Im protestantischen Deutschland um 1600, entstand eine heterogene von Intellektuellen und Gelehrten getragene Protest- und Reformbewegung. Diese Reformer wollten gängige Formen späthumanistischer Lebensführung sprengen, sowie neue Wissens- und Glaubensformen postulieren. Die Welle religiös-intellektueller Opposition kulminierte schließlich in der Forderung einer “Generalreformation der Welt”, die sich gegen vermeintlichen Luxus, Leichtlebigkeit, sowie gegen die Verengung des religiösen Lebens durch Kontroverstheologie und konfessioneller Orthodoxie richtete. Ein bedeutendes literarisches Beispiel dieser Opposition ist der Mythos von dem Rosenkreuzerorden. Diese fiktive Bruderschaft, sowie die sagenumworbene Person ihres Stifters Christian Rosenkreutz wurde der Öffentlichkeit in drei anonym erschienenen Schriften vorgestellt. Es handelte sich dabei um die "Fama Fraternitatis Oder Brüderschafft des Hochlöblichen Ordens des R.C. An die Häupter, Stände und Gelehrten Europae" (1614), um die "Confessio Fraternitatis Oder Bekanntnuß der löblichen Bruderschafft deß hochgeehrten Rosen Creutzes an die Gelehrten Europae geschrieben" (1615), sowie um die "Chymische Hochzeit: Christiani Rosencreutz. Anno 1459" (1616). Diese Schriften erregten gewaltiges Aufsehen und zogen die gebildete Welt Deutschlands in ihren Bann. Dies hatte eine wahre Flut von Stellungnahmen und Antwortschreiben zur Folge. Zwischen 1614 bis 1630 erschienen nach Schätzungen etwa 300 Schriften, die sich mit dieser fingierten Bruderschaft auseinander setzten. Diese Autoren glaubten an die reale Existenz und suchten die Fraternität des Rosenkreuzes um ihr beizutreten, andere sympathisierten inhaltlich und entwickelten das rosenkreuzerische Gedankengut weiter. Auch sahen manche in den Urmanifesten eine „allegorische Darstellung einer höheren, Alchemie die ein Gottesgeschenk sei und das Geheimnis der Universalmedizin liefern könne.“
Gliederung
I. Einleitung
II. Johan Valentin Andrea und das ältere Rosenkreuzertum
2.1. Die „Fama Fraternitatis“
2.2. Die „Confessio Fraternitatis
2.3. Die „Chymische Hochzeit“
III. Abschlussbetrachtung
Quellen- und Literaturverzeichnis
I. Einleitung
Im protestantischen Deutschland um 1600, entstand eine heterogene von Intellektuellen und Gelehrten getragene Protest- und Reformbewegung. Diese Reformer wollten gängige Formen späthumanistischer Lebensführung sprengen, sowie neue Wissens- und Glaubensformen postulieren. Die Welle religiös-intellektueller Opposition kulminierte schließlich in der Forderung einer “Generalreformation der Welt”, die sich gegen vermeintlichen Luxus, Leichtlebigkeit, sowie gegen die Verengung des religiösen Lebens durch Kontroverstheologie und konfessioneller Orthodoxie richtete.[1] Ein bedeutendes literarisches Beispiel dieser Opposition ist der Mythos von dem Rosenkreuzerorden. Diese fiktive Bruderschaft, sowie die sagenumworbene Person ihres Stifters Christian Rosenkreutz wurde der Öffentlichkeit in drei anonym erschienenen Schriften vorgestellt. Es handelte sich dabei um die "Fama Fraternitatis Oder Brüderschafft des Hochlöblichen Ordens des R.C. An die Häupter, Stände und Gelehrten Europae" (1614), um die "Confessio Fraternitatis Oder Bekanntnuß der löblichen Bruderschafft deß hochgeehrten Rosen Creutzes an die Gelehrten Europae geschrieben" (1615), sowie um die "Chymische Hochzeit: Christiani Rosencreutz. Anno 1459" (1616).