Kinderbetreuungskosten sind eine der steuerlichen Abzugsmöglichkeiten für Eltern, Betreuungsgelder, die sie für ihre Kinder aufwenden, in der Einkommensteuererklärung steuermindernd geltend zu machen. Aber gerade der Abzug als Kinder betreuungskosten hat sich in den letzten sieben Veranlagungszeiträumen mehrfach in Art und Umfang verändert und hat damit vielfach zu Verunsicherung geführt, wo und wie die entstandenen Kosten angesetzt werden können. Dieses Buch zeigt die einzelnen gesetzlichen Änderungen für die Jahre 2005 bis einschließlich 2012 auf und erläutert Schritt für Schritt nach welcher Vorschrift, in welchem Umfang und an welcher Stelle in der Steuererklärung Kinderbetreuungskosten angesetzt werden können.
Für die Veranlagungszeiträume ab 2011 werden noch weitere Steuervergünstigungen aufgezeigt, die Eltern betreffend ihrer Kinder in der Einkommensteuererklärung ansetzen können. Hierzu zählen vor allem:
- Kindergeld,
- Kinderfreibetrag und Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf,
- Freibetrag für Alleinerziehende,
- Krankheitskosten im Rahmen der außergewöhnlichen Belastungen,
- Schulgeld für private Schulen,
- Ausbildungsfreibetrag für auswärtig untergebrachte Kinder
- und andere.
Dieses Buch stellt somit einen wertvollen und interessanten Ratgeber für all jene dar, die auch in 2012 ihre Kinder bestmöglich im Rahmen der einkommen steuerlichen Veranlagung berücksichtigen möchten. Zeitgleich nimmt der Leser an einer kleinen Zeitreise in die Vergangenheit teil, erfährt Auszüge aus der aktuellen Rechtsprechung und kann einen kritischen Blick in die Zukunft werfen.
Inhaltsverzeichnis
A. Abkürzungsverzeichnis
B. Tabellen- und Abbildungsverzeichnis
C. Einleitung
D. Kinderbetreuungskosten und ihre Entwicklung seit 2006
I. Grundlegendes
a) Kinder im Sinne des EStG
b) Berücksichtigungsgründe über das18. Lebensjahr hinaus
II. Steuerliche Abzugsmöglichkeiten von Kinderbetreuungskosten bis einschließlich Veranlagungszeitraum 2005
a) § 32 (6) EStG - Kinderfreibetrag und Freibetrag für den Betreuungs-, Erziehungs-und Ausbildungsbedarf
b) § 33c EStG - Kinderbetreuungskosten
c) § 35a EStG - Steuermäßigung bei Aufwendungen für haushaltsnahe Beschäftigungsverhältnisse und für die Inanspruchnahme haushaltsnaher Dienstleistungen
d) Verfassungswidrigkeit des § 33c EStG - Beschluss des Bundesverfassungsgerichtesvom 16. März2005
III. Neugestaltung der Kinderbetreuungskosten ab dem Veranlagungszeitraum 2006
a) Gesetz zur steuerlichen Förderung von Wachstum und Beschäftigung vom 26. April 2006
1. Aus § 33c wird §§ 4f, 9(5), 9a und § 10 (1) Nr.5 und 8 EStG
2. Voraussetzung fürden Abzug von Kinderbetreuungskosten
3. Abzugsmöglichkeiten und-beschränkungen
4. Arten von Kinderbetreuungskosten sowie nicht begünstigte Kosten
5. Formelle Voraussetzungen/Nachweise
6. Abzug aufgrund einer Erwerbstätigkeit - Besonderheiten.
b) Gesetz zur Förderung von Familien und haushaltsnahen Dienstleistungen vom 22. Dezember 2008 - Einführung des § 9c EStG
c) Steuervereinfachungsgesetz 2011 vom 01.11.2011 - Erneute Neuregelung der Kinderbetreuungskosten und Abschaffung der Einkommensgrenzen für Kinder
IV. Sonstige Kindervergünstigungen
a) Steuerbefreiungen
b) §§ 62ff EStG - Kindergeld
c) § 32 (6) EStG - Kinderfreibetrag sowie Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf
d) § 35a EStG - Steuermäßigung für haushaltsnahe Dienstleistungen
e) § 33a (3) EStG - Ausbildungsfreibetrag für auswärtig untergebrachte Kinder
f) § 33a (1) EStG - Unterhaltszahlungen an Kinder
g) § 33 EStG - Außergewöhnliche Belastungen
h) § 10 (1) Nr.9 EStG-Besuch einer Privatschule
i) § 24b EStG - Entlastungsbetrag für Alleinerziehende
j) § 33b EStG Pauschbeträge für behinderte Menschen, Hinterbliebene und Pflegepersonen
V. Auszüge aus der Rechtsprechung rund um Kinderbetreuungskosten
a) Verfassungsmäßigkeit der Kinderbetreuungskosten aufgrund der aktuellen Höchstbeträge
b) Erstattungsansprüche eines alleinerziehenden Betriebsratsmitgliedern gegenüber dem Arbeitgeber
c) Hinzurechnung des Kindergeldes bei der Günstigerprüfung nach § 31 (4) EStG, wenn dieses weder beantragt noch bezogen wurde
d) Verfassungsmäßigkeit der Absenkung der Altersgrenze vom 27. auf das 25. Lebensjahr zur Berücksichtigung von Kindern durch das Jahressteuergesetz 2007
VI. Ausblick
E. Resümee
F. Literaturverzeichnis
G. Entscheidungs- und Rechtsprechungsverzeichnis
A. Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
В. Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Aufteilung der Steuerpflichtigen nach Alter des Kindes und der Berücksichtigungsgründe im Sinne des §§ 4f, 9 (5), 9a Nr. 1a EStG sowie § 10 (1) Nr.5 und 8 EStG
Tabelle 2: Schaubild über die Berücksichtigung von Kinderbetreuungskosten
C. Einleitung
Kaum ein anderer Aspekt des deutschen Einkommensteuergesetzes (EStG) hat in den letzten sechs Jahren so oft die Position und die Art des Abzuges gewechselt wie die Kinderbetreuungskosten (KBK).
