Die Untersuchung der Kundenbindung hat in letzter Zeit stark an Bedeutung gewonnen. Die Ergebnisse der wissenschaftlichen Arbeiten zu diesem Thema machen deutlich, dass die Bindung eines Kunden an das Unternehmen kostengünstiger ist als die Akquise ständig wechselnder neuer Kundschaft. Darüber hinaus hat sich gezeigt, dass der ökonomische Erfolg durch langfristige Kundenbeziehungen erheblich gesteigert werden kann. Begründet in diesen Erkenntnissen und in der Tatsache der zunehmenden Sättigung der westlichen Volkswirtschaften sowie dem damit verbundenen Verdrängungswettbewerb vollzieht sich ein Paradigmenwandel hinsichtlich der Ziele und Schwerpunkte von Marketingstrategien in der Handelspraxis. Handelsunternehmen rücken zunehmend von der Strategie, eine möglichst große Anzahl an Neukunden zu akquirieren, ab und konzentrieren ihre Marketingaktivitäten auf die Intensivierung der Beziehung zu den bereits vorhandenen Kunden (Liebmann/Zentes 2001, S. 434; Payne/Rapp 2003, S. 5). Durch den adäquaten Einsatz eines Kundenbindungsmanagements können Differenzierungsmerkmale herausgearbeitet werden, mit denen sich das jeweilige Unternehmen von der Konkurrenz abhebt. Gleichzeitig eröffnet hier die rasante Entwicklung des Internets vielerlei Möglichkeiten. Dieser Entwicklung wendet sich die vorliegende Arbeit zu und zeigt in diesem Rahmen Möglichkeiten auf, wie und mit welchen Maßnahmen eine Kundenbindung über das Internet als Informations- und Kommunikationsmedium erreicht werden kann. Dabei beschränken sich die Ausführungen auf den B2C-Bereich im Handel tätiger Unternehmen.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Definitionen und konzeptionelle Grundlage
2.1 Das Internet im Kontext der kommerziellen Verwendung
2.1.1 Nutzung und Verbreitung des Internets
2.1.2 Das Internet als Marketingplattform
2.2 Grundlagen der Kundenbindung
2.2.1 Begriffliche Einordnung
2.2.1.1 Kundenbindung
2.2.1.1.1 Definition
2.2.1.1.2 Arten und Ursachen der Kundenbindung
2.2.1.2 Kundenloyalität
2.2.1.3 Kundenzufriedenheit
2.2.2 Zusammenhang von Kundenzufriedenheit und Kundenbindung
2.2.3 Konzept der Kundenbindung nach Bruhn und Homburg
2.3 Relevante Einflussgrößen der Kundenbindung und Anknüpfungspunkte für die internetbasierten Kundenbindungsinstrumente
3 Internetbasierte Maßnahmen zur Kundenbindung
3.1 Einführung
3.2 Vorschlag zur Systematisierung anhand der klassischen Marketinginstrumente
3.3 Systematisierung anhand des Customer Buying Cycle
3.3.1 Kundenbindungsinstrumente in der Anregungsphase
3.3.1.1 Newsletter
3.3.1.2 Virtuelle Communitys
3.3.1.3 RSS
3.3.1.4 Location Based Services
3.3.2 Kundenbindungsinstrumente in der Evaluationsphase
3.3.2.1 FAQ-Listen
3.3.2.2 Onlineberatung durch Avatare
3.3.2.3 Produktempfehlungen
3.3.2.4 Produktbewertungen
3.3.3 Kundenbindungsinstrumente in der Kaufphase
3.3.3.1 Gütesiegel
3.3.3.2 Zahlungsart
3.3.3.3 Couponing und Gutscheine
3.3.3.4 One-Click-Funktion
3.3.3.5 Mobile Payment
3.3.3.6 Lieferoptionen
3.3.4 Kundenbindungsinstrumente in der After Sales Phase
3.3.4.1 Social Media: Facebook, Twitter und Co
3.3.4.2 Beschwerdemanagement
3.3.4.3 Call-Back-Button
4 Ökonomische Auswirkungen der Kundenbindung
4.1 Erlössteigernde Wirkung der Kundenbindung
4.2 Kostensenkende Wirkung der Kundenbindung
4.3 Zusammenfassung der ökonomischen Auswirkungen
5 Abschließende Würdigung
Literaturverzeichnis
Verzeichnis der Gesprächspartner
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabellenverzeichnis
Tab. 1: Vorteile von elektronischen Services für den Anbieter und für den Kunden
Tab. 2: Die Vorteile und Nachteile von RSS
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Stationäre Nutzung des Internets
Abb. 2: Matrix der Kombinationen des klassischen Service mit E-Services
Abb. 3: Konstrukt der Kundenbindung
Abb. 4: Schema der Bindungsursachen und der Bindungsarten
Abb. 5: Das Confirmation/Disconfirmation-Paradigma
Abb. 6: Übersicht möglicher Zusammenhänge zwischen Kundenzufriedenheit und Kundenbindung
Abb. 7: Wirkungskette der Kundenbindung
Abb. 8: Der Customer Buying Cycle
Abb. 9: Beispiel eines Newsletters mit persönlicher Ansprache und individuellen Produktvorschlägen
Abb. 10: Beispiel eines Newsletters mit integriertem Coupon und SWYN-Element
Abb. 11: Nintendo Club als Beispiel einer virtuellen Community
Abb. 12: Aldi App als Beispiel einer informationsbezogenen Anwendung mit LBS-Funktion
Abb. 13: Avatar „Anna“ von Ikea
Abb. 14: Funktionsprinzip vom Content Based Filtering und Collaborative Filtering
Abb. 15: Beispiele bekannter Gütesiegel
Abb. 16: Verteilungsformen von E-Coupons
Abb. 17: „Rewe Express Drive“ und „Rewe Lieferservice“
Abb. 18: Ökonomische Auswirkungen der Kundenbindung
Abb. 19: Gewinn pro Kunde im Zeitverlauf
1 Einleitung