[2] Diese Schriften erregten gewaltiges Aufsehen und zogen die gebildete Welt Deutschlands in ihren Bann. Dies hatte eine wahre Flut von Stellungnahmen und Antwortschreiben zur Folge. Zwischen 1614 bis 1630 erschienen nach Schätzungen etwa 300 Schriften, die sich mit dieser fingierten Bruderschaft auseinander setzten.[3] Diese Autoren glaubten an die reale Existenz und suchten die Fraternität des Rosenkreuzes um ihr beizutreten, andere sympathisierten inhaltlich und entwickelten das rosenkreuzerische Gedankengut weiter. Auch sahen manche in den Urmanifesten eine „allegorische Darstellung einer höheren, Alchemie die ein Gottesgeschenk sei und das Geheimnis der Universalmedizin liefern könne.“[4]
II. Johann Valentin Andreae und das ältere Rosenkreuzertum
1. „Fama Fraternitatis“
Die 1614 in Kassel erschienene und um 1609/11[5] verfasste „Fama“ stellt den Mittelpunkt der Rosenkreuzbewegung dar, und die literarische Diskussion um sie sucht ihresgleichen in der Frühen Neuzeit.[6] Ein wichtiges Problem in bezug auf die „Fama“ ist die Verfasserfrage, die bis heute noch nicht eindeutig geklärt werden konnte. Die meisten Forscher gehen von dem württembergischen Theologen Johann Valentin Andreae (1586-1654) aus, der weitgehend als eigentlicher Initiator der Rosenkreuzbewegung angesehen wird.[7] Selbiger distanzierte sich jedoch in seinen späteren Schriften und bezeichnete sie als „ein irreführender Scherz“[8]. Andreae war ein bedeutender Vertreter der Reformorthodoxie, späthumanistischer Denker und ein viel gelesener satirischer Schriftsteller. Sein Lebensziel war auf die Reform von Sitten, Erziehung und Wissenschaft, sowie auf die Erneuerung der Kirche gerichtet.[9] Seine Kritik richtete sich gegen die Verhärtung des Luthertums zur Lehrorthodoxie, er propagierte ein verinnerlichtes Christentum und versuchte der Verweltlichung der bürgerlichen Kultur durch eine Rechristianisierung der Gesellschaft entgegenzuwirken.[10] Die ungewöhnlich starke Wirkung der Schrift gründet sich inhaltlich durch den Rosenkreuzermythos, dem zufolge “eine Generalreformation der Welt durch eine christlich-esoterischen Gesellschaft auserwählter, aber unbekannte Gelehrter”[11] bevorstände. Die „Fama“ berichtet von der Lebensgeschichte Christian Rosenkreuz, von der Gründung der Bruderschaft und von der Entdeckung des geheinmissvollen Grabes ihres Gründers. Bruder Christian Rosenkreuz wird vorgestellt als ein Adliger, der seit seinem fünften Lebensjahr in einem Kloster lebt. Noch im Jugendalter unternimmt er, begleitet von einem „Bruder P.a.l.“ (17) eine Wahlfahrt zum „Heyligen Grab“ (17) nach Jerusalem. In Zypern stirbt sein Weggefährte, er aber setzt seine Reise fort und gelangt zu den „Weysen zu Damasco in Arabia“ (18). Dort wird er von den Weisen in Geheimnisse eingeweiht, lernt Arabisch, erwirb mathematische und physikalische Kenntnisse und übersetzt das „librum M.