In seinem Buch „Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne“
geht Ulrich Beck von einem Gesellschaftswandel innerhalb der Moderne
aus, in dessen Verlauf die Menschen aus den Sozialformen der
industriellen Gesellschaft - Klasse, Schicht, Familie und Geschlechterlagen
von Männern und Frauen - freigesetzt werden.
Seine Individualisierungsthese begreift damit die Menschen als nicht mehr
in übergeordneten Bezügen sozial verankerte Individuen.
„Dieses kommt der Wegindividualisierung aller Kategorien sozialer Gruppen
gleich.“ (Konietzka 1995, S. 62)
Gleichzeitig macht er in unserer hochkomplexen und im permanenten
Umbruch begriffenen „reflexiven Moderne“ ein Moment ausfindig, das auf
allen Ebenen des menschlichen Zusammenlebens vorkommt. Es ist das
Moment des Risikos.
„Dieses wird in unzulässiger, hermeneutisch aber fruchtbarer Weise so
generalisiert und verabsolutiert, dass die ‘empirisch orientiert’ und ‘projektiv’
zu untersuchende Formation als die Gesellschaft des Risikos erscheint.“(
Gill 1987, S.160)
So werden die sozialen Strukturen in der Beckschen Gesellschaftsanalyse
aus der dominierenden Perspektive des Risikos betrachtet.
Sicherlich trifft Beck damit auf den ersten Blick die Zeichen der Zeit. Fünfzehn
Jahre nach dem Erscheinen seines vieldiskutierten und einschlägigen
Werkes sind seine Thesen nicht mehr nur projektiv, sondern sind Teil
des Alltags unserer Gesellschaft geworden und bestimmen das Leben
gerade der jüngeren Generation. Aber eben nur zum Teil! Zwischen globalen
Risiken und Risiken in der eigenen Lebensplanung zwischen dem
„auf sich allein gestellt sein“ und neuen Abhängigkeiten, befinden sich
eben noch andere verschiedene soziale Geflechte, deren Qualitäten
durch individuelle Präferenzen bestimmt werden und die wesentlich unsere
Gesellschaft prägen. Als Beispiel lassen sich Abhängigkeiten inerhalb
der Familie, im Berufsleben oder auch Bindungen durch Freundschaften
und Liebe anführen. Beck ist es jedoch gelungen, dem Leser den Eindruck
zu vermitteln, diese wesentlichen Geflechte, die uns im Leben bewegen,
seien sie nun ex- oder intrinsischer Natur, behandelt zu haben.
Aber es ist gerade diese Pluralität, die Unsicherheiten im Umgang mit den Beckschen Thesen aufkommen lässt und die tatsächlich zu viel Kritik und
Diskussion angeregt haben.
Dem vorherrschenden und unübersehbaren Moment der sozialen Ungleichheit
wird meines Erachtens dabei allerdings nicht die entsprechende
Bedeutung als Motor sozialer Aktion beigemessen. [...]
Inhalt
1. Einleitung
2. Die Individualisierungsthese - alles und nichts
2.1 Herauslösung und Wiedereinbindung - Was hat sich geändert?
2.3 Soziale Zwänge und Bedürfnisse
3. Soziale Ungleichheit
3.1 Definition der sozialen Ungleichheit nach Kreckel
3.2 Stellenwert sozialer Ungleichheit in der Risikogesellschaft und im sozialen Gefüge
4. Becks Immunisierungssystem
5. Von der Risiko- zur Möglichkeitsgesellschaft
Literatur
1. Einleitung
In seinem Buch „Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne“ geht Ulrich Beck von einem Gesellschaftswandel innerhalb der Moderne aus, in dessen Verlauf die Menschen aus den Sozialformen der industriellen Gesellschaft - Klasse, Schicht, Familie und Geschlechterlagen von Männern und Frauen - freigesetzt werden.
Seine Individualisierungsthese begreift damit die Menschen als nicht mehr in übergeordneten Bezügen sozial verankerte Individuen.
„Dieses kommt der Wegindividualisierung aller Kategorien sozialer Gruppen gleich.“ (Konietzka 1995, S. 62)
Gleichzeitig macht er in unserer hochkomplexen und im permanenten Umbruch begriffenen „reflexiven Moderne“ ein Moment ausfindig, das auf allen Ebenen des menschlichen Zusammenlebens vorkommt. Es ist das Moment des Risikos.
„Dieses wird in unzulässiger, hermeneutisch aber fruchtbarer Weise so generalisiert und verabsolutiert, dass die ‘empirisch orientiert’ und ‘projektiv’ zu untersuchende Formation als die Gesellschaft des Risikos erscheint.“(Gill 1987, S.160)
So werden die sozialen Strukturen in der Beckschen Gesellschaftsanalyse aus der dominierenden Perspektive des Risikos betrachtet.