Die Untersuchung der Kundenbindung hat in letzter Zeit stark an Bedeutung gewonnen. Die Ergebnisse der wissenschaftlichen Arbeiten zu diesem Thema machen deutlich, dass die Bin- dung eines Kunden an das Unternehmen kostengünstiger ist als die Akquise ständig wech- selnder neuer Kundschaft. Darüber hinaus hat sich gezeigt, dass der ökonomische Erfolg durch langfristige Kundenbeziehungen erheblich gesteigert werden kann. Begründet in diesen Erkenntnissen und in der Tatsache der zunehmenden Sättigung der westlichen Volkswirt- schaften sowie dem damit verbundenen Verdrängungswettbewerb vollzieht sich ein Paradig- menwandel hinsichtlich der Ziele und Schwerpunkte von Marketingstrategien in der Handels- praxis. Handelsunternehmen rücken zunehmend von der Strategie, eine möglichst große An- zahl an Neukunden zu akquirieren, ab und konzentrieren ihre Marketingaktivitäten auf die Intensivierung der Beziehung zu den bereits vorhandenen Kunden (Liebmann/Zentes 2001, S. 434; Payne/Rapp 2003, S. 5). Durch den adäquaten Einsatz eines Kundenbindungs- managements können Differenzierungsmerkmale herausgearbeitet werden, mit denen sich das jeweilige Unternehmen von der Konkurrenz abhebt. Gleichzeitig eröffnet hier die rasante Entwicklung des Internets vielerlei Möglichkeiten. Dieser Entwicklung wendet sich die vor- liegende Arbeit zu und zeigt in diesem Rahmen Möglichkeiten auf, wie und mit welchen Maßnahmen eine Kundenbindung über das Internet als Informations- und Kommunikations- medium erreicht werden kann. Dabei beschränken sich die Ausführungen auf den B2C- Bereich im Handel tätiger Unternehmen.
Dazu wird im ersten Kapitel zunächst das Internet als Plattform für Marketingaktivitäten betrachtet. Anhand seiner Nutzung und Verbreitung sowie der dem Internet zugrunde liegenden Charakteristik wird untersucht, ob und inwieweit dieses Medium als Umfeld für Kundenbindungsaktivitäten geeignet ist.
Im zweiten Kapitel werden die für das Verständnis von Kundenbindung nötigen Grund- kenntnisse vermittelt. Hierzu werden zunächst die relevanten Begriffe definiert und anhand der Wirkungskette von Bruhn in einen funktionalen Zusammenhang gesetzt, um dem Leser auf diese Weise einen Einblick in den Bereich theoretischer Kundenbindung zu ermöglichen. Die in diesem Kapitel aufgeführten Bindungsarten dienen zunächst der Verdeutlichung und der Schaffung eines grundlegenden Verständnisses für das Konstrukt der Kundenbindung. Für die Bewertung der Potenziale von internetbasierten Bindungsinstrumenten sind sie allein je- doch nicht ausreichend. Deshalb bedarf es dazu zusätzlicher Faktoren, die die Kundenbin dungswirkung speziell im Umfeld des Internets berücksichtigen. Diese werden in Kapitel 2.3 erläutert.
Das dritte Kapitel bildet den Kern der vorliegenden Arbeit. Hier werden einzelne Kundenbindungsinstrumente anhand einer geeigneten Gliederung vorgestellt und insbesondere im Hinblick auf ihre Potenziale für die Kundenbindung bewertet. Daneben sollen sowohl aktuelle als auch zukünftig mögliche Trends in der Entwicklung dieser Maßnahmen bei Handelsunternehmen aufgezeigt werden. Dazu werden zur näheren Veranschaulichung auch geeignete Beispiele aus der Praxis angeführt. Die Auswahl der vorgestellten Instrumente erhebt dabei keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern bildet die aus Sicht des Autors interessantesten Maßnahmen ab. Sie umfasst sowohl Maßnahmen die von stationären Händlern als auch von reinen Onlinehändlern eingesetzt werden können.
Im vierten Kapitel werden die ökonomischen Potenziale, die durch eine geeignete Umsetzung der in Kapitel 3 vorgestellten Instrumente erzielt können, dargelegt. Hierbei soll nochmals die Relevanz der Kundenbindung aufgezeigt werden.
Im letzten Kapitel werden die wichtigsten Kernaussagen der Arbeit kurz und zusammenfassend dargestellt.
2 Definitionen und konzeptionelle Grundlage
2.1 Das Internet im Kontext der kommerziellen Verwendung
2.1.1 Nutzung und Verbreitung des Internets
Um die möglichen Potenziale der internetbasierten Kundenbindungsaktivitäten bewerten zu können, ist es zunächst notwendig, die Verbreitung und Nutzung des Internets zu betrachten. Neben dem klassischen Internet, das zumeist von stationären Computern genutzt wird, exis- tiert eine neue Form der Internetnutzung. Mit der Entwicklung und Verbreitung von Smart- phones, Laptops, Tablet-PCs und PDAs ist das Internet nunmehr auch mobil nutzbar. Das „mobile Web“ stellt aus Sicht der Anbieter eine zusätzliche Möglichkeit zur Kundenkommu- nikation dar.
Stationäre Internetnutzung
Die Forschungsgruppe Wahlen erhebt in regelmäßigen Abständen Daten zur Nutzung des Internets. Dabei werden jeweils ca. 4000 Personen telefonisch befragt. Aus dem aktuellen Bericht für das dritte Quartal des Jahres 2011 geht hervor, dass die Anzahl der Menschen, die das Internet nutzen, in Deutschland stetig wächst. Während im Jahre 2004 nur ca. 50 % der Bevölkerung online gingen, waren es im Jahre 2011 bereits 74 %. Dabei ist der prozentuale Anteil der Männer, die das Internet nutzen, mit 80 % deutlich höher als der der Frauen, dieser liegt bei 67 %. Dieses Ungleichgewicht bei der Internetnutzung blieb seit dem Jahre 2004 unverändert (Forschungsgruppe Wahlen e. V. 2011).