Bis einschließlich des Veranlagungszeitraumes (VZ) 2005 waren diese Kosten nur als außergewöhnliche Belastungen nach § 33c EStG abzugsfähig. Der Bundesfinanzhof (BFH) äußerte hier verfassungsrechtliche Bedenken was den Abzug einer zumutbaren Entlastung von den entstandenen Kosten betraf, so dass auch das Bundesverfassungsgericht mit dem Beschluss vom 16.03.2005 der Auffassung war, dass § 33c EStG gegen Art. 1 (1) GG und Art. 6 (1) GG verstoße. Die Folge war eine komplette Neuregelung der Kinderbetreuungskosten. Diese Neuregelung erfolgte im Rahmen des Gesetzes zur steuerlichen Förderung von Wachstum und Beschäftigung, welches am 26.04.2006 beschlossen wurde und rückwirkend zum 01.01.2006 in Kraft trat. Die Neuregelung beinhaltete einen Abzug der Kinderbetreuungskosten „wie“ Betriebsausgaben und Werbungskosten oder als Sonderausgaben, zu finden in vier Paragrafen (§§ 4f, 9, 9a, 10 EStG) an fünf unterschiedlichen Stellen (§§ 4f,9 (5), 9a S. 1 sowie § 10 (1) Nr. 5 und 8 EStG). Die Anwendbarkeit dieser Paragrafen war jedoch von Beginn an durch das Anwendungsschreiben des Bundesministeriums für Finanzen (BMF) vom 19.01.2007 auf die Veranlagungszeiträume 2006 bis 2008 begrenzt. Ab VZ 2009 erfolgte durch das Gesetz zur Förderung von Familien und haushaltsnahen Dienstleistungen eine Zusammenfassung der oben genannten Paragrafen in einen einheitlichen § 9c EStG ohne inhaltliche Änderung.
Heute, sechs Jahre nach den ersten Änderungen, steht wiederum eine Änderung der Kinderbetreuungskosten durch den Gesetzgeber an. Am 23.09.2011 wurde das Steuervereinfachungsgesetz 2011 durch Bundesrat und Bundestag beschlossen und am 01.11.2011 verabschiedet. Demnach werden Kosten, die dem Steuerpflichtigen zur Betreuung, Ausbildung und Erziehung seines Kindes erwachsen, unabhängig von den bisherigen Berücksichtigungsgründen (Erwerbstätigkeit, Krankheit, Behinderung und Ausbildung) bis zu einer Höhe von maximal 6.000 € (begrenzt auf 2/3 der Aufwendungen = 4.000 €) steuerlich als Sonderausgaben anerkannt. Der Abzug als Werbungskosten oder Betriebsausgaben entfällt, somit auch die Möglichkeit eines Verlustvortrages durch Kinderbetreuungskosten.
Diese Bachelor Thesis beschäftigt sich mit dem Werdegang der Kinderbetreuungskosten von 2006 bis heute. Dabei wird insbesondere auf den Wechsel vom VZ 2005 auf VZ 2006 sowie auf die jüngsten Änderungen hinsichtlich der VZ 2012ff eingegangen. Da es sich um eine historische Betrachtung handelt, wird bis zum Kapitel III c) in der Vergangenheitsform geschrieben. Weitergehende Aspekte wie Kindergeld, Kinderfreibetrag, u.ä. werden im Anschluss an die vorherigen Ausführungen und dem Bedarf entsprechend erläutert, jedoch nicht ausführlich behandelt. Wird im Rahmen dieser Thesis vom „alten“ Recht gesprochen, so bezieht sich dieser Ausdruck auf die Veranlagungszeiträume vor 2006. Dies hat den Hintergrund, dass die grundlegendsten Änderungen in dieser Zeit gelegen haben. Hingegen wird mit „neuem“ Recht der Zeitraum ab dem Veranlagungszeitraum 2006 bis einschließlich 2011 bezeichnet und mit „aktuellem“ Recht der Rechtsstand ab 2012. Aufgrund der verschiedenen Rechtsstände, die dieser Arbeit zugrunde liegen, werden bei Gesetzeszitaten in den Fußnoten neben den Paragrafen und der Kurzbezeichnung des Gesetzes in Klammern der Veranlagungszeitraum angegeben. Aus Vereinfachungsgründen wird auf die Vermerke a.F. für „alte Fassung“ und n.F. für „neue Fassung“ verzichtet, soweit der Kontext es zulässt. Dies gilt insbesondere für die Kapitel über die Veranlagungszeiträume bis 2009.
Die zugrundeliegenden Sachverhalte werden aus einkommensteuerlicher Sicht betrachtet, andere Steuerarten oder Gesetze sind nicht teil dieser Arbeit und werden allenfalls am Rande erwähnt. Dabei wurden nach Möglichkeit alle Sachverhalte bis zum 31. Januar 2012 berücksichtigt.
D. Kinderbetreuungskosten und ihre Entwicklung seit 2006 I. Grundlegendes
a) Kinder im Sinne des Einkommensteuergesetzes (EStG)
Grundvoraussetzung für den Abzug von Kinderbetreuungskosten ist es, sowohl nach altem1, als auch nach neuem2 Recht, dass ein Kind im Sinne des § 32 (1) EStG zum Haushalt des Steuerpflichtigen gehört. Daher ist die Klärung des Begriffes „Kind“ elementar wichtig.