“ (18), „das alle Weisheiten seit Anbeginn der Welt enthält“[12] ins lateinische. Nach drei Jahren geht er nach Ägypten, später nach Fez, wo er die wahre Magie kennen lernt und mit der Hermetik, der Lehre der Entsprechung des Menschen als Mikrokosmos und der Welt als Makrokosmos, vertraut gemacht wird.[13] Das Ziel der Hermetik ist es, die Einheit in der Mannigfaltigkeit darzustellen.[14]. So steht in der „Fama“: „also die gantze grosse Welt in einem kleinen Menschen were, dessen Religion, Policey, Gesundheit, Glieder, Natur, Spraache, Wort und Wercke, aller in gleichen tono und Melody mit Gott, Himmel und Erde ginge“ (19). Nach zwei Jahren verläst C.R. Fez und geht nach Spanien. Dort möchte er durch sein erworbenes Wissen, durch eine Reformation die „gantz Philosophia moralis“ (19) verbessern, und zeigt den Gelehrten „newe Früchte, Thiere, die sich nicht nach der alten Philosophia richteten“(19). Diese lassen sich jedoch nicht auf sein neues Wissen ein: „aber es war ihnen alle lächerlich und weil es noch new, besorgten sie, ihr grosser Nahme würde geschmälert“ (19). Auch in anderen Ländern treffen seine neuen Lehren auf taube Ohren. C.R. kehrt nun nach seinen vielen Reisen nach Deutschland in sein Kloster zurück und „nach fünff Jahren kahm ihme die erwünschte reformation abermal zu sinn“ (21), die er nun im kleinen Kreise vollziehen will. Mit drei Mönchen gründet er nun die Bruderschafft des R.C. und baut mit ihnen das Ordensgebäude „Sancti Spiritus“ (21). Die Urbruderschaft wächst schließlich auf acht Mitglieder an. Als ein jeder von ihnen „ein vollkommenen discurs der heimlichen und offenbahren Philosophy hatte“ (22), verteilen sie sich und verpflichten sich auf gemeinsame Ordensregeln. So sollten sie unentgeltlich Kranke heilen und fähige Schüler suchen. Des weiteren verpflichteten sie sich zu einem jährlichen Treffen in ihrem Ordensgebäude treffen und die Bruderschaft sollte einhundert Jahre lang geheim gehalten werden. 120 Jahre nach dem Tod C.R. wird zufällig sein Grab in einem versteckten
[...]
[1] Vgl. W. Hardtwig: Genossenschaft, Sekte, Verein in Deutschland. Bd. 1. Vom Spätmittelalter bis zur Französischen Revolution. München 1997, S. 161.
[2] Vgl. J. v. Andreae: Fama Fraternitatis (1614); Confessio Fraternitatis (1615); Chymische Hochzeit: Christiani Rosencreutz. Anno 1459 (1616). Hrsg. v. Richard van Dülmen. 5. Aufl. Stuttgart 2000.
[3] Vgl. R. Edighoffer: Die Rosenkreuzer. München 1995, S. 59.
[4] Ebd., S. 12.
[5] Vgl. R. v. Dülmen: Die Utopie einer christlichen Gesellschaft. Johann Valentin Andreae (1586-1654). Teil 1. Stuttgart 1978, S. 78.
[6] Vgl. Ebd., S. 79.
[7] Vgl. Ebd., S. 79.
[8] J. v. Andreae: Christianopolis (1619). Stuttgart 1996, S. 11.
[9] R. v. Dülmen: Johann Valentin Andreae. In: TRE. Bd. 2. Hrsg. v. Gerhard Krause u. Gerhard Müller. Berlin/New York 1978, S. 680.
[10] Ebd., S. 682.
[11] Dülmen: Utopie einer christlichen Gesellschaft. S. 79.
[12] W. Frietsch: Die Geheimnisse der Rosenkreuzer. Ein westlicher Einweihungsweg. Hamburg 1999, S. 225.
[13] Vgl. Ebd., S. 276.
[14] Vgl. Ebd., S. 226.
- Arbeit zitieren
- Stefan Lochner (Autor:in), 2000, Johan Valentin Andreae und das ältere Rosenkreuzertum, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/196362
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