Abb. 1: Stationäre Nutzung des Internets
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Forschungsgruppe Wahlen e. V. 2011.
Bezüglich der Altersstruktur hat die Aussage, dass das Internet ein Medium ausschließlich für die Jugend sei, keine Gültigkeit mehr; denn mittlerweile hat das Internet über alle Alters- gruppen hinweg Verbreitung gefunden. Die Abweichungen bei der Gruppe der unter Fünfzig- jährigen sind nur gering. Inzwischen können nur noch Divergenzen bei den über und unter Fünfzigjährigen festgestellt werden. So nutzen in den Altersgruppen bis fünfzig Jahren min- destens 90 % der Befragten das Internet. Bei den über Fünfzigjährigen sind es maximal 80 %, darüber hinaus nimmt die Internetnutzung in dieser Gruppe mit dem Alter rapide ab. So neh- men bereits bei der Gruppe der über 60-Jährigen nur noch 40 % diese Möglichkeit wahr. An- gesichts des demografischen Wandels werden hier in der Zukunft aber mehr Menschen vertre- ten sein, die bereits langjährig mit dem Internet vertraut sind (Forschungsgruppe Wahlen e. V. 2011).
Auf die Frage, ob die Internetnutzung bildungsabhängig ist, kann keine eindeutige Antwort gegeben werden, da die vorliegenden Studien zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Während die Forschungsgruppe Wahlen (2011) eine bildungsabhängige Nutzung des Internets beobachten kann, kommt Bitkom zu einem indifferenten Ergebnis. In der Studie der For- schungsgruppe Wahlen wird angegeben, dass die Internetnutzung mit der formalen Bildung zusammenhängt. Je höher der Schulabschluss der befragten Personen sei, desto eher liege eine Nutzung des Internets vor. Im Gegensatz zu Absolventen der Hauptschule, die mit 34 % nur eine mäßige Nutzung vorwiesen, seien es bei Menschen mit Hochschulreife 94 %. Bitkom- kann diesen Zusammenhang in ihrer Studie über die „Netzgesellschaft“ nicht in diesem Grade bestätigen. Hier geben 74 % der Befragten, die über eine Hochschulreife verfügen, an, das Internet zu nutzen. Bei Hauptschulabsolventen sind es 71 % (Bitkom 2011). Somit besteht hier kein deutlicher Zusammenhang zwischen formaler Bildung und Internetnutzung.
Befragt nach den häufigsten Onlineaktivitäten gaben 87,2 % der Befragten die E-Mail- Kommunikation an. 82,5 % der Internetuser gaben die Recherche in Suchmaschinen an. Darauf folgen Nachrichtenkonsum (69,5 %), Wetterinformation (66,6 %) und Onlineshopping (66,2 %) (Agof 2011).
Mobile Internetnutzung
Laut der aktuellen ARD-ZDF-Onlinestudie gehen im Jahre 2011 bereits 20 % der Befragten mit einem mobilen Endgerät online. Dieser Wert hat sich innerhalb weniger Jahre fast ver- doppelt. 2009 verfügten nur 11 % der Befragten über einen mobilen Internetzugang. Zwei Jahre später war es bereits jeder Fünfte. Auffallend ist dabei, dass der Anteil männlicher Nutzer überproportional höher ist als der der Frauen. Im Schnitt nutzen fast doppelt so viele Männer wie Frauen einen mobilen Internetzugang. Während im Jahre 2009 15 % der männlichen Gesamtbevölkerung mobil online gingen, waren es im Jahre 2011 schon 26 %. Bei den weiblichen Nutzern hat sich der Anteil von 8 % im Jahre 2009 auf 13 % im Jahre 2011 erhöht. Zwar ist die mobile Nutzung des Internets noch nicht so weit verbreitet wie die stationäre, jedoch hat dieser Markt ein enormes Wachstumspotenzial. Seit 2009 hat die Anzahl der mobilen Internetzugänge um fast 82 % zugenommen (ARD-ZDF 2011). Die „Go Smart“-Studie bestätigt diesen Aufholprozess des mobilen Internets. Weiterhin wird hier bis 2012 ein Wachstum um nochmals 83 Prozent prognostiziert. Das Wachstum der stationären Internetnutzung wird hingegen mit nur 39 Prozent geschätzt (Go Smart 2011).
Bezüglich des Alters der Nutzer des mobilen Internets ist festzustellen, dass rund ein Drittel der Gesamtnutzer zur Gruppe der 20- bis 29-Jährigen gehört. Die zweitgrößte Gruppe bilden mit 28 % die 14- bis 19-Jährigen. Bei den 30- bis 39-Jährigen nutzen immerhin noch 23 % das mobile Internet. Ab dem vierzigsten Lebensjahr nimmt der Anteil der Nutzung stark ab. So macht dann nur noch etwa jeder Zehnte Gebrauch vom Angebot des mobilen Internets.
Abschließend bleibt festzuhalten, dass zumindest das stationäre Internet sich zu einem Medium für jedermann entwickelt hat. Während es anfangs primär von jungen und technisch versierten Menschen genutzt wurde, wird es heute auch von der älteren Generation verwendet. Die Fortschritte der Anwendungssoftware in den Bereichen Intuition und Benutzerfreundlichkeit haben zu dieser Entwicklung maßgeblich beigetragen. Zwar ist das noch recht junge „mobile Web“ noch nicht so weit verbreitet wie das stationäre Internet, aber es kann ein enormes Wachstum vorweisen. Somit bieten beide Formen des Internetzugangs ein immenses Reichweitenpotenzial für Marketingaktivitäten.