Biologisch betrachtet sind Kinder das Resultat der körperlichen Vereinigung zwischen Mann und Frau (Eltern/Erzeuger). Die Eltern sind genetisch untrennbar mit ihrem Abkömmling verbunden. Somit bleibt ein Kind für seine Erzeuger auch ein Leben lang im weitesten Sinne ein „Kind“. Gesellschaftsrechtlich ist die Zeit der Kindheit begrenzt. Nach dem BGB endet die Kindheit mit Vollendung des 18. Lebensjahres, dem Erreichen der Volljährigkeit.3 Diese Grenze gilt auch für das Steuerrecht. Kinder die das 18. Lebensjahr vollendet haben, werden nur noch unter bestimmten Voraussetzungen berücksichtigt. Hierzu später mehr.
§32 (1) EStG besagt, dass Kinder, die im ersten Grad mit dem Steuerpflichtigen verwandt sind sowie Pflegekinder, die nicht nur zu Erwerbszwecken im Haushalt aufgenommen wurden, beim Steuerpflichtigen als Kinder zu berücksichtigen sind. Die steuerliche Berücksichtigung erfolgt ab dem Kalendermonat, in dem das Kind lebend geboren wurde bzw. dem Zeitpunkt der Aufnahme im Haushalt bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres.4 Analog hierzu findet § 63 EStG (Kindergeld) entsprechend Anwendung. Dabei gilt bei der Haushaltszugehörigkeit eines Kindes noch folgendes zu beachten: Eine vorübergehende auswärtige Unterbringung ist für die Haushaltszugehörigkeit nicht schädlich, ebenfalls unproblematisch ist eine Wohnungsgemeinschaft mit Angehörigen und anderen Personen (z.B. Lebenspartner des einen Elternteiles). Selbst wenn ein Kind z.B. aufgrund einer Behinderung in einem Heim untergebracht ist, schließt dies die Haushaltszugehörigkeit nicht sofort aus. Allerdings müssen diese Kinder regelmäßig an den Wochenenden im elterlichen Haushalt sein.5 Bei getrennt lebenden Elternteilen ist das Kind regelmäßig dem Haushalt zuzuordnen, in dem es gemeldet ist. Unter Umständen kann aber auch eine Aufteilung auf beide Eltern erfolgen, wenn dies schlüssig nachgewiesen werden kann. Lebt das Kind hingegen im Ausland und ist daher nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtig, werden die, später erläuterten, Höchstbeträge entsprechend gekürzt.6 Dabei hängt die Kürzung von den Verhältnissen des Wohnsitzstaates ab.7 Das BMF-Schreiben vom 17.11.2003 gibt hierüber Aufschluss.8 Ein Ausschluss der Berücksichtigung kann bei Kindern im Sinne des § 32 (1) EStG nur dann erfolgen, wenn der Verwandte ersten Grades sein Kind zur Adoption bzw. Pflege abgegeben hat. In diesem Fall erfolgt die Berücksichtigung nicht bei den leiblichen Eltern, sondern bei den Adoptiv- bzw. Stiefeltern.9
b) Berücksichtigungsgründe über das 18. Lebensjahr hinaus
Hat das Kind im Sinne des § 32 (1) EStG das 18. Lebensjahr vollendet und hat somit seine Volljährigkeit erlangt, ist eine steuerliche Berücksichtigung nur noch unter bestimmten Voraussetzungen möglich.10 Gründe für die Berücksichtigung können dabei sein:
- Arbeitslosigkeit
- Berufsausbildung
- Übergangszeit
- Kein Ausbildungsplatz
- Freiwilliges soziales/ökologisches Jahr sowie Bundesfreiwilligendienst
- Behinderung
- Ausnahmefälle
§ 32? (41 Nr. 1 EStG: Berücksichtigung eines Kindes bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres:
Arbeitslosigkeit:
Sofern das Kind das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, wird es auch dann über das 18. Lebensjahr hinaus berücksichtigt, wenn es als arbeitslos gilt. Dabei muss das Kind bei einer inländischen Agentur für Arbeit, einem anderen für Arbeitslosengeld II zuständigen Leistungsträger oder einem privaten Arbeits-
Vermittler als arbeitssuchend gemeldet sein.11 Der Arbeitslosenmeldung steht die Ausübung einer geringfügigen Beschäftigung im Sinne des § 8 SGB IV nicht entgegen, jedoch muss sichergestellt sein, dass im Jahresdurchschnitt die monatliche 400 €-Grenze nicht überschritten wird.12 Die Meldung über die Arbeitslosigkeit muss regelmäßig, spätestens jedoch alle drei Monate erneuert werden. Geschieht dies nicht, entfallen für die Eltern die steuerlichen Kinder- vergünstigungen.13
§ 32 (4) Nr. 2 EStG: Berücksichtigungsgründe bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres (bis einschließlich VZ 2006t bzw. bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres (ab VZ 2007):
Ein Kind, welches das 27. Lebensjahr (bis VZ 2007) bzw. das 25. Lebensjahr (ab VZ 2007) noch nicht vollendet hat, kann gemäß § 32 (4) Nr. 2 a) - d) EStG über das 18. Lebensjahr hinaus berücksichtigt werden, wenn einer der nachfolgenden Gründe vorliegt:
a) Berufsausbildung:
In Berufsausbildung befindet sich ein Kind dann, wenn die ausgeübte Tätigkeit einem „zukünftigen“ Beruf dient. Dazu gehören grundsätzlich die Besuche aller allgemeinbildenden Schulen (Real-, Haupt-, Fachschulen, etc.), Hochschulen sowie jede Tätigkeit, die in einem anerkannten Ausbildungsverhältnis stattfindet. Auch vorgeschriebene Berufspraktika zählen unter Umständen zur Berufsausbildung, sofern sie im Zusammenhang mit einer der vorgenannten Ausbildungsorte stehen. Der Besuch von Abendschulen und Tagesseminaren von jeweils nur kurzer Dauer hingegen, wird nicht als Berufsausbildung anerkannt. Kurzum, „in Berufsausbildung befindet sich, wer sein Berufsziel noch nicht erreicht hat, sich aber ernsthaft darauf vorbereitet.“14 Dabei ist regelmäßig von einer wöchentlichen Unterrichtszeit von mindestens 10 Stunden auszugehen. Besteht noch Schulpflicht, so wird auch eine Unterrichtszeit von weniger als 10 Wochenstunden anerkannt.