Sicherlich trifft Beck damit auf den ersten Blick die Zeichen der Zeit. Fünfzehn Jahre nach dem Erscheinen seines vieldiskutierten und einschlägigen Werkes sind seine Thesen nicht mehr nur projektiv, sondern sind Teil des Alltags unserer Gesellschaft geworden und bestimmen das Leben gerade der jüngeren Generation. Aber eben nur zum Teil! Zwischen globalen Risiken und Risiken in der eigenen Lebensplanung zwischen dem „auf sich allein gestellt sein“ und neuen Abhängigkeiten, befinden sich eben noch andere verschiedene soziale Geflechte, deren Qualitäten durch individuelle Präferenzen bestimmt werden und die wesentlich unsere Gesellschaft prägen. Als Beispiel lassen sich Abhängigkeiten inerhalb der Familie, im Berufsleben oder auch Bindungen durch Freundschaften und Liebe anführen. Beck ist es jedoch gelungen, dem Leser den Eindruck zu vermitteln, diese wesentlichen Geflechte, die uns im Leben bewegen, seien sie nun ex- oder intrinsischer Natur, behandelt zu haben. Aber es ist gerade diese Pluralität, die Unsicherheiten im Umgang mit den Beckschen Thesen aufkommen lässt und die tatsächlich zu viel Kritik und Diskussion angeregt haben.
Dem vorherrschenden und unübersehbaren Moment der sozialen Ungleichheit wird meines Erachtens dabei allerdings nicht die entsprechende Bedeutung als Motor sozialer Aktion beigemessen. Denn
„schon um uns in der Welt überhaupt orientieren zu können, müssen wir über das Schema von Identität und Differenz uns vergewissern, wer wir sind und vor allem, wer wir nicht sind; bereits diese grundlegende Orientierung im sozialen Mit-, Für-, und Gegeneinander besiegelt die Strukturierung nach Nähe zu Gleichartigen und Gleichgesinnten und Distanz zu ‘Anderen’ und ‘Fremden’. Dieser Prozess „schafft zwar keine Klassen, aber Klassifikationen der Mitmenschen, die Grundlage für distinkte Lebensstile und Milieus, unter Umständen auch für soziale Klassen werden können.“ (Müller 1994, S. 134)
In der folgenden Arbeit sollen daher zweierlei Dinge erörtert und zu einer Problematik zusammengefasst werden. Zum einen sollen die werkimmanenten Widersprüche der Begriffsanwendung und Argumentationsstruktur thematisiert und an Beispielen belegt werden. Zum anderen sollen fünfzehn Jahre nachdem Beck seine „empirisch orientierte, projektive Gesellschaftstheorie“ (Beck 1986, S. 13) veröffentlichte, die von ihm implizierten Positionen und Gewichtungen der Individualisierung und der sozialen Ungleichheit im gesellschaftlichen Kontext noch einmal reflektiert werden.
2. Die Individualisierungsthese - alles und nichts
Die Individualisierung ist der große Befund, den Beck seiner zweiten Modernisierung diagnostiziert; eine Modernisierung, die vereinzelte Biographiebastler zurücklässt, getrieben durch Prinzipien der Arbeitsmarkttauglichkeit und einer an Marktmechanismen ausgerichteten Gesellschaft.
Individualisierung meint aber mehr bei Beck: Seine Gesellschaftsanalyse leidet darunter, dass Individualisierung als Entwicklung in allen Bereichen konstatiert wird und dadurch vielfältig besetzt ist. Er geht von einem „[...] Gesellschaftswandel[s] innerhalb der Moderne[...]“ aus, „[...] in dessen Verlauf die Menschen aus den Sozialformen der industriellen Gesellschaft - Klasse, Schicht, Familie und Geschlechtslagen - freigesetzt werden, [...]“. Dazu stellt Beck sechs Thesen auf, die die Ursachen und Folgen der Individualisierung zeigen sollen (Beck 1986, S. 116ff).
