Gertrud von Andechs-Meranien, Königin von Ungarn 1205-1213


Hausarbeit, 2012

18 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung: Der Mord

2. Der verwandtschaftliche Hintergrund
2.1 Die Andechs-Meranier
2.2 Die Arpaden-Dynastie

3. Die Machtverhältnisse in Ungarn

4. Die Darstellung Gertruds in den Chroniken

5. Die möglichen Motive für den Mord
5.1 Günstlingswirtschaft
5.2 Anti-deutsche Haltung des Umfeldes
5.3 Die Sündenbock-Theorie

6. Fazit

7. Literaturverzeichnis

1. Einleitung: Der Mord

Am 28. September 1213 ereignete sich im Wald von Pilis in der Nähe von Bu- dapest ein tragisches Verbrechen: Die ungarische Königin Gertrud wurde vor den Augen ihres Gefolges von aufständischen ungarischen Adeligen ermordet. Welche Umstände führten zu ihrem Tod? Im Folgenden soll versucht werden, Gertruds kurzes Leben und Wirken zu umreißen und gleichzeitig einzuordnen in den Kontext der zum Zeitpunkt ihres Todes noch relativ jungen Geschichte Ungarns. Der Schwerpunkt liegt dabei auf dem Aspekt der Herrschaftsbeteili- gung Gertruds und der Rollenverteilung innerhalb ihrer Bündnisheirat mit Andreas II. In diesem Hinblick verdient der verwandtschaftliche Hintergrund Beider ebenfalls besondere Beachtung.

Zunächst wird daher die Herkunft Gertruds und die Bedeutung des Hauses Andechs-Meranien am Ende des 12. Jahrhunderts beleuchtet. Die Verflechtun- gen der Adelshäuser durch Heirat untereinander zeigen sich dann auch am Bei- spiel der Arpadendynastie in Ungarn, einem Land, das zum damaligen Zeit- punkt dreimal so groß war wie heute und in Teilen noch von Nomadenvölkern besiedelt wurde. Die geografische Lage zwischen dem römisch-deutschen und dem byzantinischen Reich lässt schon darauf schließen, dass hier Kulturen auf- einander prallten und Konflikte vorprogrammiert waren. Aber auch die inter- nen Kämpfe um den ungarischen Thron geben Aufschluss über die teilweise schwierigen Machtverhältnisse in Ungarn, wo Primogenitur nicht selbstver- ständlich war. Immer wiederkehrende Kämpfe um die Königskrone durchzie- hen die Generationen der mittelalterlichen Geschichte Ungarns. Dabei waren die jeweils miteinander konkurrierenden Protagonisten in der Wahl ihrer Me- thoden nicht zimperlich: Blendung des Gegenspielers oder dessen Hungertod im Gefängnis erschienen im ungarischen Mittelalter als probate Mittel, um den Königsthron zu erlangen.

Ein Blick auf die Darstellung Gertruds in den Chroniken erlaubt Rückschlüsse auf die allgemeine Darstellung von Frauen in der mittelalterlichen Welt. Der Herkunft der Quellen und ihrer Verfasser kommt in diesem Falle eine besonde- re Bedeutung zu. Gerade die Darstellung der „fremden“ Königin Gertrud in ungarischen Werken ist von negativen Eigenschaften geprägt und wirkt in Ungarn bis heute nach. Hier wurde buchstäblich „Geschichte geschrieben“. Auf der Suche nach plausiblen Erklärungen für den brutalen Mord an einer Königin wurde sie von den ungarischen Chronisten im Laufe der Zeit zur bösen Figur abgestempelt, deren Ermordung durch ihr eigenes Verschulden als beinahe gerechtfertigt erscheinen sollte.

Lässt sich in diesen ungarischen Werken also ein mögliches Motiv für den Mord herausarbeiten? Um diese Frage beantworten zu können, sollen drei zentrale Punkte näher untersucht werden, die in den Berichten und Chroniken immer wiederkehren: zum einen die Günstlingswirtschaft, die Gertrud zum Vorwurf gemacht wurde, zum anderen eine fremdenfeindliche Haltung des Umfelds. Als dritter Punkt soll die Sündenbock-Theorie näher ausgeführt werden, die der ungarische Historiker Janós Bak im Zusammenhang mit den angeheirateten Königinnen in Ungarn aufgestellt hat.