b) Übergangszeit
Eine Zeitspanne von maximal 4 Monaten zwischen zwei Ausbildungsabschnitten, einem Ausbildungsabschnitt und der Ableistung des gesetzlichen Wehr- und Zivildienstes (letztmalig möglich im Jahr 2011) oder der Ableistung eines freiwilligen Dienstes, wird als Übergangszeit im Sinne des Buchstaben b) anerkannt. Befindet sich ein Kind, das eine der oben genannten zeitlichen Grenzen noch nicht überschritten hat, in einer solchen Übergangszeit, so wird es auch für diese Zeit bei den Eltern als Kind berücksichtigt.15
c) Kein Ausbildungsplatz
Ist es einem Kind mangels Ausbildungsplatz nicht möglich eine Ausbildung zu beginnen oder fortzusetzen, ist es bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres (vorher des 27. Lebensjahres) weiterhin als Kind zu berücksichtigen, sofern ein ernsthaftes Bemühen um einen Ausbildungsplatz seitens des Kindes gegeben ist.16 Ein ernsthaftes Bemühen ist immer dann gegeben, wenn das Kind z.B. schon eine Zusage für einen Ausbildungsplatz hat, aber aus schul-, studien- oder betriebsorganisatorischen Gründen die Ausbildung erst später beginnen kann oder das Kind bei der Arbeitsagentur als ausbildungssuchend gemeldet wurde.17 Eine Vollzeiterwerbstätigkeit während dieser Zeit wirkt sich dabei nicht schädlich aus.18
d) Freiwilliges soziales bzw. ökologisches Jahr oder Bundesfreiwilligendienst
Legt ein Kind unter 27 bzw. 25 Jahren ein freiwilliges soziales oder ein freiwilliges ökologisches Jahr (FSJ/FÖJ) ein oder nimmt am Bundesfreiwilligendienst (BuFDi) teil, so wird das Kind beim Steuerpflichtigen für die Dauer von maximal 18 Monaten steuerlich berücksichtigt. Dabei gilt es zu beachten, dass die Maßnahme entsprechend des § 32 (4) Nr. 2d EStG anerkannt sein muss. Nimmt ein Kind an einer Maßnahme teil, die weder dem FSJG (Gesetz zur Förderung eines freiwilligen sozialen Jahres) noch dem FÖJG (Gesetz zur Förderung eines freiwilligen sozialen Jahres), noch im BFDG (Bundesfreiwilligendienst-Gesetz) oder einem ausländischen Dienst im Sinne des Beschlusses Nr. 1031/2000/EG des Europäischen Parlaments und Rates bzw. einem anderen Dienst im Ausland im Sinne des § 14b Zivildienstgesetzes entspricht, so wird das Kind regelmäßig nicht
beim Steuerpflichtigen berücksichtigt.19 Die anerkannten Dienste haben eine Dauer von mindestens 6 Monaten und können auf Antrag auf 18 Monate verlängert werden. Für die Anerkennung ist es entscheidend, dass der Dienst zusammen hängend erbracht wird, d.h. eine Aufsplittung in mehrere Zeiträume oder Dienste ist nicht möglich.20
§ 32 (4t Nr. 3 EStG: Berücksichtigung behinderter Kinder:
Ein Kind, das aufgrund einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung außerstande ist sich selbst zu versorgen, wird bis zur Vollendung des 27. bzw. des 25. Lebensjahres berücksichtigt, sofern die Behinderung bis zu diesem Zeitpunkt eingetreten ist. Darüber hinaus können behinderte Kinder auch über das 27. bzw. 25. Lebensjahr hinaus berücksichtigt werden, sofern die vor genannten Voraussetzungen erfüllt sind und ein entsprechender Nachweis erbracht wird. Eine später auftretende Behinderung hingegen führt nicht rückwirkend und somit auch nicht zu einer zukünftigen Berücksichtigung des Kindes. Anders liegt der Fall, wenn das Kind zwar vor Eintritt des 27. bzw. 25. Lebensjahres behindert war, jedoch die Unfähigkeit sich selbst zu unterhalten erst in späteren Jahren eingetreten ist. Hier hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass in diesem Fall das Kind auf Antrag bei den Eltern, auch über die genannten Altersgrenzen hinaus, berücksichtigt werden muss. Der BFH stellte damit klar, dass § 32 (4) Nr. 3 EStG auch dann greift, wenn bis zum Erreichen des 27. bzw. 25. Lebensjahres nur die Behinderung vorliegt.21 Der Nachweis über die Behinderung ist vom Steuerpflichtigen in geeigneter Form zu erbringen. Werden die entsprechenden Nachweise erbracht, wird in einer Einzelfallentscheidung anhand der Gesamtumstände beurteilt, ob ein Härtefall vorliegt und somit die weitergehende Berücksichtigung genehmigt werden kann.22 Geeignete Nachweise können dabei sein:23
- Der Ausweis nach dem SGB IX der zuständigen Behörde (Versorgungsamt) bei einem Behinderungsgrad über 50 %,
- die Bescheinigung gemäß § 69 (1) SGB IX der zuständigen Behörde bei einem Behinderungsgrad unter 50 %,
- der Rentenbescheid oder ein gleichartiger Bescheid, aus dem hervorgeht, dass das Kind aufgrund seiner Behinderung eine gesetzliche Rente bezieht - sowie der Bescheid über die Einstufung in die Pflegestufe II nach dem SGB XI.