1. Aufgrund eines „hohen materiellen Lebensstandards und weit vorangetriebenen sozialen Sicherheiten wurden die Menschen [...] aus traditionellen Klassenbedingungen und Versorgungsbezügen [...] herausgelöst und verstärkt auf sich selbst und ihr individuelles Arbeitsmarktschicksal mit allen Risiken, Chancen und Widersprüchen verwiesen.“
2. Dadurch stehen wir „dem (noch unbegriffenen) Phänomen eines Kapitalismus ohne Klassen gegenüber mit allen damit verbundenen Strukturen und Problemen sozialer Ungleichheit.“
3. „In der Konsequenz werden Systemprobleme in persönliches Versagen abgewandelt und politisch abgebaut.“
4. „Es entsteht der Typus der >>Verhandlungsfamilie auf Zeit<<, in der sich verselbständigende Individuallagen ein widerspruchsvolles Zweckbündnis zum geregelten Emotionalitätenaustausch auf Widerruf eingehen.“
5. „Die Industriegesellschaft war und ist [...] nur als halb Industrie- halb Stände gesellschaft“ möglich, „deren ständische Seite kein traditionelles Relikt, sondern industriegesellschaftliches Produkt und Fundament ist. Mit der Durchsetzung der Industriegesellschaft wird insofern immer schon die Aufhebung ihrer Familienmoral, ihrer Geschlechtsschicksale, ihrer Tabus von Ehe, Elternschaft und Sexualität, ja die Wiedervereinigung von Haus- und Erwerbsarbeit betrieben.“
Dieses lange Zitat muss hier kommentiert werden. Becks Argumentation kann durch ihren widersprüchlichen Charakter sehr leicht zu Missverständnissen beim Leser führen, denn folgt man seiner These, so entsteht aus der Durchsetzung der Industriegesellschaft eigentlich nur eine Konsolidierung der ständischen Hälfte und nicht deren Auflösung. Dies ist eine der vielen Aussagen, die man in der „Risikogesellschaft“ verschiedenartig interpretieren kann bzw. denen es an Eindeutigkeit fehlt. (Näheres dazu in Kap. 4)
6. „Der oder die einzelne selbst wird zur lebensweltlichen Reproduktionseinheit des Sozialen.“
Für Beck umfasst Individualisierung dreierlei Bewegungen (Beck 1986 ,S. 206): Eine Freisetzungsdimension, die Herauslösung aus traditionellen Herrschafts- und Versorgungszusammenhängen, eine Entzauberungsdimension, die den Verlust von traditionellen Sicherheiten wie Normen und Werte mit sich bringt und eine neue Art der Einbindung, die Kontroll- bzw. Reintegrationsdimension. Alle drei Teile betrachtet Beck als der objektiven Lebenslage zugeordnet, woraus Beck den Begriff der strukturellen gesellschaftlichen Individualisierung entwickelt. Damit gelingt es ihm, Individualisierung mit vielfältigen unterschiedlichen Bedeutungen zu belegen: Zwang zur Biographieplanung, Vergesellschaftung, Herauslösung, Reflexionsverhalten, Selbstsuche, Vereinzelung u.v.m. Einzig der Ausgangspunkt und Motor der Individualisierung ist bei ihm deutlich: Sozialstaat und Arbeitsmarkt bewirken eine Freisetzung aus familiären, regionale, kulturellen und beruflichen Bindungen.
Die Schwierigkeit im Umgang mit dem Begriff der Individualisierung liegt nicht nur in dem Missverständnis, dass Individualisierung als "Individuation gleich Personwerdung gleich Einmaligkeit gleich Emanzipation" (Beck 1986, S. 207) verstanden wird. Sie liegt vor allem darin, dass ihre Verwendung auflösende wie strukturierende, subjektive wie objektive, strukturelle wie individuelle Veränderungen bezeichnet.
2.1 Herauslösung und Wiedereinbindung - Was hat sich geändert?
Beck ist der Ansicht, dass sich „nach dem zweiten Weltkrieg ein gesellschaftlicher Individualisierungsschub von bislang unerkannter Reichweite und Dynamik vollzogen“ hat (Beck 1986, S. 116), der die Begriffe der traditionellen Klassen und Schichtungen zur Erklärung der vorherrschenden Verhältnisse in Deutschland wirkungslos werden lässt. So entstehen „der Tendenz nach individualisierte Existenzformen und Existenzlagen, die die Menschen dazu zwingen, sich selbst - um des eigenen materiellen Überlebens willen - zum Zentrum ihrer eigenen Lebensplanung und Lebensführung zu machen“ (ebd.). So stehen wir „dem (noch unbegriffenen) Phänomen eines Kapitalismus ohne Klassen gegenüber [...]“ (Beck 1986, S. 117). Wesentliche Grundlage sei eine Niveauverschiebung der sozialen Ungleichheit[1]. Weitere ausschlaggebende Faktoren sind die Verkürzung der Arbeitszeit, verlängerte Lebenszeit, und höheres Arbeitseinkommen. Diese „drei Komponenten haben sich [...] zugunsten einer Entfaltung der Lebenschancen verschoben [...] (Beck, S.124). Damit ist der von Beck erkannte soziale Ort dieses Freisetzungsschubes als Gegensatz zur marxistischen „Prophezeiung“ hervorzuheben: Er hat seine Basis, und er vollzieht sich außerhalb der Erwerbsarbeit (ebd.).
[...]
[1] Darauf wird im dritten Kapitel genauer eingegangen
- Arbeit zitieren
- Mark Eichberger (Autor:in), 2001, Positionen und Gewichtungen der Individualisierung und der sozialen Ungleichheit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/19597
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