzugehen.
Deshalb gliedert sich meine Arbeit grundlegend in je zwei ungefähr gleich große
Teile: einen ersten Teil, in dem es um Aspekte der (geistes-)geschichtlichen
Entwicklung in Deutschland um 1800 geht (II.). Hierunter fallen etwa die politischen
Rahmenbedingungen der Frühromantik (II.1), die Sedisvakanz des Heiligen Stuhls nach
dem Tode Pius‘ VI. (II.2) sowie einige kurze Bemerkungen über das Verhältnis der
Frühromantik zur Aufklärung (II.3) und Schleiermachers „Reden über die Religion“ als Impulsgeber der „Europa“-Rede (II.4). Im Zentrum des zweiten Teils steht eine
hermeneutische Analyse der „Europa“-Rede, die sich an folgenden Aspekten orientieren
wird: Zunächst werden die von Novalis idealisieren „ächtkatholischen oder ächt
christlichen Zeiten“ dargestellt (III.1), anschließend geht es in historischer Abfolge um
den Protestantismus (III.2), die Aufklärung (III.3) und die Französische Revolution
(III.4). Schließlich gilt es noch, Novalis‘ Vision eines künftigen Europa nachzuzeichnen
(III.5) und der Frage nachzugehen, ob es sich bei Novalis etwa um einen frühen
Nationalisten oder Konservativen handelt (III.6).[...]
INHALTSVERZEICHNIS
I. EINLEITUNG
II. 1. Teil: Der Kontext. Aspekte der (geistes-)geschichtlichen Entwicklung in Deutschland um 1800
II.1 Politische Rahmenbedingungen der Frühromantik
II.1.1 Konservativismus
II.1.2 Nationalismus
II.2 Christenheit ohne Papst
II.3 Das Erbe der Aufklärung
II.4 Schleiermachers Schrift „Reden über die Religion“ als Impulsgeber der „Europa“-Rede
III. 2. Teil: Novalis 'Rede „Die Christenheit oder Europa"
III.1 Die „ächtkatholischen oder ächt christlichen Zeiten“
III.2 Der Protestantismus
III.3 Kritik der Aufklärung
III.4 Die Französische Revolution als „Zeugungselement der Religion“
III.5 Vision eines künftigen Europa
III.6 Novalis - früher Nationalist oder Konservativer?
IV. Zusammenfassung
Quellen- und Literaturverzeichnis
- Quote paper
- B.A. Michael Peter Schadow (Author), 2012, Die Geburt Europas aus dem Geiste des Katholizismus, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/197328