2.1.2 Das Internet als Marketingplattform
Aus der enormen Verbreitung des stationären Internets und der rasanten Entwicklung hin- sichtlich der Nutzung des mobilen Webs ergeben sich für den Handel weitreichende Möglich- keiten und Potenziale. Die in Kapitel 2.1.1 dargelegte Verbreitung des Internets lässt nicht nur die Möglichkeiten für Handels- und Marketingaktivitäten erahnen, sondern zeigt auch, dass das Internet bei nahezu allen Bevölkerungs- und Altersschichten ein hohes Maß an Akzeptanz und Popularität genießt. Dieses Medium sollte daher intensiv als Marketingplattform genutzt werden. Die Bedeutung des Internets für den Handel ergibt sich aber nicht ausschließlich aus seiner Verbreitung, sondern auch aus seinen besonderen Eigenschaften. Gerade diese machen das neue Medium Internet zu einer Plattform für facettenreiche Marketingaktivitäten.
Onlineinformationen eines Anbieters sind rund um die Uhr abrufbar und damit zeit- unabhängig. Darüber hinaus können sie jederzeit aktualisiert und an neue Gegebenheiten an- gepasst werden. Die besondere Stärke des Internets liegt dabei auf der Individualisierungs- möglichkeit von Informationen, die eine kunden- oder kundengruppenspezifische Interaktion erlaubt. Dadurch kann sowohl eine Interaktionsbreite als auch -tiefe im Kundendialog erreicht werden, die mit den klassischen Instrumenten kaum realisierbar ist. Durch Internetkommuni- kationsmittel wie zum Beispiel E-Mail kann auf Kundenanfragen umgehend reagiert werden. Somit stellt das Internet außerdem ein sehr schnelles Kommunikationsmedium dar. Gegen- über Offlinemedien bietet das Internet eine kaum erreichte Informations- und Medien- reichhaltigkeit (Schilke/Wirtz 2010, S. 525). Eine Übersicht über die möglichen Vorteile elektronisch basierter Services im Vergleich zu den klassischen Medien vermittelt die nach- folgende Tabelle. Dabei wird zwischen Vorteilen für den Anbieter und Vorteilen für den Kunden unterschieden.
Tab. 1: Vorteile von elektronischen Services für den Anbieter und für den Kunden
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: in Anlehnung Schilke/Wirtz 2010, S. 524.
Die klassischen Marketing- und Kundenbindungsaktivitäten können in allen Bereichen, z. B. Produktpolitik, Preispolitik, Distributionspolitik und Kommunikationspolitik, durch den Ein- satz von internetbasierten Technologien erweitert werden. Hierbei sind die Internetdienste den klassischen Marketinginstrumenten nicht unterzuordnen. Sie stellen vielmehr eine Evolution des Marketings in ein neues Umfeld dar und sind als koexistenter Teilbereich des Marketing- mix anzusehen. Die Kombination der bisherigen Offlinemedien und der neuen internetbasier- ten Services kann in vierfacher Weise stattfinden (Bruhn 2002, S. 26): So ist eine Serviceer- weiterung möglich, bei der ein bereits bestehendes Angebot durch neue Dienste ergänzt wer- den kann. Eine weitere Variante ist die Serviceunterstützung, bei der ein bestehendes Offline- angebot durch Onlinemedien unterstützt wird. Durch die Innovationskraft des Internets kön- nen aber auch vollkommen neue Serviceleistungen geschaffen werden, die bis dahin nicht möglich waren und somit eine Serviceinnovation darstellen. Als letzte Möglichkeit ist die Servicesubstitution zu nennen, bei der ein klassisches Instrument der Offlinewelt durch einen neuen Dienst des Onlinemarketings ersetzt wird. Die nachfolgende Matrix bietet eine Über- sicht über die Kombinationsmöglichkeiten.
Abb. 2: Matrix der Kombinationen des klassischen Service mit E-Services
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Bruhn 2002, S. 26.
Speziell für die Kundenbindung bietet das Internet ein breites Instrumentarium, das die klassi schen Medien wie Kundenkarten, Zeitschriften oder Bonusprogramme ergänzen kann. Neben den Vorteilen in der Ausgestaltung internetbasierter Kundenbindungsinstrumente haben diese auch den Vorteil der Kostengünstigkeit. Ihr Betrieb ist in der Regel billiger als der vergleichbarer Offlinesysteme (Schilke/Wirtz 2010, S. 525). Eine Auswahl solcher Bindungsmaßnahmen, die das Internet als Plattform nutzen, wird in Kapitel 3 behandelt.
2.2 Grundlagen der Kundenbindung
2.2.1 Begriffliche Einordnung
2.2.1.1 Kundenbindung
2.2.1.1.1 Definition
In der Literatur existiert keine einheitliche Definition des Terminus ‚Kundenbindung‘, teil- weise wird der Begriff sogar widersprüchlich verwendet. Oft werden auch die Termini ‚Kun- denloyalität‘ und ‚Kundenbindung‘ synonym verwendet. Deshalb ist es für diese Arbeit zu- nächst notwendig, eine Klärung und Abgrenzung dieser Begriffe vorzunehmen. Eine geeigne- te und etablierte Definition des Begriffes ‚Kundenbindung‘ bieten Homburg/Bruhn (2010, S. 8):
„ Kundenbindung umfasst sämtliche Ma ß nahmen eines Unternehmens, die darauf abzielen, sowohl die Verhaltensabsichten als auch das tatsächliche Verhalten eines Kunden gegenüber einem Anbieter oder dessen Leistung positiv zu gestalten, um die Beziehung zu diesem Kun den für die Zukunft zu stabilisieren bzw. auszuweiten. “
Demnach wird Kundenbindung als Aufrechterhaltung bzw. Intensivierung der Beziehung eines Anbieters zu seinem Kunden verstanden. Ferner umfasst die Kundenbindung zwei Per- spektiven: eine Anbieter- und eine Nachfragerperspektive (Homburg/Bruhn 2010, S. 8). Dadurch bietet die Definition zusätzlich eine Abgrenzung zur Kundenloyalität, die lediglich die Nachfragersicht repräsentiert. Aus der eher instrumentellen Anbietersicht stellt Kunden- bindung, anders als Kundenloyalität, eine aktive Tätigkeit dar, die somit auch ein Kundenbin- dungsmanagement erfordert. Hingegen kann Kundenbindung aus Nachfragerperspektive als Zustand und als Synonym für Kundentreue betrachtet werden (Liebmann/Zentes 2001, S. 444).