In einem Fazit sollen abschließend alle Argumente zusammengeführt werden. Der Ausblick auf die Ereignisse und die Entwicklungen nach Gertruds Tod bilden den Abschluss.

2. Der verwandtschaftliche Hintergrund

2.1. Die Andechs-Meranier

Die Andechs-Meranier zählen als eine der bedeutendsten und mächtigsten Adelsfamilien des römisch-deutschen Reiches im Hochmittelalter. Sie sind „die historischen Idealtypen einer engen und dichten adligen Führungs- schicht“1.

Zunächst rund um Dießen und Andechs ansässig, weiteten sie ihr Besitztum auf das Land zwischen Ammersee im Westen, Starnberger See im Osten und Karwendel mit Seefeld im Süden aus. Sie beherrschten wichtige Straßen nach Mitteldeutschland, saßen in bedeutenden Gebieten der Alpen und kontrollierten unter anderem den Brenner, den wichtigen Übergang über die Alpen und Zu- gangstor nach Italien und Rom. Neben ihren Besitztümern in Südbayern zählte aber auch fast ganz Oberfranken im Großraum Bamberg, Coburg, Hof und Bayreuth zu ihrem Herrschaftsgebiet.

Gertruds Vater, Berthold IV. von Andechs-Meranien, war eine wichtige Stütze des staufischen Königtums und ein treuer Anhänger von Friedrich I. Barbarossa, der ihm 1180 den Titel „Herzog von Dalmatien und Kroatien“ übertrug. Graf von Istrien war er bereits seit 1173. Beim Kreuzzug Barbarossas im Jahr 1190, bei dem auch Richard Löwenherz und Philipp II. August von Frankreich teilnahmen, führte Berthold dann einen der vier Heereszüge an.

Die Wichtigkeit der Sicherung der südlichen und südöstlichen Grenzregionen, die Barbarossa Berthold IV. mit der Verleihung des Herzog- und Grafentitels übertragen hatte, erklärt sich zum einen aus der schon oben angeführten strate- gischen Lage des Gebietes, zum anderen aus der Nähe zu Ungarn, das als östli- ches Bollwerk Europas2 galt und quasi die Pufferzone des westlichen Christen- tums darstellte.

Die Mittel, mit denen die Andechs-Meranier sich Macht und Einfluss ver- schafften, sind die typischen Erfolgsfaktoren des Adels im Hochmittelalter: Erwerb von Besitz und Rechten, Aneignung von prestigefördernden Titeln und das Knüpfen von verwandtschaftlichen Bindungen zu anderen europäischen Fürsten- und Königshäusern durch Heirat. Berthold IV. ließ genau diese Fakto- ren für sich wirken und schmiedete für seine Kinder hochrangige Heiratsver- bindungen. So wurde für seine Tochter Gertrud schon in früher Kindheit - vermutlich Anfang der 1190er Jahre - eine Heirat mit Andreas, dem zweitältes- ten Sohn des ungarischen Königs Bela III. aus der Arpaden-Dynastie ausge- handelt. Ungarn war zu diesem Zeitpunkt eines der reichsten Länder des Hochmittelalters und flächenmäßig ungefähr dreimal so groß wie das neuzeitli- che Ungarn.

Über ihre zahlreichen Geschwister, die alle entweder wichtige Heiratsverbin- dungen eingingen oder hohe kirchliche Ämter besetzten, war Gertrud in einem verwandtschaftlichen Beziehungsgeflecht weitreichend vernetzt. Ihr Bruder Otto I., der seinem Vater nach dessen Tod 1204 als Graf von Andechs und Herzog von Meranien nachfolgte, war mit Beatrix von Burgund verheiratet, einer Enkelin Friedrich Barbarossas. Dies brachte ihm ab 1211 die Pfalzgraf- schaft von Burgund ein. Gertruds Schwester Hedwig, die später heiliggespro- chen wurde, war mit Heinrich I. von Schlesien verheiratet. Ihre Schwester Ag- nes wurde die Gemahlin Philipp II. August von Frankreich. Drei ihrer Ge- schwister wählten eine kirchliche Laufbahn: Mechthild war Äbtissin in Kitzin- gen. Ekbert wurde 1203 zum Bischof von Bamberg gewählt. Berthold begleite- te seine Schwester nach Ungarn und wurde dort zum Bischof von Kalocza be- rufen. Er blieb auch nach dem Mord an Gertrud in Ungarn, bis er dann 1218 von Papst Honorius III. zum Patriarchen von Aquileja ernannt wurde und die- ses Amt bis zu seinem Tode 1251 ausfüllte.