In Ausnahmefällen wird auch eine Bescheinigung oder ein Zeugnis des behandelnden Arztes oder ein ärztliches Gutachten anerkannt.24
Sonderfälle im Sinne des § 32 (4t EStG: Es gibt in der Rechtsprechung zwei Sonderfälle, bei denen ein Kind berücksichtigt werden kann, obwohl keine der vorgenannten Voraussetzungen vorliegt. Das ist zum einen die Berücksichtigung trotz Vollzeiterwerbstätigkeit zwischen zwei Ausbildungsabschnitten, zum anderen die Berücksichtigung aufgrund der Ableistung des gesetzlichen Grundwehr- oder Zivildienstes. Geht ein Kind zwischen zwei Ausbildungsabschnitten, also in einer Übergangszeit von nicht mehr als vier Monaten, einer Vollzeiterwerbstätigkeit nach, so kann das Kind auch für diese Zeit weiter berücksichtigt werden, sofern die gesamten Einkünfte den Jahresgrenzbetrag (bis VZ 2008: 7.680 €, ab VZ 2008: 8.004 €) nicht überschreiten.25
Die zweite Ausnahme bildeten bis einschließlich des VZ 2011 solche Kinder, die ihren gesetzlich vorgeschriebenen Zivildienst abgeleistet hatten. Hatten diese Kinder bereits während ihres Zivildienstes ein Studium begonnen, so wurden auch sie trotz des Zivildienstes weiterhin als Kind berücksichtigt.26 Dieser Aspekt entfällt ab dem Veranlagungszeitraum 2012, da bereits im Jahr 2011 sowohl die Wehrdienst- als auch die Zivildienstpflicht in Deutschland abgeschafft wurden. Eine Besonderheit bleibt jedoch auch in 2012 unter Umständen noch gegeben: Da die meisten Kinder ihren gesetzlich vorgeschrieben Wehr- oder Zivildienst vor Vollendung der erforderlichen Altersgrenzen ableisteten und somit meistens ihre Erstausbildung nach dem 21. bzw. 25727. Lebensjahr beendeten, erfolgt in diesen Fällen gemäß § 32 (5) EStG eine über die gesetzlich vorgegebenen Grenzen hinausgehende Berücksichtigung, die der Dauer des Wehr- oder Zivildienstes entspricht.
In den Fällen des § 32 (4) S. 2 Nr. 1 und 2 EStG kam noch hinzu, dass die eigenen Einkünfte und Bezüge des Kindes einen Betrag von 8.004 € (ab VZ 2010; vorher: 7.680 €) nicht übersteigen durften. Dies bedeutete, dass zu hohe Einnahmen des Kindes sowohl für die Gewährung des Kinderfreibeträge als auch für das Kindergeld schädlich waren.27 Zu den Einkünften eines Kindes gehörten sämtliche in § 2 EStG genannten Einkünfte. Im Einzelnen:
- Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft,
- Einkünfte aus Gewerbebetrieb,
- Einkünfte aus selbstständiger Arbeit,
- Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit,
- Einkünfte aus Kapitalvermögen,
- Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung,
- Sonstige Einkünfte.
Bei der Berechnung der Einkünfte fanden die allgemeinen Vorschriften des Einkommensteuergesetzes Anwendung. Entsprechend wurden bei ihrer Ermittlung Werbungskosten und Betriebsausgaben berücksichtigt. Bei den Bezügen handelte es sich um all jene Einnahmen in Geld oder Geldeswert, die nicht bei der einkommensteuerrechtlichen Einkünfteermittlung berücksichtigt wurden.28 Dies sind vor allem Einnahmen gewesen, die nicht steuerbar, steuerbefreit (z.B. steuerfreier Teil der Waisenrenten) oder pauschal versteuerter Arbeitslohn (z.B. PKW- Überlassung) waren.29 Anders als bei den Einkünften konnten bei den Bezügen keinerlei Werbungskosten oder Betriebsausgaben geltend gemacht werden. Es war lediglich eine Kostenpauschale in Höhe von 180 € abzuziehen.30 Anders als bei einem „normalen“ Steuerpflichtigen war bei Kindern in Ausbildung jedoch zusätzlich der volle Arbeitnehmeranteil zur Sozialversicherung abziehbar. Hier hatte das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass eine Einbeziehung der Beiträge in die Bemessungsgrundlage der Einkünfte und Bezüge eines Kindes zu Lasten der Eltern gegen den Gleichheitsgrundsatz gemäß Art. 3 GG verstoße.31 Analog waren bei Kindern in der Beamtenanwartschaft die Einkünfte und Bezüge um die Beiträge zur privaten bzw. freiwillig gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung bis zur Höhe des, den jeweiligen Beihilfeverordnungen angepassten, Versicherungsschutzes zu mindern. Die gesetzlich vorgeschriebene Lohnsteuer und die klassischen Sonderausgaben wie Kirchensteuer, Beiträge zur privaten Zusatzkrankenversicherung oder privaten Haftpflichtversicherungen minderten dagegen die Einkünfte und Bezüge nicht. Auch Verlustabzüge im Sinne des § 10d EStG fanden keine Berücksichtigung. Die so ermittelten Einkünfte und Bezüge durften die Höchstbeträge nach § 32 (4) S. 3 EStG nicht übersteigen. Selbst eine geringe Überschreitung führte zur gänzlichen Aberkennung von Freibeträgen und Kindergeld. Einziges Entgegenkommen des Gesetzgebers in diesem Zusammenhang war das Absehen von einem Monatsgrenzbetrag. Es war daher unerheblich in welchen Monaten das Kind die Einnahmen erwirtschaftet hatte.