Nach der oben genannten Definition lässt sich das Konstrukt Kundenbindung in zwei Verhaltensdimensionen gliedern. Sie umfasst einerseits das „faktische Verhalten“, und andererseits die „Verhaltensabsicht“ (Becker/Hentschel/Homburg 2010, S. 119f.). Bruhn (2007, S. 112) führt diese Konzeptualisierung noch weiter aus. So findet das faktische Verhalten der Kunden seine praktische Ausprägung im Wiederkaufs-, Cross-Buying-, Weiterempfehlungs- und Preiserhöhungsakzeptanzverhalten. Die Verhaltensabsicht des Nachfragers zielt auf dieselben Ausprägungen ab, beschreibt jedoch nur die Absicht, die Handlung in Zukunft vorzunehmen. Somit stellt die Nachfragersicht die strategische Grundlage der Anbietersicht hinsichtlich der Kundenbindung dar.
Abb. 3: Konstrukt der Kundenbindung
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Bruhn/Homburg 2010, S. 9.
2.2.1.1.2 Arten und Ursachen der Kundenbindung
Grundsätzlich lässt sich zwischen zwei Arten der Kundenbindung unterscheiden, und zwar zwischen der Verbundenheit und der Gebundenheit (Bliemel/Eggert 1998, S. 39). Bei ver- bundenen Kunden resultieren die Kundenbindung und die damit verbundene wiederholte In- anspruchnahme der Leistungen eines Anbieters aus der individuellen, positiven und freiwilli- gen Einstellung des Kunden gegenüber dem Anbieter. Im Gegensatz zu verbundenen Kunden geht bei gebundenen Kunden das Interesse der Geschäftsbeziehung vom Anbieter aus. Die Bindung geht daher weniger vom Wunsch des Kunden, sich an den Anbieter zu binden, aus als vielmehr aus der Notwendigkeit einer solchen Bindung. Vereinfachend gesagt besteht eine Bindung seitens des Kunden aus zwei Gründen: Der Kunde bleibt, weil er es will oder weil er es muss (Johnson 1982, S. 52f.). Bagusat (2006, S. 83) führt als Bindungsursachen der un- freiwilligen Kundenbindung vier Faktoren, die auch als Wechselbarrieren fungieren, auf:
Situative Bindungsursachen
Situative Ursachen stellen eine typische Form der Gebundenheit dar. Der Kunde ist dabei primär unfreiwillig an den Anbieter gebunden. Ein bzw. der Grund hierfür kann zum Beispiel der günstige Standort eines Anbieters sein, sodass der Kunde diesen Anbieter entweder aus Bequemlichkeit oder mangels Alternativen anderen Anbietern vorzieht.
Vertragliche Bindungsursachen
Eine weitere Form der Gebundenheit stellen vertragliche Bindungsursachen dar. Diese beste- hen vor allem dann, wenn der Kunde durch eine vertragliche Verpflichtung gebunden ist und den Anbieter nicht wechseln kann. Dies ist z. B. häufig bei Mobilfunkverträgen der Fall.
Ö konomische Bindungsursachen
Von ökonomischen Bindungsursachen spricht man, wenn die Beendigung der Geschäfts- beziehung für eine Seite der Beteiligten finanziell nachteilig ist. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn die Wechselkosten als zu hoch empfunden werden und deshalb ein Verbleib beim aktuellen Anbieter präferiert wird. Diese Wechselkosten können z. B. aus Suchkosten nach einem alternativen Anbieter oder aus Opportunitätskosten bestehen. Im Falle eines Anbieter- wechsels würden dann dem Kunden gewährte Vergünstigungen in Form von Preisnachlässen oder Bonusprogrammen entfallen.
Technisch-funktionale Bindungsursachen
Aus Sicht des Kunden kann ein Anbieterwechsel in vielerlei Hinsicht problematisch sein. Ist der Wechsel mit technischen Komplikationen wie zum Beispiel Kompatibilitätsproblemen von Informationstechnologien verbunden, spricht man von einer technisch-funktionalen Bin- dung.
In Bezug auf die Verbundenheit sind nach Diller mehrere Faktoren, die zur freiwilligen Kundenbindung führen, zu nennen (Diller 1996, S. 87 ff.; Poggiolini 2009, S. 181 f.):
Involvement
Als Involvement bezeichnet man die Motivation des Kunden, eine Bindung einzugehen. Da- bei kann je nach der Intensität dieser Motivation zwischen High Involvement und Low Invol- vement unterschieden werden. Es gilt: Je höher das Involvement, desto größer ist die Chance, dass sich eine Kundenbindung ergibt. Da Involvement weder personen- noch produktbe schränkt ist, sondern vom Anbieter beeinflusst werden kann, stellt die Erhöhung des Involve ments eine Möglichkeit zur Verbesserung der Kundenbindung dar.