Gertruds Verheiratung mit Andreas war somit ein weiteres Mosaiksteinchen im vielfältigen Beziehungsgefüge staufischer Machtpolitik. Es ist anzunehmen, dass sie nicht unvorbereitet ihre Rolle als „strategisches Pfand für die Zuverlässigkeit zwischen dem deutschen König und Andreas II.“3 angetreten hat. Dafür war Ungarn geografisch viel zu wichtig.

2.2. Die Arpaden-Dynastie

Die Arpaden-Dynastie geht zurück auf den Namensgeber König Arpad († 895) und währte bis zum Tod von König Andreas III. 1301. Unter Arpads Urenkel Geyza siedelten sich die Ungarn ab 972 nach der Niederlage in der Schlacht auf dem Lechfeld 955 im Karpatenbecken an. Um die Bindung an den Westen zu vertiefen, aber auch aus Furcht vor einem byzantinischen Übergreifen, setz- te eine Christianisierung ein, in deren Folge sich Geyza und tausende Ungarn aus der Oberschicht taufen ließen4. Geyza gelang ein weiterer Coup, als er für seinen Sohn Stephan die Heirat mit Gisela, der Tochter des bayerischen Her- zogs Heinrich dem Zänker, arrangierte. Der Grundstein für eine enge Bindung an den Westen war gelegt und Gisela wurde an der Seite Stephans I. die erste christliche Königin Ungarns. Bei ihrer Krönung um das Jahr 1000 anerkannte König Stephan Gisela „als Gefährtin im Tragen der Krone“5.

Die Heiratspolitik der Arpadenkönige wurde in den nächsten Generationen strategisch weitergeführt: Zwischen 1000 und 1250 kam die Hälfte der bekann- ten - also in den Quellen verzeichneten - Königinnen aus Ländern westlich von Ungarn, die andere Hälfte stammte aus Ländern östlich von Ungarn (Po- len, Serbien, Kiever Rus, Byzanz). Die soziale und politische Kluft zwischen dem Königshaus und den ungarischen Adeligen war scheinbar so groß, dass Verbindungen mit ausländischen Herrscherhäusern bevorzugt wurden6. Ande- rerseits war eine Heirat immer auch eine strategische Bündniszusage, die bei- den Seiten Vorteile einbringen sollte. Eine Königin aus einer ungarischen Magnatenfamilie hätte die Gefahr einer zu großen Nähe einer einzigen Familie zum Thron bedeutet7, was unweigerlich zu Rivalitäten und Streitigkeiten um Macht und Einfluß bei Hofe geführt hätte8. Durch ihre Verheiratung mit aus- ländischen Prinzessinnen lösten die ungarischen Könige also gleich mehrere brisante Angelegenheiten auf einen Schlag.

[...]


1 Wolfgang Schüle: Tod einer Königin. 2009: S. 49.

2 Ebd.: S. 8.

3 Wolfgang Schüle: Tod einer Königin. 2009: S. 65.

4 Wolfgang Schüle: Tod einer Königin. 2009: S. 10.

5 Ebd.: S. 10, zit. nach: Rerum Ungaricum Monumenta Arpadiana, p.145.

6 Janos Bak: Roles and Functions of Queens in Arpadian and Angevin Hungary. 1998: S. 13.

7 Janos Bak: Queens as Scapegoats in Medieval Hungary. 2002: S. 228.

8 Wolfgang Schüle: Tod einer Königin. 2009: S. 120.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Gertrud von Andechs-Meranien, Königin von Ungarn 1205-1213
Hochschule
FernUniversität Hagen
Note
2,3
Autor
Jahr
2012
Seiten
18
Katalognummer
V194938
ISBN (eBook)
9783656202950
ISBN (Buch)
9783656205319
Dateigröße
472 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
gertrud, andechs-meranien, königin, ungarn
Arbeit zitieren
Andrea Discher-Bayer (Autor:in), 2012, Gertrud von Andechs-Meranien, Königin von Ungarn 1205-1213, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/194938

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