2011 wurde durch das Steuervereinfachungsgesetz vom 01.11.2011 beschlossen, die Einkommensüberprüfung des Kindes abzuschaffen. Lediglich Kinder bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres, die bereits eine Erstausbildung oder ein Erststudium abgeschlossen haben, werden dann bei den Eltern steuerlich berücksichtigt, wenn sie keiner Erwerbstätigkeit nachgehen. Unschädlich bleiben Erwerbstätigkeiten mit einer Arbeitszeit von nicht mehr als 20 Wochenstunden, innerhalb eines Ausbildungsverhältnisses oder im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung.32
II. Steuerliche Abzugsmöglichkeiten von Kinderbetreuungskosten bis einschließlich VZ 2005
Bis einschließlich des VZ 2005 waren Kindervergünstigungen steuerlich nur sehr begrenzt abziehbar. Neben dem Kinderfreibetrag und dem Freibetrag für den Betreuungs- und Ausbildungs- oder Erziehungsbedarf nach § 32 (6) EStG, wurden unter bestimmten Voraussetzungen Kinderbetreuungskosten nach § 33c EStG und, bei einem auswärtig untergebrachten Kind, ggf. noch außergewöhnliche Belastungen gemäß § 33a (1) EStG gewährt.
a) § 32 (6) EStG - Kinderfreibetrag und Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf
Eine der steuerlichen Abzugsmöglichkeiten für Eltern war 2005 der Kinderfreibetrag sowie der Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf.33 Sie wurden immer dann gewährt, wenn ein Kind im Sinne des § 32 (1) bzw. (3) - (5) EStG zum Haushalt gehörte und die Günstigerprüfung nach § 31 EStG, dem sogenannten Familienleistungsausgleich, ergab, dass die Freibeträge zu einem steuerlich günstigeren Ergebnis führen als das bereits gezahlte Kindergeld.34 Die Höhe der Freibeträge lässt sich dem § 32 (6) EStG entnehmen, demnach betrug der Kinderfreibetrag 2005 1.824 € und der Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf 1.080 €, insgesamt somit 2.904 €, die der Steuerpflichtige in Abzug bringen konnte. Bei zusammenveranlagten Ehegatten wurden die Beträge entsprechend auf insgesamt 5.808 € verdoppelt. Eine Eintragung auf der Lohnsteuerkarte erfolgte nicht, da bereits das monatliche Kindergeld als Steuervergünstigung betrachtet wurde. Lediglich für die Berechnung der Kirchensteuer und des Solidaritätszuschlages waren die auf der Lohnsteuerkarte „allseits bekannten“ Kinder von Bedeutung.35 Weiter wird an dieser Stelle nicht auf die Freibeträge eingegangen, da dies ausführlich zu einem späteren Zeitpunkt in dieser Arbeit erfolgt.
b) § 33c EStG - Kinderbetreuungskosten
Während der Veranlagungszeiträume 2002 bis einschließlich 2005 waren „Aufwendungen für die Betreuung von Kinder in der Regel mit dem Kindergeld bzw. Kinderfreibetrag abgegolten.“36 Es bestand jedoch die Möglichkeit unter bestimmten Voraussetzungen, weitere Kosten steuerlich geltend zu machen und zwar immer dann, wenn der Steuerpflichtige und ggf. sein Ehepartner bzw. der getrennt lebende Elternteil über das normale Maß hinaus auf die Hilfe von Dritten bei der Betreuung, Erziehung und Ausbildung ihres Kindes angewiesen waren.37 Über das normale Maß hinaus implizierte, dass zunächst ein Betrag von 1.548 € bei zusammenveranlagten Ehegatten (774 € bei Alleinerziehenden oder getrennt Lebenden) als zumutbare Belastung betrachtet wurde und darüber hinaus ein
Abzug bis zu 1.500 € bzw. 750 € möglich war.38 Dies bedeutete, dass nur Kosten berücksichtigt wurden, die mindestens 1.549 € (775 €) und maximal 3.048 € (1.524 €) betrugen. Zudem war der Abzug nur möglich, wenn es sich um ein, zum Haushalt des Steuerpflichtigen gehörigen Kindes im Sinne des § 32 EStG handelte, dass das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte oder aber wegen einer vor dem 27. Lebensjahr eingetretenen körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung außerstande war, sich selbst zu versorgen.39 Waren diese Voraussetzungen erfüllt, so waren die Kosten weiterhin nur dann abziehbar, wenn der Steuerpflichtige entweder erwerbstätig war, sich in Ausbildung befand, körperlich, geistig oder seelisch behindert oder krank war. Bei zusammen lebenden Ehegatten mussten die vorgenannten Kriterien bei beiden Elternteilen vorliegen. Dabei galt es folgendes zu berücksichtigen: „Eine Erwerbstätigkeit war nicht mit einer Berufstätigkeit gleichzusetzen.“40 Vielmehr handelte es sich hier um jedwede Tätigkeit, die auf die Erzielung von Einnahmen ausgerichtet war.41 Dazu gehörten unter anderem auch die Tätigkeit im Betrieb des Ehegatten, die Aufnahme eines 400 €-Jobs sowie Heimarbeit. Hingegen reichte die Erzielung aus Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, Kapitalvermögen und/oder Renten nicht aus.42 Wurde die Erwerbstätigkeit unterbrochen, z.B. wegen Arbeitslosigkeit, so konnten Kinderbetreuungskosten unter Umständen für einen Zeitraum von bis zu vier Monaten weiter berücksichtigt werden. Gleiches galt für die Unterbrechung der Ausbildung und für Urlaubszeiten.43 In Ausbildung befand sich ein Steuerpflichtiger immer dann, wenn er sein Berufsziel noch nicht erreicht hatte, sich jedoch ernsthaft darauf vorbereitete.44 Im Falle einer Erkrankung musste diese für einen zusammenhängenden Zeitraum von mindestens drei Monaten bestanden haben, Ausnahme war hier: Wenn die Krankheit unmittelbar im Anschluss an eine Erwerbstätigkeit oder Ausbildung eintrat.45 Bei einer Behinderung des Steuerpflichtigen war der Grad der Behinderung (GdB) unerheblich, einen kausalen Zusammenhang zwischen Kinderbetreuungskosten und Behinderung galt es nicht zu überprüfen.46 Waren die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt, so konnte der Steuerpflichtige entsprechend der oben genannten Beträge Kinderbetreuungskosten bei der Einkommensteuer geltend machen. Gemäß H 33c EStH 2005 waren die nachfolgenden Kosten in Geld oder Geldeswert (Kost, Wohnung, sonstige Dienstleistungen) als Kinderbetreuungskosten abzugsfähig:
- Kosten für die Unterbringung in Kindergärten, Kindertagesstätten, Kinderhorten, Kinderheimen und Kinderkrippen,
- Kosten für Tagesmütter, Wochenendmütter und Ganztagspflegestellen sowie Babysitter,
- Kosten für die Beschäftigung von Kinderpflegerinnen, Erzieherinnen und Kinderschwestern, von Hausgehilfinnen oder Haushaltshilfen, soweit diese Kinder betreuen und/oder
- die Beaufsichtigung des Kindes bei der Erledigung der häuslichen Schulaufgaben47.