Commitment
Commitment beschreibt eine innere Verpflichtung des Kunden gegenüber einem Anbieter. Sie kann zum Beispiel aus dem Gefühl der Dankbarkeit oder Sympathie entstehen. Eine solche innere Verpflichtung kann sich, basierend auf dem Wunsch nach langfristig stabilen Bezie- hungen, als Form der Loyalität ausbilden. Für die Ausprägung von Commitment ist eine kon- tinuierliche Beziehungspflege notwendig. Außerdem muss die Beziehung des Kunden zum Anbieter als bedeutsam empfunden werden. Ohne diesen Aspekt ist ein Zustandekommen von Commitment nicht möglich.
Vertrauen
Unter Vertrauen ist eine zukunftsgerichtete und wertende Haltung des Kunden gegenüber seinem Anbieter, bei der die Einstellung des Kunden von seiner Einschätzung der Zuverlässigkeit und Kompetenz seines Vertragspartners abhängt, zu verstehen. Vertrauen stellt Harmonie und Stabilität in zwischenmenschlichen Beziehungen her, da es durch einen Echoeffekt selbst wiederum Vertrauen bewirkt (Diller 1996, S. 89).
Zufriedenheit
Zufriedenheit ist eine emotionale Haltung, die auf der Reaktion eines Soll-Ist-Vergleichs ba- siert. Dabei bildet die Erwartungshaltung des Kunden die Messlatte für die zu erbringende Leistung des Anbieters. Wird diese Erwartung vom Anbieter übertroffen, so äußert sich das in einer positiven Reaktion des Kunden, die wiederum zur Zufriedenheit führt. Kunden- zufriedenheit wird in der Literatur häufig als Hauptdeterminante der Kundenbindung angese- hen.
Die freiwilligen bzw. unfreiwilligen Ursachen für die Kundenbindung können auch als emoti- onale und rationale Kundenbindungsursachen gesehen werden (Töpfer 2008, S. 92; Bagusat 2006, S. 82). Man unterscheidet dementsprechend zwischen der rationalen und der emotiona- len Kundenbindung. Inhaltlich entspricht das den Dimensionen Gebundenheit bzw. Verbun- denheit der Kundenbindung. Das folgende Schema soll diese Beziehungen verdeutlichen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 4: Schema der Bindungsursachen und der Bindungsarten
Quelle: in Anlehnung an Töpfer 2008, S. 92.
Abschließend ist zu erwähnen, dass die Ursachen, die zur Kundenbindung führen, in der Literatur unterschiedlich diskutiert werden. Dies mag zum einen daran liegen, dass für die oben genannten Begriffe keine einheitlichen Definitionen existieren, zum anderen werden in empirischen Studien Faktoren identifiziert, die bisher keine Berücksichtigung gefunden haben. Insofern bilden die oben genannten Ursachen der Kundenbindung eine weitverbreitete und weitestgehend etablierte Basis für die Erklärung der Kundenbindung. Dennoch erheben die hier aufgeführten Ursachen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
2.2.1.2 Kundenloyalität
Wie in Kapitel 2.2.1.1.1 erwähnt wurde, werden die Termini ‚Kundenloyalität‘ und ‚Kunden- bindung‘ oft synonym verwendet. Deshalb ist es für die vorliegende Arbeit notwendig, beide Begriffe möglichst klar voneinander abzugrenzen. Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass die Kundenloyalität - in der Literatur oft auch als Treue bezeichnet - jedoch nur ein Teil des definitorischen Konstrukts der Kundenbindung ist. Während die Kundenbindung beide Per- spektiven, d. h. die Nachfrager- und Anbietersicht, beinhaltet, beschreibt die Loyalität ledig- lich die Nachfragerperspektive der Kundenbindung. Sie umfasst damit die innere, freiwillige und positive Einstellung des Kunden zum Wiederkaufs-, Cross-Buying-, Weiterempfehlungs- und Preiserhöhungsakzeptanzverhalten. Die Abgrenzung zur Kundenbindung muss auch in der Hinsicht stattfinden, dass sich zwar Kundenbindung aufgrund von Wechselbarrieren (vgl. Kapitel 2.2.1.1.2) einstellen kann, nicht jedoch Kundenloyalität auf der Grundlage einer per definitionem freiwilligen Bindung. Während Loyalität früher als rein verhaltensbasiert defi- niert wurde, ist man in den 1970er-Jahren dazu übergegangen, diese Definition um eine ab- sichtsbezogene Dimension zu erweitern (z. B. Chestnut/Jacoby 1978, S. 80f.). Dieser Entwicklung folgend und in Anlehnung an die Definition der Kundenbindung als „erweiterte Kundentreue“ von Homburg/Bruhn wird Kundenloyalität für die vorliegende Arbeit definiert als „(…) a customer ‘ s favorable attitude toward the retailer that results in repeat buying be haviour “ (Anderson/Ponnavolu/Srinivasan 2002, S. 42).
2.2.1.3 Kundenzufriedenheit
Da die Kundenzufriedenheit allgemein als eine der zentralen Determinanten der Kunden- loyalität und somit auch der Kundenbindung erachtet wird (Becker/Hentschel/Homburg 2010, S. 124 ff.; Lentz/Woisetschläger 2008, S. 217 ff.), finden sich in der Literatur zahlreiche Bei- spiele zur Konzeptualisierung und Erklärung der Kundenzufriedenheit. Breiten Konsens fin- den diese Ansätze in der Annahme, dass die Kundenzufriedenheit das Ergebnis eines Soll-Ist- Vergleichs ist. So kann nach Homburg/Stock-Homburg (2006, S. 20) Kundenzufriedenheit als das Resultat eines komplexen psychischen Vergleichsprozesses verstanden werden, wobei die Zufriedenheit des Kunden durch die Übererfüllung seiner Erwartungen seitens des Anbieters hervorgerufen wird. Um einen umfassenderen Einblick in das Zustandekommen der Kunden- zufriedenheit zu vermitteln, wird im Folgenden der weitverbreitete Ansatz des Confirmati- on/Disconfirmation-Paradigmas vorgestellt.