Nicht abziehbar dagegen waren:
- „Aufwendungen für Sachleistungen, die neben der Betreuung erbracht wurden (z. B. Verpflegung des Kinder in einer Tagesstätte)48,
- Nebenkosten, die nicht unmittelbar der Betreuung dienten49 sowie
- Aufwendungen für eine Lebenspartnerin bzw. die Mutter, die im Haushalt des Steuerpflichtigen lebten50.“51
Grundsätzlich ausgeschlossen waren auch die Kosten, die für „Unterricht, der zur Vermittlung besonderer Fähigkeiten, sportlichen und anderen Freizeitaktivitäten“ geleistet wurden.52 Zu Ungerechtigkeiten bei der Berücksichtigung der Kinderbetreuungskosten, kam es bei Eltern, die zwar zusammen lebten, jedoch nicht verheiratet waren. Trug hier ein Elternteil die Kosten alleine, so wurden die Kosten zwar erst ab einer Höhe von 1.548 € berücksichtigt, da es sich aber um eine Einzelveranlagung handelte nur bis zu einer Höhe von 750 € über das Mindestmaß hinaus. Bei einer Zusammenveranlagung hingegen sind die Kosten bis zur einer Höhe von 1.500 € abzugsfähig gewesen.
c) § 35a EStG - Steuermäßigung bei Aufwendungen für haushaltsnahe Beschäftigungsverhältnisse und für die Inanspruchnahme haushaltsnaher Dienstleistungen
Eine weitere Abzugsmöglichkeit für, durch das Kind bedingte, Kosten, war die Steuerermäßigung nach § 35a EStG. Die Vorschrift besagte, dass die tarifliche Einkommensteuer um Kosten für haushaltsnahe Beschäftigungsverhältnisse, die in einem inländischen Haushalt des Steuerpflichtigen ausgeübt wurden, bis 10%, maximal 510 €, bei einer geringfügigen Beschäftigung bzw. 12%, maximal 2.400 € bei einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis, ermäßigte.53 Der Abzug hiernach war jedoch nur dann möglich, wenn es sich nicht schon um Betriebsausgaben oder Werbungskosten handelte und nur sofern diese Kosten nicht schon als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt wurden.54
d) Verfassungswidrigkeit des § 33c EStG - Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes vom 16. März 2005
Bereits seit den 50er Jahren waren Kinderbetreuungskosten immer wieder Anlass, sich vor Gericht wiederzufinden. Oftmals waren es verfassungsrechtliche Bedenken, die vorgetragen und in den meisten Fällen auch als begründet beurteilt wurden. 1950/56 waren Kosten für Haushaltsgehilfinnen und somit erwerbsbedingte Kinderbetreuungskosten, abzugsfähig, wenn die Eltern mindestens zwei Kinder hatten und beide erwerbstätig waren (bei Ehegatten) bzw. mindestens einer der Elternteile (bei Unverheirateten) erwerbstätig war. Das Bundesverfassungsgericht sah hier einen Verstoß gegen Art. 3(1)GG. Die Festlegung einer Mindestkinderzahl sei kein sachlicher Differenzierungsgrund.55 Nach dem Urteil waren die Kosten bereits ab dem ersten Kind abziehbar. In den 80er Jahren wurde der Abzug von Kinderbetreuungskosten auch außerhalb des eigenen Haushaltes ermöglicht,56 aber auch hier scheiterte das Gesetz an seiner Verfassungsmäßigkeit. Die Folge war die Abschaffung des bis dato ansetzbaren Kinderbetreuungsfreibetrages. Als Ausgleich wurde der bis heute geltende Kinderfreibetrag eingeführt. Mitte der 80er Jahre wurde erneut gegen § 33c EStG geklagt. Der Wortlaut des Gesetzes ermöglichte Alleinerziehenden den Abzug von Kinderbetreuungskosten, auch wenn sie mit ihrem Lebenspartner zusammen lebten. Für Ehegatten war der Abzug nicht möglich. Auch hier entschied das Verfassungsgericht zu Gunsten der Eltern.57
Im Streitjahr 2005 beschloss das Bundesverfassungsgericht schließlich, dass § 33c EStG in der Fassung von 1997 bezüglich der Anrechnung einer zumutbaren Belastung nach § 33 EStG verfassungswidrig sei. Im Anschluss an das Verfahren vom 16. März 2005 wurde schließlich § 33c EStG in der Fassung von 2002 aufgehoben und eine baldige Änderung angestrebt. Dies führte zu einer großrahmigen Neuregelung der Kinderbetreuungskosten, die durch das Gesetz zur steuerlichen Förderung von Wachstum und Beschäftigung am 26. April 2006 in Kraft trat.58
III. Neugestaltung der Kinderbetreuungskosten ab dem VZ 2006 a) Gesetz zur steuerlichen Förderung von Wachstum und Beschäftigung vom 26. April 2006
Da das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 16. März2005 die Verfassungswidrigkeit des § 33c EStG von 1997 feststellte, wurde der Gesetzgeber gezwungen, eine Änderung der Abzugsfähigkeit von Kinderbetreuungskosten in Betracht zu ziehen. Um nicht erneut einer Verfassungsklage zu erliegen, beschloss die Regierung eine vollkommene Neuregelung der Kinderbetreuungskosten. Um allem gerecht zu werden, wurde am 26. April 2006 das Gesetz zur steuerlichen Förderung von Wachstum und Beschäftigung beschlossen. Am 05. Mai 2006 wurde das vorgenannte Gesetz verkündet. Nach diesem Gesetz wurde, neben anderen steuerlichen Sachverhalten, die Abziehbarkeit von Kinderbetreuungskosten vollständig neu geregelt und der bis dato gültige § 33c EStG aufgehoben. Das Gesetz sah den Abzug von Kinderbetreuungskosten auf vier verschiedene Arten vor. Zum einen, was vollkommen neu war, der Abzug der Aufwendungen „wie“ Werbungskosten (§ 9 (5) EStG) bzw. Betriebsausgaben (§ 4f EStG) sowie zwei unterschiedliche Tatbestandsmerkmale zum Abzug als Sonderausgaben (§10(1) Nr. 5 bzw. 8 EStG). Der unter Umständen mögliche Abzug als Steuerermäßigung im Sinne des § 35a EStG blieb dabei unberührt.
[...]
1 § 33c EStG (2005).
2 §§ 4f, 9 (5), 9c, 10 (1) Nr.5 u.8 EStG (2006ff).
3 § 2 BGB (2002ff.).
4 § 32 (3) EStG (alle VZ).
5 Vgl. BFH v. 14.11.2001.
6 Anm. der Autorin: Zur unbeschränkten Einkommensteuerpflicht s. §§ 1,1a EStG.
7 Vgl. Votsmeier, V. (2007), S. 63.
8 Vgl.BMFv. 17.11.2003.
9 § 32 (2) EStG (2006ff).
10 § 32 (4) EStG (2006ff).
11 Vgl. Hillmoth, B. (2009), S. 35 Rz. 50.
12 Ebd.
13 Vgl. BFH v. 19.06.2008.
14 BFH v. 09.06.1999.
15 Vgl. Hillmoth, B. (2009), S. 53 Rz. 150.
16 Vgl. Hillmoth, B. (2009), S. 54 Rz. 160.
17 Vgl. Hillmoth, B. (2009), S. 55 Rz. 161.
18 Vgl. BFHv. 17.06.2010.
19 Vgl. BFH v. 24.6.2004.
20 Vgl. Hillmoth, B. (2009), S. 62 Rz. 193.
21 Vgl. BFH v. 9.6.2011.
22 R 32.9 EStR (2006 - 2011)
23 Vgl. Hillmoth, B. (2009), S. 67 Rz. 216.
24 Vgl. Hillmoth, B. (2009), S. 67 Rz. 217.
25 Vgl. BFHv. 16.11.2006.
26 Vgl. BFHv. 04.07.2001.
27 §32(4) S.3 EStG (2006-2011).
28 Vgl. Hillmoth, B. (2009), S. 101 Rz. 400.
29 R32.10(2)EStR (2006-2011).
30 R32.10(4)EStR (2006-2011).
31 Vgl. Hillmoth, B. (2009), S. 75; BVerfG v. 11.01.2005.
32 (4) EStG (2012).
33 § 32 (6) EStG (2005).
34 Vgl. Mücke, A. (2007), S. 12.
35 Ebd.
36 Hillmoth, B. (2006), Rz. 1.
37 Ebd.
38 § 33c (1 ) bzw. (2) EStG (2005).
39 § 33c (1) S. 1 EStG (2005).
40 Hillmoth, B.(2006),Rz. 19.
41 Vgl. BFH 16.05.1975.
42 Vgl. Hillmoth, B. (2006), Rz. 19.
43 R 33c (3) EStR (2005).
44 BFH v. 09.06.1999.
45 § 33c (1) S.4 EStG (2005).
46 Vgl. Hillmoth, B. (2006), Rz. 33.
47 Vgl. BFHv. 17.11.1978.
48 Vgl. BFHv. 28.11.1986.
49 Vgl. BFH v. 29.08.1986.
50 Vgl. BFHv. 06.11.1997.
51 H 33c EStH (2005).
52 § 33c (1) S.5 EStG (2005).
53 § 35a EStG (2005).
54 §35a(1) EStG (2005).
55 Vgl.Jachmann, M. (2010),S.22.
56 StÄndG v. 30.11.1978.
57 Vgl. BVerfG v. 10.11.1998.
58 Vgl. BVerfG v. 16.03.2005.
- Arbeit zitieren
- Carolin Kirstein (Autor:in), 2012, Kinderbetreuungskosten: Ein steuerrechtlicher Blick in die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/196611
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