Confirmation/Disconfirmation-Paradigma
Das Confirmation/Disconfirmation-Paradigma, auch C/D-Paradigma genannt, erklärt das Ent- stehen von Zufriedenheit bzw. Unzufriedenheit als Prozess eines Soll-Ist-Vergleichs innerhalb eines Erlebnisverarbeitungsprozesses seitens des Kunden. Dabei dient die Erwartungshaltung (Sollleistung) als Messlatte für die erbrachte Istleistung. Je nachdem, ob die Erwar- tungshaltung des Kunden von dieser Leistung über- oder unterboten wird, stellt sich entweder Zufriedenheit oder Unzufriedenheit beim Kunden ein. Im Gegensatz zur Loyalität, die vor- rangig den Ausdruck des Bindungswillens aus der Perspektive des Kunden darstellt, ist die Zufriedenheit nicht nur vom Werturteil des Kunden abhängig, sondern sie kann auch vom Anbieter einer Dienstleistung oder eines Produktes unmittelbar beeinflusst werden. Damit stellt die Kundenzufriedenheit eine vom Anbieter direkt steuerbare Einflussgröße auf die Kundenbindung dar. Um das Entstehen der Kundenzufriedenheit besser zu verdeutlichen, wird im Folgenden das Konstrukt des Confirmation/Disconfirmation-Paradigmas und seiner Komponenten näher betrachtet.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 5: Das Confirmation/Disconfirmation-Paradigma
Quelle: Liebmann/Zentes 2001, S. 437.
Die Sollleistung, die auch als Vergleichsstandard bezeichnet wird, stellt die Erwartungshaltung des Kunden gegenüber einem Produkt, einer Dienstleistung oder auch gegenüber einem Anbieter dar. Dabei ist das Erwartungsniveau nicht objektiv, sondern es kann von Kunde zu Kunde individuell variieren und ist von vielen Faktoren abhängig. Sauerwein nennt als wichtigste Größe in diesem Zusammenhang die bereits vom Kunden gemachten Erfahrungen (Sauerwein, 2000, S. 9). Weiterhin spielen die persönlichen Bedürfnisse sowie die direkte und indirekte Kommunikation über die Unternehmensleistung eine Rolle bei der Erwartungsbildung der Konsumenten (Scharnbacher/Kiefer 2003, S. 8).
Dem steht die wahrgenommene Leistung, die auch als Istleistung bezeichnet wird, gegenüber. Diese ist, wie auch die Sollleistung, jeweils individuell charakterisiert. So verschieden die Erwartungshaltung von Kunden sein kann, so verschieden kann auch die Wahrnehmung bezüglich der vom Anbieter erbrachten Leistung sein. So ist es durchaus möglich, dass ein und dieselbe Leistung eines Anbieters von verschiedenen Kunden anders bewertet wird (Homburg/Stock-Homburg 2006, S. 21f.).
Ausgehend vom Vergleich dieser beiden Ist- und Sollkomponenten ergeben sich für die mög- lichen Ausprägungen der Kundenzufriedenheit drei Zustände: Zufriedenheit, Unzufriedenheit, Indifferenz.
Entspricht die Wahrnehmung der erbrachten Leistung der zugrunde gelegten Sollleistung, so spricht man von Bestätigung (Confirmation) (Becker/Hentschel/Homburg 2010, S. 114). Die- se mag zwar zunächst für Zufriedenheit sorgen, was jedoch die zukünftige Loyalität zum Anbieter angeht, so stellt sich im Laufe der Zeit oft eine indifferente Haltung ein. Der Kunde ist dann nicht unzufrieden, aber er ist auch nicht vollkommen zufrieden, denn er hat nur die Leistung erhalten, die er erwartet hat.
Übertrifft hingegen der Anbieter die Erwartungshaltung seines Kunden, führt dies zu positiver Disconfirmation und zu echter und dauerhafter Zufriedenheit. Dies macht den Kunden zu einem überzeugten und loyalen Kunden, was schließlich zum wiederholten Kauf und zur Kundenbindung führen kann.
Wird die Sollleistung des Kunden jedoch nicht durch die wahrgenommene Leistung gedeckt, ist also die Sollkomponente größer als die Istkomponente, dann spricht man von negativer Disconfirmation. Diese führt dann zu Unzufriedenheit. Dabei besteht das Risiko, dass diese Unzufriedenheit zur Abwanderung, Beschwerde oder zu negativer Mundpropaganda führt. Diese Unzufriedenheit ist insofern ein hoher Risikofaktor, als Untersuchungen gezeigt haben, dass unzufriedene Kunden ihre Erfahrungen im Durchschnitt viel öfter anderen mitteilen als zufriedene Kunden. Scharnbacher/Kiefer (2003, S. 16; Krafft 1999, S. 519) geben an, dass unzufriedene Kunden ihre Erfahrung im Durchschnitt neun Personen mitteilen, während zu- friedene Kunden dies nur mit drei Personen kommunizieren. Insofern besteht die Gefahr, nicht nur einen Kunden enttäuscht zu haben, sondern gleichzeitig auch für eine größere Grup- pe unattraktiv geworden zu sein.
2.2.2 Zusammenhang von Kundenzufriedenheit und Kundenbindung
Wie bereits erwähnt wurde, geht die Zufriedenheitsforschung davon aus, dass zwischen Kundenzufriedenheit und Kundenbindung ein Zusammenhang besteht. Auch wenn die Termini ‚Kundenbindung‘ und ‚Loyalität‘ nicht synonym verwendet werden können, so besteht dennoch eine enge Verflechtung dieser beiden Begriffe. Im Falle der Nachfragersicht bezüglich der Kundenbindung werden diese Begriffe sogar gleichbedeutend verwendet. Aufgrund dessen kann der im Folgenden beschriebene Zusammenhang von Zufriedenheit und Loyalität auch auf die Kundenbindung übertragen werden.
Während eine Studie von Reichheld (1993, S. 71) zeigt, dass Kundenzufriedenheit anschei- nend keinen Beitrag zur Kundenbindung leistet, wird in der Zufriedenheitsforschung mit brei- tem Konsens ein positiver, kausaler Zusammenhang gesehen. Die Studie von Reichheld be- legt, dass zwischen 65 und 85 Prozent der von einem Anbieter abgewanderten Kunden zufrie- dene Kunden sind. Den Ergebnissen von Reichheld zum Zusammenhang zwischen der Zufriedenheit und Kundenbindung steht jedoch die in der Theorie etablierte und empirisch oftmals gesicherte Meinung, dass hier ein positiver Zusammenhang besteht, gegenüber (z. B. Olsen 2002, S. 246). Diese Sichtweise wird auch in der vorliegenden Arbeit zugrunde gelegt und dient als Voraussetzung für die Argumentation.
Neben der Frage nach der Art des Zusammenhangs stellt sich auch die Frage nach der Form dieses Zusammenhangs. Während man sich bezüglich der positiven Korrelation beider Begrif- fe weitestgehend einig ist, herrschen bei der Form dieses Zusammenhangs verschiedene und konkurrierende Ansätze (Becker/Hentschel/Homburg 2010, S. 124ff.). Im Rahmen empiri- scher Studien konnten abweichende Funktionsverläufe zur Beschreibung dieses Zusammen- hangs nachgewiesen werden. Im Folgenden soll ein Überblick über ausgewählte Formen des funktionellen Zusammenhangs und der jeweils zugrunde liegenden Studien gegeben werden.
Bereits 1992 konnten Oliva/Oliver/MacMillan (1992, S. 90) empirisch einen sattelförmigen Funktionsverlauf zwischen der Kundenzufriedenheit und der der Kundenbindung vorangehen- den Loyalität nachweisen. Es wurde weiterhin eine Indifferenzzone bei dem Zusammenhang festgestellt, d. h., die Kunden reagieren, wie im Rahmen des C/D-Paradigmas erläutert wurde, mit Gleichgültigkeit, wenn ihre Erwartungen nur gerade bestätigt werden. Echte Zufriedenheit hingegen entsteht bei einer Übererfüllung des Vergleichsstandards durch die Sollleistung. Erst bei einer deutlichen Übererfüllung dieser Erwartungshaltung führt die Kundenzufriedenheit auch zur Kundenloyalität. In diesem Bereich wurde eine exponentielle Kurvensteigung fest- gestellt. Eine nur geringe Übererfüllung des Sollzustands wird hingegen von den Kunden kaum honoriert.
Einen anderen Zusammenhang haben Herrmann/Johnson (1999, S. 595) beobachtet. Ihrer Untersuchung zufolge beschreibt der Funktionsverlauf eine S-Form. Dabei ergibt sich ein deutlicher Unterschied zu den Vertretern des sattelförmigen Verlaufs. So ist der Zusammen- hang zwischen Zufriedenheit und Loyalität insbesondere im Bereich der mittleren Zufrieden- heit besonders stark ausgeprägt, während Oliva/Oliver/MacMillan hier einen Indifferenz- bereich ausgemacht haben. Im Bereich der starken Zufriedenheit der Kunden setzt eine Art Sättigungseffekt ein, sodass die Loyalität im Verhältnis zur Zufriedenheit nur unterproportio- nal zunimmt.
Eine weitere Form des Zusammenhangs haben Dixon/Freeman/Toman (2010, S. 39) fest- stellen können. In ihrer Studie wurde ein degressiver Funktionsverlauf nachgewiesen. Dem- nach nimmt die Loyalität mit ansteigender Zufriedenheit zu, dies gilt insbesondere für den unteren und mittleren Bereich der Zufriedenheit. Erst bei Erreichen einer bestimmten Schwel- le setzt ein Sättigungseffekt ein und die Loyalität als Kundenreaktion auf steigende Zufriedenheit stellt sich kaum mehr ein.
Demgegenüber konnten Mittal/Kamakura (2001, S. 138 f.) empirisch einen progressiven Zu- sammenhang beobachten. Ihrer Studie nach steigt die Kundenloyalität in exponentieller Form mit der Kundenzufriedenheit. So führt ein Mehr an Zufriedenheit zu immer stärkerem Loyali- tätszuwachs.
Auch wenn die Untersuchungen zur Form des Zusammenhangs oft zu verschiedenen Ergeb- nissen kommen, so ist der positive Zusammenhang von Kundenzufriedenheit und Kunden- bindung generell unbestritten. Die unterschiedlichen Ergebnisse können möglicherweise dadurch erklärt werden, dass die Untersuchungen zwar zum selben Gegenstand durchgeführt wurden, jedoch nicht immer in den gleichen Branchen. Es ist also möglicherweise von einem branchenspezifischen Zusammenhang auszugehen. Hierbei sollte jedoch angemerkt werden, dass nicht jeder zufriedene Kunde auch stets ein loyaler Kunde wird. Wie eingangs erwähnt wurde, kann auch die Abwanderung von zufriedenen Kunden beobachtet werden. Aufgrund der zahlreichen Forschungsergebnisse jedoch wird deutlich, dass die Zufriedenstellung eines Kunden eine zentrale Determinante darstellt, die für die allgemeine Ausprägung der Loyalität von größter Wichtigkeit ist.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 6: Übersicht möglicher Zusammenhänge zwischen Kundenzufriedenheit und Kundenbindung
Quelle: in Anlehnung an Homburg/Bucerius 2006, S. 60; vgl. Becker/Hentschel/Homburg 2010, S. 130.
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- Alexej Drobyschev (Author), 2012, Internetbasierte Kundenbindungsinstrumente. Analyse der Potenziale und Entwicklungstendenzen für Handelsunternehmen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/195017
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